Die Hashimoto-Thyreoiditis, auch bekannt als chronisch lymphozytäre oder Autoimmunthyreoiditis (AIT), ist eine der häufigsten Autoimmunerkrankungen. Sie betrifft vor allem Frauen zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr, kann aber auch bei älteren Menschen und Kindern auftreten. Bei dieser Erkrankung greift das Immunsystem fälschlicherweise das Schilddrüsengewebe an, was zu einer chronischen Entzündung und langfristig zu einer verminderten Hormonproduktion führt. Die Symptome sind vielfältig und entwickeln sich oft schleichend.
Die Rolle der Schilddrüse und ihrer Hormone
So klein das Organ Schilddrüse auch sein mag, so groß ist doch sein Einfluss auf Körper und Psyche. Die in der Schilddrüse produzierten Schilddrüsenhormone beeinflussen nicht nur organische Vorgänge wie Herz, Kreislauf, Verdauung oder Wachstum, sondern aktivieren auch den Stoffwechsel der Nervenzellen und die Gehirntätigkeit. Vereinfacht ausgedrückt wirken Schilddrüsenhormone wie Energielieferanten auf verschiedene Gehirnstrukturen. Daraus kann man sich relativ leicht auch die psychischen Folgen einer Über- oder Unterfunktion ableiten.
Bei einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) laufen viele Hirnprozesse überschießend, also zu schnell und zu stark ab. Bei einer Schilddrüsenunterfunktion ist das Gegenteil der Fall. Daher ist sowohl eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) als auch eine Schilddrüsenüberfunktion mit psychischen Symptomen gekoppelt. Beide Funktionsstörungen führen zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität. Ist das psychische Gleichgewicht gestört, wirkt sich dies auch auf das körperliche Wohlbefinden aus.
Ursachen und Risikofaktoren
Die genaue Ursache, warum das Immunsystem die Schilddrüse angreift, ist noch nicht abschließend geklärt. Genetische Faktoren können eine Rolle spielen, da die Hashimoto-Thyreoiditis familiär gehäuft auftreten kann. Auch hormonelle Umstellungsphasen (z. B. Pubertät, Schwangerschaft etc.) oder hohe Mengen an Jod könnten eine Rolle spielen. Stress kommt ebenfalls als möglicher Auslöser infrage. Nicht selten tritt die Erkrankung zusammen mit anderen Krankheiten auf, wie zum Beispiel einem gestörten Zuckerstoffwechsel (Diabetes mellitus Typ 1).
Es ist bekannt, dass Menschen, die an einer Autoimmunerkrankung der Hormondrüsen leiden, ein erhöhtes Risiko haben, weitere Autoimmunerkrankungen zu entwickeln, etwa Morbus Addison, Typ-1-Diabetes oder Zöliakie.
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Symptome der Hashimoto-Thyreoiditis
Die Hashimoto-Thyreoiditis verläuft in der Regel schmerzlos. Manche Betroffene beschreiben ein Druck- oder Kloßgefühl, meist treten aber kaum Symptome auf. Deshalb wird die Erkrankung oft erst im fortgeschrittenen Stadium entdeckt - nämlich dann, wenn sie zu einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) geführt hat.
Da die Entzündung der Schilddrüse meist langsam beginnt, werden die Symptome und Beschwerden der Hashimoto-Thyreoiditis zunächst kaum wahrgenommen oder andere Ursachen vermutet. Unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Traurigkeit oder Gewichtszunahme stellen sich nach und nach ein und die Betroffenen gewöhnen sich an diese Veränderungen. Die eigentliche Ursache aber, die chronische Schilddrüsenentzündung wird nicht diagnostiziert.
Neurologische und psychische Symptome
Bei einer Hashimoto-Thyreoiditis sind auch neurologische Symptome wie Kribbeln oder Taubheitsgefühl in den Beinen möglich. In seltenen Fällen beschleunigt sich der Krankheitsverlauf. Durch eine akute Entzündung stirbt sehr viel Schilddrüsengewebe in kurzer Zeit ab. Das setzt viele der dort gespeicherten Hormone frei. Dadurch können mitunter vorübergehend Anzeichen einer Überfunktion auftreten, zum Beispiel Nervosität, Zittern, Schwitzen oder beschleunigter Puls.
Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis leiden nicht selten an kognitiven Störungen im Bereich Denken, Merkfähigkeit und Konzentration. Zudem kommt es auch häufig zu affektiven Störungen im Bereich Stimmung, Gefühl oder sozialen Verhalten. Die Symptome kommen dabei in unterschiedlicher Ausprägung vor. Manchmal führen die Beschwerden nur zu einer leichten Beeinträchtigung, manchmal aber auch zu ernsthaften Erkrankungen wie Depression, Panikattacken oder Pseudo-Demenz.
Zu den typischen neurologischen und psychischen Symptomen gehören:
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- Müdigkeit und Erschöpfung: Ständige Müdigkeit, Schwäche und Abgeschlagenheit sind häufige Begleiter der Hashimoto-Thyreoiditis.
- Konzentrationsprobleme und Gedächtnisschwäche: Viele Betroffene klagen über Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren und sich Dinge zu merken.
- Depressive Verstimmungen: Antriebslosigkeit, Mutlosigkeit oder eine depressive Verstimmung sind typische Folgen einer Unterfunktion.
- Kognitive Funktionseinschränkungen: Bei etwa 50 - 90 % der Hypothyreosepatienten können zusätzlich geistige Funktionseinschränkungen wie Aufmerksamkeits-, Konzentrations- oder Gedächtnisstörungen, verlangsamte Gedankengänge, Initiativlosigkeit, Stumpfheit oder Lethargie festgestellt werden.
- Hashimoto-Enzephalopathie: In seltenen Fällen kann es im Zusammenhang mit einer Hashimoto-Thyreoiditis zu einer Erkrankung des Gehirns kommen. Die sogenannte Hashimoto-Enzephalopathie führt zu vielfältigen neurologischen und psychiatrischen Symptomen wie kognitiven Defiziten, Verwirrtheitszuständen, Psychosen, vorübergehender Schläfrigkeit bis hin zu Koma, epileptischen Anfällen und Bewegungsstörung (Ataxie).
Es ist noch nicht endgültig geklärt, ob diese Symptome eine direkte Folge der Schilddrüsenfunktionsstörung sind. Manche Schilddrüsenspezialisten machen auch die Schilddrüsenantikörper selber dafür verantwortlich. Andere sehen die Ursache der bei Hashimoto-Thyreoiditis so häufig auftretenden psychischen Beschwerden in einem übergeordneten immunologischen Krankheitsprozess im Gehirn.
Auch die lokale Verteilung der Thyroxin-Rezeptoren im Gehirn spielt wohl eine bedeutende Rolle. Man nimmt auch an, dass eine genetisch bedingte Variabilität der Dejonidase im Gehirn, die Ursache dafür ist, dass manche Patienten sich mit einer Kombinationstherapie von T4 und T3 wohler fühlen als mit der T4-Monotherapie.
Diagnose
Bei Anzeichen einer Schilddrüsenunterfunktion sollten die Betroffenen ärztlichen Rat suchen, um die Symptome abzuklären. Nach einem ersten Gespräch zu Beschwerden und eventuell bestehenden Vorerkrankungen wird der Arzt oder die Ärztin die Schilddrüse abtasten und möglicherweise mit Ultraschall untersuchen. Ob eine Unterfunktion der Schilddrüse vorliegt, zeigen verschiedene Bluttests. Sie ermitteln die Höhe der Schilddrüsenhormone (Thyroxin oder Trijodthyronin) sowie die des Botenstoffs TSH der Hirnanhangsdrüse. Dieser steuert die Hormonproduktion der Schilddrüse.
Die Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis erkennt man an Antikörpern im Blut, die sich gegen das Schilddrüsengewebe richten oder durch weiße Blutkörperchen in einer Feinnadelbiopsie der Schilddrüse. Bei latenter Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) untersucht man das Blut auf Autoantikörper gegen Eiweiße der Schilddrüse, um den Verdacht auf eine Hashimoto-Thyreoiditis abzuklären. Bei vielen Hashimoto-Betroffenen sind Antikörper gegen zwei bestimmte Eiweiße zu finden: Thyreoperoxidase (TPO) und Thyreoglobulin (Tg). Sind keine Antikörper gegen TPO nachweisbar, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie eine einmalige Bestimmung der TG-Antikörper, da manche Erkrankte lediglich Antikörper gegen Thyreoglobulin bilden.
Eine Ultraschall-Untersuchung der Schilddrüse kann als bildgebendes Verfahren die Hashimoto-Diagnose unterstützen. Im Ultraschall sieht man dann typischerweise eine echoarme und vergleichsweise kleine Schilddrüse. Relevanter für die Feststellung einer Hypothyreose im Rahmen einer Hashimoto-Erkrankung ist jedoch der erhöhte TSH-Wert.
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Zur Abklärung einer Hashimoto-Enzephalopathie können weitere Untersuchungen notwendig werden, zum Beispiel die Analyse einer Probe der Gehirnflüssigkeit (Liquor) sowie eine Messung der elektrischen Hirnaktivität (EEG). Bildgebende Verfahren spielen für die Diagnose der Hashimoto-Enzephalopathie keine Rolle.
Therapie
Eine Hashimoto-Thyreoiditis ist nicht heilbar, da sich ihre Ursache - eine Fehlsteuerung im Immunsystem - nicht beseitigen lässt. Die Autoimmunerkrankung an sich wird also bestehen bleiben und bereits zerstörtes Schilddrüsengewebe kann sich nicht neu bilden. Die Folgen und Symptome der Schilddrüsenunterfunktion lassen sich jedoch gut behandeln, indem dem Körper das fehlende Schilddrüsenhormon Thyroxin zugefügt wird. Hierfür müssen Menschen mit einer chronischen Schilddrüsenunterfunktion jeden Tag ein Medikament mit dem künstlich hergestellten Hormon, dem Wirkstoff Levothyroxin (L-Thyroxin), einnehmen.
Die Tablette wird auf nüchternen Magen genommen, da das Medikament dann besser vom Körper aufgenommen werden kann. Der beste Zeitpunkt für die Einnahme ist eine halbe Stunde vor dem Frühstück oder abends mit mehreren Stunden Abstand zur letzten Mahlzeit. Nach etwa zwei bis drei Monaten sind die Schilddrüsenwerte wieder im Normalbereich, wodurch die Symptome auch fast vollständig verschwinden. Die Schilddrüsenwerte werden in den ersten Wochen regelmäßig überprüft und die Dosierung des Medikaments bei Bedarf neu angepasst. Eine zu hohe Dosierung des Wirkstoffs könnte beispielsweise zu Unruhe und Schlafstörungen führen.
Später genügt eine Überprüfung in der Regel einmal pro Jahr. Es gibt verschiedene Hersteller, die Arzneimittel mit dem Wirkstoff L-Thyroxin vertreiben, doch nicht alle wirken gleich. Um Hormonschwankungen zu vermeiden, ist es daher wichtig, dass Patientinnen und Patienten mit Schilddrüsenunterfunktion immer bei demselben Medikament bleiben.
Eine Hashimoto-Enzephalopathie lässt sich gut mit hochdosiertem Kortison (Prednisolon) behandeln. Gegen die Hashimoto-Thyreoiditis hat Kortison jedoch keinen Nutzen. Manche Mediziner empfehlen außerdem die Einnahme von Selen, weil es durch die Neutralisierung von freien Radikalen entzündungshemmend wirkt. Welche Rolle ein Selenmangel für die Entstehung von autoimmunen Erkrankungen der Schilddrüse spielt, muss noch weiter erforscht werden.
Die Therapie bei Hashimoto-Thyreoiditis sollte als primäres Ziel eine Verbesserung der Lebensqualität der Patienten als Ziel haben. Eine ausschließliche Orientierung am im Blut bestimmte TSH-Wert ist nicht sinnvoll, da hiermit keine sichere Aussage zur adäquaten Thyroxin-Versorgung der einzelnen Organe wie z. B. dem Gehirn möglich ist. Zahlreiche internationale Studien haben nachweisen können, dass auch vermeintlich euthyreote (normale Schilddrüsenwerte) Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis von einer Thyroxin-Therapie profitieren. Auch diese Patienten mit einem TSH im Normbereich verspürten durch die Hormongabe einen deutlichen Rückgang ihrer psychischen Beschwerden. Insbesondere verbesserten sich Symptome wie Denkschwäche, Konzentrationsstörung, Antriebslosigkeit, Traurigkeit, Müdigkeit oder Ängstlichkeit.
Ernährung und Lebensstil
Eine vermehrte Jodzufuhr kann bei der Entstehung von Hashimoto-Thyreoiditis eine Rolle spielen und möglicherweise auch den Verlauf der Erkrankung negativ beeinflussen. Daher sollten Hashimoto-Erkrankte Jod in zu hoher Dosis meiden. Das heißt: Es sollten keine Jodtabletten eingenommen und die Jodzufuhr über die Nahrung im Auge behalten werden. Sehr reich an Jod sind zum Beispiel Seefische (wie Makrele, Hering, Seelachs), Meeresalgen und Meeresfrüchte.
Ergänzend zur medikamentösen Therapie kann die Ernährung und Schilddrüse eine Rolle spielen. Eine ausgewogene Ernährung, die reich an Selen, Zink und Omega-3-Fettsäuren ist, kann das Immunsystem positiv beeinflussen.
Regelmäßige, moderate Bewegung kann das Energielevel erhöhen und die Stimmung verbessern. Aktivitäten wie Spaziergänge, Yoga oder Schwimmen sind besonders geeignet. Chronischer Stress kann die Symptome der Hashimoto-Thyreoiditis verstärken. Entspannungstechniken wie Meditation, progressive Muskelentspannung oder Atemübungen können helfen, Stress abzubauen.
Leben mit Hashimoto-Thyreoiditis
Die meisten Menschen mit Hashimoto-Thyreoiditis haben dank der Medikamente kaum oder sogar gar keine Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion und können dadurch ein ganz normales Leben führen. Wichtig ist es, die Medikamente wirklich regelmäßig einzunehmen, so wie es verordnet wurde und möglichst immer beim gleichen Medikament zu bleiben. Zusätzliche Jodtabletten sollten nicht eingenommen werden und sehr jodhaltige Nahrungsmittel, beispielsweise Algen, nicht auf dem Speiseplan stehen.
Die Diagnose Hashimoto-Thyreoiditis bringt für viele Betroffene nicht nur medizinische Herausforderungen mit sich, sondern beeinflusst auch den Alltag in vielfältiger Weise. Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Stimmungsschwankungen sind häufige Symptome, die sich negativ auf die berufliche Leistungsfähigkeit auswirken können. Es ist wichtig, offen mit Vorgesetzten und Kollegen über die Erkrankung zu sprechen, um Verständnis und gegebenenfalls flexible Arbeitszeiten oder Pausenregelungen zu ermöglichen.
Es ist wichtig, auf Anzeichen von Depressionen oder Angstzuständen zu achten und gegebenenfalls professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Hashimoto-Thyreoiditis ist zwar eine chronische Erkrankung, doch mit dem richtigen Wissen, einer individuellen Therapie und einem ganzheitlichen Lebensstil können Betroffene ein erfülltes und gesundes Leben führen.
Hashimoto-Thyreoiditis bei Kindern
Bei Kindern mit Hashimoto-Thyreoiditis äußert sich eine Schilddrüsenunterfunktion oft wenig charakteristisch: Antriebslosigkeit, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen sowie Übergewicht können Anzeichen sein. Nicht selten leiden Kinder mit Hashimoto-Thyreoiditis auch an Wachstums- und Entwicklungsstörungen. In der Schule fällt oft eine Lernschwäche auf. Ist eine Schilddrüsenunterfunktion die Ursache, lässt sich diese gut behandeln und die Symptome verschwinden meist.
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