Das Schienbeinkantensyndrom ist eine häufige Überlastungsverletzung, die besonders Sportler betrifft. Es kann die sportliche Aktivität erheblich einschränken. In diesem Artikel werden die Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten eines gereizten Schienbeinnervs erläutert, um Betroffenen zu helfen, schmerzfrei zu werden und es auch nach dem Training zu bleiben.
Was ist ein gereizter Schienbeinnerv?
Der Schienbeinnerv (Nervus tibialis) ist ein großer Nerv, der vom Oberschenkel durch die Kniekehle und Wade zum Sprunggelenk verläuft und sich dann in die Füße verzweigt. Er ist für die sensible Versorgung der Wade und die Steuerung der Muskulatur in den Fußsohlen verantwortlich. Eine Reizung oder Schädigung dieses Nervs kann zu verschiedenen Beschwerden führen.
Ursachen eines gereizten Schienbeinnervs
Ein gereizter Schienbeinnerv kann verschiedene Ursachen haben, darunter:
- Überlastung: Intensive Lauf-, Sprung- oder Hallensportarten können zu einer Überbeanspruchung der Unterschenkelmuskulatur führen, was das Risiko einer Entzündung erhöht. Besonders betroffen sind Läufer, Tänzer sowie Sportler in Disziplinen wie Wandern oder Skilanglauf.
- Muskuläre Verspannungen: Muskelverspannungen, sogenannte Myogelosen, können dem Schienbeinkantensyndrom zugrunde liegen.
- Fehlstellungen: Fußfehlstellungen wie Überpronation (Einknicken des Rückfußes beim Laufen nach innen) können die Beschwerden begünstigen.
- Falsches Schuhwerk: Nicht richtig sitzende, zu locker geschnürte oder schlecht abfedernde Schuhe können zu Fehlbelastungen an Muskeln und Sehnen führen.
- Harte Böden und ungewohnte Untergründe: Das Training auf harten Böden oder ungewohnten Untergründen kann das Risiko für ein Schienbeinkantensyndrom erhöhen.
- Essstörungen oder Mangelernährung: Essstörungen oder einseitige Mangelernährung können die Entstehung von Überlastungsverletzungen begünstigen und Mangelzustände hervorrufen.
- Tarsaltunnelsyndrom: Hierbei wird der Nervus tibialis posterior, der durch den Tarsaltunnel in der Nähe des Knöchels verläuft, eingeklemmt oder komprimiert.
Symptome eines gereizten Schienbeinnervs
Die Symptome eines gereizten Schienbeinnervs können vielfältig sein und hängen von der Ursache und dem Ausmaß der Reizung ab. Typische Symptome sind:
- Schmerzen: Schmerzen an der Vorder- und Innenseite des Unterschenkels, die oft als stechend oder dumpf beschrieben werden. Zunächst treten die Beschwerden nur während des Trainings auf, insbesondere bei anhaltender Belastung und Druck auf die Beine. Mit zunehmender Belastung verschlimmern sich die Schmerzen und können bereits zu Beginn der Belastung oder sogar beim Gehen auftreten. Ohne ausreichende Erholung kann es zu Ruheschmerzen kommen, die sich schon bei geringer Belastung verstärken.
- Missempfindungen: Brennen, Taubheitsgefühle oder Kribbeln im Fuß, insbesondere im Bereich des Innenknöchels, der Zehen oder der Fußsohle.
- Muskelschwäche: Schwäche beim Bewegen der Zehen oder des Fußes. In seltenen Fällen ist als Zeichen einer motorischen Beeinträchtigung eine Zehenspreizerschwäche nachweisbar.
- Schwellung: In manchen Fällen kann es zu einer Schwellung im Bereich des Tarsaltunnels kommen.
- Eingeschränkte Beweglichkeit: Es kann zu Bewegungseinschränkungen im Fuß kommen.
Diagnose eines gereizten Schienbeinnervs
Die Diagnose eines gereizten Schienbeinnervs erfolgt in der Regel durch eine Kombination aus:
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- Anamnese: Der Arzt befragt den Patienten ausführlich nach seinen Beschwerden, Vorerkrankungen und sportlichen Aktivitäten.
- Körperliche Untersuchung: Der Arzt untersucht den Fuß und das Bein, um die Schmerzpunkte zu lokalisieren und die Funktion der Muskeln und Nerven zu überprüfen. Typische Hinweise sind die vom Patienten oder der Patientin beschriebenen Schmerzen an der Vorder- oder Innenseite des Schienbeins. Zur Abgrenzung weiterer Erkrankungen und zur genauen Ursachenanalyse kommen zusätzlich apparative Diagnoseverfahren zum Einsatz. Die klinische Untersuchung kann eine verdickte, ödematöse Knochenhaut (Periost) zeigen.
- Apparative Diagnostik:
- Magnetresonanztomographie (MRT): Die MRT hat aufgrund ihrer hohen Sensitivität und Bildauflösung eine zentrale Bedeutung, um andere Erkrankungen auszuschließen und Stressverletzungen des Schienbeines zu beurteilen.
- Röntgen: Das Röntgen dient ebenfalls dazu, andere Erkrankungen auszuschließen. Es ist jedoch weniger sensitiv als die MRT und bildet Stress-Verletzungen in 66% der Fälle nicht ab.
- Laufanalyse: Eine Laufanalyse ist entscheidend, um die individuellen Ursachen des Schienbeinkantensyndroms zu identifizieren und Fußfehlstellungen festzustellen.
- Elektrophysiologische Untersuchung: In unklaren Fällen kann eine elektrophysiologische Untersuchung zur Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit weitere Klarheit schaffen.
Behandlung eines gereizten Schienbeinnervs
Die Behandlung eines gereizten Schienbeinnervs zielt darauf ab, die Schmerzen zu lindern, die Entzündung zu behandeln und die Ursache der Reizung zu beseitigen. In den meisten Fällen erfolgt die Behandlung konservativ.
Konservative Behandlung
- Entlastung: Während der Schmerzphase sollte die sportliche Aktivität stark reduziert oder angepasst werden, um das Schienbein zu entlasten. In der Akutphase und bei starken Schmerzen sollte das betroffene Bein entlastet werden. Im Spitzensport werden spezielle Laufbänder eingesetzt, auf denen mit 85% des Körpergewichts trainiert werden kann.
- Kühlung: Das Kühlen der schmerzenden Stellen kann helfen, die Entzündung zu reduzieren.
- Dehnen und Kräftigen: Gezieltes Dehnen der Wadenmuskulatur und Koordinationstraining auf instabilen Untergründen (z. B. Balance Board) können helfen, die Muskeln zu entspannen und die Stabilität des Fußes zu verbessern.
- Physiotherapie: Eine gezielte Trainingstherapie und Physiotherapie können eingesetzt werden, um eventuelle Fehlstellungen zu korrigieren und den Fuß dadurch beim Laufen zu entlasten. Ergänzt wird die Therapie im Profisport durch die Analyse des Vitamin D3-Stoffwechsels. Ein Vitamin D3-Mangel kann die Entstehung von Schienkantensyndroms und von Stressfrakturen fördern.
- Schuheinlagen: Orthopädische Schuheinlagen können helfen, die Last auf dem Fuß beim Laufen korrekt zu verteilen und so für mehr Wohlbefinden zu sorgen. Die Optimierung der Trainingsschuhe und eventuell eine Einlagenversorgung sind Bestandteil der Therapie.
- Medikamente: Schmerzstillende und entzündungshemmende Medikamente wie NSAR (nicht-kortisonhaltige Rheumamittel) können zur Linderung der Schmerzen eingesetzt werden. Bei diagnostizierter Stressfraktur sollte die Einnahme von NSAR jedoch kritisch gesehen werden. Alternativ können, falls benötigt, Paracetamol oder Novalgin bevorzugt werden.
- Injektionen: In einigen Fällen kann der Arzt Kortison in den Tarsaltunnel injizieren, um die Entzündung zu reduzieren und den Druck auf den Nerv zu verringern. Eine Kortisontherapie wird jedoch nur in seltenen Fällen angewendet.
- Stoßwellentherapie: Die Stoßwellentherapie wird auch hier erfolgreich eingesetzt. In der Regel werden 3 Sitzungen à 2000 Stöße absolviert. Die Therapie kann unmittelbar in Knochenhautnähe recht schmerzhaft sein, wird aber sehr erfolgreich eingesetzt.
- Taping: Das Fußgelenk kann "getapt" werden, um eine bessere Stabilität und eine Entlastung des Fußgelenks zu bewirken. Das Tape (auch Kinesiologie-Tape genannt) ist ein elastischer Pflasterstreifen und wird in der Regel von ausgebildetem Fachpersonal angebracht.
Operative Behandlung
Wenn die konservative Behandlung nicht erfolgreich ist, kann eine Operation in Erwägung gezogen werden, um den Druck auf den Nerv zu entlasten. Operative Maßnahmen sind normalerweise nicht nötig. Die Operation kann erforderlich sein, wenn Knochenauswüchse oder Tumoren die Ursache für die Reizung des Nervs sind. Bei der Operation wird das den Tarsaltunnel umgebende, straffe Band entfernt. In einigen Fällen spaltet der Arzt einen Teil der Nerven-Umhüllung. Nach der Tarsaltunnelsyndrom-OP ist eine Entlastung des Fußes mittels Stützkrücken wichtig.
Selbstbehandlung
Es gibt verschiedene Maßnahmen, die Betroffene selbst ergreifen können, um die Heilung zu beschleunigen und eine Chronifizierung zu verhindern:
- Regelmäßiges Dehnen der Wadenmuskulatur:
- Exzentrisches Training: Stellen Sie sich einbeinig auf eine Treppenstufe oder auf ein Declineboard, die Ferse ist jeweils frei. Senken Sie die Ferse so tief wie möglich ab, sodass Spannung in der Wade entsteht. Halten Sie diese Position für einige Sekunden (z. B. 2 Sek.), kehren Sie erneut bis zur Dehnung der Wadenmuskulatur zurück und drücken Sie sich anschließend wieder nach oben in den Zehenstand.
- Wadendehnung im Stehen: Stellen Sie sich mit einem Ausfallschritt an eine Wand. Das hintere Bein wird gestreckt/gebeugt. Das Gewicht verlagern Sie darauf. Achten Sie darauf, dass das Knie des vorderen Beins gerade nach vorn zeigt und nicht nach außen rotiert. Mit den Armen stützen Sie sich an der Wand ab und schieben die Hüfte des zu dehnenden Beines nach vorn.
- Faszien-Rollmassage: Die Faszien-Rollmassage kann helfen, die verspannte Wadenmuskulatur und die verklebten Faszien auszurollen.
- Wadenmassage mit der Blackroll: Setzen Sie sich mit ausgestreckten Beinen auf den Boden und kreuzen Sie ein Bein über das andere. Platzieren Sie die Blackroll unter der Wade des unteren Beins. Stützen Sie sich mit den Händen hinter dem Körper ab. Rollen Sie nun Ihre Wade von der Kniekehle bis zur Achillessehne. Verändern Sie die Fläche, indem Sie den Fuß zusätzlich jeweils nach außen oder innen rotieren.
- Massage der Schienbeinmuskulatur mit der Blackroll: Setzen Sie sich mit ausgestreckten Beinen auf den Boden. Platzieren Sie die Blackroll an der Innenseite entlang der Schienbeinkante. Achten Sie darauf, nur im Bereich der Muskulatur zu rollen und vermeiden Sie Druck auf die Schienbeinkante.
- Zehenstand-Übungen: Stellen Sie die Füße ungefähr hüftbreit. Die Füße sind hierbei gerade nach vorne ausgerichtet. Gehen Sie nun so weit wie möglich in die Hocke. Achten Sie darauf, dass die Fersen während der gesamten Übung am Boden bleiben. Sie können sich, wenn nötig, an einem Tisch oder Stuhl festhalten. Die Dehnung erfolgt über die gesamte Rückseite des gesamten Körpers.
- Flossing: Flossen Sie ihre Wade beginnend oberhalb des Knöchels und fangen Sie herzfern an. Lassen Sie den Zug locker um die Vorder-/Außenseite weiter auslaufen. Decken Sie die komplette Haut ab. Achten Sie darauf, dass die letzte Lage nicht zu eng sitzt. Gehen Sie zuerst ein paar Meter, um auszuschließen, dass Sie kein Gefäß abgeschnürt haben und Ihre Zehen blau anlaufen.
Prävention eines gereizten Schienbeinnervs
Viele Maßnahmen, die in der Therapie des Schienbeinkantensyndroms eingesetzt werden, helfen gleichzeitig bei der Prävention von Schienbeinschmerzen. Wer diese Präventionsmaßnahmen konsequent umsetzt, kann das Risiko eines Schienbeinkantensyndroms erheblich reduzieren und langfristig beschwerdefrei bleiben:
- Vermeidung von Überlastung: Steigern Sie Trainingsumfänge und Intensität langsam und vermeiden Sie abrupte Erhöhungen.
- Geeignetes Schuhwerk: Tragen Sie gut sitzende und gut abfedernde Schuhe.
- Fußfehlstellungen korrigieren: Lassen Sie Fußfehlstellungen wie Überpronation durch orthopädische Einlagen korrigieren.
- Regelmäßiges Dehnen und Kräftigen der Muskulatur: Dehnen und kräftigen Sie regelmäßig die Waden- und Schienbeinmuskulatur.
- Ausreichende Erholung: Gönnen Sie Ihren Beinen ausreichend Erholung nach dem Training.
- Ernährung: Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung, um Mangelzustände zu vermeiden.
- Vermeidung von harten Böden und ungewohnten Untergründen: Vermeiden Sie das Training auf harten Böden oder ungewohnten Untergründen.
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