Ursachen und Symptome von Hörstörungen bei Demenz

Hörstörungen zählen zu den häufigsten Gesundheitsproblemen der Menschheit. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist derzeit weltweit etwa jede fünfte Person (ca. 1,5 Milliarden Menschen) von einer Hörstörung betroffen. Der mit dem höheren Lebensalter assoziierte Hörverlust stellt eine hauptsächliche Ursache für Hörstörungen dar.

Zunehmende Prävalenz von Hörstörungen im Alter

Ab dem 50. Lebensjahr nimmt die Wahrscheinlichkeit, eine Schwerhörigkeit zu entwickeln, als Funktion des Alters zu. Die Diagnose „Presbyakusis“ (Altersschwerhörigkeit, ICD-10 Code: H91.1) bezieht sich auf die höhere Prävalenz von Hörstörungen ab dem 5. Lebensjahrzehnt. Darunter versteht man eine langsam fortschreitende, chronische, meist symmetrische Hörstörung mit Betonung in den hohen Frequenzen. Als eine der Hauptursachen für das nachlassende Hörvermögen werden degenerative physiologische Prozesse vermutet.

Kommunikation stellt ein Grundbedürfnis des Menschen dar. Ein gestörtes Sprachverständnis führt zu einer Beeinträchtigung der Interaktion zwischen Individuen. Die auftretenden Missverständnisse beinhalten soziale (z. B. Probleme beim Verfolgen von Gesprächsinhalten, zunehmende Ausgrenzung, Rückzug, Isolation), psychische (negative Emotionen, Erschöpfung, depressive Entwicklung) und körperliche Auswirkungen (Hörstörung und erhöhtes Sturzrisiko, erhöhtes Risiko für eine stationäre Behandlung).

In Deutschland wird die Zahl der Menschen im Rentenalter in den kommenden zehn Jahren von derzeit etwa 16 Millionen um etwa vier Millionen auf mindestens 20 Millionen steigen. Deshalb ist wahrscheinlich auch eine Zunahme der Anzahl schwerhöriger Menschen im höheren Lebensalter zu erwarten. Einer Früherkennung und Behandlung von Hörstörungen kommt daher eine zunehmende Rolle zu.

Anamnese bei Hörstörungen

Im höheren Lebensalter entwickeln sich Hörstörungen langsam. Die beiderseitige Beeinträchtigung im Rahmen einer „Presbyakusis“ beginnt meist in den hohen Frequenzen. Das führt zunächst zu so genannten Diskriminationsstörungen als Frühsymptom. Dabei kommt es zur Beeinträchtigung der Obertonspektren von Geräuschen in Gesprächen. Insbesondere der Sprachanteil hochfrequenter Konsonanten (k, f, s, t, h) wird nicht mehr exakt wahrgenommen. Die Beeinträchtigung der Wahrnehmung macht sich bei Umgebungsgeräuschen („Störgeräusche“) noch stärker bemerkbar.

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Das führt je nach Ausprägungsgrad der Frequenzbeeinträchtigung zur Verwechslung bzw. zur Fehlwahrnehmung von Wörtern und Gesprächsinhalten. Geringe Beeinträchtigungen werden meist noch kompensiert, so dass der innewohnende Sinn eines Satzes noch verstanden wird. Allerdings ist dies mit einer erhöhten Konzentration und Anstrengung verbunden und wird emotional als negativ assoziiert.

Je ausgeprägter die Hörstörung, desto stärker leidet die objektive Wahrnehmung der kommunikativen Sachinformation im Gespräch. Bei höheren Graden der Schwerhörigkeit ist auch der mittlere Frequenzbereich (um 1 kHz) betroffen. Dann sind weitere hohe und mittelfrequente Konsonanten (ch, s, h, p, g) und Vokalformanten (a, e, i, o, u etc.) des Sprachanteils betroffen. Gemeinsam mit einer Beeinträchtigung der hohen Frequenzen gehen Sprachinhalte verloren. Die erforderliche Konzentration im Rahmen der Kommunikation erhöht sich weiter, das führt zur Inanspruchnahme und „Bindung“ kognitiver Ressourcen zu Lasten anderer Funktionen. Diese erhöhte Konzentration und „Anstrengung“ macht sich unspezifisch als „Erschöpfung“ bemerkbar. Im weiteren Verlauf treten Assoziations-und Ratemechanismen in den Vordergrund einer manifesten Hörstörung.

Unspezifische Symptome einer Hörstörung sind je nach Frequenzbeeinträchtigung ein „Druck“-, „Völle-“ oder „Taubheitsgefühl“ auf einem oder beiden Ohren oder ein „Fremdkörpergefühl“. Genauere Hinweise sind Diskrepanzen in der Kommunikation mit dem Partner oder z. B. beim Fernsehen. Viele Patienten berichten darüber, hören, aber nicht verstehen zu können. Einseitige Hörstörungen oder asymmetrische Ausprägungen einer Presbyakusis, meist auch auf Grund einer otogenen Begleiterkrankung, führen zur Beeinträchtigung des Richtungsgehörs. Schallquellen können nicht exakt lokalisiert werden. Im Gespräch können Inhalte verloren gehen, wenn die Schallquelle (Sprache) das schlechterhörende Ohr seitlich erreicht.

Klassifikation von Hörstörungen im höheren Lebensalter

Es gibt unterschiedliche Einteilungen der Schwerhörigkeit. Der Hörverlust kann leicht bis schwergradig sein. Er kann ein Ohr oder beide Ohren betreffen.

Von einer manifesten Hörstörung kann man in etwa ab einer Frequenzbeeinträchtigung im Tonaudiogramm von 30 dB in den mittleren und hohen Frequenzen, ein- oder beiderseitig, sprechen, der Hörverlust von Umgangssprache beträgt dann ca. 20 %, das heißt vier von zwanzig sprachaudiometrisch dargebotenen Wörtern werden im Durchschnitt nicht eindeutig identifiziert. Diese Einteilung orientiert sich an den aktuellen Indikationen des Gemeinsamen Bundesausschusses für eine Hörhilfenversorgung.

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Abweichend davon spricht man nach der aktuellen Definition der Weltgesundheitsorganisation von einer Hörstörung, wenn mindestens ein Hörverlust von 21 dB oder schlechter im Tonaudiogramm auf beiden Ohren vorliegt.

Ursachen für Hörstörungen im höheren Lebensalter

Eine altersbedingte Degeneration neuronaler und weiterer anatomischer Strukturen findet sich in vielen Sinnesorganen (Auge, Gleichgewichtsorgan) und spielt auch im Hörorgan eine Rolle. Aus Tierexperimenten ist bekannt, dass das auditive System mit zunehmenden Alter Veränderungen zeigt. Das betrifft einen Verlust von inneren Haarzellen und Spiralganglienzellen im Innenohr (Cochlea), aber auch nervale zentrale auditive anatomische Strukturen. Darüber hinaus spielen genetische Faktoren eine Rolle. Weiterhin wird spekuliert, dass es im Lebensverlauf zu einer Kumulation schädigender Einwirkungen (Erkrankungen, Medikamente, Noxen, Lärm) kommt und diese gegenüber den protektiven Faktoren im Laufe der Zeit überwiegen sollen.

Im Laufe des Lebenszyklus erworbene Störungen des Hörvermögens, z. B. durch ototoxische Medikamente, durch entzündliche Prozesse im Rahmen von viralen oder bakteriellen Mittelohrentzündungen, Operationen, Traumen usw., potenzieren einen altersbedingten Hörverlust. Ca. 10 % aller Personen leiden unter einer fehlenden Autoregulation der Zerumenproduktion, so dass ein obturierender Zeruminalpfropf ebenso zu einer Verstärkung einer bereits bestehenden Hörstörung im höheren Lebensalter führen kann.

Diese Faktoren und das beginnende Risiko für eine Hörstörung ab dem 50. Lebensjahr lassen eine Untersuchung der Ohren und des Hörvermögens im fortgeschrittenen Lebensalter für sinnvoll erscheinen.

Wir empfehlen daher ab dem 50. Lebensjahr eine Untersuchung des Hörvermögens. Hierfür eignet sich der so genannte „MAT“ (Mini-Audi-Test). Anhand eines Fragebogens kann insbesondere hausärztlicherseits in etwa eingeschätzt werden, ob eine weiterführende audiologische Diagnostik beim HNO-Facharzt erforderlich ist.

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Hörstörungen und assoziierte Erkrankungen sowie Risiken

Patienten mit Hörstörungen im höheren Lebensalter stürzen häufiger. Unterschiedliche Studien belegen einen Zusammenhang zwischen Hörverschlechterung und einer Zunahme des Sturzrisikos. Die Ursachen sind bisher nicht geklärt.

Hören und Kognition sind eng miteinander verbunden. In jüngerer Zeit wird über einen Zusammenhang von Hörstörungen und einer Demenz diskutiert. Die bisherige Studienergebnisse hierzu sind jedoch nicht eindeutig. Aktuelle Studienergebnisse zeigen auch, dass eine Hörstörung mit einer Zunahme an depressiven oder ängstlichen Symptomen einhergeht.

Die Lebensqualität von Personen mit einer Hörstörung ist signifikant schlechter als die von normalhörenden Personen. Weiterhin ist erwiesen, dass Krankenhauseinweisungen auch häufiger mit einem schlechten Hörvermögen assoziiert sind, was jedoch auch mit der Zunahme der Morbidität im höheren Lebensalter zusammenhängen könnte. Es konnte gezeigt werden, dass eine Rehabilitation mit Hörgeräten im höheren Lebensalter positive Effekte auf die Lebensqualität hat.

Häufigkeit von Hörstörungen und Therapie mit Hörgeräten

Die Angaben zur Prävalenz der Schwerhörigkeit in Deutschland sind schwankend, große, flächendeckende Studien fehlen. Löhler et al. (2019) ermittelten in einer Übersichtsarbeit eine Prävalenz von 16 % bis 25 %. In einer aktuellen Studie (Gutenberg-Gesundheitsstudie) ergab sich eine Prävalenz von Hörstörungen von ca. 5 % ab dem 40. Lebensjahr, von ca. 13 % ab dem 50. Lebensjahr und ca. 35 % ab dem 60. Und ca. 63 % ab dem 70. Lebensjahr. Nur etwa 8 % waren mit Hörgeräten rehabilitiert.

Hesse und Lauber haben gezeigt, dass mit dem Lebensalter assoziierte Hörstörungen (Presbyakusis) ab ca. dem 50. Lebensjahr mit zunehmender Häufigkeit auftreten. In der Altersgruppe ab 60 Jahren ergab sich bei ca. zwei Drittel der Personen eine Therapiebedürftigkeit der Hörstörung, aber nur ein geringer Prozentsatz (ca. 15 %) war mit Hörgeräten versorgt.

Die weltweite Prävalenz eines „leichtgradigen“ Hörverlusts (hier definiert ab 35 Dezibel) beträgt ab dem 70. Lebensjahr fast 30 Prozent und ab dem 80. Lebensjahr mehr als 50 Prozent. Ein leichtgradiger Hörverlust (hier definiert > 20 bis 35 dB) wurde ausgeschlossen, ist aber ebenfalls relevant.

Therapie von Hörstörungen im höheren Lebensalter

In den meisten Fällen erfolgt die Rehabilitation einer altersassoziierten Hörstörung mit Hörgeräten. Die Indikation richtet sich nach der aktuellen Hilfsmittel-Richtlinie. Hörgeräte sind bei einer audiometrisch nachgewiesenen Hörstörung mit einem Sprachverständnis im Einsilbertest von nicht mehr als 80 % bei Umgangssprache ohne Störgeräusche (65 dB) sowie einem Hörverlust in mindestens einer Frequenz zwischen 500 und 4.000 Hz von mindestens 30 dB indiziert. Für Indikationsstellung und Verordnung ist der HNO-Arzt zuständig. Der Versorgungserfolg wird nach der Anpassung der Hörgeräte durch den Hörgeräteakustiker im Rahmen einer Qualitätssicherungsvereinbarung HNO-ärztlich überprüft.

Hörhilfen für unterschiedliche Bedürfnisse

Hörgeräte haben unterschiedliche Bauarten, es gibt IdO (In-dem-Ohr) und Hinter-dem-Ohr (HdO)-Geräte. Seltener sind CROS- und BiCROS-Systeme (CROS: Contralateral Routing of Signal) sowie Knochenleitungs-Hörgeräte. CROS- und BiCROS-Hörgeräte ermöglichen ein räumliches Hören bzw. Richtungshören bei einseitiger Taubheit.

Hörgeräte stellen eine evidenzbasierte Therapieform der leichten bis hochgradigen Hörstörung dar. Weiterhin existieren Knochenleitungsimplantate, welche den Schalleintrag über den Schädelknochen ermöglichen. Bei Mittelohrimplantaten erfolgt die akustische Stimulation über die Gehörknöchelchenkette oder direkt über das runde Fenster.

Es hat sich gezeigt, dass ein Hörtraining positive Effekte hat, wenn Hörgeräte angepasst werden. Hörgeräte sollten permanent getragen werden. Die permanente Nutzung hat einen positiven kognitiven Effekt.

Cochlea-Implantate sind eine weitere Behandlungsoption bei einer ein- und beiderseitigen höhergradigen Hörstörung oder Ertaubung, wenn mit Hörgeräten kein ausreichendes Sprachverständnis zu erreichen ist (ca. ≤ 60 % Einsilberverstehen bei 65 dB).

Mit singulären Cochlea-Implantaten wird eine Wiederherstellung des Sprachverständnisses bei einer Ertaubung erreicht. Hybride Cochlea Implantate kombinieren elektrisches Hören und einen akustisch nutzbaren Hörrest (EAS - elektrisch-akustische Stimulation). Diese kommen in Frage, wenn ein Verlust des Hochtonhörens bei ausreichendem Tieftonrestgehör vorliegt. Auch für eine Cochlea-Implantation existiert keine Altersgrenze, der chirurgische Eingriff dauert ca. 1,5 Stunden und ist relativ komplikationsarm. Völter et al. haben nachgewiesen, dass auch eine Cochlea-Implantation zu einer Stimulation kognitiver Funktionen führt und die Lebensqualität im Allgemeinen positiv beeinflusst wird.

Zusammenhang zwischen Hörverlust und Demenz

Das Phänomen ist bekannt: Wenn im Alter das Gehör nachlässt, steigt das Risiko, an Demenz zu erkranken oder andere geistige Einbußen zu erleiden. Experimente mit Mäusen zeigen: Der Grund dafür sind offenbar Störungen der Signalübertragung im Gehirn. Betroffen ist vor allem der Hippocampus: jene Hirnregion, die die Pforte in unser Gedächtnis ist.

Fehlende Reize aus dem Hörnerv

„Unsere Ergebnisse bieten neue Einblicke in die mutmaßliche Ursache für den Zusammenhang zwischen kognitivem Verfall und altersbedingtem Hörverlust bei Menschen“, sagt Prof. Denise Manahan-Vaughan von der Ruhr-Universität Bochum (RUB).

Ihr Team von Neurowissenschaftlern untersuchte Mäuse, die zwar mit einem intakten Hörvermögen geboren wurden, jedoch durch einen Gendefekt nach und nach ihr Hörvermögen verloren. Sie liefern damit ein gutes Modell für Altersschwerhörigkeit beim Menschen.

Anpassungsfähigkeit des Gehirns leidet

Dabei fanden die Forscher Veränderungen am Hippocampus der Tiere - einer für die Gedächtnisbildung entscheidenden Hirnregion. Anders als bei Mäusen ohne den genetisch vorprogrammierten Hörverlust veränderten sich in diesem Areal laufend die Verteilung und Dichte der Rezeptoren, an die bestimmte Botenstoffe andocken.

Wie reibungslos das vonstattengeht, beeinflusst, wie gut ein Signal von einer zur anderen Nervenzelle übertragen wird. Im Hippocampus entscheidet das über die Merkfähigkeit bei Mensch und Tier.

Wie Lernen funktioniert

Bei Lernprozessen nimmt die Zahl der Rezeptoren zwischen den beteiligten Nervenzellen zu. Die Informationsübertragung wird so zunehmend verstärkt. Solche und andere Prozesse, mit denen das Gehirn auf den Einfluss von Reizen reagiert, bezeichnen Neurologen als synaptische Plastizität. Sie ist die Voraussetzung für Lernen und Gedächtnisbildung.

Die synaptische Plastizität ermöglicht somit auch erst die langfristige Speicherung von Erlebnissen und das Festhalten von Erinnerungen.

Plastizität geht verloren

Diese Fähigkeit schwindet bei Menschen mit Demenz zunehmend. Betroffen davon sind zuerst neue Gedächtnisinhalte. Offenbar stören die immer schwächer werdenden Signale aus dem Hörsinn die normale Ausprägung der Rezeptoren im Hippocampus.

Anders als bei Mäusen ohne die genetisch vorprogrammierte Schwerhörigkeit wurde die synaptische Plastizität der Tiere durch fortschreitenden Hörverlust chronisch beeinträchtigt. Die Verteilung und Dichte der Neurotransmitterrezeptoren in sensorischen und Gedächtnisregionen des Gehirns änderte sich ebenfalls ständig.

Paralell dazu konnten die Forscher nachweisen, dass sich das Gedächtnis der Tiere zunehmend verschlechterte.

Treibsand im Gehirn

Die Forscher glauben, dass die sich laufend verändernde Verfügbarkeit der Rezeptoren die Informationsverarbeitung behindert. „Das führt zu einer Art Treibsand, der verhindert, dass der Hippocampus effektiv arbeitet“, so Denise Manahan-Vaughan.

Hörverluste möglichst früh ausgleichen

Die Studie unterstreicht, dass es für die geistige Gesundheit wichtig ist, einen Hörverlust möglichst frühzeitig auszugleichen - beispielsweise mit einem Hörgerät. Dafür gibt es noch ein weiteres wichtiges Argument: Das Gehirn verlernt die Verarbeitung der einzelnen Frequenzen, wenn die Signale zu lange ausbleiben. Das kann mit einem Hörgerät später nicht mehr ausgeglichen werden. Man sollte also nicht warten, bis man sehr schlecht hört, bevor man zum Hörgeräteakustiker geht.

Experten schätzen, dass rund 14 Millionen Menschen unter einer behandlungsbedürftigen Schwerhörigkeit leiden. Dazu zählen neben der Altersschwerhörigkeit auch die Lärmschwerhörigkeit sowie angeborene Hörstörungen. Nur 37 Prozent der Betroffenen tragen Hörgeräte laut EuroTrak-Studie 2018 des Schweizer Marktforschungsunternehmens Anovum.

Beeinflusst Schwerhörigkeit Demenz?

Zahlreiche Studien wurden durchgeführt, um die Beziehung zwischen Hörverlust und Demenz bei älteren Patienten zu bewerten. Diese Studien zeigen, dass ältere Menschen mit Hörverlust verglichen mit Menschen mit normalem Hörvermögen eine sehr viel höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, im Laufe ihres Lebens eine Demenz zu entwickeln.

In einer der ersten Studien, die 1989 veröffentlicht wurden, verglichen Richard Uhlmann und seine Kollegen 100 demenzkranke Probanden mit 100 Probanden ohne Demenz (Kontrollgruppe), die das gleiche Alter, Geschlecht und Bildungsniveau hatten. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass der Hörverlust bei älteren Erwachsenen zu kognitiven Störungen beitrug: je stärker der Hörverlust, desto höher die Wahrscheinlichkeit einer Demenzerkrankung. Die ausführliche Analyse der Daten zeigte, dass der Anteil an Patienten mit Demenz, die vermutlich auf den Hörverlust zurückzuführen war, bei 32% liegen könnte. Die Studie zeigte außerdem, dass der Hörverlust mit einer reduzierten kognitiven Leistung verbunden war, sogar bei Patienten, die nicht an Demenz litten. Dr. Uhlmanns Arbeit betont, dass Ärzte bei der Diagnose der Demenz insbesondere auf das eventuelle Vorhandensein einer Hörbehinderung achten sollten. Parallel hierzu kann die Hörbehinderung ein wichtiger Risikofaktor für die Demenz und kognitive Störung sein. Wenn dies der Fall ist, würde eine Korrektur der Hörbehinderung, zum Beispiel durch Hörgeräte, das Fortschreiten der Demenz nicht verhindern, könnte aber die Symptome der Krankheit deutlich verbessern. So wäre die Korrektur der Hörbehinderung eine vielversprechende Behandlungsmethode für die kognitive Störung bei älteren Menschen, insbesondere da es zurzeit keine alternativen Mittel gibt, um den Verlauf häufig vorkommender Demenzerkrankungen, wie zum Beispiel Alzheimer, zu verändern.

Frank Lin, Facharzt für HNO und Epidemiologie an der Johns Hopkins School of Medicine, und sein Team führten eine umfassendere Studie durch, in der sie 639 Patienten 18 Jahre lang beobachteten. Keiner der Probanden litt zu Beginn der Studie an einer kognitiven Beeinträchtigung, auch wenn einige von ihnen eine mehr oder weniger schwere Hörminderung aufwiesen. Während der 18-jährigen Beobachtung wurde bei 58 der 639 Patienten eine Demenz diagnostiziert. Verglichen mit Probanden mit normalem Hörvermögen hatten die Patienten mit leichtem, mittelschwerem und schwerem Hörverlust jeweils ein 2-, 3- bzw. Selbst nach Berücksichtigung anderer Faktoren, die mit dem Demenzrisiko in Verbindung gebracht werden, unter anderem Diabetes, Bluthochdruck, Alter, Geschlecht und Herkunft, standen Hörverlust und Demenz weiterhin in einem deutlichen Zusammenhang. Die Ergebnisse der Lin-Gruppe wurden in einer neueren Studie von Gallacher et al., die 2012 veröffentlicht wurde, bestätigt. In dieser Studie wurden 1057 Männer über einen Zeitraum von 17 Jahren beobachtet. Der Hörverlust wurde zu Beginn der Studie und nach 9 Jahren bewertet. Sowohl Kognition und Demenz wurden beurteilt. Die Autoren fanden einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Hörverlust und der Demenz sowie dem Abbau kognitiver Fähigkeiten. Für jede 10 dB (A) des zunehmenden Hörverlusts verglichen mit dem normalen Hörvermögen in diesem Alter erhöhte sich das Risiko, eine Demenz zu entwickeln, um das 2,7-fache. Ein interessantes Ergebnis war auch, dass der Zusammenhang zum kognitiven Abbau stärker war, wenn die Tests während einer persönlichen Befragung anstelle per Computer durchgeführt wurden.

Auch wenn der Grund für den Zusammenhang zwischen den beiden Erkrankungen unbekannt ist, vermuten die Wissenschaftler, dass eine allgemeine Pathologie beide verursachen kann oder dass die Anstrengung, Geräusche über die Jahre hinweg zu dekodieren, das Gehirn von hörgeschädigten Menschen überfordert und sie daher anfälliger für eine Demenz macht. Sie mutmaßen zudem, dass der Hörverlust zur Demenz führen könnte, weil die Betroffenen oft gesellschaftlich isoliert werden - ein bekannter Risikofaktor für Demenz und andere kognitive Störungen.

Der Grund für die Beziehung zwischen Hörverlust und Kognition ist nicht bekannt. Die Wissenschaftler formulierten in Gesprächen, dass eine allgemeine Pathologie der Grund für beide Gesundheitsprobleme sein könnte. Sie legen nahe, dass die Betroffenen anfälliger für eine Demenz werden, weil der Hörverlust über die Jahre hinweg so viel „Gehirnleistung“ fordert, um Geräusche in nützliche Informationen zu verwandeln. Dazu kommt, dass wir uns mit zunehmendem Hörverlust gesellschaftlich zurückziehen, weniger unter Menschen kommen und damit seltener Gespräche führen. Einer der größten Risikofaktoren für Demenz ist die gesellschaftliche Isolierung.

Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass es möglich ist, das Einsetzen der Demenz durch einfache Mittel wie Hörsysteme und die sorgfältigere Prävention, zum Beispiel durch Gehörschutz, und Früherkennung des Hörverlusts zu verzögern. Ein wichtiger Faktor kann auch die Art und Weise sein, wie Hörsysteme verwendet und programmiert werden und wie gut die Beratung für Hörgeräteträger durch Fachärzte ist.

Frühe Anzeichen und Prävention

In Deutschland leben rd. 10 Mio. Menschen mit einer Schwerhörigkeit. Fast 6 Mio. davon sind deutlich beeinträchtigt. Doch nur ein Drittel der Betroffenen unternimmt etwas dagegen. Dabei könne Schwerhörigkeit im mittleren Lebensalter ein Risikofaktor für eine spätere Demenzerkrankung sei. Um mit dem Hören nicht auch Lebensqualität einzubüßen, sollte jeder daran denken, regelmäßig sein Gehör testen zu lassen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil eine Schwerhörigkeit oft schleichend und lange unbemerkt einsetze, so der BVHI. Er empfiehlt Hörscreenings ab Geburt und im Kleinkindalter, spätestens jedoch ab dem 50. Pflegende Angehörige haben einen gesetzlichen Anspruch auf einen kostenfreien Schulungskurs.

Ab dem 35. Lebensjahr verschlechtere sich das Hören bei Frauen und Männern. Ab dem 60. Lebensjahr könne es zur Altersschwerhörigkeit kommen. Das Uniklinikum rät deshalb, Erfahrungen eines verschlechterten Hörens nicht zu vernachlässigen und genau zu beobachten. Mit zunehmendem Alter verliere das Gehör sein Dynamikvermögen: Werden zunächst nur besonders leise Geräusche nicht mehr gehört, kann es später dazu kommen, dass Betroffene zwar hören, dass etwas gesprochen wird, dies aber nicht mehr verstehen.

Dank des technischen Fortschritts kämen Patientinnen und Patienten mit einer hochgradigen Schwerhörigkeit heute besser mit einem sog. Cochlea-Implantat zurecht als mit einem an der Verstärkungsgrenze arbeitenden Hörgerät. Das Cochlear Implantat ermögliche, das Hören wieder neu zu erlernen und damit den Alltag besser zu bewältigen. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verweist darauf, dass es oft mangelnde Informationen und voreingenommene Einstellungen zu Ohrenerkrankungen und Hörverlust sind, die Menschen davon abhalten, die Initiative zu ergreifen. Schließlich sei gerade die Identifizierung eines Ohrproblems der erste Schritt, um etwas gegen Ohrenerkrankungen und Hörverlust zu unternehmen. „Unsere Fähigkeit zu hören ist wertvoll. Unbehandelter Hörverlust kann verheerende Auswirkungen auf die Fähigkeit der Menschen haben, zu kommunizieren, zu lernen und den Lebensunterhalt zu verdienen.

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