Ein Schlaganfall stellt für Betroffene und ihre Angehörigen eine einschneidende Erfahrung dar. Plötzlich ist das Leben anders, die Zukunft ungewiss. Neben der medizinischen Versorgung des Patienten beginnt für die Angehörigen eine Zeit voller Angst, Sorge und Verzweiflung. Dieser Artikel soll Angehörigen helfen, diese schwierige Situation besser zu bewältigen und den Betroffenen bestmöglich zu unterstützen.
Was ist ein Schlaganfall?
Mediziner definieren einen Schlaganfall als eine akute Schädigung von Gewebe im Gehirn. Diese Schädigung kann entweder durch einen Gefäßverschluss entstehen, der die Durchblutung in den betroffenen Gehirnregionen reduziert oder ganz unterbindet, oder durch das Platzen eines Blutgefäßes mit nachfolgender Gehirnblutung. In beiden Fällen wird das betroffene Gewebe im Gehirn geschädigt. Ein Schlaganfall ist ein medizinischer Notfall, der sofortige Behandlung erfordert.
Ursachen und Folgen
In 80 % der Fälle ist der Verschluss einer Arterie im Gehirn die Ursache für einen Schlaganfall. Seltener entsteht ein Schlaganfall durch eine Hirnblutung. Die Symptome und Einschränkungen nach einem Schlaganfall können sehr unterschiedlich sein, abhängig von der betroffenen Region im Gehirn. Einige Patienten weisen nur geringe Einschränkungen auf, während andere mit schwersten Behinderungen leben müssen. Häufige Folgen sind:
- Halbseitenlähmung (Hemiplegie): Betroffene können eine Körperhälfte nicht mehr richtig spüren und bewegen.
- Sprachstörung (Aphasie): Schwierigkeiten in Bezug auf Sprachverständnis, Wortfindung, Lese-Sinn-Verständnis oder Schreiben.
- Schluckstörung (Dysphagie): Probleme beim Schluckvorgang mit häufigem Verschlucken, Hustenanfällen oder sogar Atemnot.
- Kognitive Einschränkungen: Störungen in den Bereichen Konzentration, Aufmerksamkeit, Erinnerungsfähigkeit oder Orientierung.
- Persönlichkeits- und Wesensveränderungen: Depressive Verstimmungen, Distanzlosigkeit oder Zurückgezogenheit.
Unterstützung während des Krankenhausaufenthalts
Bereits während des Krankenhausaufenthalts können sich Angehörige über zu erwartende Veränderungen im Alltag informieren. Beratungsstellen und das Krankenhauspersonal können Auskunft über finanzielle oder therapeutische Unterstützungsmöglichkeiten geben. Die auf solche Situationen geschulten Teams auf den Stroke Units - das sind Spezialstationen für Schlaganfall-Patienten - ermöglichen Gespräche oder bei Bedarf auch eine gezielte psychotherapeutische Unterstützung für Familienmitglieder und nahestehende Personen. Angehörige sollten sich nicht scheuen, ihre Bedürfnisse anzusprechen.
Rehabilitation
Möglichst bald nach einem Schlaganfall bietet sich für die meisten Betroffenen eine Rehabilitation an. Während des (teil)stationären Aufenthalts in einer Reha-Einrichtung finden täglich Physio-, Ergo- und/oder Logotherapien statt. Ziel ist es, feinmotorische Fähigkeiten oder das Sprechen und Schlucken zu trainieren und Alltagsaufgaben möglichst selbstständig durchzuführen. Gegen Ende des Aufenthaltes findet ein Gespräch statt, bei dem Betroffene sowie auch Angehörige sich über den Fortschritt und das weitere Vorgehen informieren können. So lässt sich die Zukunft im eigenen Zuhause besser planen.
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Das Leben zu Hause: Herausforderungen und Anpassungen
Nach der Rückkehr in die eigene Wohnung stellen viele Menschen fest, dass sie auch hier mit ihren neuen Einschränkungen zurechtkommen müssen und vor neue Herausforderungen gestellt werden.
Wohnraumanpassung
Die Wohnung sollte auf die Betroffenen und ihre möglichen Behinderungen angepasst werden. Hilfsmittel können bei alltäglichen Aufgaben unterstützen. Umbauten, wie Handläufe an den Treppen oder ein Treppenlift, können den Verlust des sicheren Gehens ausgleichen. Es ist ratsam, den Sozialdienst der Klinik bereits frühzeitig auf dieses Thema anzusprechen, da Umbauten Zeit in Anspruch nehmen können.
Therapien fortsetzen
Abhängig von den eingeschränkten Körperfunktionen finden auch nach dem Krankenhausaufenthalt längerfristig Therapien statt. Viele Fähigkeiten können im Rahmen einer intensiven Therapie wiedererlangt werden - auch noch Monate oder Jahre nach dem Schlaganfall. Entscheidend für eine möglichst schnelle Verbesserung aller Funktionen ist der frühe Therapiebeginn und das kontinuierliche Training. Therapeutinnen und Therapeuten kommen teils nach Hause; sind die Betroffenen mobil genug, kann jedoch auch die Praxis aufgesucht werden. Es ist wichtig, sich frühzeitig um einen Therapieplatz zu bemühen, da es je nach Region und Zahl der Therapiezentren zu Wartezeiten kommen kann.
Motivation und Unterstützung im Alltag
Die Betroffenen sollten auch ohne die Anwesenheit des therapeutischen Personals zu Hause üben. Unterstützen Sie Betroffene dabei, diese Fähigkeiten neu zu erlernen. Motivierend ist es, Tätigkeiten vorzuschlagen, die Betroffene leicht heraus- aber nicht überfordern. Das können Tätigkeiten wie Malen, Spiele, aber auch kleine Ausflüge sein. Ein bisschen Bewegung hilft nicht nur dabei, körperliche Funktionen wiederaufzubauen, sondern kann auch bei gereizter Stimmung weiterhelfen, das Wohlbefinden zu erhöhen.
Kommunikationshilfen
Wenn nach einem Schlaganfall die Sprache oder das Verständnis beeinträchtigt ist, kann sich auch die Kommunikation schwierig gestalten. Kommunikationshilfen wie Buchstabentafeln oder schlicht das Smartphone können unterstützend zum Einsatz kommen, um die Zeit bis zur Wiederherstellung der sprachlichen Fähigkeiten zu überbrücken. Generell sollten jedoch weiterhin so häufig wie möglich Gespräche stattfinden, die nicht nur aus „Ja/Nein“-Fragen bestehen.
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Umgang mit emotionalen und psychischen Veränderungen
Ein Schlaganfall kann das emotionale Gleichgewicht stark beeinträchtigen. Persönlichkeitsveränderungen wie Distanzlosigkeit, Zurückgezogenheit, Reizbarkeit, Missachtung sozialer Normen oder Misstrauen sind nicht ungewöhnlich. Etwa ein Drittel der Erkrankten entwickelt nach einem Schlaganfall sogar eine behandlungsbedürftige Depression. Es ist wichtig, dass auch die emotionale Seite nicht vernachlässigt wird. Betroffene sollten das ärztliche Gespräch suchen, wenn sie sich häufig niedergeschlagen, traurig oder hoffnungslos fühlen und keine Motivation mehr für weiterhin mögliche Aktivitäten aufbringen können, die ihnen bisher Freude bereiteten.
Das Gespräch suchen
Nicht immer merken Betroffene selbst, dass sich ihr Verhalten verändert hat, daher ist es sinnvoll, in Ruhe das Gespräch zu suchen. Machen Sie dabei keine Vorwürfe, sondern erfragen Sie, wie sich die betroffene Person fühlt und weisen Sie darauf hin, wo sich ihr Verhalten aus Ihrer Sicht verändert hat, um gemeinsam zu überlegen, wie man gemeinsam positive Veränderungen schaffen kann.
Unterstützung für pflegende Angehörige
Die Pflege eines Angehörigen nach einem Schlaganfall kann sehr anspruchsvoll sein. Es ist wichtig, auch auf die eigenen Grenzen zu achten, um sich nicht selbst zu überfordern.
Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen
Fühlen Sie sich nicht verpflichtet, alles selbst zu machen. Es ist nie ein Zeichen mangelnder Kompetenz, Fachleute hinzuzuziehen. Suchen Sie sich rechtzeitig Unterstützung und achten Sie darauf, auch einmal Zeit für sich zu nehmen und abschalten zu können. Sollten Sie Hilfe benötigen, können Sie sich auch an eine der Beratungsstellen für pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige wenden oder eine Pflegeberatung beantragen.
Entlastungsangebote nutzen
- Pflegegeld und Sachleistungen: Bei einem Pflegegrad kann die betroffene Person möglicherweise Pflegegeld sowie Sachleistungen in Anspruch nehmen.
- Pflegeberatung: Es besteht Anspruch auf Pflegeberatung.
- Zuschüsse für barrierefreien Umbau: Zuschüsse für den barrierefreien Umbau der Wohnung können beantragt werden.
- Hilfsmittel: Hilfsmittel wie Gehhilfen oder Pflegebetten können beantragt werden.
- Gesetzliche Freistellungsansprüche: Berufstätige Familienmitglieder, die die häusliche Pflege übernehmen, können gesetzliche Freistellungsansprüche geltend machen.
Familiale Pflege
Einige Kliniken bieten das Konzept der Familialen Pflege an. Dazu gehören Beratung zu den verschiedensten Fragen sowie praktisches Pflegetraining zu allen wichtigen Kompetenzen, die pflegende Angehörige brauchen. Beispiele aus dem Spektrum der Beratungsthemen:
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- Hilfestellungen bei wichtigen Entscheidungen
- Soziale Unterstützung
- Aufgabenteilung in Familie und sozialem Umfeld
- Unterstützungs- und Entlastungsangebote
- Leistungen der Pflegeversicherung
- Fragen zu Verfügungen und Vollmachten
- Pflege bei körperlichen Einschränkungen und Demenz
- Medizinische Themen, z. B. Druckgeschwür (Dekubitus), Atmung, Herz und Kreislauf, künstliche Ernährung etc.
Mögliche Inhalte des Pflegetrainings:
- Auswahl und Einrichtung des Pflegezimmers
- Hilfsmittel und deren Anwendung
- Sturzvermeidung
- Körperpflege
- Mobilisation und Lagerungstechniken
- Umgang mit Injektionen
- Medikamente und Verbände
- Vorbereitung von MDK-Begutachtungen
Tipps für den Umgang mit einem Schlaganfallpatienten
- Ruhe und Zuversicht ausstrahlen: Versuchen Sie, Ruhe und Zuversicht auszustrahlen und dem Patienten durch positives Denken Mut zu machen.
- Aktivierung und Zuwendung: Jede Form der Aktivierung und Zuwendung hilft bei der Regeneration.
- Frühzeitige Rehabilitation: Beantragen Sie frühzeitig eine Rehabilitation.
- Arztbriefe und Befunde teilen: Teilen Sie die Arztbriefe und Befunde mit der Rehaklinik, damit möglichst gezielte Maßnahmen ergriffen werden.
- Anspruch auf Therapien: Ihr Angehöriger hat Anspruch auf Kostenübernahme von Logopädie, Ergotherapie und Physiotherapie bis zu zwei Jahre nach dem Schlaganfall.
- Eigene Grenzen erkennen: Erkennen Sie ihre Grenzen und vernachlässigen Sie Ihre Freunde und Hobbys nicht.
- Wohnung anpassen: Kann Ihr Angehöriger weiterhin in den eigenen vier Wänden bleiben, sollte die Wohnung nach seiner Heimkehr im besten Fall so eingerichtet sein, dass er darin selbstständig leben kann.
- Kognitive Beeinträchtigungen berücksichtigen: Ist er kognitiv beeinträchtigt, belassen Sie die Einrichtungsgegenstände möglichst an ihrem Ort, das hilft, Erinnerungen wachzurufen und somit eine Brücke zwischen der Zeit vor und nach dem Schlaganfall zu schlagen.
- Pflegebereich gestalten: Muss er gepflegt werden, sollte es um das Bett herum ausreichend Platz geben, um das Essen zu bringen und ihn in den Rollstuhl zu heben oder anzukleiden.
- Betroffene Seite anregen: Wenn eine Seite oder einzelne Gliedmaßen einer Seite teilweise oder ganz gelähmt sind, sollten diese angeregt, berührt und bewegt werden.
- Medikamenteneinnahme überwachen: Eine wichtige Aufgabe der Angehörigen ist es, auf die regelmäßige Einnahme der vom Arzt verordneten Medikamente zu achten.
- Ernährung beachten: Die Ernährung sollte fettarm und die Flüssigkeitszufuhr ausreichend sein.
- Sportliche Betätigung fördern: Wenn es der körperliche Zustand des Patienten zulässt, sollten die Angehörigen ihn motivieren, sich sportlich zu betätigen.
Selbsthilfegruppen
Selbsthilfegruppen dienen dem Austausch von Erfahrungen, ermöglichen die gegenseitige Unterstützung bei Problemen und bieten häufig Angebote für die gemeinsame Freizeitgestaltung an. In Deutschland gibt es mehr als 350 Selbsthilfegruppen. Neben Gruppen, in denen sich Schlaganfall-Betroffene und Angehörige getrennt treffen, gibt es auch solche, in die Angehörige und Patienten gemeinsam gehen.
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