Hormone, Verliebtheit und ihre Wirkung auf das Gehirn

Verliebt zu sein ist ein Zustand, der die Menschheit seit Jahrhunderten fasziniert. Dramen, Romane, Filme und Lieder wurden über die Verliebtheit geschrieben. Doch woher kommen diese Gefühle des ständigen Vermissens, die Sprachlosigkeit und das Herzrasen? Was ist das?

Was ist Verliebtsein?

Der Duden definiert Liebe als ein "starkes Gefühl des Hingezogenseins". Rein wissenschaftlich gesehen ist Verliebtsein ein biochemischer Vorgang, der auf Neurotransmittern und Hormonen basiert.

Der Hormoncocktail im Gehirn

Das Gehirn produziert einen Hormoncocktail, bei dem Dopamin, Adrenalin und andere Transmitter die Hauptbestandteile sind. Dieser Cocktail löst die vielfältigen Empfindungen aus, die wir mit Verliebtsein verbinden.

Das Spektrum der Verliebtheit

Verliebtheit kann sich individuell unterschiedlich ausprägen. Sie beginnt bei einem leichten "Crush" auf Personen des öffentlichen Lebens oder aus dem Alltag und geht über in tiefe und leidenschaftliche Zuneigung. Verliebt sein kann aber auch obsessiv werden, in Form eines Liebeswahns (Erotomanie). Dabei ist die betroffene Person fest davon überzeugt, von einem meist unerreichbaren Menschen geliebt zu werden.

Wie fühlt sich Verliebtsein an?

Durch die Hormone steht der Körper in einer Art Alarmbereitschaft, denn auch bei Angst und Stress sendet er zum Beispiel Adrenalin aus.

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Einige typische Anzeichen von Verliebtsein sind:

  • Herzklopfen und Schmetterlinge im Bauch
  • Verringertes Schlafbedürfnis
  • Rosarote Brille
  • Idealisierung des geliebten Menschen
  • Einengung des Bewusstseins

Broken-Heart-Syndrom

Ein gebrochenes Herz kann zum Tod führen. Genau das passiert bei der Tako-Tsubo-Kardiomyopathie, auch als "Broken-Heart-Syndrom" bekannt. Dabei handelt es sich um eine akute Fehlfunktion des linken Herzventrikels durch intensiven emotionalen oder physischen Stress. Betroffen sind in über 90 Prozent der Fälle ältere Frauen nach der Menopause. Die Symptome ähneln denen eines Herzinfarkts.

Faktoren, die die Partnerwahl beeinflussen

Diverse Faktoren beeinflussen, warum und in wen Menschen sich verlieben.

Der Geruch

Ein wichtiger Faktor ist der Geruch. Jeder Mensch sezerniert einen individuellen Duft, den Pheromone produzieren. Sie befinden sich im Schweiß, auf der Haut und in anderen Körperflüssigkeiten. Studien haben herausgefunden, dass der Geruch sich auf die initiale Anziehung zu einer Person auswirkt.

Ähnlichkeit und Aussehen

Ein weiterer Faktor ist die Ähnlichkeit zu sich selbst. Natürlich spielt das Aussehen auch eine Rolle, selbst wenn Serien wie “Love is Blind” oder “Hochzeit auf den ersten Blick” das Gegenteil beweisen wollen. Wen man attraktiv findet, hängt jedoch nicht von sozialen Schönheitsidealen ab, sondern ist beeinflusst durch individuelle Lebenserfahrungen. Hat man beispielsweise eine positive Beziehung zu einem Menschen in seinem Leben, fühlt man sich vielleicht eher zu Menschen mit ähnlichen Gesichtszügen hingezogen.

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Die Psychologie des Verliebtseins

Das alles sind jedoch nur Beobachtungen. Die Psychologie des Verliebtseins ist Bestandteil der Sozialpsychologie. Sie erforscht und beschäftigt sich mit den psychologischen Aspekten der Verliebtheit. Ein empirischer Nachweis erfolgte über das Brückenexperiment unter Dutton und Aron von 1974, bei dem man einen möglichen Zusammenhang zwischen Verliebtheit und Angst herstellen konnte.

Die rosarote Brille

Verliebtheit führt zu einer Einengung des Bewusstseins, welche zu Fehleinschätzungen der Person führen kann. Das Phänomen ist auch als die rosarote Brille bekannt, bei der Fehler entweder übersehen oder als positiv gewertet werden.

Limerenz

Im Jahr 1979 führte Dorothy Tennov, eine US-amerikanische Verhaltenspsychologin, den Begriff der Limerenz ein. Betroffene zeigen ein besessenes Denken an die geliebte Person, leiden unter ständiger Furcht vor Zurückweisung und hoffen dauerhaft auf erwiderte Gefühle. Sie blenden negative Eigenschaften aus und fokussieren sich auf Vorfälle, welche die Person betreffen. Falls eine Beziehung zustande kommt, geht die Limerenz in Liebe über.

Die Rolle der Neurotransmitter

Bisherige Forschungen konnten eine Veränderung im Hormonhaushalt feststellen, welche die Symptome der Verliebtheit begründen. Dabei spielen Neurotransmitter eine wichtige Rolle. Neurotransmitter sind biochemische Stoffe, die Reize zwischen Nervenzellen weitergeben oder sie verstärken.

Dopamin

Dopamin, das Belohnungshormon, zählt zu den Monoaminen und kommt im Großhirn (Bulbus olfactorius), Zwischenhirn (Hypothalamus) und im Hirnstamm (Substantia nigra und Formatio reticularis) vor. Es zählt zu den Katecholaminen, die bei Stresssituationen ausgeschüttet werden. In MRT-Untersuchungen stellte sich heraus, dass besonders die Dopamin-produzierenden Areale aktiv sind.

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Serotonin

Serotonin zählt ebenfalls zu den Monoaminen und wird in der Formatio reticularis des Hirnstamms produziert. Bei einem Mangel können Depressionen oder Ängste entstehen. Interessanterweise ist Verliebtheit mit einem niedrigen Spiegel an Serotonin assoziiert. Bei dieser Erkrankungen wurde ebenfalls ein geringer Serotoninspiegel im Blut nachgewiesen.

Oxytocin

Oxytocin ist ein Hormon, das in Kerngebieten des Hypothalamus produziert wird (Nucleus supraopticus und Nucleus paraventricularis). Seine Sekretion erfolgt bei Stimulation über die Neurohypophyse. Es steigert die Entwicklung von engen zwischenmenschlichen Beziehungen, fördert Vertrauen und senkt die Hemmschwelle für soziale Interaktionen. Es fördert nicht nur die Bindung zwischen Mutter und Kind, sondern auch zwischen Partnern. Zusätzlich sorgt es in sozialen Beziehungen für Vertrauen. Allerdings hat es auch seine schlechte Seiten: Es bewirkt, dass Menschen andere ausgrenzen. Das machen Verliebte in der Regel aber - wenn überhaupt - nicht mit böser Absicht.

Neurotrophine

Neurotrophine beschreiben kleine Signalproteine, die zu den Zytokinen zählen. Sie wirken als Neuromodulatoren, können aber auch den Zelluntergang (Apoptose) herbeiführen. Forschungen bestätigen, dass sich in der Phase des Verliebtseins die Konzentration an Neurotrophin erhöht. Man vermutet, dass sie für die Euphorie zu Beginn verantwortlich sind.

Die Phasen der Verliebtheit

Die initiale Phase der Verliebtheit ist oft von intensiven Gefühlen und körperlichen Reaktionen geprägt. Dopamin und Phenylethylamin spielen eine zentrale Rolle und sorgen für Herzklopfen, Schmetterlinge im Bauch und eine erotische Anziehungskraft.

Die Idealisierungsphase

Insbesondere frisch Verliebte neigen dazu, den geliebten Menschen zu idealisieren, alle Gedanken kreisen um ihn. Das überschäumende Verliebtsein ist mit neuronaler Aktivität in Hirnbereichen verbunden, die bei Belohnung und Motivation, Emotionen sowie sexueller Erregung beteiligt sind. Gleichzeitig nimmt bei frisch Verliebten überraschenderweise das Glückshormon Serotonin ab. Forscher erklären das so: Verliebte verlieren den rationalen Blick und stellen den Partner voll und ganz in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit.

Langzeitbeziehung und Bindung

Verliebt sein hält nicht für immer. Der Körper kann einen dauerhaften Alarmzustand nicht aufrecht erhalten, weshalb die Gefühle der anfänglichen Verliebtheit nach wenigen Jahren verschwinden. Liebe ist ruhig und mitfühlend, während die stressige Euphorie nachlässt. Doch auch nach Jahrzehnten einer Beziehung kann die positive Aufregung bei einigen Paaren nachgewiesen werden.

In späteren Phasen einer Beziehung spielen Hormone wie Oxytocin und Vasopressin eine wichtige Rolle für die Bindung und das Vertrauen zwischen den Partnern.

Sexuelle Anziehung und Verlangen

Verliebt sein und sexuelles Verlangen können zusammen einhergehen, dürfen aber nicht synonym verwendet werden. Ist man verliebt, liegt der Fokus auf dem Lebensgefühl mit der anderen Person. Begierde hingegen baut auf der Attraktivität der Person auf und ist nicht auf ein romantisches Gefühl angewiesen. So sind Beziehungen, in denen sexuelles Verlangen die Hauptrolle spielt, durchaus möglich, ohne dass Gefühle der Verliebtheit auftreten.

Verliebtsein vs. Liebe

Es ist wichtig, zwischen Verliebtsein und Liebe zu unterscheiden. Verliebtsein ist oft ein kurzfristiger Zustand, der von intensiven Gefühlen und körperlichen Reaktionen geprägt ist. Liebe hingegen ist eine tiefere und dauerhaftere Form der Zuneigung, die auf Vertrauen, Respekt und gegenseitigem Verständnis basiert.

Was passiert im Körper, wenn wir uns verlieben?

Wenn wir uns verlieben, schüttet der Körper einen Hormoncocktail mit Serotonin, Phenylethylamin, Dopamin und Oxytocin aus, der es in sich hat. "Dort kann man sie nicht durch Blut abnehmen messen", bedauert der Bochumer Forscher Helmut Schatz von der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. Liebe lässt sich zwar nicht messen. Aber wissenschaftlich nachvollziehen lassen sich die Auswirkungen des Hormonmixes dennoch. Herzklopfen und Schmetterlinge im Bauch - dahinter stecken Dopamin und das "Verliebtheitshormon" Phenylethylamin. Es sorgt dafür, dass eine erotische Anziehungskraftzwischen Menschen entsteht. Zusätzlich macht Dopamin uns offen gegenüber anderen. Lust zu knutschen? Dann los! Küssen ist nicht nur schön, sondern auch gesund. Die Pulsfrequenz steigt und der Stoffwechsel verbessert sich. Der ausgetauschte Speichel ist gut für das Immunsystem und die Zähne, weil antimikrobielle Enzyme Karies und Parodontose vorbeugen. Und auch um tiefe Falten brauchen sich eifrige Küsser weniger Sorgen zu machen. Insbesondere frisch Verliebte neigen dazu, den geliebten Menschen zu idealisieren, alle Gedanken kreisen um ihn. Das BAS bewirkt, dass wir positive Reize verstärkt wahrnehmen, neugieriger sind und selbstbewusster handeln, heißt es in einer australischen Studie, die im Fachjournal "Behavioural Sciences" erschienen ist. Gleichzeitig nimmt bei frisch Verliebten überraschenderweise das Glückshormon Serotonin ab. Forscher erklären das so: Verliebte verlieren den rationalen Blick und stellen den Partner voll und ganz in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit. Wichtig für eine Partnerschaft ist auch das "Kuschelhormon" Oxytocin. Zusätzlich sorgt es in sozialen Beziehungen für Vertrauen. Allerdings hat es auch seine schlechte Seiten: Es bewirkt, dass Menschen andere ausgrenzen. Sex hat nur indirekt mit den klassischen Verliebtheitshormonen zu tun. Auf Sexualität wirken vor allem die Geschlechtshormone Testosteron und Östrogen. Beim weibliche Orgasmus wird außerdem das Hormon Oxytocin hoher Konzentration ausgeschüttet. Sex hat auch für die Gesundheit angenehme Begleiteffekte. Durch den Sex neigen Männer außerdem weniger zu Prostatakrebs. Und die vom Körper freigesetzten, opiumähnlichen Substanzen können sogar wie Schmerzmittel wirken. Ob die Liebe hält, hängt allerdings von viel mehr ab als nur von den Hormonen. "Man darf die Hormone nicht isoliert betrachten", betont Schatz. "Verliebtheit hängt stark von der Psyche ab. Um die Liebe vor dem Alltag zu retten, rät Endokrinologe Schatz, gelegentlich zum Beispiel mal Achterbahn zu fahren: Gefahrensituationen schweißen Paare zusammen. Einen anderen Tipp hat der Bremer Hirnforscher Gerhard Roth: öfter Komplimente machen. Ehrliche und nette Worte können die vermehrte Ausschüttung von neuronalen Wirkstoffen wie Oxytocin und Dopamin auslösen.

Die Liebe auf den ersten Blick

Die Liebe auf den ersten Blick setzt uns die rosarote Brille auf. Dann rattern im Körper komplexe chemische Prozesse los. Die Hormone steigen in die Achterbahn. Botenstoffe werden ausgeschüttet. Wir sind wie berauscht. Das Hormon Adrenalin beispielsweise macht dem Herzen Beine, indem es den Herzschlag beschleunigt. Es lässt Schmetterlinge im Bauch fliegen, färbt Wangen rot und weitet Pupillen. Dazu schießt die Konzentration von Phenylethylamin im Körper in die Höhe und löst erotisches Verlangen nach genau der einen auserwählten Person aus. Ist die Nase krumm? Der Schwarm einen Kopf kleiner? Egal! Hat Amors Pfeil getroffen, sind für uns sämtliche andere Menschen weniger attraktiv als das Objekt der Begierde. Das zeigen Studien. Durch den Anstieg des Neurothrophin-Spiegels, ein Botenstoff, sind wir zu allem bereit, was auch zu irrationalen Handlungen führen kann, sagt die Gynäkologin Maria Frank vom Hormon- und Kinderwunschzentrum der LMU München. Auch die Hemmschwelle sinke. Dazu aktiviert leidenschaftliche Liebe noch Hirnareale, die mit Euphorie, Belohnung und Motivation zusammenhängen. An diesen Stellen docken auch Opiate oder Kokain an und treiben den Dopaminwert hoch. Wer verliebt ist, ist dauereuphorisch, vergisst jedes Hunger- und Schlafbedürfnis. Durchschnittlich vier Stunden pro Tag denken Verliebte ausschließlich an den oder die Geliebte. Die Umwelt rückt in den Hintergrund. Der Körper dreht noch weiter auf - oder in diesem Falle zu: Während viele Botenstoff-Pegel bei Verliebten ansteigen, sinkt der Serotonin-Spiegel. Verliebte leiden unter Entzugserscheinungen und sind traurig, wenn der geliebte Mensch nicht da ist oder sich nicht sofort auf Kurznachrichten meldet. "Serotonin ist ein wichtiger Botenstoff, der sogenannte Glücksbotenstoff, der bei Verliebtheit interessanterweise abnimmt. Dieser Widerspruch lässt sich dadurch erklären, dass es ähnlich wie bei einer Zwangsstörung zu einer Serotonin-Abnahme kommt. Durch Streicheln, Umarmen und Küssen steigt der Spiegel des Bindungs- oder Kuschelhormons Oxytocin an und Verliebte finden schnell heraus, ob sie sich gut riechen und schmecken können. In der Evolutionsbiologie ist das ein Zeichen dafür, dass die Immunsysteme der Partner gut zusammenpassen. Eine ideale Voraussetzung für Nachwuchs.

Liebelei oder Liebe?

Nach drei bis sechs Monaten lässt bei den meisten Menschen das Gefühl des Verliebtseins nach. Manche Paare trennen sich, bei anderen geht es intensiver weiter: Das Gehirn schaltet dann auf Langzeitbindung um und produziert Hormone wie Oxytocin und Vasopressin. Der Dopaminspiegel sinkt. Damit werden im Gehirn wieder Regionen eingeschaltet, die während der heißen Phase des Verliebtseins nahezu ausgeschaltet waren. Zum Beispiel die Regionen, die für das Empfinden von Angst und für das Lösen von Problemen zuständig sind.

Verliebtsein entfacht im Gehirn ein chemisches Feuerwerk

Und auch wenn sich später der Sturm der Gefühle legt, spielen Hormone eine wichtige Rolle. Prof. Dr. Evolutionspsychologischen Theorien zufolge ist Liebe ein Trick der Evolution, um das menschliche Überleben zu sichern. Im Gehirn regt sich beim Anblick des Geliebten vor allem das Belohnungssystem. Areale, die für rationales Denken und dem Einschätzen anderer Menschen zuständig sind, fahren ihre Aktivität nach unten. In der frühen Phase der Liebe spielt vor allem der Botenstoff Dopamin eine große Rolle und sorgt für den Rausch der Gefühle. In späteren Phasen von Beziehungen bestärkt möglicherweise das Hormon Oxytocin die Bindung zwischen den Partnern. Ob sich Liebe wirklich auf die Neurochemie im Gehirn reduzieren lässt, ist umstritten. In vielem steht die Neurowissenschaft der Liebe erst am Anfang. Bisher jedenfalls lässt sich die Komplexität der Liebe nicht im Labor abbilden.

Die wissenschaftliche Perspektive

Der wissenschaftliche Blick auf die romantische Liebe ist ein nüchterner und nicht selten auch ernüchternd: Das Gefühl, das bei frisch Verliebten Schmetterlinge im Bauch flattern lässt, ist in seinen Augen lediglich das Ergebnis eines geschickt gemixten Hormoncocktails. Die intime Liebe zwischen zwei Menschen - bloß eine evolutionär nützliche Illusion, um die Fortpflanzung zu sichern. Doch wie viel weiß die Wissenschaft tatsächlich von der mächtigsten Kraft in unserem Leben? Glaubt man der evolutionären Psychologie, hat die Natur mit der Erfindung der romantischen Liebe tief in die Trickkiste gegriffen, um das Überleben der Spezies Mensch zu sichern. Als deren Gehirn im Laufe der Entwicklungsgeschichte immer größer wurde, war der Nachwuchs immer länger auf die Pflege seiner Eltern angewiesen. Daher seien Liebe und die Paarbeziehung praktische Einrichtungen der Evolution, damit beide Eltern die Sprösslinge für eine lange Zeit unter ihre Fittiche nehmen. So argumentieren etwa die Psychologen Lorne Campbell von der University of Western Ontario und Bruce Ellis von der University of Canterbury im „Handbook of Evolutionary Psychology“. Allerdings finden solche Erklärungsmuster immer wieder Kritiker. „Ich bin ein wenig skeptisch gegenüber evolutionspsychologischen Ansätzen“, sagt etwa die Biopsychologin Beate Ditzen von der Universität Zürich. Denn man könne nur die biologische und psychologische Situation untersuchen, wie sie heute ist. „Wir sehen also nur das Endprodukt. Das wissenschaftliche Sezieren der Liebe steht in vielem noch am Anfang. Doch eine Sichtweise hat sich schon jetzt radikal geändert: Liebe ist nur noch in der Kunst und in unserem subjektivem Erleben eine Angelegenheit des Herzens. Denn mittlerweile haben Forscher das Gehirn als eigentlichen Ort des romantischen Geschehens ausgemacht.

Die Hirnaktivität Frischverliebter ist ein wahres Hormon-Wirrwarr

Oxytocin, Vasopressin, Dopamin, Serotonin - ein komplexes Zusammenspiel aus Botenstoffen ist mit dafür verantwortlich, dass wir Händchen halten, schmachten, heiraten und uns wieder scheiden. Die Wissenschaft experimentiert bereits mit sogenannten "Liebesdrogen" - also mit synthetisch erzeugten Botenstoffen, die das Sexualverhalten und die Beziehung beeinflussen können. Vor allem vier Bereiche im limbischen System, darunter das Belohnungszentrum, zeigen sich bei Verliebten besonders aktiv. Eine zentrale Rolle spielt Dopamin. Der Neurotransmitter, den der Volksmund auch gerne "Glückshormon" nennt, suggeriert Erfüllung und Befriedigung und wird mit Euphorie aber ebenso Suchterkrankungen assoziiert. Liebende reagieren auf die Fotos ihres Schwarms also wie Kokainsüchtige oder Alkoholkranke auf ein Bild ihrer Droge."Wenn man die Daten interpretiert, kann man die Liebe durchaus mit einer Sucht vergleichen", sagt Andreas Bartels, Leiter der wegweisenden Forschung am University College London, bei der die Hirnaktivität Liebender per Magnetresonanztomographie gemessen wurde. In der ersten Phase des Verliebtseins ist auch das Aufputschhormon Adrenalin besonders präsent. Es ist mitverantwortlich für die Ruhelosigkeit, das Kribbeln, ja diese Schmetterlinge im Bauch, die Verliebte bei ihren ersten Treffen oft meinen, zu spüren. Die Pupillen weiten sich, der Atem geht schneller, der Blutdruck steigt, der Körper wird in Alarmbereitschaft gesetzt. Dabei unterscheiden sich die körperlichen Stressreaktionen des Flirtens nicht von denen einer Paniksituation. Zu Beginn einer Partnerschaft sinkt bei Männern der Testosteronspiegel und lässt sich dadurch ausgeglichener agieren. Gleichzeitig steigt bei Frauen das männliche Sexualhormon an und steigert damit die sexuelle Lust. Die Forscherin Donatella Marazziti von der Universität Pisa interpretiert dies als Versuch der Natur, die beiden Geschlechter aneinander anzugleichen. Und als wären dies nicht schon genug neuronale Irrungen und Wirrungen, kommt auch noch der Botenstoff Serotonin ins Spiel, der gerade in der Anfangsphase großen Schwankungen unterliegt. Hier geht Donatella Marazziti soweit, das starke Auf- und Ab des Serotoninspiegels mit den Werten von Zwangserkrankten zu vergleichen. Erst kürzlich hat die Wissenschaft begonnen, sich diesem Botenstoff der Treue und Vertrautheit intensiver zu widmen. Physiologisch gesehen sorgt Oxytocin primär für die Muskelkontraktionen während des Orgasmus. Auch während der Geburt und dem Stillen des Kindes wird es verstärkt ausgeschüttet. Oxytocin hat damit von Anfang an Einfluss auf die Bindung und das Vertrauen zwischen zwei Individuen. Durch Körperkontakt und Wärme werden besonders viele Botenstoffe freigesetzt: "Daher ist es wichtig, möglichst viel zu kuscheln", sagt Professor und Bio-Psychologe Peter Walschburger der Freien Unierversität Berlin. Mit der Länge einer Beziehung kann der Oxytocin-Spiegel schleichend sinken und somit eine Beziehung instabil werden lassen.Die US-amerikanische Anthropologin Helen Fisher spricht bei der durchschnittlichen Lebensdauer einer Beziehung von vier Jahren. Laut Fisher ist eine monogame Beziehung von bis zu dieser Dauer evolutionsbiologisch von Vorteil, weil die Fürsorge zweier Partner die Überlebenschancen der Nachkommen erhöht. Die primären physiologischen Funktionen Vasopressins sind die Durchblutung der Genitalorgane und die Verminderung des Harndrangs. Gleichzeitig gilt Vasopressin als Hormon, dass die Kommunikation und Verbindung zweier Partner in einer Beziehung unterstützt. In Versuchen mit Ratten wurde herausgefunden, dass Vasopressin bei den Weibchen das mütterliche Fürsorgeverhalten erheblich verstärkt. Bei Männern vermindert es Ängste und verbessert das Sozialverhalten. Männer erzeugen beim Sex geringe Mengen Oxytocin und große Mengen von Vasopressin. Liebe kann man riechen! Pheromone, chemische Signalstoffe, die dem Informationsaustausch unter Artgenossen dienen, beeinflussen auch das Sexualverhalten und die Partnerwahl. Ein Forscherteam der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking hat 2014 erstmals die Existenz von Sexualpheormonen beim Menschen nachgewiesen. Demnach findet man die Lockstoffe in Samenflüssigkeit, den Achselhöhlen und im Urin. Der Signalstoff ist für die Kommunikation und Verbindung zwischen den Nervenzellen verantwortlich, ist bei der Gedächtnisbildung entscheiden und wird daher auch "Nervennährstoff" genannt. Forscher der Universität Pavia und Bochum haben in Studien einen erhähten Neurotophinwert im Blut frisch Verliebter festgestellt. Die Neurotrophin-Werte der Verliebten waren signifikant höher als die von Versuchspersonen, die schon länger in einer Partnerschaft lebten.Die Forscher gehen davon aus, dass Neurotrophine für Euphorie am Beginn einer Liebesromanze verantwortlich sind. Warum für frisch Verliebte nur der Partner zählt und alles andere Nebensache ist, hängt mit neuronalen Aktivitäten im Gehirn zusammen, bei denen Hormone eine zentrale Rolle spielen. Wie die beiden Studienautoren Adam Bode von der Australien National University in Canberra und Phillip Kavanagh von der University of Canberra in ihrer im Fachjournal "Behavioural Sciences" veröffentlichten Arbeit beschreiben, bewirkt das BAS allgemein, dass Menschen positive Reize verstärkt wahrnehmen, neugieriger sind und selbstbewusster handeln. Im konkreten Falle des Verliebtseins sorgt es für die typischen Kognitionen, Emotionen und Verhaltensweisen, wie etwa den geliebten Menschen zu idealisieren, ihm ganz nah sein zu wollen oder Negatives zu übersehen. Für den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Christian Weiss, der selbst nicht an der Studie beteiligt war, ist Verliebtsein ein bisschen wie unter Drogen zu stehen: "Ein heftig verliebtes Gehirn ist einem besonderen neurochemischen Cocktail ausgesetzt. Der Zustand ist ein wenig wie unter Drogeneinwirkung." Diese Veränderung im Botenstoff- und Hormonhaushalt könne auch mit risikobereiterem Verhalten einhergehen.

Die Rolle von Hormonen und Botenstoffen

  • Dopamin: Sorgt für Euphorie, Belohnung und Motivation.
  • Adrenalin: Verantwortlich für Ruhelosigkeit, Kribbeln und die "Schmetterlinge im Bauch".
  • Serotonin: Der Serotoninspiegel kann in der Anfangsphase des Verliebtseins stark schwanken, was mit den Werten von Zwangserkrankten verglichen wurde.
  • Oxytocin: Fördert die Bindung, das Vertrauen und die Vertrautheit zwischen Partnern.
  • Vasopressin: Unterstützt die Kommunikation und Verbindung zwischen Partnern.
  • Pheromone: Chemische Signalstoffe, die das Sexualverhalten und die Partnerwahl beeinflussen können.
  • Neurotrophine: Könnten für die Euphorie am Beginn einer Liebesromanze verantwortlich sein.

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