Viele Menschen mit Demenz zeigen im Verlauf ihrer Erkrankung Verhaltensauffälligkeiten wie Unruhe, Aggression oder Verwirrtheit. In solchen Fällen werden häufig Psychopharmaka wie Melperon eingesetzt, um die Symptome zu lindern. Dieser Artikel beleuchtet die Erfahrungen mit Melperon bei Demenz, die Anwendung des Medikaments, mögliche Nebenwirkungen und alternative Behandlungsansätze.
Herausforderndes Verhalten bei Demenz und der Einsatz von Psychopharmaka
Ein herausforderndes Verhalten, wie Unruhe, Herumrennen, Schreien oder Handgreiflichkeiten, tritt häufig bei Menschen mit Demenz auf. Um diese Symptome zu behandeln, werden oft Psychopharmaka verschrieben, um die Betroffenen ruhigzustellen. Es gibt jedoch Bedenken hinsichtlich der unerwünschten Wirkungen dieser Medikamente.
Fallbeispiel: Positive Veränderungen durch Reduktion von Psychopharmaka
Ein Fall aus dem Johanniter-Haus in Waibstadt zeigt, dass es auch anders gehen kann. Gerhard K., ein 84-jähriger Demenzpatient, hatte sich jahrelang in seinem Zimmer zurückgezogen. Nachdem die Heimleitung in Absprache mit den Ärzten die Psychopharmaka-Dosierung vieler Bewohner reduziert oder ganz abgesetzt hatte, erlebte Gerhard K. eine positive Wandlung. Nachdem Melperon bei Herrn K. zuerst von 75 auf 25 Milligramm verringert wurde, traten Verbesserungen erst ein, als das Mittel komplett wegfiel. Er verließ bereitwillig sein Zimmer, gesellte sich zu anderen, war hellwach und gut gelaunt.
Kritik am übermäßigen Einsatz von Antipsychotika
Experten weisen seit langem darauf hin, dass Antipsychotika bei alten Menschen zu oft, zu lange und in zu großer Menge eingesetzt werden. Das Team in Waibstadt nahm dies zum Anlass, um Neuroleptika, Benzodiazepine und Hypnotika konsequent zu reduzieren. Die Ergebnisse waren beachtlich: Bei 45 Prozent der Bewohner gab es positive Veränderungen.
Die Waibstadter Initiative zur Reduktion von Psychopharmaka
Die Waibstadter Einrichtung setzte ihr Wissen ein, um Neuroleptika, Benzodiazepine und Hypnotika konsequent zu reduzieren. Dabei startete sie mit den Bewohnern, die trotz der spezifischen Medikation Verhaltensauffälligkeiten oder einen hohen Leidensdruck zeigten. Sie waren zwischen 70 und 95 Jahre alt. Innerhalb des ersten halben Jahres stellten die Ärzte 36 Psychopharmaka-Verordnungen um. Nach zwei Jahren nahmen lediglich noch acht Bewohner regelmäßig Psychopharmaka ein. Die Anzahl der täglich verabreichten Präparate sank in diesem Zeitraum sogar um 84 Prozent, sodass diese acht Bewohner im Durchschnitt nur noch ein Psychopharmakon täglich zu sich nahmen.
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Fallbeispiel: Rosi S. und die Reduktion von Quetiapin
Ein weiteres Beispiel ist Rosi S., 79 Jahre alt, die unter Alzheimer-Demenz, Wahnvorstellungen, einer ängstlichen Persönlichkeitsstörung und depressiven Episoden litt. Nachdem das Team in Waibstadt die hohe Gabe des Neuroleptikums Quetiapin in Absprache mit dem Arzt reduzierte, war Rosi deutlich wacher und gut gelaunt.
Risiken und Nebenwirkungen von Neuroleptika
Professorin Petra Thürmann betont, dass der massenhafte und dauerhafte Einsatz von Neuroleptika bedenklich ist. Da Neuroleptika müde machen, sind Demenzkranke weniger reaktionsschnell und die Sturzgefahr steigt. Zudem können die Mittel die Demenz verschlimmern. Thürmann schildert, dass bei 1.000 Patienten, die über drei Monate mit Neuroleptika behandelt werden, sich die Situation gerade einmal für zehn bis 20 Prozent verbessert. Auf der anderen Seite gibt es rund ein Prozent mehr Todesfälle und 20 zusätzliche Schlaganfälle, Behinderungen und Gangstörungen.
Pharmakologische Freiheitsberaubung
Die Wirkung von Neuroleptika kann einer „pharmakologischen Freiheitsberaubung“ gleichen, da sie den Menschen stilllegen. Thürmann fordert eine kritische und genaue Überwachung der Medikation, die in der Praxis jedoch oft nicht stattfindet.
Alternativen zum Einsatz von Psychopharmaka
Es gibt eine Reihe von Alternativen zum Einsatz von Psychopharmaka, wie beruhigende Massagen, basale Stimulation, Klangschalen, ätherische Öle, biografiebasierte Angebote sowie Musik- und Beschäftigungstherapie. Oft sind es kleine Dinge, die Menschen mit Demenz unruhig oder aggressiv machen, die aber leicht beseitigt werden könnten.
Ursachenforschung und individuelle Betreuung
Das Johanniter-Haus in Waibstadt hat sich die Forschung nach den Gründen für ein auffälliges Verhalten auf die Fahnen geschrieben. Dazu gehört die Analyse, wann das Verhalten auftritt und unter welchen Bedingungen nicht, was hilft und was die Situation verschärft. Wichtig ist es, die Pflegekräfte bei dem Vorhaben mitzunehmen und ihnen nicht nur Vorgaben zu machen.
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Die Rolle des Pflegepersonals
Eine Studie zeigt, dass das Pflegepersonal beim Psychopharmaka-Einsatz eine Schlüsselrolle einnimmt. Viele Pflegekräfte wirken darauf hin, dass Ärzte solche Mittel verordnen, obwohl sie nicht-medikamentöse Ansätze für wirksam halten. Zeitdruck führt jedoch dazu, dass diese Alternativen oft zu wenig zum Einsatz kommen.
Entschlossenheit und Überzeugungskraft
Da das Team in Waibstadt eine große Entschlossenheit zeigte, ließen sich die Ärzte vor Ort von Anfang an weitgehend überzeugen, den Weg mitzugehen. Denn oft sind es Rat- und Hilflosigkeit, die zur Medikamentenverschreibung führen. Angehörige werden einbezogen, wenn sie über Medikamentenumstellungen informiert werden wollen.
Herausforderungen und Lösungsansätze
Neue demenzkranke Bewohner kommen meist mit einer entsprechenden Psychopharmaka-Verordnung ins Heim. Thürmann weist darauf hin, dass in den Einrichtungen oft zu viele verschiedene Mediziner im Einsatz sind, was die Intervention erschwert.
Neuroleptika-Einsatz in der Psychiatrie: Eine Querschnittsstudie
Eine retrospektive Querschnittsstudie über den Einsatz verschiedener Medikamente als Regelarznei bei aggressiven und/oder unruhigen Demenzpatienten in einem psychiatrischen Fachkrankenhaus zeigt, dass der Einsatz zugelassener Arzneistoffe wie Melperon, Zuclopenthixol und Risperidon gering war. Der am häufigsten eingesetzte Arzneistoff war Prothipendyl, das weder eine Zulassung noch eine fachgesellschaftliche Empfehlung zur Behandlung von verhaltensauffälligen Demenzpatienten hat.
Ergebnisse der Studie
Die Studie ergab, dass Melperon nur in Einzelfällen und Zuclopenthixol gar nicht eingesetzt wurde. Das Nebenwirkungsprofil und die eher unzufrieden stellende Wirksamkeit dieser drei Arzneistoffe spielen dabei wahrscheinlich die größte Rolle. Für das fachgesellschaftlich empfohlene Risperidon gibt es in dieser Querschnittsstudie erste Hinweise für eine vergleichsweise geringere Eignung in der Langzeitbehandlung von verhaltensauffälligen Demenzpatienten.
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Diskussion der Studienergebnisse
Insgesamt kann festgestellt werden, dass trotz der Nichtbefolgung der fachgesellschaftlichen Empfehlungen der dauerhafte Behandlungserfolg in der vorliegenden Querschnittsstudie durchaus beachtlich ist. Die Studie erhofft sich damit neue Diskussionsimpulse zur Behandlung von verhaltensauffälligen Demenzpatienten zu geben und weitere Forschungsarbeiten hierzu anzustoßen.
Melperon: Wirkung, Anwendung und Nebenwirkungen
Melperon gehört zur Gruppe der Antipsychotika, besitzt allerdings eine eher schwache antipsychotische Wirkung. Es wird vorwiegend bei Schlafstörungen, Verwirrtheits- und Unruhezuständen eingesetzt. Aufgrund seiner guten Verträglichkeit kommt Melperon besonders bei älteren Patienten zum Einsatz.
Wirkungsweise von Melperon
Melperon ist ein Vertreter der sogenannten Antipsychotika. Seine antipsychotische Wirkung ist aber eher schwach ausgeprägt. Dafür wirkt es stärker beruhigend und dämpfend. Es verhindert das Andocken des Botenstoffs Dopamin an seinen Rezeptor. Auf diese Weise versucht man, die übermäßige Dopaminwirkung zu normalisieren.
Anwendungsgebiete von Melperon
Melperon wird in folgenden Fällen eingesetzt:
- Schlafstörungen
- Verwirrtheitszustände
- Unruhe mit Bewegungsdrang und Erregungszuständen, besonders bei Patienten mit Psychosen, Schizophrenie, Demenz, bestimmten Neurosen und Alkoholkrankheit
Anwendung von Melperon
Melperon wird oft als Tablette oder Lösung zum Einnehmen (Melperon-Saft) angewendet. Je nach Schwere der Krankheit werden meist Dosierungen von 25 bis 200 Milligramm Melperon täglich verabreicht, die meist auf mehrere Gaben aufgeteilt werden. Die Tageshöchstdosis an Melperon beträgt 400 Milligramm.
Nebenwirkungen von Melperon
Zu Beginn der Behandlung und höheren Dosierungen kann Müdigkeit auftreten. Zusätzlich kann der Wirkstoff zu einem niedrigen Blutdruck führen, der sich in Schwindel und Schwächegefühl äußert. Abhängig von der Dosis und der individuellen Veranlagung können extrapyramidale Störungen (EPS) auftreten.
Wichtige Hinweise zur Einnahme von Melperon
Melperon darf nicht eingesetzt werden bei schwerer Leberfunktionsstörung, Malignes neuroleptisches Syndrom (MNS) in der Vergangenheit, akuten Vergiftungen mit Alkohol, zentral dämpfenden Wirkstoffen oder Opiaten sowie Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff. Bei der zusätzlichen Einnahme von weiteren dämpfenden Arzneistoffen oder Alkohol kann die dämpfende Wirkung verstärkt sein. Schwangere und stillende Frauen sollten Melperon aufgrund der unzureichenden Datenlage nicht einnehmen.
Alternativen zu Melperon
Ein besser erprobter Wirkstoff bei Unruhe- und Erregungszuständen ist Promethazin. Bei Schlafstörungen auch Amitriptylin sowie Diphenhydramin.
Risperidon zur Behandlung von Verhaltensstörungen bei Demenz
Bei an Demenz erkrankten Menschen werden Antipsychotika zur Behandlung von Verhaltensauffälligkeiten, Agitation und Halluzinationen eingesetzt. Nach vierwöchiger Behandlung mit im Mittel täglich 1,1 mg Risperidon hatten Aggressivität, Erregtheit, Reizbarkeit, Enthemmung, Angst und Halluzinationen signifikant abgenommen. Verbessert hatte sich nach dem Urteil der Ärzte und Pflegekräfte die Lebensqualität bei etwa 70 Prozent der Patienten, die Zugänglichkeit bei 50 Prozent und die Stimmung bei 45 Prozent.
Acetylcholinesterase-Hemmer und Memantin
Acetylcholinesterase-Hemmer wie Galantamin, Rivastigmin und Donepezil sind Mittel der Wahl zur Behandlung von Verhaltensauffälligkeiten bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz. Bei mittelschwerer bis schwerer Alzheimer-Demenz wirkt nur Memantin mit geringer Effektstärke positiv auf die Verhaltensstörungen.
Abwägung einer antipsychotischen Therapie
Wichtig bei der Abwägung einer antipsychotischen Therapie ist, ob der Betroffene einen Leidensdruck hat. Oft sind es die Angehörigen oder die Pflegekräfte, die um eine Verordnung bitten, da die Pflege durch die Verhaltensstörungen manchmal eine große und kaum/nicht zu bewältigende Herausforderung darstellt. Nicht medikamentöse Maßnahmen sind zwar vorzuziehen, doch nicht immer möglich.
Erhöhtes Mortalitätsrisiko durch Antipsychotika
Antipsychotika erhöhen das Mortalitätsrisiko bei Menschen mit Demenz. Neben kardiovaskulären Erkrankungen führen vor allem Pneumonien zum Tod. Die Behandlung soll mit der geringstmöglichen Dosis und über einen möglichst kurzen Zeitraum erfolgen.
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