Die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ist eine von Zecken übertragene Viruserkrankung, die Entzündungen des Gehirns, der Hirnhäute oder des Rückenmarks verursachen kann. Der folgende Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die FSME, einschließlich Ursachen, Symptome, Diagnose, Verlauf, Therapie und Präventionsmaßnahmen.
Was ist FSME?
FSME steht für Frühsommer-Meningoenzephalitis. Es handelt sich um eine entzündliche Erkrankung des Gehirns oder der Hirnhäute, die durch Zecken übertragen wird. Die FSME ist eine Virusinfektion, die durch Zecken übertragen wird. Nur wenige Zecken tragen das Virus, sodass eine FSME-Infektion wesentlich seltener vorkommt als eine Borreliose.
FSME-Erreger und Übertragung
Die Ursache der Frühsommer-Meningoenzephalitis liegt in dem FSME-Virus, einem Virus des Genus Flavivirus in der Familie der Flaviviridae. Dieses Virus wird hauptsächlich durch infizierte Zecken auf den Menschen übertragen. Mit FSME infizierte Zecken können das Virus Menschen übertragen. Wenn sie ihr Opfer beißen, können die Viren durch den Zeckenspeichel in den Körper des Menschen und in dessen Blutbahn gelangen und die Frühsommer-Meningoenzephalitis verursachen.
Die Übertragung auf den Menschen muss jedoch nicht zwingend mit einer Infektion einhergehen. Der Großteil der Infizierten (ca. 70-95%) verbleiben ohne Beschwerden oder die zweite Krankheitsphase.
In äußerst seltenen Fällen kann die Erkrankung auch durch verunreinigte Lebensmittel, wie nicht pasteurisierte Milch von Ziegen, Kühen oder Schafen übertragen werden. Ausbrüche wurden gelegentlich in Zusammenhang mit einer alimentären Übertragung durch nichtpasteurisierte Milch (Rohmilch) von infizierten Ziegen, Schafen oder Kühen beschrieben, in jüngster Zeit vor allem aus osteuropäischen Ländern, dem Baltikum und Österreich. Daher sollte der Verzehr nichtpasteurisierter Milch und Milchprodukte von Tieren aus FSME-endemischen Gebieten vermieden werden.
Lesen Sie auch: Alles, was Sie über Borreliose-Hirnhautentzündung wissen müssen
Wo leben Zecken?
Zecken halten sich hauptsächlich in dichten Gräsern, Sträuchern und im Unterholz (bis ca. 1,5 m über dem Erdboden) auf. Die Wahrscheinlichkeit, von einer Zecke gebissen zu werden, ist somit vor allem im Wald, an Wegrändern, in Parkanlagen und Gärten erhöht.
Zecken sind ab einer Temperatur von etwa 5 °C aktiv. Sie halten sich meist im Unterholz oder Gebüsch sowie in hohen Gräsern und losem Laub auf. Von dort werden die Zecken von einem Menschen oder Tier im Vorbeigehen unbemerkt abgestreift.
FSME-Risikogebiete
FSME-Erreger kommen in einigen Ländern Europas vor. Regionen, in denen regelmäßig Infektionen auftreten, bezeichnet man als Risikogebiete. In Deutschland gelten einige Bundesländer, vorrangig im Süden, als Risikogebiete. Zu diesen gehören: Baden-Württemberg, Bayern, Hessen (Odenwald, Bergstraße, Darmstadt, Fulda, Groß-Gerau, Main-Kinzig-Kreis, Marburg-Biedenkopf, Offenbach) sowie im Thüringen (Altenburger Land, Gera, Greiz, Hildburghausen, Ilm-Kreis, Jena, Saale-Holzland-Kreis, Saale-Orla-Kreis, Saalfeld-Rudolstadt, Schmalkalden-Meiningen, Sonneberg, Suhl, Weimarer Land), Rheinland-Pfalz (Birkenfeld), Sachsen (Bautzen, Chemnitz, Dresden, Erzgebirgskreis, Görlitz, Meißen, Mittelsachsen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Vogtlandkreis, Zwickau), Nordrhein-Westfalen (Solingen), Niedersachsen (Emsland), Brandenburg (Frankfurt Oder, Oberspreewald-Lausitz, Oder-Spree, Spree-Neiße), Sachsen-Anhalt (Anhalt-Bitterfeld, Dessau-Roßlau) und das Saarland (Saarpfalz-Kreis).
Außerhalb der Risikogebiete werden in Deutschland nur vereinzelte FSME-Infektionen beobachtet. Das Robert Koch-Institut (RKI) veröffentlicht jedes Jahr im Frühling eine aktuelle Karte mit den FSME-Risikogebieten in Deutschland.
Darüber hinaus treten FSME-Erkrankungen auch in anderen Ländern Europas auf. Weitere Risikogebiete befinden sich unter anderem in: Österreich, Schweiz, Estland, Lettland, Litauen, Tschechien, Ungarn, Slowakei, Polen, Russland, Weißrussland, Schweden, Dänemark, Finnland, Italien, Slowenien, Kroatien und Albanien.
Lesen Sie auch: Meningitis-Leitfaden: Von Ursachen bis zur Vorbeugung
Symptome der FSME
Die Inkubationszeit der FSME, also der Zeitraum zwischen Ansteckung und Erkrankung, beträgt 7 bis 14 Tage. Die meisten FSME Infektionen sind asymptomatisch. Kommt es allerdings zu einer symptomatische Infektion, äußert sich diese in der Mehrzahl der Fälle in zwei Stadien (biphasischer Krankheitsverlauf).
Erste Krankheitsphase
Etwa 7-14 Tage nach dem Zeckenstich treten grippeähnliche Symptome auf. Diese halten ungefähr eine Woche an. Betroffene klagen über ein allgemeines Krankheitsgefühl, Fieber, Kopfschmerzen und Gliederschmerzen. Es kann allerdings auch zu Erbrechen und Schwindel kommen. Die Anzeichen werden in dieser Phase oft mit einem Infekt oder einer Grippe verwechselt, vor allem wenn der Zeckenstich unbemerkt blieb.
Zweite Krankheitsphase
Nach der ersten Krankheitsphase kommt es zu einem fieberfreien Intervall, das mehrere Tage bis Wochen anhalten kann. Bei etwa 70% der Patienten bei denen es zu Symptomen kommt, treten innerhalb von 21 Tagen erneut Symptome auf. Das Fieber steigt wieder und es kommen neurologische Beschwerden (Lähmungen und Bewusstseinsstörungen) hinzu.
Grund dafür ist bei etwa 50 % aller Betroffenen eine isolierte Meningitis (Hirnhautentzündung). In etwa 40 % der Fälle sind nicht nur die Hirnhäute, sondern auch das Hirngewebe von der Entzündung betroffen (Meningoenzephalitis). Bei ca. 10 % der Betroffenen kommt es zu einem Entzündungsprozess in Hirn- und Rückenmarksgewebe (Meningoenzephalomyelitis). In seltenen Fällen kann sich die Entzündung auf das Rückenmark allein (Myelitis) oder nur auf Nervenwurzeln, die am Rückenmark entspringen (Radikulitis) beschränken.
Symptome im Detail
Die Symptome sind davon abhängig, wo die Entzündung zu verorten ist.
Lesen Sie auch: Leben nach Meningitis: Was Sie wissen sollten
Entzündung der Hirnhaut (Meningitis):
- Allgemeinbefinden stark eingeschränkt
- Kopfschmerzen, schmerzhafte Nackensteifigkeit (Meningismus), hohes Fieber
- Ggf. Übelkeit, Erbrechen, Lichtscheue, Unruhe
- Bei Säuglingen, Kindern und Neugeborenen können weitere Symptome auf eine Meningitis hinweisen
Entzündung der Hirnhäute und des Hirngewebes (Meningoenzephalitis):
Da es sich bei einer Meningoenzephalitis um eine Infektion der Hirnhäute und des Hirngewebes handelt, können alle Symptome einer Meningitis (Hirnhautentzündung) ebenfalls bei einer Meningoenzephalitis vorkommen. Weitere Symptome einer Enzephalitis können beispielsweise sein:
- Bewusstseinsstörungen
- Orientierungsstörungen
- Aufmerksamkeit- und Gedächtnisstörungen
- Halluzinationen
- Schlafstörungen
- Gleichgewichtsstörungen
- Epileptische Anfälle
- Sprachstörungen
- Lähmungen
- Verhaltensänderungen
- Koordinationsstörungen
Entzündung des Gehirn, der Hirnhäute und des Rückenmarks (Meningoenzephalomyelitis):
Bei einer Meningoenzephalomyelitis kommt es neben einer Entzündung der Hirnhäute und des Hirngewebes zusätzlich zu einer Entzündung des Rückenmarksgewebes, was sich durch folgende zusätzliche Symptome äußern kann:
- Sensibilitätsstörungen
- Abgeschwächte Reflexe
- Lähmungen bis hin zur Querschnittslähmung
Diagnose der FSME
Ein zurückliegender Aufenthalt in einem FSME-Gebiet verbunden mit einem Zeckenstich, ist ein erster Hinweis auf eine Infektion mit dem Virus. Spezielle Untersuchungen ermöglichen eine sichere Diagnose. Bei Verdacht auf eine FSME sollten Sie frühzeitig Ihren Arzt aufsuchen. Erste Hinweise für die Diagnose ergeben sich vielleicht schon durch die Erinnerung an einen Zeckenbiss.
Blutuntersuchung
Im Verlauf der Erkrankung bildet der Körper sogenannte IgM- und IgG-Antikörper gegen das FSME-Virus. Diese speziellen Abwehrstoffe des Immunsystems lassen sich im Blut und im Nervenwasser (Liquor) nachweisen.
Lumbalpunktion
Der behandelnde Arzt kann mithilfe einer Lumbalpunktion eine Liquorprobe entnehmen und sie unter anderem auf entsprechende Antikörper untersuchen, um so eine Frühsommer-Meningoenzephalitis nachzuweisen.
Direkter Virusnachweis
Der Virus selbst ist bereits zu Beginn der Erkrankung im Blut und Liquor nachweisbar. Ein direkter Erregernachweis ist zwar nicht Voraussetzung für die Diagnosestellung, allerdings kann man so vor einem Antikörpernachweis bereits eine Diagnose stellen.
Therapie der FSME
Da keine antivirale Therapie verfügbar ist, die FSME behandelt, können durch die Therapie nur die Symptome gelindert werden. Eine Heilung erfolgt allerdings nicht. Gegen das Virus gibt es keine ursächliche Therapie. Patienten mit einer FSME des Nervensystems werden stationär überwacht. Schwere Verläufe sollten im Krankenhaus behandelt werden, unter Umständen sogar intensivmedizinisch.
Die Symptome werden hauptsächlich durch beruhigende, krampflösende und schmerzlindernde Medikamente verringert. Sind neurologische Ausfälle (z. B. Lähmungen) verbunden, sind außerdem Rehabilitationsmaßnahmen erforderlich (z. B. Krankengymnastik).
Verlauf und Prognose der FSME
Die Prognose der FSME ist individuell und davon abhängig unter welcher Verlaufsform man leidet. In den meisten Fällen heilt die Krankheit folgenlos aus. Bei schweren Verläufen können jedoch bleibende Schäden am Nervensystem entstehen, es kann sogar zum Tod kommen. Der konkrete Verlauf hängt davon ab, welche Strukturen des Nervensystems betroffen sind.
- Sind nur die Hirnhäute entzündet (isolierte Meningitis), heilt die FSME in der Regel ohne Folgeschäden zu hinterlassen aus.
- Wenn zusätzlich das Gehirngewebe entzündet ist (Meningoenzephalitis) bleiben bei etwa 20% der Patienten neurologische Defizite.
- Ist zusätzlich das Rückenmarksgewebe betroffen (Meningoenzephalomyelitis), bleiben bei etwa 50% der Patienten neurologische Defizite zurück.
Die Prognose hängt also von unterschiedlichen Faktoren ab. Eine schlechtere Prognose haben in der Regel immungeschwächte Patienten, sowie Patienten, die zum Erkrankungszeitpunkt bereits über 60 Jahre alt sind. Außerdem gilt es als prognostisch ungünstig, wenn Männer an FSME erkranken. Die allgemeine Letalität bei FSME liegt bei ca. 1 %, handelt es sich um eine FSME die sich als (Meningo)Enzephalomyelitis zeigt, liegt die Letalität sogar bei ca. 30%.
Komplikationen
Die Viruserkrankung kann in seltenen Fällen mit Komplikationen verbunden sein. Liegt ein biphasischer Krankheitsverlauf vor, handelt es sich bei 5-10% der Patienten um eine (Meningo-)Enzephalomyelitis, die mit einem komplizierten Verlauf und eine schlechteren Prognose einhergeht.
Vorbeugung gegen FSME
Effektive Vorbeugung kann zum einen durch Prävention und zum anderen durch eine entsprechende Impfung erfolgen.
Maßnahmen gegen Zeckenstiche:
- Tragen Sie in der freien Natur schützende Kleidung (lange Hosen und Ärmel, Strümpfe, feste Schuhe, Hosenbeine in die Strümpfe gesteckt)!
- Benutzen Sie zeckenabweisende Mittel! (Achtung: Zeitlich begrenzte Wirkung und kein vollständiger Schutz)
- Meiden Sie FSME-Risikogebiete!
- Sollten Sie eine Zecke entdecken, entfernen Sie sie umgehend am besten mit einer Pinzette oder einem Instrument zur Zeckenentfernung
- Zecke mit Zeckenpinzette so nah wie möglich an der Haut, an der Stichstelle greifen und langsam und gerade herausziehen
- Desinfektion der Einstichstelle
- die Zecke nicht zusammendrücken oder verdrehen (sonst besteht die Gefahr, dass infizierter Speichel in die Wunde gelangt)
- auf keinen Fall Hausmittel (z. B. Öl) benutzen, da auf diese Weise ebenfalls infizierter Speichel in den Körper gelangen kann
Achtung: Auch wenn Sie eine Zecke rasch entfernt haben, können Sie sich mit FSME-Viren infiziert haben. Wenn die Zecke einmal zugebissen hat, können die Viren sofort auf den Menschen übergehen. Sichere Vorbeugung kann nur durch eine Impfung erfolgen! Eine schnelle Entfernung schützt ebenfalls vor Borreliose, da die Wahrscheinlichkeit sich durch den Zeckenstich mit Borrelliose zu infizieren besonders hoch ist, wenn das Saugen der Zecke mehr als 12 Stunden andauert.
FSME: Impfung
Die Impfung gegen FSME vornehmen zu lassen, ist die einzige effektive Schutzmöglichkeit vor dem Virus. Die FSME-Impfung (Zeckenimpfung) bietet sicheren Schutz. Sie besteht aus 3 Teilimpfungen und wird in die Muskulatur des Oberarms gespritzt. Zwei Impfungen verleihen Ihnen höchstens zeitlich begrenzten Schutz (z. B. während eines Urlaubs in einem Risikogebiet).
Konventionelles Impfschema:
Die ersten beiden FSME-Impfungen erhalten Sie je nach verwendetem Impfstoff im Abstand von 2 Wochen bis 3 Monaten. Die dritte Impfung erfolgt nach weiteren 5-12 oder nach 9-12 Monaten. 2 Wochen nach der zweiten Impfung setzt der vorübergehende Impfschutz bereits ein, der für die laufende Saision zunächst ausreichend ist. Die Grundimmunisierung schützt mindestens 3 Jahre vor der Erkrankung und ist nach der dritten Impfung abgeschlossen. Bei weiterbestehender Indiktation sollte nach 3 Jahren eine erste Auffrischimpfung erfolgen. Weitere Auffrischimpfungen sind in der Regel im Abstand von 5 Jahren nötig.
Schnellimmunisierung:
Ist ein schneller Impfschutz gegen die Frühsommer-Meningoenzephalitis nötig, kommt dieses spezielle Impfschema zum Einsatz. Auch hier hängt das Impfschema vom verwendeten Impfstoff ab. Beispielweise können die ersten beiden Impfungen dabei im Abstand von einer Woche erfolgen. Die dritte erfolgt zwei Wochen nach der zweiten FSME-Impfung, also drei Wochen nach der ersten Impfung. Ein verlässlicher, aber nur vorübergehender Impfschutz, besteht ab dem Tag der letzten Impfung (etwa nach 3 Wochen). Alternativ ist es möglich, die beiden ersten Impfungen in einem Abstand von zwei Wochen zu verabreichen und eine dritte Impfung nach 5-12 Monaten.
Eine erste Auffrischimpfung wird nach 3 Jahren notwendig. Weitere Auffrischimpfungen (bei Menschen unter 50 Jahren) sind erst wieder nach 5 Jahren zu empfehlen. Bei Personen ab 50 Jahren ist der Impfschutz jedoch nur sicher, wenn die Auffrischung weiterhin alle 3 Jahre stattfindet, denn in dieser Altersklasse reagiert das Abwehrsystem schwächer auf die Impfung.
Nebenwirkungen treten nur in sehr seltenen Fällen auf. Bei Kindern unter 3 Jahren ist vor der Impfung ein Arzt zu konsultieren, da diese nach der Impfung häufiger unter hohem Fieber leiden.
Wer ist besonders gefährdet?
Als Risikogruppe sind vor allem solche Menschen einzustufen, die sich in der freien Natur der Risikogebiete aufhalten, sei es aus privaten oder beruflichen Gründen (Wanderer, Landwirte, Förster,..) Besonders anfällig für Komplikationen sind allerdings vor allem ältere Menschen (>60 Jahre), immungeschwächte Menschen und ungeimpfte Menschen. Männer erkranken an FSME etwa doppelt so häufig wie Frauen.
tags: #hirnhautentzündung #zecke #verlauf #symptome