Das menschliche Gehirn ist ein erstaunliches Organ, das mit rund 86 Milliarden Neuronen und einer ähnlichen Anzahl von Gliazellen ausgestattet ist. Es fungiert als zentrale Steuereinheit, die lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Überleben, Wahrnehmung und den Schlaf-Wach-Rhythmus reguliert. Das Gehirn ist stoffwechselaktiv und benötigt eine konstante Zufuhr von Blutzucker und Sauerstoff.
Anatomie des Gehirns: Ein Überblick
Das Gehirn befindet sich im Schädel und besteht aus zwei Hälften, die durch den Balken (Corpus callosum) verbunden sind, welcher den Informationsaustausch zwischen den Hälften ermöglicht. Geschützt wird das Gehirn durch die Schädelknochen und drei Hirnhäute (Dura mater, Arachnoidea und Pia mater).
Die Hauptbestandteile des Gehirns sind:
- Großhirn (Cerebrum): Nimmt etwa 80 % der Hirnmasse ein und ist für höhere kognitive Funktionen zuständig.
- Kleinhirn (Cerebellum): Befindet sich im unteren hinteren Schädelbereich und steuert Bewegungsabläufe und Koordination.
- Zwischenhirn (Diencephalon): Enthält Thalamus, Hypothalamus und Zirbeldrüse und filtert Informationen, bevor sie ins Großhirn gelangen.
- Hirnstamm (Truncus cerebri): Verbindet Rückenmark und Großhirn und ist für lebenswichtige Funktionen zuständig.
Der Hirnstamm: Verbindung und Lebensfunktionen
Der Hirnstamm, auch Truncus cerebri genannt, ist ein wichtiger Teil des Gehirns, der oft übersehen wird. Er ist der entwicklungsgeschichtlich älteste Teil des Gehirns und verbindet das Gehirn mit dem Rückenmark. Er liegt unterhalb des Zwischenhirns und wird teilweise von Groß- und Kleinhirn verdeckt.
Aufbau des Hirnstamms
Der Hirnstamm besteht aus drei Hauptteilen:
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- Mittelhirn (Mesencephalon): Der kleinste Hirnabschnitt, der für Reflexbewegungen der Augen, Augenmotorik, Verarbeitung akustischer Reize, Schmerzwahrnehmung, Bewegungssteuerung und Willkürmotorik zuständig ist.
- Brücke (Pons): Ein kräftiger Wulst an der Hirnbasis, der über den Kleinhirnstiel mit dem Kleinhirn verbunden ist und eine wichtige Rolle für den Gleichgewichtssinn spielt. Funktionsstörungen des Pons können zu Schwindelgefühlen und Gleichgewichtsstörungen führen.
- Verlängertes Mark (Medulla oblongata): Bildet den Übergang zum Rückenmark und steuert lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Herzfrequenz und Blutdruck.
Brücke und Kleinhirn werden auch als Metencephalon (Hinterhirn) bezeichnet. Es bildet zusammen mit dem Myelencephalon (verlängerten Mark) das Rautenhirn (Rhombencephalon).
Funktionen des Hirnstamms
Der Hirnstamm ist eine Schnittstelle zwischen Gehirn und Rückenmark, über die aufsteigende und absteigende Informationen weitergeleitet werden. Dabei kreuzen sich die Informationen, sodass die rechte Gehirnhälfte für die linke Körperhälfte zuständig ist und umgekehrt.
Zu den wichtigsten Funktionen des Hirnstamms gehören:
- Steuerung lebenswichtiger Funktionen: Herzfrequenz, Blutdruck, Atmung
- Reflexe: Lidschluss-, Schluck- und Hustenreflex
- Schlaf: Kontrolle von Schlaf und Traumphasen
- Weiterleitung von Informationen: Über die Pyramidenbahn werden willkürliche Bewegungssignale vom motorischen Kortex ins Rückenmark geleitet.
- Vegetative Funktionen: Steuerung von Aufmerksamkeit, Wachheitszustand, Kreislauf, Atmung und Erbrechen durch die Formatio reticularis.
Lage des Hirnstamms
Der Hirnstamm befindet sich im unteren Schädelbereich an der Schädelbasis, verdeckt von Groß- und Kleinhirn. Er geht mit einer nicht genau definierten Grenze in das Rückenmark über. In diesem Bereich, der Pyramidenkreuzung, kreuzen die vom Gehirn kommenden Nervenbahnen auf die Gegenseite.
Probleme und Erkrankungen des Hirnstamms
Schädigungen des Hirnstamms können zu Hirnstamm-Syndromen führen, die meist durch den Ausfall von Hirnnerven gekennzeichnet sind. Je nach Höhe der Läsion (Mittelhirn, Pons oder verlängertes Mark) fallen die Funktionen verschiedener Nerven aus.
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Weitere mögliche Probleme sind:
- Pseudobulbärparalyse: Beidseitige Schädigung von Nervenbahnen, die zu weiter abwärts gelegenen Hirnnervenkernen führen. Symptome sind Sprech- und Schluckstörungen, beeinträchtigte Zungenbeweglichkeit und Heiserkeit.
- Wachkoma: Bei einer alleinigen Schädigung des Großhirns werden die Lebensfunktionen nur noch durch den Hirnstamm aufrechterhalten. Betroffene sind wach, erlangen aber kein Bewusstsein und können keinen Kontakt mit ihrer Umgebung aufnehmen.
- Hirnstamm-Infarkt: Kann lebensbedrohlich sein, wenn Areale betroffen sind, die für das Bewusstsein oder die Atmung von Bedeutung sind.
Das Kleinhirn: Koordination und Bewegung
Das Kleinhirn (Cerebellum) befindet sich im hinteren unteren Bereich des Schädels, unterhalb des Okzipitallappens. Es ist nach dem Großhirn der zweitgrößte Teil des Gehirns und enthält etwa 70 Milliarden Nervenzellen.
Aufbau des Kleinhirns
Das Kleinhirn besteht aus:
- Kleinhirnhälften (Hemisphären): Zwei Hälften, die durch den Vermis cerebelli (Kleinhirnwurm) verbunden sind.
- Kleinhirnrinde: Äußere Schicht aus grauer Substanz, die in drei Schichten unterteilt ist (Körnerschicht, Purkinje-Schicht, Molekularschicht).
- Kleinhirnkerne: Gruppen von Nervenzellkernen tief im Mark, die als Schaltzentren fungieren.
Funktionen des Kleinhirns
Die Hauptaufgabe des Kleinhirns besteht darin, Bewegungsabläufe zu steuern und zu koordinieren. Es analysiert jede Bewegung blitzschnell und sorgt für Gleichgewicht und aufrechte Körperhaltung.
Weitere Funktionen sind:
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- Koordination von Muskelbewegungen: Feinabstimmung von Bewegungsabläufen
- Regulierung der Muskelspannung: Aufrechterhaltung des Muskeltonus
- Gleichgewicht: Aufrechterhaltung des Gleichgewichts
- Speicherung von Bewegungsabläufen: Automatisierung bestimmter Bewegungen nach Übung
Funktionelle Einteilung des Kleinhirns
Das Kleinhirn kann funktionell in drei Bereiche unterteilt werden:
- Vestibulozerebellum: Beeinflusst Körperhaltung und Feinabstimmung von Augenbewegungen. Erhält Informationen vom Gleichgewichtsorgan im Innenohr und leitet sie an die Kerne des Gehör- und Gleichgewichtsnervs bzw. an die Augenmuskelnervenkerne im Hirnstamm weiter.
- Spinozerebellum: Wird hauptsächlich durch den Kleinhirnwurm gebildet und erhält Informationen aus dem Rückenmark über die Stellung von Armen, Beinen, Rumpf und die Muskelspannung.
- Pontocerebellum: Wird durch die beiden Kleinhirnhemisphären gebildet.
Erkrankungen des Kleinhirns
Ein Großteil der ZNS-Tumoren im Kindes- und Jugendalter, wie Astrozytome und Medulloblastome, wachsen im Kleinhirn.
Zusammenspiel von Hirnstamm und Kleinhirn
Hirnstamm und Kleinhirn arbeiten eng zusammen, um lebenswichtige Funktionen und Bewegungsabläufe zu koordinieren. Der Hirnstamm dient als Verbindung zwischen Gehirn und Rückenmark und steuert grundlegende Funktionen wie Atmung und Herzschlag. Das Kleinhirn empfängt Informationen aus dem Hirnstamm und anderen Gehirnbereichen und koordiniert Bewegungen, um Gleichgewicht und Präzision zu gewährleisten.