Die Demenz ist ein Syndrom, das durch den Verlust kognitiver Fähigkeiten gekennzeichnet ist und die Alltagsaktivitäten beeinträchtigt. Es handelt sich um eine fortschreitende Erkrankung des Gehirns, die verschiedene höhere kortikale Funktionen wie Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen beeinträchtigt. Das Bewusstsein ist dabei nicht getrübt.
Einführung
Demenzen gehören zu den häufigsten und folgenreichsten psychiatrischen Diagnosen im höheren Lebensalter. Weltweit sind schätzungsweise 50 Millionen Menschen betroffen, in Deutschland etwa 1,6 Millionen. Die Alzheimer-Demenz ist die häufigste Form, gefolgt von vaskulären Demenzen und Mischformen.
Die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, German Modification (ICD-10-GM) dient der Verschlüsselung von Diagnosen im ambulanten und stationären Bereich. Sie bildet zusammen mit dem Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) die Basis für die Entgeltsysteme.
ICD-10-GM Klassifikation der Demenzen
Die ICD-10-GM unterscheidet verschiedene Demenzformen, die nach ihrer Ätiologie klassifiziert werden. Hier ein Überblick über die wichtigsten Kategorien:
F00.- Demenz bei Alzheimer-Krankheit
Diese Kategorie umfasst Demenzen, die auf der Alzheimer-Krankheit basieren, einer primär degenerativen zerebralen Krankheit mit unbekannter Ursache. Die Alzheimer-Krankheit beginnt meist schleichend und entwickelt sich langsam über Jahre.
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- F00.0 Demenz bei Alzheimer-Krankheit, mit frühem Beginn (Typ 2): Beginn vor dem 65. Lebensjahr. Der Verlauf ist vergleichsweise rasch, und es bestehen deutliche Störungen der höheren kortikalen Funktionen.
- F00.1 Demenz bei Alzheimer-Krankheit, mit spätem Beginn (Typ 1): Beginn nach dem 65. Lebensjahr, meist in den späten 70ern oder danach. Die Krankheit schreitet langsam fort, und Gedächtnisstörungen stehen im Vordergrund.
- F00.2 Demenz bei Alzheimer-Krankheit, atypische oder gemischte Form
- F00.9 Demenz bei Alzheimer-Krankheit, nicht näher bezeichnet
F01.- Vaskuläre Demenz
Die vaskuläre Demenz entsteht durch Infarzierung des Gehirns infolge einer vaskulären Krankheit, einschließlich zerebrovaskulärer Hypertonie. Die Infarkte sind meist klein, kumulieren aber in ihrer Wirkung. Die Entwicklung erfolgt oft rasch nach einer Reihe von Schlaganfällen.
F02.- Demenz bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
Diese Kategorie umfasst Demenzen, bei denen eine andere Ursache als die Alzheimer-Krankheit oder eine zerebrovaskuläre Krankheit vorliegt oder vermutet wird.
- F02.0 Demenz bei Pick-Krankheit (G31.0+): Eine progrediente Demenz mit Beginn im mittleren Lebensalter, charakterisiert durch Persönlichkeitsveränderungen und Verlust sozialer Fähigkeiten.
- F02.1 Demenz bei Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (A81.0+): Eine progrediente Demenz mit vielfältigen neurologischen Symptomen als Folge neuropathologischer Veränderungen. Der Verlauf ist subakut und führt innerhalb von ein bis zwei Jahren zum Tode.
- F02.2 Demenz bei Chorea Huntington (G10+): Eine Demenz, die im Rahmen einer ausgeprägten Hirndegeneration auftritt. Die Symptomatik beginnt typischerweise im dritten und vierten Lebensjahrzehnt.
- F02.3 Demenz bei primärem Parkinson-Syndrom (G20+): Eine Demenz, die sich im Verlauf einer Parkinson-Krankheit entwickelt.
- F02.4 Demenz bei HIV-Krankheit (B22+): Eine Demenz, die sich im Verlauf einer HIV-Krankheit entwickelt.
- F02.8 Demenz bei anderenorts klassifizierten Krankheitsbildern: Demenz bei Epilepsie (G40.-+) oder hepatolentikulärer Degeneration.
F03.- Nicht näher bezeichnete Demenz
Diese Kategorie wird verwendet, wenn die spezifische Ursache der Demenz nicht bestimmt werden kann.
Differentialdiagnose der Demenzursachen
Die Diagnose von Demenz erfordert eine sorgfältige Abklärung, um reversible Ursachen auszuschließen und die spezifische Demenzform zu identifizieren. Zu den wichtigsten Differentialdiagnosen gehören:
- Alzheimer-Krankheit: Frühzeitige Störung des episodischen Gedächtnisses, später Beeinträchtigung aller kognitiven Domänen.
- Frontotemporale Demenzen (FTD): Verhaltensvarianten, Sprachvarianten, früher Beginn zwischen dem 6. und 7. Lebensjahrzehnt.
- Demenz bei Lewy-Body-Krankheit (LBD): Fluktuierende kognitive Verlangsamung, Störung der Aufmerksamkeit, visuelle Halluzinationen, Parkinsonsymptomatik.
- Vaskuläre Demenzen: Akute oder langsam progrediente Verläufe, neuropsychologische Defizite abhängig von der Lokalisation der Schädigung.
- Demenz bei "Normal Pressure Hydrocephalus" (NPH): Hakim-Trias (Demenz, Gangstörung, Inkontinenz), Verlangsamung, dysexekutives Syndrom, Gedächtnisstörungen.
Behandelbare Ursachen
In etwa 10 % der Demenzsyndrome liegen behandelbare Ursachen vor. Hierzu gehören:
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- Endokrinopathien: Hypothyreose, Hyperthyreose, Hypoparathyreoidismus, Hyperparathyreoidismus
- Vitaminmangelkrankheiten: Vitamin-B12-Mangel, Folsäuremangel, Vitamin-B1-Mangel, Vitamin-B6-Mangel
- Metabolische Enzephalopathien: Chronische Lebererkrankungen, chronische Nierenerkrankungen
- Intoxikationen: Industriegifte, Medikamente, Alkoholabhängigkeit
- Elektrolytstörungen: Hyponatriämie, Hypernatriämie
- Hämatologisch bedingte Störungen: Polyzythämie, Hyperlipidämie, multiples Myelom, Anämie
- Chronische Infektionskrankheiten: Bakterielle und virale Infektionen
- Weitere Ursachen: Raumfordernde Prozesse wie Tumore, Hämatome oder Hydrozephalus
Diagnostik
Die Diagnostik von Demenz umfasst verschiedene Schritte:
- Anamnese: Erhebung der Eigen-, Fremd-, Familien- und Sozialanamnese, einschließlich der vegetativen und Medikamentenanamnese.
- Kognitive Tests: Durchführung von Kurztestverfahren wie Mini-Mental State Examination (MMSE), Demenz-Detection (DemTect) oder Montreal Cognitive Assessment (MoCA).
- Laboruntersuchungen: Blutbild, Elektrolyte, Nüchternblutzucker, TSH, Blutsenkung oder CRP, GOT, Gamma-GT, Kreatinin, Harnstoff, Vitamin B12.
- Neuropsychologische Untersuchung: Bei fraglicher oder leichtgradiger Demenz zur differenzialdiagnostischen Abklärung.
- Zerebrale Bildgebung: MRT zur Darstellung der kortikalen und subkortikalen Hirnmorphologie sowie gefäßassoziierter Pathologien.
- Liquordiagnostik: Bei Hinweisen auf entzündliche oder infektiöse ZNS-Erkrankung.
- Funktionelle Bildgebung: FDG-PET zur Differenzialdiagnostik von neurodegenerativen Demenzen, FP-CIT-SPECT zur Differenzialdiagnose einer Lewy-Körperchen-Demenz.
Therapie
Die Therapie von Demenz zielt darauf ab, Symptome zu lindern, die Progression zu verlangsamen und die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen zu verbessern.
Pharmakotherapie
- Antidementiva: Cholinesterasehemmer (Donepezil, Galantamin, Rivastigmin) und Memantin zur symptomatischen Behandlung der Alzheimer-Demenz.
- Weitere Medikamente: Behandlung von begleitenden nicht-kognitiven Symptomen wie Depressionen, Angstzuständen oder Schlafstörungen.
Psychosoziale Interventionen
- Kognitive Stimulation: Förderung kognitiver Fähigkeiten und des Erhalts alltagspraktischer Fähigkeiten.
- Ergotherapie: Unterstützung bei der Bewältigung von Alltagsaktivitäten.
- Physiotherapie: Verbesserung der Mobilität und des Gleichgewichts.
- Musiktherapie: Förderung der emotionalen Ausdrucksfähigkeit und des Wohlbefindens.
- Multisensorische Verfahren: Stimulation der Sinne zur Verbesserung der Wahrnehmung und des Verhaltens.
- Psychoedukation: Information und Beratung von Betroffenen und Angehörigen.
Prävention
Präventionsstrategien zielen auf die Beeinflussung allgemeiner kardiovaskulärer Risikofaktoren und Lebensstilfaktoren wie Ernährung, Bewegung und Bildung.
Herausforderungen und Perspektiven
Demenzerkrankungen stellen eine große Herausforderung für Betroffene, Angehörige und das Gesundheitssystem dar. Die steigende Lebenserwartung führt zu einer Zunahme der Erkrankungszahlen. Es besteht ein großer Bedarf an Forschung, um die Ursachen von Demenzen besser zu verstehen, wirksame Therapien zu entwickeln und Präventionsstrategien zu verbessern.
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