Herzuntersuchung nach Schlaganfall: Ursachen, Diagnose und Behandlungsstrategien

Der Schlaganfall ist in Deutschland mit 170.000 bis 250.000 Fällen pro Jahr die dritthäufigste Todesursache. Nach aktuellen Zahlen der europäischen BIOMED-Studie liegt die Drei-Monats-Sterblichkeit nach Schlaganfall in Krankenhäusern in West- und Zentraleuropa noch immer bei 19 bis 42 Prozent. Mehr als 80 Prozent der Patienten behalten nach der Entlassung ein erhebliches persistierendes neurologisches Defizit. Nach erlittenem Schlaganfall besteht eine hohe Rezidivrate von zehn bis zwölf Prozent im ersten und fünf bis acht Prozent in jedem weiteren Jahr. Damit ist fünf Jahre nach dem ersten Ereignis bei 30 bis 40 Prozent ein erneuter Insult aufgetreten. Diese Daten belegen die enorme Bedeutung einer möglichst exakten ätiologischen Abklärung zur Durchführung einer gezielten Therapie und Rezidivprophylaxe.

Unter den fünf wichtigen Ursachen des Schlaganfalls scheint die kardioembolische Genese mit etwa 20 bis 30 Prozent am bedeutsamsten. Die stark variierenden Zahlen sind durch fehlende Methoden zur sicheren Verifizierung bedingt. Sowohl das Muster des Insults im kranialen Computertomogramm (CCT) oder Kernspintomogramm (NMR) als auch klinische Faktoren geben zwar Hinweise, weisen insbesondere im Einzelfall jedoch nur eine geringe Spezifität auf. Schlaganfälle mit kardioembolischer Genese haben offensichtlich eine ganz besonders ungünstige Prognose, weil sie besonders schlagartig eine Ischämie in einem oft großen Versorgungsgebiet auslösen und vermehrt zu sekundären Einblutungen führen und weil sie häufiger bei älteren Patienten mit kardialen Zusatzerkrankungen auftreten.

Kardioembolischer Schlaganfall: Eine besondere Herausforderung

Ein kardioembolischer Schlaganfall geht oft mit einer schweren Behinderung im weiteren Leben des Patienten (hoher Rankin-Score) einher. Informationen zum Mechanismus und damit zu möglichen primär- oder sekundärpräventiven Maßnahmen sind daher von großer Bedeutung. Die Kardioembolie zählt zu den wichtigsten Ursachen der zerebralen Ischämie.

Bedeutung der Echokardiographie

Bei der Embolieabklärung ist neben Elektrokardiogramm und Anamnese die Echokardiographie die wichtigste Methode für die Untersuchung des Herzens und der großen intrathorakalen Gefäße. Zur Abklärung sollte als einfaches nichtinvasives Verfahren bei jedem Patienten mit Schlaganfall eine transthorakale Echokardiographie durchgeführt werden. Der Stellenwert der zahlreichen mittels transösophagealer Technik nachweisbaren potenziellen Emboliequellen ist aktuell oft nicht eindeutig einzustufen. Komplexe Atherome in der thorakalen Aorta, Spontanechos im linken Vorhof oder in der Aorta sowie ein offenes Foramen ovale sind Befunde, bei denen sich in Kombination mit Klinik und weiteren technischen Daten am ehesten direkte Therapiekonsequenzen ableiten lassen.

Transthorakale Echokardiographie (TTE)

Die transthorakale Technik ist ein einfaches nichtinvasives Verfahren mit großem Informationsgehalt für den individuellen Schlaganfallpatienten. Harte wegweisende Befunde, wie Klappenvegetationen, intrakardiale Thromben (insbesondere im linken Ventrikel), intrakardiale Tumoren (wie Vorhofmyxom), Mitralstenose mit dilatiertem Vorhof oder schwere dilatative Kardiomyopathie sind zwar in großen Serien zusammengenommen mit weniger als fünf Prozent relativ selten, führen aber im Einzelfall zu entscheidenden therapeutischen Konsequenzen. Andere Auffälligkeiten, wie regionale Wandbewegungsstörungen des linken Ventrikels, linksventrikuläre Hypertrophie oder Vergrößerung des linken Vorhofs werden kumulativ bei mehr als 30 Prozent der Patienten von transthorakal erhoben. Hieraus ergeben sich Hinweise auf das Vorliegen einer koronaren oder hypertensiven Herzerkrankung. Diese Krankheitsbilder sind beim Schlaganfallpatienten extrem häufig und müssen eigenständig betrachtet werden. Sie deuten aber auch auf das Risiko von intermittierendem Vorhofflimmern oder passageren Thrombenbildungen im arteriellen System hin. Solche Befunde tragen im Zusammenhang mit weiteren Informationen aus Klinik und CCT/NMR zur individuellen Schlaganfallerklärung bei.

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Wie nahezu alle sonographischen Methoden sind die Ergebnisse, neben der verwendeten Technik, stark von der Sorgfalt, Erfahrung und Sensibilität des Untersuchers abhängig. Mithilfe moderner transthorakaler Technik können vermutlich intrakardiale Befunde wie Vorhofseptumaneurysma, Spontanechos oder offenes Foramen ovale ebenfalls verbessert nachgewiesen werden.

Transösophageale Echokardiographie (TEE)

Schwieriger einzuschätzen ist die Wertigkeit der aufwendigeren und semiinvasiven transösophagealen Echokardiographie (TEE). Ihr Stellenwert ist eindeutig bei Verdacht auf endokarditische Vegetationen, bei Kunstklappen oder bei den wenigen von transthorakal schlecht ableitbaren Patienten. Für den Großteil der Patienten besteht jedoch hinsichtlich des diagnostischen Einsatzes bisher keine Übereinstimmung.

TEE bei jüngeren Patienten

Dr. D. A. untersuchte den Nutzen und die Inzidenz weiterführender Ergebnisse der TEE bei jüngeren Patienten über den Nachweis von Vorhofohr-Thromben hinaus, da diese bislang wenig beschrieben worden sind. Zwischen Mai 2010 und Juni 2012 wurde während des stationären Aufenthaltes wegen eines vermutlich kardioembolischen akuten Schlaganfalls bei 137 Patienten im Alter bis 55 Jahre ohne bekanntes Vorhofflimmern ein TEE angefertigt. Es handelte sich um Patienten in einem mittleren Alter von 45 ± 8 Jahren, die jüngste Patientin war 20 Jahre alt, 61 % waren männlich. Patienten wurden eingeschlossen, wenn kraniales CT oder MRT hinweisend auf einen kardioembolischen Ursprung des Schlaganfalls waren. Die beiden Stroke-Units des Ev. Krankenhauses Bielefeld versorgen an 2 Standorten ca. 350.000 Einwohner und insgesamt ca. 2000 akute Schlaganfälle pro Jahr.

Die Untersuchung von Dr. D. A. zeigt, dass im TEE bei jungen Patienten mit vermutetem kardioembolischen Schlaganfall ohne dokumentiertes Vorhofflimmern in ca. 40 % der Fälle eine potentielle kardiale Emboliequelle nachgewiesen werden kann. Eine dominante Rolle spielt hierbei das Vorhofseptum. Auch wenn der kausale Zusammenhang mit dem Schlaganfall im TEE nicht nachgewiesen werden kann, scheinen PFO und ASA eine besondere Rolle bei jüngeren Patienten zu spielen.

Ergebnisse der Studie

Bei 39,5 % aller Patienten fanden sich Auffälligkeiten des Vorhofseptums, zumeist ein persistierendes Foramen ovale (PFO, 26 %) mit oder ohne Vorhofseptumaneurysma, ein Vorhofseptumdefekt (ASD, 1,5 %) oder ein Vorhofseptumaneurysma (ASA) bzw. hypermobiles Vorhofseptum ohne PFO (12 %). Daneben zeigten sich andere Auffälligkeiten wie ein Fibroelastom und ein cor triatriatum sinistrum. In dieser Patientengruppe bis 55 Jahre ohne Vorhofflimmern fand sich kein linksatrialer Thrombus.

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Therapiekonsequenzen

Als Konsequenz des TEE-Befundes wurde bei 6 Patienten mit PFO bzw. ASD interventionell ein Verschluss-System implantiert, bei 49 Patienten erfolgte eine orale Antikoagulation mit ASS 100 mg oder Vitamin K-Antagonist, bei 2 Patienten eine operative Korrektur des Fibroelastoms bzw.

Thromben im linken Vorhof oder Vorhofohr

Linksatriale oder Vorhofohrthromben sind ein wesentlicher Befund mit Therapiekonsequenz, der vorwiegend im TEE erhoben werden kann. Mit Ausnahme weniger Patienten mit schlechter systolischer Funktion werden Vorhofthromben nahezu ausschließlich bei Patienten mit Vorhofflimmern nachgewiesen. Patienten mit Vorhofflimmern benötigen jedoch bei Auftreten eines Schlaganfalls bis auf Ausnahmen keine transösophageale Untersuchung, da das klinische Ereignis allein bereits eindeutig auf die Notwendigkeit einer dauerhaften Antikoagulansbehandlung hinweist.

Potenzielle Emboliequellen

Neben sicheren Emboliequellen wie Vorhofthromben und Vegetationen sind im transthorakalen, vor allem aber im transösophagealen Echokardiogramm, eine Reihe von potenziellen Emboliequellen nachweisbar. Hierbei ist eine kausale Verknüpfung zum zerebralen Ereignis im Einzelfall weitaus schwieriger.

Spontanechos

Nahezu ausschließlich mittels transösophagealer Technik lassen sich die Spontanechos - rauchartige Schwadenbildungen im linken Vorhof, linken Ventrikel oder in der thorakalen Aorta - nachweisen. Sie treten fast ausschließlich bei Low-Flow-Zuständen auf und zeigen Hyperkoagulation und Aggregatneigung an. Mit Ausnahme von Patienten mit Vorhofflimmern treten Spontanechos überwiegend bei Patienten mit Kunstklappen, deutlich vergrößertem linken Vorhof oder hochgradig eingeschränkter linksventrikulärer Funktion auf. In der Aorta werden sie aber auch bei deutlicher Gefäßdilatation und Arteriosklerose nachgewiesen.

Aortale Plaques

Plaques oder Atherome in der thorakalen Aorta (überwiegend Aortenbogen oder Aorta descendens) werden nach Schlaganfall oder embolieverdächtigem Ereignis bei 25 bis 30 Prozent der Patienten nachgewiesen. Neuere Daten zeigen eindeutig die prognostische Bedeutung größerer Plaques der thorakalen Aorta insbesondere bei einer Dicke von über 4 mm oder ganz besonders bei Vorliegen mobiler Anteile. Patienten mit komplexen Plaques haben unter alleiniger Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern eine extrem hohe Rate von Schlaganfällen und Myokardinfarkten im weiteren Verlauf.

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Mitralklappenprolaps

Eine relativ bekannte potenzielle Emboliequelle ist der Mitralklappenprolaps. Aktuelle Daten zeigen jedoch eine weitaus geringere Prävalenz als früher angenommen.

Offenes Foramen ovale (PFO)

Eine weitere wichtige potenzielle Emboliequelle ist das offene Foramen ovale oder der kleine Vorhofseptumdefekt. Durch Übertritt von venösen Thromben können paradoxe arterielle Embolien auftreten. In Kollektiven von selektionierten jüngeren Patienten mit ätiologisch unklarem Insult wird ein offenes Foramen ovale gehäuft bei mehr als 50 Prozent nachgewiesen. Bei unklarer Schlaganfallursache und offenem Foramen ovale ist deshalb in vielen Fällen eine gezielte Phlebographie, eventuell auch ein Lungenszintigramm zur weiteren Abklärung sinnvoll. Bei rezidivierenden zerebralen Ischämien unter medikamentöser Therapie muss ein operativer oder katheterinterventioneller Verschluss des Foramen ovale erwogen werden.

Vorhofseptumaneurysma (ASA)

Überwiegend mittels TEE werden eine Reihe weiterer potenzieller Emboliequellen festgestellt, deren Stellenwert bei der Embolieverursachung schwierig einzustufen ist. Hierzu gehört das Vorhofseptumaneurysma, ein hypermobiles und elongiertes Vorhofseptum, das bei Patienten nach Schlaganfall in mehr als 20 Prozent gefunden wurde. Das Vorhofseptumaneurysma ist häufig mit einem offenen Foramen ovale verknüpft.

Eustachsche Membran

Eine andere überwiegend mittels TEE nachweisbare potenzielle Emboliequelle sind Reste der embryonal angelegten rechtsatrialen Klappe, die Eustachsche Membran.

Valvuläre Strands

In neueren Arbeiten wird über den gehäuften Nachweis von Strands (fadenförmige bewegliche Ausläufer an nativen oder künstlichen Klappen) berichtet.

Herzrhythmusstörungen nach Schlaganfall

Signifikante Herzrhythmusstörungen treten bei etwa einem Viertel der Schlaganfallpatienten auf, am häufigsten werden sie in den ersten 24 Stunden nach dem Insult beobachtet. Bradykarde Arrhythmien wie Sinusknotendysfunktionen oder AV-Blocks zweiten und dritten Grades kommen dabei seltener vor als Tachykardien, welche überwiegend supraventrikulär in Erscheinung treten. Ventrikuläre Tachykardien seien zwar relativ selten, zählten aber zu den häufigsten Ursachen für den plötzlichen Herztod nach Schlaganfall. Ein anderes Problem ist die QT-Zeit-Verlängerung: Sie kann eine Torsade-de-Pointes-Tachykardie, polymorphe ventrikuläre Tachykardien sowie Kammerflimmern begünstigen. Auch Vorhofflimmern kann aufgrund einer autonomen Fehlregulation nach einem Schlaganfall auftreten.

Vorhofflimmern: Ein wichtiger Risikofaktor

Vorhofflimmern ist eine verbreitete Herzrhythmusstörung, die Schlaganfälle begünstigt. Um Vorhofflimmern frühzeitig zu erkennen und die Gefahr eines Schlaganfalls zu senken, fordern Experten ein Screening mit Pulsmessen und EKG für alle Menschen ab 65 Jahren.

Behandlung von Vorhofflimmern

Neben der optimalen Behandlung einer etwaigen Grunderkrankung, beispielsweise des Bluthochdrucks, muss möglichst der Herzrhythmus stabilisiert (Rhythmuskontrolle) und die Herzfrequenz im Normalbereich gehalten werden (Frequenzkontrolle), um die Gefahr einer Herzschwäche zu verringern. Wenn medikamentöse Therapie und Lebensstiländerungen nicht ausreichen und sich die Anfälle des Vorhofflimmerns häufen oder längere Zeit anhalten, kann eine Katheterablation helfen. Auch nach erfolgreicher Behandlung eines Vorhofflimmerns mit Medikamenten, Kardioversion oder Ablation bleibt die Schlaganfallgefahr bestehen. Abhängig vom Risiko durch Alter und Vorerkrankungen müssen Betroffene meist lebenslang Tabletten zur Blutverdünnung einnehmen.

Herzinfarkt und Herzschwäche nach Schlaganfall

Nach einem überstandenen Schlaganfall haben die Patienten ein deutlich erhöhtes Risiko für einen Myokardinfarkt. Allerdings scheint das Herzinfarktrisiko in der Akutphase eines Schlaganfalls besonders hoch zu sein. Herzinsuffizienzpatienten haben bei einem Schlaganfall eine besonders ungünstige Prognose.

Das "Stroke-Heart-Syndrom"

Bei Stress im Hirn bricht das Herz. Schon länger ist bekannt, dass in den Monaten nach einem Schlaganfall das Risiko für einen Herzinfarkt, eine Herzschwäche oder Herzrhythmusstörungen steigt. Scheitz spricht daher von einem "Stroke-Heart-Syndrom".

Hohe Troponin-Werte im Blut

Hohe Troponin-Werte nach einem Schlaganfall sind keine Seltenheit. Sie sagen aber nichts über die Ursachen. Neben dem Takotsubo-Syndrom kann es sich auch um Herzklappenprobleme, eine Herzschwäche oder verengte Herzkranzgefäße handeln. Die Wissenschaftler schließen aus diesen Daten, dass bei allen Schlaganfall-Patienten stets auch die Troponin-Werte erfasst werden sollten. Und bei deutlich erhöhten Werten - insbesondere, wenn diese um mehr als das 5-fache über der Norm erhöht sind - sollte eine weitere Herzdiagnostik erfolgen. Diese besteht dann in aller Regel in einer Herzkatheteruntersuchung, bei der zugleich die Möglichkeit besteht, das thrombotisch verschlossene Koronargefäß wieder zu eröffnen und einen Stent zu implantieren.

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