Herpesviren und ihre Auswirkungen auf das Nervensystem: Symptome, Komplikationen und Behandlungen

Herpesviren sind weit verbreitet und können vielfältige Auswirkungen auf den menschlichen Körper haben, insbesondere auf das Nervensystem. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte von Herpesviren in Bezug auf das Nervensystem, einschließlich Symptome, Diagnose, Behandlung und Prävention.

Einführung in Herpesviren

Herpesviren sind eine Familie von DNA-Viren, die sowohl Menschen als auch Tiere infizieren können. Es gibt über 200 bekannte Mitglieder dieser Familie, von denen neun für den Menschen spezifisch sind. Zu diesen humanen Herpesviren (HHV) gehören:

  • Herpes-simplex-Viren Typ 1 (HSV-1) und Typ 2 (HSV-2)
  • Varizella-Zoster-Virus (VZV)
  • Epstein-Barr-Virus (EBV)
  • Cytomegalievirus (CMV)
  • Humane Herpesviren 6A (HHV-6A), 6B (HHV-6B) und 7 (HHV-7)
  • Kaposi-Sarkom-assoziiertes Herpesvirus (KSHV)

Diese Viren können verschiedene Krankheiten verursachen, darunter Lippenherpes, Genitalherpes, Windpocken, Gürtelrose, Pfeiffersches Drüsenfieber und bestimmte Krebsarten. Einmal mit einem Herpesvirus infiziert, verbleibt dieses lebenslang im Körper und kann bei einer Schwächung des Immunsystems reaktiviert werden.

Wie Herpesviren das Nervensystem infizieren

Bei einer Erstinfektion dringen Herpesviren in Nervenendigungen ein und wandern entlang der Nervenbahnen in Richtung des zentralen Nervensystems (ZNS), das Gehirn und Rückenmark umfasst. Die Viren setzen sich in den Nervenganglien ab, Knotenpunkten, an denen mehrere Nerven zusammenlaufen. Dort können sie ein Leben lang in einem latenten Zustand verbleiben.

Reaktivierung der Viren

Die Reaktivierung der Viren kann durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden, die das Immunsystem schwächen oder den befallenen Nerv reizen. Dazu gehören:

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  • Körperlicher und psychischer Stress
  • Erkrankungen und Infektionen
  • Medikamente wie Kortison
  • Starke Sonneneinstrahlung oder Sonnenbrand
  • Menstruation, Schwangerschaft oder andere hormonelle Veränderungen
  • Verletzungen

Wenn die Viren reaktiviert werden, können sie sich entlang der Nervenbahnen ausbreiten und verschiedene Symptome verursachen.

Symptome von Herpesinfektionen im Nervensystem

Die Symptome einer Herpesinfektion im Nervensystem können je nach Virustyp und betroffenem Bereich variieren. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Herpes an der Lippe (Lippenherpes): Schmerzhafte kleine Bläschen, die immer wiederkehren können.
  • Herpes im Genital- und Analbereich (Genitalherpes): Bläschen oder Geschwüre, die Schmerzen und Juckreiz verursachen können.
  • Kribbeln, Spannungsgefühl, Jucken, gerötete Haut oder Brennen: Diese Symptome können den Ausbruch von Herpesbläschen vorangehen.
  • Fieber, Schüttelfrost und Lymphknotenschwellungen: Diese Symptome können bei einer Erstinfektion auftreten.
  • Probleme beim Wasserlassen und blutiger Ausfluss aus dem After: Diese Symptome können bei Genitalherpes auftreten, insbesondere wenn der Analbereich betroffen ist.
  • Kopfschmerzen, Photophobie (Lichtempfindlichkeit) und Nackensteifigkeit: Diese Symptome können auf eine Meningitis hinweisen.
  • Epileptische Anfälle: In seltenen Fällen kann eine Herpesinfektion des Gehirns zu Anfällen führen.
  • Veränderung des mentalen Status: Dies kann sich in Verwirrtheit, Desorientierung oder Bewusstseinsstörungen äußern und ist ein wichtiges Kriterium für die Diagnose einer Enzephalitis.
  • Fokale neurologische Befunde: Diese können sich als Schwäche, Lähmung oder Sensibilitätsstörungen in bestimmten Körperbereichen äußern.

Komplikationen bei Herpes

Obwohl Herpesinfektionen in der Regel nicht gefährlich sind, können in bestimmten Fällen Komplikationen auftreten:

  • Bakterielle Infektion des Herpesgeschwürs: Dies kann zu stärkeren Symptomen und einer längeren Heilungsdauer führen.
  • Befall des Auges: Dies kann zu einer Verminderung der Sehkraft führen.
  • Ausbreitung auf größere Hautbereiche bei Neurodermitis oder Schuppenflechte: In diesen Fällen kann die Infektion schwerwiegender sein.
  • Befall innerer Organe, des Nervensystems oder des Gehirns: Dies ist selten, kann aber schwerwiegende Folgen haben.
  • Schwere Verläufe bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem: Dies kann durch Chemotherapie, Organtransplantation oder HIV-Infektion verursacht werden.
  • Infektion des Neugeborenen während der Geburt: Dies kann zu schweren Schäden oder sogar zum Tod des Kindes führen.

Spezifische Herpesviren und ihre Auswirkungen auf das Nervensystem

Herpes Simplex Virus (HSV)

  • HSV-1: Verursacht hauptsächlich Lippenherpes, kann aber auch in seltenen Fällen eine Enzephalitis auslösen. Forscher der University of Illinois Chicago (UIC) haben herausgefunden, dass eine Herpesinfektion durch die Nase zu Angstzuständen, motorischen Störungen und kognitiven Problemen führen kann. Ihre Studie zeigt, dass das Virus durch Ausnutzung eines zellulären Enzyms Verhaltenssymptome hervorrufen kann.
  • HSV-2: Verursacht hauptsächlich Genitalherpes, kann aber auch Meningitis verursachen.

HSV-1 Enzephalitis

Die HSV-1 Enzephalitis ist die häufigste virale Enzephalitis in nicht-tropischen Ländern. Sie macht etwa 90% der Fälle aus. Die Inzidenz liegt bei ca. 0,2-0,4/100.000.

Symptome:

  • Häufig unspezifisches Prodromalstadium mit Fieber, Kopfschmerzen und Gliederschmerzen
  • Schleichender Verlauf über Tage, aber auch fulminanter Beginn möglich
  • Bewusstseinsstörung - im Verlauf zunehmend
  • Neuropsychologische Symptome: Wesensänderung, Verwirrtheit, Aggressivität, Gedächtnisstörungen
  • Gelegentlich Meningismus

Diagnostik:

  • Zytologie: 10-1000 Zellen/μl (Cave: Initial granulozytäres Zellbild möglich, initial auch normale oder nur leicht erhöhte Zellzahl möglich). Gegebenenfalls Nachweis von Erythrozyten (bei hämorrhagischer Enzephalitis) oder Siderophagen
  • Eiweißerhöhung: 50-150 mg/dl
  • Glucose: In der Regel normal, selten leichte Glucoseverminderung
  • Laktat: Meist normal, selten leichte Erhöhung
  • PCR: Nachweis auf Herpesviren (Spezifität 100%, Sensitivität >95%). Cave: Gegebenenfalls in den ersten Krankheitstagen noch negativ, daher bei Verdacht auf Herpes-Enzephalitis, Wiederholung der PCR nach 3-4 Tagen
  • Liquor-Serum-AK-Index (Antikörper-spezifische-Index): Inital sehr häufig negativ, Index steigt ab dem 10. Krankheitstag deutlich. Nach 4 Wochen fast ausnahmslos positiv (Hohe Senistivität >97%, Spezifität >75 %). Diagnose sollte sich nicht alleine auf den Index stützen!
  • Zerebrale Bildgebung: Zerebrale MRT (CCT ist nicht ausreichend!). Typische bildmorphologische Veränderungen in der cMRT nach 36 bis 48 Stunden: Uni- oder bilaterale Hyperintensitäten in T2 (in T1 hypointens) mesialer Temporallappen, Inselkortex, Hippocampus und Amygdala, Gyrus frontalis inferior. Einbeziehung des limbischen Systems (Gyrus Cinguli). Früheste Veränderungen in T2-Wichtung sichtbar. In DWI eingeschränkte Diffusion "landkartenartig". CCT: Während der ersten 4 Tage in der Regel unauffällig, dann Hypodensitäten und Hämorrhagien frontoorbital und temporal
  • EEG: In Frühphase unspezifisch. Frontal und temporal Theta-Delta-Verlangsamung. Im Verlauf (typischerweise Tag 2-15) Epilepsietypische Aktivität nachweisbar (Initial meist einseitig im Verlauf auch beidseitig möglich). Cave: EEG in der Früphase ggf.

Therapie:

  • Früher Therapiebeginn entscheidend
  • Bei unklaren Fällen bis zum Ausschluß einer HSVE Gabe von Aciclovir
  • Unbehandelt meist letaler Verlauf (70-80%)
  • Letalität bei früher Behandlung ca. 20%-30%
  • Leichte bis schwere residuale Defizite sehr häufig!
  • Antivirale Therapie mit Aciclovir. Bei Aciclovir-Resistenz alternative Medikamente.

Varizella-Zoster-Virus (VZV)

  • Windpocken (Varizellen): Verursacht bei Erstinfektion im Kindesalter Windpocken. In seltenen Fällen können Erkrankungen des Zentralen Nervensystems auftreten, die jedoch tödlich verlaufen können.
  • Gürtelrose (Herpes Zoster): Reaktivierung des VZV, das in den Nervenzellen verblieben ist. Kann zu einer Postherpetischen Neuralgie führen, einem anhaltenden Nervenschmerz nach Abheilen des Hautausschlags.

Epstein-Barr-Virus (EBV)

  • Pfeiffersches Drüsenfieber (infektiöse Mononukleose): Kann in seltenen Fällen zu einer Entzündung des Zentralen Nervensystems führen.

Cytomegalievirus (CMV)

  • Kann bei ungeborenen Kindern zu Hörschäden oder einer Schädelfehlbildung (Mikrozephalie) führen.

Humane Herpesviren 6 (HHV-6) und 7 (HHV-7)

  • HHV-6B: Hauptverursacher des Dreitagefiebers (Roseola infantum) bei Kleinkindern.
  • HHV-7: Kann ebenfalls das Exanthema subitum verursachen und ist mit Krämpfen bei Kleinkindern assoziiert.

Forschungsergebnisse zu Herpesviren und psychischen Erkrankungen

Neuere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Herpesviren auch im Gehirn aktiv sein und psychische Erkrankungen wie Depressionen verursachen können. Eine Studie der Universität Würzburg fand bei Patienten mit bipolaren und schweren depressiven Störungen eine erhöhte Rate von aktiven Infektionen mit humanen Herpesviren vom Typ HHV-6 in den Purkinje-Zellen des Kleinhirns. Diese Zellen sind wichtig für motorisches Lernen, Feinsteuerung von Muskelspannung und Bewegungen sowie für Gefühle, Wahrnehmung, Gedächtnis und Sprache.

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Diagnose von Herpesinfektionen

Die Diagnose von Herpesinfektionen erfolgt in der Regel anhand der typischen Krankheitsanzeichen. In einigen Fällen können auch mikroskopische Untersuchungen, Blutuntersuchungen oder PCR-Tests durchgeführt werden, um den Virustyp zu bestimmen. Bei Verdacht auf eine Beteiligung des Nervensystems können Liquoruntersuchungen, MRT oder EEG erforderlich sein.

Behandlung von Herpesinfektionen

Die Behandlung von Herpesinfektionen zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Ausbreitung des Virus zu verhindern.

  • Lokalbehandlung: Bei eingegrenztem Befall können pflegende oder austrocknende Mittel aus der Apotheke ausreichend sein.
  • Virushemmende Cremes (Virustatika): Diese können den Krankheitsverlauf verkürzen und die Beschwerden mildern. Wichtig ist, sie schon bei den ersten Anzeichen eines Ausbruchs anzuwenden.
  • Virustatika als Tabletten oder Infusion: Bei schweren Verläufen werden Virustatika meist über mehrere Tage als Tablette oder als Infusion verabreicht.
  • Dauerprophylaxe: Bei häufig wiederkehrendem Herpes besteht die Möglichkeit einer Dauerprophylaxe mit niedrig dosierten Herpes-Medikamenten.
  • Schmerztherapie: Bei Gürtelrose wird eine frühzeitige Schmerztherapie während der antiviralen Therapie empfohlen, um einer Postherpetischen Neuralgie vorzubeugen.

Prävention von Herpesinfektionen

Da Herpesviren leicht übertragbar sind, gibt es keinen sicheren Schutz. Dennoch können folgende Maßnahmen das Risiko einer Infektion oder Reaktivierung verringern:

  • Kontakt mit Herpesbläschen und Herpesgeschwüren meiden.
  • Eigene Bläschen nicht berühren, um eine Ausbreitung auf andere Körperstellen zu verhindern.
  • Gute Hygiene praktizieren, z.B. regelmäßiges Händewaschen.
  • Das Immunsystem stärken durch gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf und Stressabbau.
  • Impfung gegen Varizellen (Windpocken) und Herpes Zoster (Gürtelrose).
  • Bei Schwangerschaft Herpesinfektionen ärztlich behandeln lassen, um eine Übertragung auf das Kind zu verhindern.

Herpes und Schwangerschaft

Eine Herpesinfektion in der Schwangerschaft sollte unbedingt ärztlich behandelt werden, da die Viren für das Kind gefährlich werden können. Eine Infektion des Neugeborenen während der Geburt kann zu schweren Schäden oder sogar zum Tod führen.

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