Epileptische Anfälle können für Betroffene und Zeugen beängstigend sein. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über Epilepsie, verschiedene Arten von Anfällen und vor allem, wie man in einer solchen Situation am besten hilft. Ziel ist es, Unsicherheiten zu beseitigen und klare Handlungsanweisungen zu geben, damit jeder im Notfall richtig reagieren kann.
Was ist Epilepsie?
Epilepsie ist eine chronische Erkrankung des zentralen Nervensystems, die durch wiederholte epileptische Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch eine vorübergehende Überaktivität von Nervenzellen im Gehirn, die zu Funktionsstörungen führen kann.
Dr. Rakicky erklärt: „Eine Epilepsie entsteht durch Hirnveränderungen, bei denen die elektrische Erregbarkeit erhöht ist. Ihre Ursache ist vielfältig, aber oft nicht eindeutig. Die Erscheinungsformen einer Epilepsie variieren je nach Ursprungsort im Gehirn. Sie reichen von wenigen Sekunden andauernden Aussetzern, sogenannte Absencen, über Zuckungen einer Extremität bis hin zu komplexen Bewegungs- und Bewusstseinseinschränkungen."
Statistiken zeigen, dass bis zu 10% der Menschen bis zum 80. Lebensjahr einen epileptischen Anfall erleiden. Allerdings bedeutet ein einzelner Anfall nicht zwangsläufig, dass eine Epilepsie vorliegt. Etwa 1% der Deutschen haben eine aktive Epilepsie. Die Diagnose hängt von der Wahrscheinlichkeit weiterer Anfälle ab.
Ursachen und Auslöser
Die Ursachen für Epilepsie sind vielfältig und oft nicht vollständig geklärt. Es gibt jedoch einige bekannte Faktoren, die eine Rolle spielen können:
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- Genetische Veranlagung: In vielen Fällen tritt Epilepsie familiär gehäuft auf.
- Hirnschäden: Unfälle, Verletzungen oder Veränderungen der Gehirnstruktur können Anfälle auslösen.
- Akute Erkrankungen: Fieberkrämpfe bei Kindern oder andere akute Erkrankungen können zu Gelegenheitsanfällen führen.
Epileptische Anfälle können plötzlich auftreten, aber es gibt auch bestimmte Auslöser, die Anfälle provozieren können:
- Schlafmangel
- Unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus
- Stress
- Fieber
- Alkohol und Drogen
- Flackerndes Licht
Symptome eines epileptischen Anfalls
Die Symptome eines epileptischen Anfalls können sehr unterschiedlich sein, abhängig von der Art des Anfalls und dem betroffenen Bereich im Gehirn. Einige häufige Symptome sind:
- Bewusstseinsveränderungen: Von kurzer Abwesenheit (Absence) bis hin zu Bewusstlosigkeit.
- Wahrnehmungsstörungen: Sehstörungen, Geschmacks- und Geruchshalluzinationen.
- Schwindelgefühle
- Übelkeit und Unwohlsein
- Muskelzuckungen und Krämpfe
- Unwillkürliche Laute
Einem Anfall kann eine sogenannte Aura vorausgehen, die sich durch Wahrnehmungsstörungen, Halluzinationen oder Schwindelgefühle äußern kann.
Klassifikation epileptischer Anfälle
Die Internationale Liga gegen Epilepsie (ILAE) hat ein Klassifikationssystem entwickelt, um die verschiedenen Anfallsformen zu ordnen. Grundsätzlich wird unterschieden zwischen:
- Fokalen Anfällen: Beginnen in einer Hirnhälfte.
- Generalisierten Anfällen: Betreffen beide Hirnhälften von Anfang an.
- Anfällen mit unbekanntem Beginn: Wenn der Beginn nicht bekannt ist.
Fokale Anfälle
Fokale Anfälle werden danach unterschieden, ob der Betroffene bei Bewusstsein ist oder nicht. Außerdem werden sie nach ihrem anfänglichen Erscheinungsbild klassifiziert:
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- Motorischer Beginn: Muskelaktivitäten wie Zuckungen, Krämpfe oder Muskelerschlaffung.
- Nicht-motorischer Beginn: Symptome wie Innehalten, kognitive Einschränkungen, emotionale Veränderungen, autonome Reaktionen oder sensible/sensorische Störungen.
Generalisierte Anfälle
Generalisierte Anfälle werden nie bewusst erlebt. Sie werden nach ihren motorischen und nicht-motorischen Symptomen beschrieben:
- Motorische Symptome: Tonische, klonische oder myoklonische Muskelaktivitäten, Atonie oder epileptische Spasmen.
- Nicht-motorische Symptome: Absencen, die typischerweise eher bei Kindern auftreten.
Was tun bei einem epileptischen Anfall? - Erste Hilfe
Wenn man Zeuge eines epileptischen Anfalls wird, ist es wichtig, ruhig zu bleiben und besonnen zu handeln. Die meisten Anfälle sind nicht gefährlich und dauern nur wenige Minuten. Hier sind die wichtigsten Schritte zur Ersten Hilfe:
Allgemeine Maßnahmen
- Ruhe bewahren: Ein Anfall kann beängstigend aussehen, aber es ist wichtig, ruhig zu bleiben.
- Person nicht allein lassen: Bleiben Sie bei der Person, bis der Anfall vorbei ist und sie wieder vollständig orientiert ist.
- Vor Verletzungen schützen: Sorgen Sie dafür, dass die Person sich nicht verletzen kann. Entfernen Sie gefährliche Gegenstände aus der Umgebung und polstern Sie den Kopf ab.
- Atemwege freihalten: Lockern Sie enge Kleidung am Hals und achten Sie darauf, dass die Atemwege frei sind. Nach dem Anfall überprüfen Sie die Atemwege.
- Auf die Uhr schauen: Notieren Sie die Dauer des Anfalls, um diese Information später dem Arzt mitteilen zu können.
- Nicht festhalten: Versuchen Sie nicht, die Person festzuhalten oder zu Boden zu drücken.
- Nichts in den Mund schieben: Auch wenn sich die Person auf die Zunge beißt, sollten Sie nichts in den Mund schieben.
- Unterstützung anbieten: Nach dem Anfall kann die Person verwirrt oder erschöpft sein. Bieten Sie Ihre Hilfe an und geben Sie ihr Zeit, sich zu erholen.
Spezifische Maßnahmen je nach Anfallsart
- Leichte Anfälle (Absencen, Muskelzuckungen): Hier besteht in der Regel keine unmittelbare Gefahr. Bieten Sie Unterstützung und Sicherheit an.
- Anfälle mit eingeschränktem Bewusstsein: Schützen Sie die Person vor Gefahren und vermitteln Sie Ruhe und Nähe. Vermeiden Sie Hektik und Zwang.
- Große generalisierte Anfälle:
- Notruf 112 wählen: Wenn der Anfall länger als fünf Minuten dauert, es sich um den ersten Anfall handelt, Atemprobleme bestehen oder Verletzungen vorliegen.
- Sicherheit gewährleisten: Gefährliche Gegenstände entfernen, Kopf abpolstern, enge Kleidung lockern.
- Unterstützung anbieten: Nach dem Anfall bei der Person bleiben und Hilfe anbieten. Bei Erschöpfung in die stabile Seitenlage bringen.
Wann muss der Notarzt gerufen werden?
- Der Anfall dauert länger als fünf Minuten (Status epilepticus).
- Es kommt zu mehreren Anfällen hintereinander ohne Erholung dazwischen.
- Es gibt Atemprobleme.
- Es kam zu Verletzungen.
- Es ist der erste Anfall.
- Die Person kommt nicht wieder zu sich.
Notfallmedikamente
Manche Menschen mit Epilepsie tragen ein Notfallmedikament bei sich, das bei einem Anfall verabreicht werden kann. Dies kann in Form einer Tablette für die Wangentasche oder als Creme für den After sein. Wenn Sie nicht geschult sind, warten Sie auf professionelle Hilfe.
Nach dem Anfall
Nach einem epileptischen Anfall benötigen Betroffene Zeit, um sich zu erholen. Einige sind schnell wieder fit, andere brauchen länger. Es ist wichtig, unterstützend zur Seite zu stehen:
- Ruhe und Orientierung: Geben Sie der Person Zeit, sich zu orientieren und wieder zu sich zu kommen.
- Unterstützung anbieten: Fragen Sie, ob sie etwas benötigt oder einen Wunsch hat.
- Stabile Seitenlage: Wenn die Person müde ist und schlafen möchte, bringen Sie sie in die stabile Seitenlage.
- Schamgefühle beachten: Vermeiden Sie unnötige Aufmerksamkeit und schützen Sie die Privatsphäre der Person.
Leben mit Epilepsie
Epilepsie kann das Leben der Betroffenen stark beeinflussen. Es ist wichtig, gut informiert zu sein und Unterstützung zu suchen.
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Medikamentöse Behandlung
In vielen Fällen können epileptische Anfälle mit Medikamenten gut kontrolliert werden. Ziel ist es, die Anfallshäufigkeit zu reduzieren oder die Anfälle ganz zu verhindern.
Weitere Behandlungsmöglichkeiten
Wenn Medikamente nicht ausreichend wirken, gibt es weitere Behandlungsmöglichkeiten:
- Operation: Bei pharmakoresistenter Epilepsie kann eine Operation helfen, den Anfallsfokus im Gehirn zu entfernen.
- Ernährungstherapie: In einigen Fällen kann eine spezielle Diät, wie z.B. eine ketogene Diät, die Anfallshäufigkeit reduzieren.
- Vagusnervstimulation: Ein implantierter Schrittmacher stimuliert den Vagusnerv und kann so die Anfallshäufigkeit verringern.
Alltag mit Epilepsie
- Notfallausweis: Menschen mit Epilepsie sollten einen Notfallausweis bei sich tragen, der Informationen über ihre Erkrankung, Medikamente und Kontaktpersonen enthält.
- Anfallskalender: Das Führen eines Anfallskalenders kann helfen, Auslöser zu identifizieren und die Wirksamkeit der Behandlung zu überwachen.
- Fahrverbot: Solange das Risiko von Anfällen besteht, dürfen Betroffene kein Kraftfahrzeug fahren.
- Psychologische Unterstützung: Die Angst vor Anfällen kann psychisch belastend sein. Eine psychologische Beratung kann helfen, mit der Erkrankung umzugehen.
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