Hirschhausens Einsichten: Wie Hitze unser Gehirn beeinflusst und was wir dagegen tun können

Die Klimakrise ist längst nicht mehr nur ein Umweltproblem, sondern eine akute Bedrohung für unsere Gesundheit, sowohl körperlich als auch seelisch. Eckart von Hirschhausen, Arzt und Wissenschaftler, engagiert sich bei Scientists for Future und betont: "Der hitzeempfindlichste Teil unseres Körpers ist unsere Seele, genauer gesagt, unser Gehirn." In seinem Buch "Mensch, Erde!" und seinen öffentlichen Auftritten thematisiert er die Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Gesundheit und zeigt Wege auf, wie wir vom Wissen ins Handeln kommen können.

Die unsichtbare Gefahr: Psychische Auswirkungen der Klimakrise

Während die körperlichen Folgen von Hitzewellen wie Hitzschlag und Dehydration bekannt sind, werden die psychischen Auswirkungen oft übersehen. Die Neurowissenschaftlerin Emma Lawrance vom Imperial College London warnt: "Die seelischen Folgen sind derzeit unsichtbar." Studien zeigen einen klaren Zusammenhang zwischen erhöhten Temperaturen und der Anzahl von Selbstmorden. Zudem sind Menschen mit bereits bestehenden psychischen Erkrankungen anfälliger für die Auswirkungen des Klimawandels. Auch indirekt Betroffene, die beispielsweise durch Überschwemmungen oder Dürren belastet sind, können in eine seelische Krise geraten.

Die Klimakrise droht zudem die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen zu beeinträchtigen, etwa durch Schäden an der Infrastruktur und den Versorgungsketten. Felix Peter von der Initiative Psychologists for Future betont, dass die Gesundheitsinfrastruktur in vielen Teilen der Erde nicht auf die Klimakrise vorbereitet ist. Die beste Medizin sei daher die Eindämmung des Klimawandels.

Das Gehirn unter Stress: Wie Hitze unsere Denkfähigkeit beeinträchtigt

Unser Gehirn besteht hauptsächlich aus Wasser und Eiweiß und ist daher sehr empfindlich gegenüber hohen Temperaturen. Hirschhausen erklärt: "Nicht umsonst spricht man von Fieberwahn, denn ab einer Betriebstemperatur von 40 Grad ticken wir aus - 42 Grad sind tödlich." Aber auch schon bei niedrigeren Temperaturen reduziert sich unsere geistige Leistungsfähigkeit, unser Wohlbefinden und unsere seelische Gesundheit.

Hitze führt zu Müdigkeit, Gereiztheit und Aggressivität. Es kommt zu mehr Unfällen, mehr Suiziden und psychischen Erkrankungen. Im Hitzejahr 2018 starben in Deutschland 20.000 Menschen. Besonders gefährdet sind Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen.

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Fossile Energie: Eine Gefahr für unsere Gesundheit

Die Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle ist nicht nur schädlich für das Klima, sondern auch für unsere Gesundheit. Hirschhausen macht auf die oft übersehenen Gesundheitsrisiken der Stromerzeugung aufmerksam: "In Deutschland sterben jährlich weniger als hundert Menschen an Stromschlägen, weniger als zehn durch einen Blitz, aber viele Tausende durch die Art der Stromerzeugung."

Deutschlands Kohlekraftwerke sind nicht nur Klimasünder, sondern auch Giftschleudern. Sie stoßen jährlich rund sieben Tonnen Quecksilber aus, ein Nervengift, das nirgendwo in Europa ungestraft in größerem Umfang emittiert wird. Die Klimafolgeschäden durch die deutsche Kohleverstromung liegen laut Umweltbundesamt bei fünfzig Milliarden Euro pro Jahr. Hinzu kommen Gesundheitsschäden durch Abgase aus der Kohleverbrennung in Höhe von über vier Milliarden Euro jährlich.

Der Lancet schätzt, dass durch die Umstellung auf eine nachhaltige Ernährung, Mobilität und Energieversorgung bis 2040 jährlich 165.000 vorzeitige Todesfälle in Deutschland verhindert werden könnten.

Allergien, Infektionen, Umweltgifte: Die vielfältigen Gesundheitsfolgen des Klimawandels

Der Klimawandel verstärkt verschiedene Umweltbelastungen, die sich negativ auf unsere Gesundheit auswirken. Claudia Traidl-Hoffmann, Ordinaria für Umweltmedizin an der Technischen Universität München, erklärt: "Klimawandel macht krank. Der Temperaturanstieg verlängert die Pollensaison und kann gerade in Kombination mit Luftverschmutzung die Anfälligkeit für atopische Erkrankungen erhöhen."

Besonders gefährlich sind Pollen in Verbindung mit Asthma und Gewitter. Die Pollen platzen durch die elektrostatische Aufladung der Luft und gelangen nun in ihren kleineren Bruchstücken besonders tief in die Lunge. Dadurch wird die Immunreaktion umso heftiger losgetreten.

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Auch die Folgen des Klimawandels für den Magen-Darm-Trakt sind nicht zu unterschätzen. Höhere Temperaturen verändern die Wasserqualität, was die Vermehrung von Erregern von Diarrhö und entzündlichen Darmerkrankungen begünstigt. In der Ostsee hat sich die Anzahl der Tage, an denen man sich mit Vibrionen anstecken kann, seit den 1980er Jahren verdoppelt.

Ein weiteres Problem sind invasive Arten wie die Ambrosia-Pflanze, auf die mittlerweile rund acht Millionen Deutsche allergisch reagieren.

Was können wir tun? Tipps für Hitzeschutz und Klimaanpassung

  • Hitzeschutzpläne: Hirschhausen fordert Hitzeschutzpläne nach dem Vorbild von Österreich oder Frankreich. Diese sollen die Bevölkerung über die Gefahren der Hitze informieren und Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Gruppen umfassen.
  • Anpassung des Lebensrhythmus: Passen Sie Ihren Lebensrhythmus an die Hitze an. Vermeiden Sie körperliche Anstrengung in der Mittagshitze und halten Sie Siesta.
  • Flüssigkeitszufuhr: Trinken Sie tagsüber jede Stunde ein Glas Wasser, um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen.
  • Wärme draußen lassen: Schließen Sie tagsüber Fenster und Rollläden und lüften Sie, wenn es kühler wird.
  • Kühlen Kopf bewahren: Tragen Sie draußen eine luftige Kopfbedeckung.
  • Medikamente anpassen: Sprechen Sie rechtzeitig vor der Hitzewelle mit Ihrem behandelnden Arzt, denn viele Medikamente gegen Bluthochdruck und zur Entwässerung haben Wechselwirkungen mit der Hitzeregulation und müssen angepasst werden.
  • Nachbarschaftshilfe: Kümmern Sie sich um jemanden in Ihrer Umgebung, der weniger gut für sich sorgen kann. Besonders gefährdet sind vorerkrankte Menschen, die allein leben und nicht merken, wenn sie kurz vor dem Kollaps stehen.
  • Ernährung umstellen: Essen Sie weniger Fleisch und mehr Gemüse. Eine pflanzenbasierte Ernährung kann jedes Jahr in Deutschland 150.000 frühzeitige Todesfälle verhindern.
  • Sich selbst bewegen: Gehen Sie spazieren, fahren Sie Rad und wandern Sie. Bewegung mit eigener Kraft und ohne fossile Energie ist gesünder für Körper, Seele und Erde.
  • Engagiert bleiben: Werden Sie aktiv in einer Patientenorganisation, der Selbsthilfe, der Kirchengemeinde, der Kommune, einer Partei, einer Umwelt- oder Naturschutzorganisation.

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