Demenz ist ein fortschreitendes Syndrom, das mit einem Verlust kognitiver Funktionen einhergeht und das Verhalten, Erleben und die Wahrnehmung der Betroffenen beeinträchtigt. Ein häufiges Problem bei Menschen mit Demenz ist die Mangelernährung, die auf verschiedene Ursachen zurückzuführen ist. Eine angepasste Ernährung kann jedoch dazu beitragen, den Ernährungszustand zu verbessern und die Lebensqualität zu erhalten.
Auswirkungen der Demenz auf das Ernährungsverhalten
Demenz kann das Ernährungsverhalten auf vielfältige Weise beeinflussen. Betroffene vergessen oft das Essen oder erkennen Lebensmittel nicht mehr als solche. Auch das Hunger- und Durstgefühl kann beeinträchtigt sein, was zu einer reduzierten Nahrungsaufnahme führt. Es gibt aber auch Patienten, die vergessen, dass sie bereits gegessen haben und dann zu viel Nahrung zu sich nehmen. Im fortgeschrittenen Stadium der Demenz können Schwierigkeiten bei der Koordination und der Umgang mit Besteck hinzukommen.
Claudia Düssel-Fues, Diätassistentin mit Schwerpunkt Geriatrie, betont im Interview mit dem Magazin DGEwissen, dass Patienten mit Demenz oft das Essen vergessen und ein großes Risiko für Mangelernährung besteht. Sie erklärt, dass es wichtig ist, die kognitive Einschränkung des Patienten zu berücksichtigen und sich Zeit zu nehmen, um herauszufinden, welche Bedürfnisse und Wünsche er hat.
Herausforderungen in der Therapie und Beratung
Eine Herausforderung in der Therapie und Beratung von Menschen mit Demenz ist, dass sie sich schlecht an Informationen erinnern. Daher ist es wichtig, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, viel aufzuschreiben und spezielle Unterlagen herauszugeben. Am Ende der Beratung sollte man nachfragen, was die Personen von der Sitzung mitgenommen haben.
Weitere Probleme, die bei Menschen mit Demenz auftreten können, sind Abneigungen gegen Gerüche, Untergewicht und das Horten von Lebensmitteln. Im ambulanten Bereich wird häufig viel gehortet. Angehörige sollten regelmäßig überprüfen, ob Lebensmittel noch haltbar sind und den Kühlschrank kontrollieren. Um zu vermeiden, dass Dinge schimmeln, kann Essen zum gemeinsamen Verzehr mitgebracht werden. Eine Abneigung gegen Gerüche kann sich entwickeln, daher sollte darauf geachtet werden, dass unangenehme Gerüche ausgeschaltet werden.
Lesen Sie auch: Ketogene Ernährung: Ein möglicher Therapieansatz für Demenz?
Praktische Lösungen für Ernährungsprobleme
Um Ernährungsproblemen bei Demenz entgegenzuwirken, gibt es verschiedene praktische Lösungen:
- Individuelle Essensbegleitung: Sich mit an den Tisch setzen und der Person auf der gleichen Ebene begegnen, nicht nur danebenstehen.
- Fingerfood: Sehr gut geeignet, damit in zwei bis drei Bissen alles gegessen ist. Die Koordination von Messer und Gabel fällt den Betroffenen oft schwer.
- Appetitanregende Maßnahmen: Bitter Lemon, Malztrunk, bitterstoffhaltige Tees oder Ingwer können den Appetit anregen. Im Klinikalltag werden auch manchmal Pepsinwein oder Dronabinol eingesetzt.
- Hochkalorische Trinknahrung: Bei einer Mangelernährung kommt im Ernstfall hochkalorische Trinknahrung zum Einsatz.
- Nachtcafé: Wegen des veränderten Tag-Nacht-Rhythmus bietet sich auch ein Nachtcafé an, bei dem die Menschen auch spät noch kleine Snacks bekommen.
- Süße Speisen: Da der Geschmackssinn sich verändert, kann man ruhig mutig sein und Speisen nachsüßen.
- Ansprechende Präsentation: Mit Farben arbeiten, damit das Essen ansprechend ist, dabei aber auch nicht zu grell werden.
- Struktur im Tagesverlauf: Mahlzeiten können diese ein bisschen zurückgeben. Daher mit dem Geschirr klappern, wenn das Essen zubereitet wird.
Besonderer Nährstoffbedarf bei Demenz
Menschen mit Demenz haben häufig einen erhöhten Kalorienbedarf, da sie sich wegen großer Unruhe viel bewegen. Manche kommen auf bis zu 3 000 kcal/Tag. Diesen Bedarf abzudecken ist natürlich eine Herausforderung.
Es ist wichtig, auf eine ausreichende Zufuhr von Energie, Nährstoffen und Flüssigkeit zu achten, um Gewichtsabnahme, Austrocknung und Mangelernährung zu verhindern. Die Auswahl der Lebensmittel entspricht den allgemeinen Empfehlungen für die Ernährung von älteren Menschen ohne Demenz. Ebenso wichtig wie der gesundheitliche Wert der Speisen ist jedoch die Freude am Essen.
Die Rolle der Essbiografie
Für die Zeit, in der Demenzkranke ihre Wünsche nicht mehr sprachlich äußern können, sollte rechtzeitig eine Ess- und Trink-Biographie erstellt werden. Dort können Vorlieben, Rituale und Gewohnheiten rund ums Essen und die Mahlzeit festgehalten werden. Vertraute Speisen von früher, die mit schönen Erinnerungen verbunden sind, wecken gute Gefühle, geben Orientierung und fördern den Appetit.
Umgang mit verändertem Geschmacksempfinden
Demenz beeinträchtigt die Geruchs- und Geschmackswahrnehmung. Betroffene bevorzugen dann eher süße Speisen und lehnen Saures ab. Bei fortgeschrittener Krankheit leiden Demente oft auch an einer Schluckstörung. Wenn Essen kaum riecht, nicht schmeckt und schwer zu schlucken ist, schränken sich Auswahl und verzehrte Menge der Nahrung ein.
Lesen Sie auch: Morbus Parkinson: Richtige Ernährung
Vertraute Gewürze wie Bohnenkraut und Schnittlauch und intensive, leckere Essensdüfte von frisch gebackenen Waffeln oder Kaffee motivieren zum Essen und Trinken. Ungewöhnlich, aber beliebt: selbst Fleischküchlein und Gemüsesuppe dürfen dann gezuckert werden.
Ernährung bei Unruhe und Bewegungsdrang
Unruhige Demenzkranke stehen beim Essen ständig auf oder sind den ganzen Tag oder nachts auf Wanderschaft. Dadurch erhöht sich ihr Bedarf an Nährstoffen und Energie. Gleichzeitig fehlt ihnen aber Zeit und Muße, ausreichend zu essen und zu trinken.
Betroffene sollten mehrere kalorienreiche Speisen oder Getränke in kleinen Portionen über den Tag verteilt zu sich nehmen. Zum Anreichern mit Kalorien eignen sich Pflanzenöl, Nuss- oder Mandelmus ohne Stücke, Eier, Sahne oder Butter. Apotheken bieten hochkalorische Kost als Trinknahrung, Suppen oder Pudding an. Auch auf den Eiweißgehalt des Essens sollte geachtet werden, da es sonst zu Muskelabbau kommen kann. Demente mit Lauftendenzen können beim so genannten „eat by walking“ das Essen als Fingerfood mit auf den Weg nehmen.
Praktische Tipps für die Mahlzeitengestaltung
- Feste Essenszeiten: Um zu verhindern, dass Menschen mit Demenz das Essen einfach vergessen, sollten Sie feste Essenszeiten einhalten.
- Kleine Appetitanreger: Es fördert den Appetit, wenn Sie kleine Schälchen mit Obst-, Gemüse- oder Schokoladenstückchen in der Wohnung verteilen.
- Ausreichend trinken: Achten Sie darauf, dass sie täglich mindestens 1,5 Liter trinken.
- Auf Zwang verzichten: Zwingen Sie bitte niemals einen Menschen mit Demenz zum Essen! Lebensmittel und Getränke sollten immer wieder ohne Druck angeboten werden.
- Einführen einer individuellen Tischkultur: Das eigenständige Essen hat unbedingt Vorrang vor Sauberkeit und allgemeinen Verhaltensregeln am Tisch.
- Horten von Nahrungsmitteln: In vielen Fällen kann man versuchen, das Sammeln als solches dadurch zu kontrollieren, dass eine Absprache getroffen wird.
- Trinknahrung: Trinknahrung gleicht Ernährungsdefizite gezielt aus. Sie kann sowohl ergänzend zum normalen Essen eingesetzt werden als auch diese komplett ersetzen.
Die Rolle der Angehörigen
Da die Betroffenen nach und nach die Fähigkeit verlieren, sich selbst zu versorgen, sind sie auf die Hilfe von Angehörigen und Pflegekräften angewiesen. Angehörige können eine Ess- und Trinkbiografie erstellen, um festzustellen, welche Speisen die Erkrankten in der Vergangenheit gern zu sich genommen haben.
Es ist wichtig, die Vorlieben der Betroffenen zu berücksichtigen und eine angenehme, ruhige und zwanglose Atmosphäre zu schaffen. In einer solchen Atmosphäre ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass Erkrankte die Nahrung verweigern. Außerdem können Patienten die Bewegungsabläufe der anderen Personen am Tisch nachahmen.
Lesen Sie auch: Ketogene Ernährung bei Anfällen
Interview mit Experten
In einem Interview mit EinBlickDemenz gaben Prof. Michael Wagner und Dr. Katharina Bürger Einblicke in die Rolle der Ernährung bei Demenz. Sie betonten, dass es zwar keine einzelnen Lebensmittel gibt, mit denen sich das Alzheimer-Risiko einfach „wegessen“ lässt, aber ausgewogene Ernährungsformen mit viel Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten, wenig Fleisch, gelegentlichem Fischkonsum und geringem Alkoholkonsum mit besserer mentaler Leistungsfähigkeit und einem geringeren Demenzrisiko verbunden sind.
Sie wiesen auch darauf hin, dass hoch verarbeitete und hochkalorische Nahrungsmittel mit einem erhöhten Demenzrisiko verbunden sind. Körperliche Aktivität, geistige Aktivitäten und soziale Kontakte sind ebenfalls wichtige Faktoren bei der Demenzprävention.
tags: #hochkalorische #ernährung #demenz #empfehlungen