Das HI-Virus greift nicht nur das Immunsystem an, sondern kann auch das zentrale und periphere Nervensystem der Patienten angreifen und so zunehmend schädigen. Dank des Fortschritts, der in den letzten Jahren bei der medikamentösen Therapie erreicht wurde, können HIV-infizierte Patienten mittlerweile viele Jahre lang verhältnismäßig uneingeschränkt leben. Aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung werden jedoch die Langzeitfolgen, die mit der Infektion selbst, aber auch der antiretroviralen Therapie verbunden sind, zunehmend deutlich. Hierzu gehören unter anderem Komplikationen, die das zentrale und/oder periphere Nervensystem betreffen.
Neurologische Komplikationen bei HIV-Infektion
Viele HIV-Infizierte entwickeln im Verlauf der Infektion neurologische Beschwerden. Bei rund 60 bis 80 Prozent aller HIV-infizierten Patienten treten neurologische Erkrankungen auf. Auch infolge von opportunistischen Infektionen wie Kryptokokken-Meningitis oder Toxoplasmose kann es zu Schädigungen des zentralen Nervensystems kommen. Mit Aids assoziierte Tumoren wie das Non-Hodgkin-Lymphom können auf das Gehirn übergreifen und so ebenfalls zu neurologischen Ausfallerscheinungen führen. Zudem entwickeln viele HIV-infizierte Patienten im Verlauf ihrer Krankheit Depressionen. Das HI-Virus ist in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden und ins Gehirn vorzudringen. Dort befällt es die Astrozyten, verändert deren Signalgebung und verursacht so letztlich ein Absterben der Neurone. Das Virus setzt aber auch Prozesse der Immunabwehr in Gang, die zusätzlich das Nervengewebe angreifen. Zwischen 7 und 27 Prozent der Patienten in den Spätstadien der Infektion sind von einem Demenz-Vollbild betroffen, rund 30 bis 40 Prozent leiden unter leichter ausgeprägten Formen.
HIV-assoziierte Demenz
Das charakteristische Krankheitsbild der HIV-assoziierten Demenz hat sich seit einigen Jahren gewandelt: Bis zu Beginn des Jahrtausends entwickelten sich zunächst parkinsonähnliche motorische Symptome wie schlurfender Gang, steife und eng am Körper liegende Arme und zitternde Hände. Erst im weiteren Verlauf kam es zu Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen sowie zu Denkverlangsamung und Flexibilitätsverlust. Heutzutage fehlen meist deutliche motorische Beeinträchtigungen. Stattdessen stehen Einbußen in den Bereichen Aufmerksamkeit, Informationsverarbeitung, sprachliche Fähigkeiten, Abstraktionsvermögen, Gedächtnis und Wahrnehmungsgeschwindigkeit im Vordergrund.
Behandelt wird die HIV-assoziierte Demenz in erster Linie mit einer hoch aktiven antiretroviralen Therapie (HAART). Dabei ist es wichtig, möglichst liquorgängige antiretrovirale Substanzen miteinander zu kombinieren, die die Blut-Hirn-Schranke überwinden können. Die Liquorgängigkeit ist insbesondere belegt für die nucleosidischen Reverse-Transkriptasehemmer (NRTI) Azidothymidin (Zidovudin), Abacavir, Lamivudin, Didanosin, Stavudin, für die nichtnucleosidischen Reverse-Transkriptasehemmer (NNRTI) Nevirapin und Efavirenz sowie die Proteasehemmer Indinavir, Lopinavir und Atazanavir.
Das HI-Virus beeinflusst bestimmte Zytokine, die als Botenstoffe des Immunsystems fungieren, und löst so wahrscheinlich zerstörerische Entzündungsprozesse im Gehirn aus. Demnach wäre die Blockade solcher aggressiver Zytokine für die Zukunft ein weiterer möglicher Ansatzpunkt für die Behandlung einer HIV-assoziierten Demenz.
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Polyneuropathie
Etwa 30 bis 50 Prozent aller HIV-infizierten Patienten sind von einer Polyneuropathie betroffen, leiden also aufgrund der Infektion oder infolge der antiretroviralen Medikamente unter einer Erkrankung des peripheren Nervensystems. HIV-assoziierte Polyneuropathien sind die häufigste neurologische Manifestation der HIV-Erkrankung und HIV ist weltweit eine der häufigsten Ursachen für Polyneuropathien. Das impliziert, dass HIV in Patienten mit Polyneuropathie immer differenzialdiagnostisch in Betracht gezogen werden sollte. Die distal-symmetrische Polyneuropathie als Prototyp aller Neuropathien stellt die häufigste Neuromanifestation bei Patienten mit HIV-Infektion dar. Die Inzidenz von Polyneuropathien (HIV-PNP) ist jedoch gestiegen.
Die Betroffenen klagen über Missempfindungen an den Füßen und Beinen wie Brennen, Pelzigkeit, Kribbeln, Krämpfe oder Taubheitsgefühl. Meist später treten motorische Symptome wie Schwund der kleinen Hand- und Fußmuskulatur, Reflexverlust oder -abschwächung sowie gelegentliche Muskelzuckungen auf. Hinzu können autonome Störungen kommen wie gestörte Schweißsekretion, Erektionsstörungen oder Herzrhythmusstörungen. Polyneuropathien treten in sehr unterschiedlichen klinischen Verlaufsformen auf, sind meistens fortschreitend.
Kausal lassen sich Polyneuropathien - je nach klinischer Ausprägung - beispielsweise mit Immunglobulinen oder Corticosteroiden behandeln. Bei medikamentös-toxisch induzierten Formen kann ein Absetzen der toxischen Substanz in Absprache mit dem internistischen HIV-Behandler notwendig sein. Die HAART sollte möglichst unter Ausschluss potenziell neurotoxischer Substanzen erfolgen.
Es gibt verschiedene Ursachen und Risikofaktoren für Polyneuropathie. Zu den häufigsten Ursachen dieser Nervenschädigung gehören Diabetes mellitus und Alkoholmissbrauch. Vergiftungen oder Krebsbehandlungen können ebenfalls eine PNP hervorrufen. Mediziner kennen mittlerweile mehr als 200 verschiedene Risikofaktoren. Es gibt aber auch Fälle, in denen sich kein Auslöser finden lässt. Wenn Nervengifte wie Alkohol, Schwermetalle oder Medikamente die Nerven schädigen, handelt es sich um eine "toxische Polyneuropathie".
Symptomatische Therapie schmerzhafter HIV-Neuropathien
Für die Therapie der Schmerzen ist es wichtig, Dosierung, unerwünschte und Wechselwirkungen zu beachten. Lokale Behandlung mit Capsaicin kann eine Option darstellen. So ist beispielsweise ein hochdosiertes Capsaicinpflaster zur Verfügung. Die Applikation der Capsaicin-haltigen Qutenza-Folie erfolgt für 30 Minuten an den Füßen und für 60 Minuten an anderen Stellen. Zwischen den Anwendungen sollte ein Abstand von frühestens 90 Tagen liegen. Als Nebenwirkungen können Juckreiz, Papeln, Bläschen, Ödeme, Schwellungen und Trockenheit der Haut auftreten.
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Myelopathien
Eine HIV-Infektion kann auch Myelopathien - Schädigungen des Rückenmarks - nach sich ziehen, wobei die überwiegende Zahl der Patienten erst spät im Verlauf der Infektion daran erkrankt. Ein frühes Zeichen sind Fehlempfindungen (Parästhesien, Dysästhesien), weil Sinnesreize durch das Rückenmark nicht mehr ordnungsgemäß an das Gehirn geleitet und daher von diesem missverstanden werden. Bei fortschreitender Erkrankung steigt die Muskelanspannung und der Patient leidet zunehmend unter Gangstörungen, die durch sogenannten Scherengang, bei dem die Beine überkreuzt werden, beziehungsweise spastische Lähmung der Beine gekennzeichnet sind. Zudem kommt es vermehrt zu Blasenentleerungsstörungen.
Vor der Behandlung müssen zunächst alle anderen Ursachen einer Myelopathie ausgeschlossen werden. Kommt nur noch eine HIV-assoziierte Rückenmarksschädigung infrage, dann ist eine konsequente antiretrovirale Therapie die beste Wahl, das heißt, der behandelnde Arzt sollte eine HAART einleiten beziehungsweise intensivieren.
Immunrekonstitutionssyndrom (IRIS)
Eine relativ neue Komplikation einer HIV-Infektion ist das sogenannte Immunrekonstitutionssyndrom (Immune Reconstitution Inflammatory Syndrom, IRIS). Das IRIS entwickelt sich meist kurz nach Beginn einer HAART, während der sich die Patienten zunächst gut erholen. Dann bewirkt die hochaktive antiretrovirale Therapie jedoch eine übermäßige Stimulation des Immunsystems und aktiviert so Entzündungszellen im Gewebe und auch im Gehirn. Irreversible neurologische Schäden können die Folge sein. Diese Entzündungsreaktion kann zudem eine subklinische opportunistische Krankheit (Infektion oder Tumor) demaskieren, also symptomatisch werden lassen.
Bei Patienten, die ein solches Immunrekonstitutionssyndrom entwickeln, sollte die HAART vorsichtig eingesetzt werden, also zum Beispiel erst nach erfolgreicher Behandlung einer opportunistischen Infektion begonnen werden. Umstritten ist die Gabe von Corticosteroiden: Sie kann einerseits lebensrettend sein, andererseits aber auch das Immunsystem erneut schwächen.
Akute HIV-Infektion
Die akute HIV-Infektion verursacht in 40 bis 90 % der Fälle vorübergehend Symptome. Sie geht mit einer raschen Vermehrungsrate von HIV und einer Virus-spezifischen Immunantwort einher. Das häufigste Symptom ist Fieber. Weitere Symptome sind Lymphknotenschwellungen, vor allem in Hals und Achselhöhlen, sowie ein Hautausschlag (Exanthem), der hauptsächlich im Gesicht und am Körperstamm auftritt, seltener auch an den Extremitäten. Auch Kopf- und Muskelschmerzen (Myalgien) können auftreten. In seltenen Fällen kommt es zu neurologischen Symptomen (z. B. Neuropathie) oder Lähmungserscheinungen im Gesicht. Die symptomatische Phase der akuten HIV-1-Infektion dauert 7-10 Tage, selten länger als 14 Tage.
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Während der akuten HIV-1-Infektion vermehren sich die Viren sehr schnell. Es kann zu mehr als 100 Millionen Kopien HIV-1-RNA/ml kommen. Die Viren befallen vor allem Lymphgewebe und den Darm. Während der Rückbildung der Symptome werden HIV-spezifische Antikörper gebildet. Zwischen Immunsystem und Virus kommt es zu einer Art Gleichstand, der sogenannte virale Setpoint wird erreicht.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Symptome der akuten HIV-Infektion unspezifisch sind und leicht mit anderen Erkrankungen (wie "Grippe" oder Pfeiffersches Drüsenfieber) verwechselt werden können. Zudem sind in diesem frühen Stadium Antikörper meist nicht sicher nachweisbar.
Therapie der akuten HIV-Infektion
Die meisten Leitlinien sprechen sich für eine sofortige Behandlung in dieser Situation aus, um irreparable Schädigungen des Immunsystems zu verhindern.
Herausforderungen der antiretroviralen Therapie
Trotz der Fortschritte in der antiretroviralen Therapie gibt es weiterhin Herausforderungen. Das HI-Virus vermehrt sich rasch und die Reverse-Transkriptase lässt viele Mutanten entstehen. Die verfügbare antiretrovirale Therapie kann die Infektion (jenseits des Akutstadiums) nicht heilen, da auch langlebige Zellen nicht beeinflusst werden.
Ein kompliziertes und belastendes Behandlungsregime muss wahrscheinlich lebenslang strikt eingehalten werden. Dies erfordert viel Disziplin. Unzuverlässige Einnahme kann zu Resistenzen führen, für die es dann an Reservemitteln mangelt. Stör- und Wechselwirkungen der Arzneistoffe beeinträchtigen ebenfalls die Einnahmezuverlässigkeit. Reverse-Transkriptasehemmer können periphere Neuropathie, Pankreatitis, Blutschäden oder Myopathie auslösen.
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