Die steigenden Temperaturen, insbesondere während der Sommermonate, stellen eine zunehmende Belastung für die menschliche Gesundheit dar. Neben Hitzschlag und Sonnenstich birgt extreme Hitze, vor allem in der Nacht, auch ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen und Risikofaktoren für hitzebedingte Schlaganfälle und gibt Empfehlungen zur Prävention.
Der Zusammenhang zwischen Hitze und Schlaganfall
Die klinische Erfahrung und wissenschaftliche Studien der vergangenen Jahre zeigen, dass die häufigste Form des Schlaganfalls, der ischämische Schlaganfall, im Zusammenhang mit der Wetterlage steht. August 2022 stöhnte Deutschland, wie der Rest Europas, unter der aktuellen Hitzewelle. Die trockene Hitze kann vor allem für Ältere und für Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen ein erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall bedeuten.
Ischämischer Schlaganfall und Dehydration
Bei der häufigsten Schlaganfallform, dem ischämischen Schlaganfall, kommt es zu einer Verstopfung eines gehirnversorgenden Gefäßes, so dass das umliegende Gewebe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird. Dann geht Hirngewebe zugrunde und es resultieren körperliche und vielleicht auch intellektuelle Ausfälle und Behinderungen, im schlimmsten Fall verstirbt der Patient. Hitze führt gerade bei älteren Personen, die sowieso häufig zu wenig trinken, zu einen relativen Flüssigkeitsmangel und erhöht damit die Zähflüssigkeit des Blutes. Zähes Blut gerinnt eher, sodass sich Blutgerinnsel bilden, die zu einem ischämischen Schlaganfall - einem Hirninfarkt - führen können. Es kann aber auch zu kardiovaskulären Erkrankungen wie einem Herzinfarkt kommen. Darüber hinaus kann der Flüssigkeitsmangel zum Teil kardiale und hormonelle Veränderungen auslösen.
Nächtliche Hitze als Risikofaktor
Eine Studie aus Augsburg zeigt, dass nächtliche Hitze das Risiko für Schlaganfälle um sieben Prozent erhöht. Nachts reagiert der Körper weniger aktiv auf Hitze: Man trinkt seltener, obwohl man schwitzt, und die Temperaturregulation verlangsamt sich. Gefährlich wird es, wenn die nächtliche Temperatur dauerhaft überdurchschnittlich hoch bleibt. Studien zeigen, dass sich das Schlaganfallrisiko insbesondere dann erhöht, wenn die übliche nächtliche Tiefsttemperatur - in Deutschland liegt sie im Sommer bei rund 14 bis 15 Grad - regelmäßig überschritten wird. In heißen Sommernächten können diese Werte bis zu 25 Grad steigen, was den Körper im Schlaf zusätzlich belastet.
Temperaturstürze und Schlaganfallrisiko
Neben Hitze können auch plötzliche Temperaturstürze das Schlaganfallrisiko erhöhen. Eine Studie der Universität Jena hat mit Daten aus Notaufnahmen belegt, dass das Schlaganfall-Risiko nach Temperaturstürzen steigt und zwei Tage erhöht bleibt. Entscheidend sind vor allem schnelle Wetterwechsel. Dabei spielt die Höhe der Temperatur selbst keine Rolle, wohl aber der Temperaturunterschied. Durch akute Wetteränderungen werden vor allem sogenannte kardioembolische Schlaganfälle begünstigt. Bei einer Embolie wird ein Gerinnsel über das Blut in andere Teile des Körpers, zum Beispiel in das Gehirn, geschwemmt. Hier verschließt es meist größere hirnversorgende Blutgefäße. Daraus resultieren in der Regel schwerwiegende Schlaganfälle. Bei akut fallenden Temperaturen versucht sich der Körper vor dem Auskühlen zu schützen, indem sich die Gefäße zusammenziehen. An bereits verengten Gefäßabschnitten kann dies zum kompletten Verschluss und damit zum Schlaganfall führen.
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Risikogruppen
Ältere Menschen und Frauen gelten als besonders gefährdet. Bei älteren Menschen lässt die Fähigkeit zur Temperaturregulation mit den Jahren nach, sie schwitzen weniger und suchen seltener aktiv Schatten auf. Hinzu kommen häufige Begleiterkrankungen und Medikamente, etwa harntreibende Mittel, die den Flüssigkeitshaushalt zusätzlich belasten. Vermutet wird ein hormoneller Einfluss sowie Unterschiede in der Körperzusammensetzung: Ein höherer Fettanteil wirkt wie eine Isolationsschicht und erschwert die Wärmeabgabe.
Besonders gefährdet sind aber nicht nur Ältere, sondern auch Menschen mit mehreren gesundheitlichen Einschränkungen. Während Hitzeperioden ist bekanntlich das Risiko von Patienten mit vorbestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht, dass sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert.
Ergebnisse der Augsburg-Studie
Anhand der Daten einer großen epidemiologischen Studie (Augsburg-Studie) wurde geprüft, ob es einen Zusammenhang zwischen der Schlaganfallhäufigkeit und den Temperaturen in tropischen Nächten gibt. Insgesamt waren in der Region Augsburg zwischen 2006 und 2020 über 11.000 Schlaganfälle in den Monaten Mai bis Oktober erfasst worden. Das Risiko für ischämische Schlaganfälle und TIA (transitorische ischämische Attacken=vorübergehende Durchblutungsstörungen im Gehirn) war um sieben Prozent erhöht im Vergleich zu kühleren Nächten. Zugleich stellten die Wissenschaftler beim Vergleich der Zeiträume 2006 bis 2012 und 2013 bis 2020 fest, dass es nach 2013 mehr Hitzenächte und auch mehr Schlaganfälle gab. Besonders gefährdet waren alte Patienten und Patientinnen. Frauen hatten generell ein höheres Risiko.
Zusätzliche Risikofaktoren
Schlaganfälle kommen scheinbar aus „heiterem Himmel“ - dabei sind sie oft die Folge von jahrelang schwelenden Vorerkrankungen: zu hoher Blutdruck, Übergewicht, Bewegungsmangel, aber auch Rauchen oder Feinstaub. Heute ist bekannt, dass an der Gerinnselbildung an den Gefäßen chronische Entzündungsvorgänge beteiligt sind. Und was die Medizin lange unterschätzt hat, ist die Summe vieler Faktoren, die sich im Körper nicht nur einfach summieren, sondern oft gegenseitig in ihrer krank machenden Wirkung verstärken. Dazu gehört auch Luftverschmutzung. Denn das Verbrennen von Kohle setzt nicht nur der Atmosphäre mit viel unnötigem Treibhausgas zu, sondern durch jede Menge schädlicher Staubteilchen in der Luft auch den Lungen und dem Gefäßsystem. Gerade die allerkleinsten Teilchen, die noch gar nicht systematisch erfasst werden, können direkt aus der Lunge ins Blut gelangen und damit auch ins Hirn und in die Gefäßwände. Dort erkennt sie das Immunsystem als "Fremdkörper" und versucht sie durch die eigene Abwehr loszuwerden. Weil das aber nicht gelingt, kommt es zu dieser chronischen Entzündung, zu dem Daueralarmzustand, der Herzinfarkte und Schlaganfälle wahrscheinlicher macht.
Präventionsmaßnahmen
Die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) rät dringend, dass sich die Risikogruppen bei diesem Wetter vermehrt in kühlen Räumen aufhalten und unbedingt ausreichend trinken sollten. Die DSG empfiehlt, täglich mindestens 1,5 bis 2 Liter Flüssigkeit zu sich zu nehmen und auf Alkohol zu verzichten. Zudem ist leichte Kost zu empfehlen, Joghurt, Obst und Gemüse, bevorzugt Fisch anstatt Fleisch. Bewegen Sie sich ausreichend, aber passen Sie Ihre aktiven Phasen der Hitze an - kein Sport in der Mittagshitze, halten Sie lieber Siesta in der heißesten Zeit des Tages oder tragen Sie eine Kopfbedeckung, wenn Sie nach draußen müssen. Besonders gefährdete Menschen sollten vor dem Sommer mit ihrem Arzt über Hitze und eine mögliche Anpassung ihrer Medikation sprechen. Eine Empfehlung wäre auch, nachts eine Klimaanlage zu nutzen.
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Allgemeine Tipps zur Hitzeprävention
- Tagsüber jede Stunde ein Glas Wasser trinken - denn der Mensch verliert mehr Flüssigkeit, als er merkt.
- Wärme draußen lassen - tagsüber Fenster und Rollläden schließen und lüften, wenn es kühler wird.
- Vorbereitet sein - die "WarnWetter"-App vom Deutschen Wetterdienst informiert über Extremwetterlagen
- Kühlen Kopf bewahren - tragen Sie draußen eine luftige Kopfbedeckung.
- Siesta halten - passen Sie Ihren Lebensrhythmus an, das heißt: Wenn es heiß ist, ausruhen.
- Sprechen Sie rechtzeitig vor der Hitzewelle mit Ihrem behandelnden Arzt, denn viele Medikamente gegen Bluthochdruck und zur Entwässerung haben Wechselwirkungen mit der Hitzeregulation und müssen angepasst werden.
- Kümmern Sie sich um jemanden in Ihrer Umgebung, der weniger gut für sich sorgen kann. Besonders gefährdet sind vorerkrankte Menschen, die allein leben und nicht merken, wenn sie kurz vor dem Kollaps stehen.
- Weniger Fleisch, mehr Gemüse essen. Unser Fleischkonsum ist schädlich für Körper, Tiere und Mutter Erde. Eine pflanzenbasierte Ernährung kann jedes Jahr in Deutschland 150.000 frühzeitige Todesfälle verhindern. Wenig Fleisch und Wurst zu essen ist also ein „Verzicht“ - auf Herzinfarkt und Schlaganfall.
- Sich selbst bewegen - mit eigener Kraft und ohne fossile Energie. Spazieren gehen, Rad fahren und wandern ist gesünder für Körper, Seele und Erde als Auto, Flug und Kreuzfahrt.
Die Rolle der Politik
Nach Ansicht von DGN-Generalsekretär Prof. Peter Berlit ist nun die Politik am Zug. „Die vorliegende internationale Datenlage ist sehr eindrücklich, nun auch ergänzt um Daten aus Deutschland. Und wir müssen uns nach zwei Extrem-Sommern auf weitere Hitzejahre und tropische Nächte einstellen. Wir Menschen brauchen, um gesund zu sein, als Allererstes etwas zu essen, zu trinken, zu atmen. Und erträgliche Außentemperaturen. All das ist heute und erst recht in Zukunft gefährdet. Steigende Temperaturen, dreckige Luft und Extremwetter-Ereignisse: Die Klimakrise ist die größte Gesundheitsgefahr im 21. Jahrhundert.
Die Forschenden planen, ihre Ergebnisse nutzbar für die Praxis zu machen. Dazu arbeiten sie an Empfehlungen für öffentliche Anpassungsstrategien und Stadtplanung mit, um beispielsweise die Intensität städtischer Hitzeinseln zu reduzieren. Ziel ist es, die Bevölkerung vor den Auswirkungen nächtlicher Hitze besser zu schützen. Außerdem soll die Studie als Grundlage für weitere Forschung dienen, um gezielte Präventionsmaßnahmen gegen schlaganfallfördernde Faktoren zu entwickeln.
Hitzschlag, Sonnenstich und Hitze-Schlaganfall: Was sind die Unterschiede?
Es ist wichtig, zwischen Hitzschlag, Sonnenstich und einem durch Hitze verursachten Schlaganfall zu unterscheiden:
- Hitzschlag: Ein Hitzschlag ist quasi der Zusammenbruch der Autoregulation, dem Betroffenen gelingt es nicht mehr, mit der Umgebungstemperatur zurecht zu kommen. Die Körpertemperatur steigt auf über 40 Grad, und es kommt zu Gehirn- und Nervenfehlfunktionen. Eine absolute Risikosituation, die lebensbedrohlich sein kann, weil möglicherweise schon Proteine denaturieren und irreversible Schäden entstehen. Das ganze System bricht durch die starke Hitze zusammen, man ist orientierungslos, produziert keinen Schweiß, hat Fieber.
- Sonnenstich: Beim Sonnenstich handelt es sich um eine Reizung der Hirnhäute nach zu langem Aufenthalt in der Sonne, oftmals verbunden mit einem Sonnenbrand auf dem Kopf und starken Kopfschmerzen.
- Hitze-Schlaganfall: Anders als beim Hitzschlag leidet der Betroffene in dem Augenblick nicht unter der Hitze, er hat auch keine erhöhte Temperatur. Oftmals tritt der Schlaganfall sogar erst 48 Stunden nach der starken nächtlichen Hitze auf.
Alle drei Situationen sind ein Fall für den Notarzt.
FAST-Test: Schlaganfall erkennen
Da eine schnelle Diagnose bei einem Schlaganfall entscheidend für das weitere Leben des Patienten ist, sollte jeder Mensch den FAST-Test kennen: Achten Sie auf Face, Arm, Speech, Time. Hat der Betroffene einen herabhängenden Mundwinkel? Kann er beide Arme gleichmäßig heben? Hat er eine Sprachstörung oder kann einfache kurze Sätze nicht klar wiederholen? Dann wählen Sie die Notrufnummer 112 und ordern Sie schnelle Hilfe, indem Sie die Symptome weitergeben. Gerade bei einer Hitzewelle ist es bedeutsam, darauf zu achten.
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Allerdings können ein Flüssigkeitsmangel, die Austrocknung des Körpers und daraus resultierende Symptome wie Apathie, Sprachstörungen, Anfälle und Kreislaufkollapse einen Schlaganfall auch nur vortäuschen. Eine Rehydrierung kann dann schnell wieder zu einer Besserung und Normalisierung der Symptomatik führen. Dieses ist jedoch in der Regel erst nach fachneurologischer Beurteilung zu entscheiden.
Typische Symptome, die einem Schlaganfall vorausgehen können, sind halbseitige Lähmungen an Armen, Beinen oder im Gesicht, Sehstörungen sowie Schwindel oder Gangunsicherheit. Jeder Schlaganfall ist ein Notfall. Betroffene müssen schnellstmöglich versorgt werden.
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