Demenz ist ein Syndrom, das durch fortschreitende Defizite in kognitiven, emotionalen und sozialen Bereichen gekennzeichnet ist. Es handelt sich um einen Abbau kognitiver Funktionen und Alltagskompetenzen, der meist einen progressiven Verlauf zeigt. In Deutschland lebten im Jahr 2018 schätzungsweise knapp 1,6 Millionen Menschen ab 65 Jahren mit Demenz, wobei die Alzheimer-Krankheit die häufigste Form darstellt. Ohne einen Therapiedurchbruch könnte diese Zahl bis 2050 auf 2,8 Millionen ansteigen. Jüngere Menschen sind seltener betroffen, wobei die Zahl der Demenzerkrankten zwischen 30 und 64 Jahren auf 73.000 geschätzt wird. Jährlich werden über 300.000 Demenzen neu diagnostiziert.
Was ist Demenz?
Demenz (ICD-10 F00-F03) ist ein klinisches Syndrom, das als Abbau kognitiver Funktionen und Alltagskompetenzen definiert ist. Typische Symptome sind nachlassende geistige Leistungsfähigkeit, abnehmendes Denk- und Urteilsvermögen, zunehmende Orientierungslosigkeit, Sprachverarmung, Beeinträchtigung der autobiographischen Identität sowie Verlust von Selbstständigkeit und Autonomie. Oft treten auch Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens und der Motivation auf.
Häufige Demenzformen
Die am weitesten verbreitete Demenzform ist die Demenz bei Alzheimer-Krankheit. Weitere häufige Formen sind vaskuläre Demenzen, die Lewy-Körperchen-Demenz sowie Mischformen zwischen vaskulären und neurodegenerativen Demenzen.
Epidemiologie
Die Prävalenz von Demenz steigt mit dem Alter steil an. In der Altersgruppe der 65- bis 69-Jährigen sind etwa 1 Prozent betroffen, während bei den über 90-Jährigen bereits 40 Prozent an einer Demenz leiden. Zwei Drittel aller Erkrankten sind älter als 80 Jahre, und etwa zwei Drittel sind Frauen. Im Jahr 2019 war Demenz die zweithäufigste Todesursache in Deutschland.
Ursachen von Demenz
Die Ursachen von Demenzen sind vielfältig und noch nicht vollständig geklärt. Es werden zwei Hauptgruppen unterschieden: primäre degenerative und vaskuläre Demenzen (ca. 90% bei den über 65-Jährigen) sowie sekundäre Demenzformen (ca. 10%).
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Degenerative Ursachen
Zu den häufigsten degenerativen Demenzen gehören:
- Alzheimer-Demenz: Mit 60-70 Prozent die häufigste Form. Fast alle dementen Patienten über 65 Jahre weisen im Gehirn Alzheimer-charakteristische Plaques und Tau-Fibrillen auf.
- Lewy-Körper-Demenz: Mit rund 20 Prozent die zweithäufigste Form. Betroffene weisen Lewy-Körperchen im neuronalen Zytoplasma auf.
- Frontotemporale Demenz: Deutlich seltener, aber bei jüngeren Demenzpatienten häufiger. Charakteristisch sind Proteinablagerungen, Gliosen und Neuronenverlust.
Vaskuläre Ursachen
Vaskuläre Demenzen (VaD) sind mit neurodegenerativen Veränderungen und einem Verlust neuronaler Netzwerke assoziiert. Ursächlich ist eine vaskuläre Hirnschädigung, wie:
- Multiple Infarkte (Multi-Infarkt-Demenz): Multiple Hirninfarkte in strategisch relevanten Hirnregionen.
- Strategische Infarkte: Einzelne, kleine Infarkte in kritischen Lokalisationen (Thalamus, Kapselknie, frontales Marklager, Gyrus angularis).
- Marklagerläsionen und Lakunen (subkortikale ischämische VaD): Ischämische Marklagerläsionen und Lakunen als Folge einer zerebralen Mikroangiopathie.
- Hirnblutungen (hämorrhagische Demenz): Makroskopische und zerebrale Mikroblutungen, oft als Folge von Hypertonus oder zerebraler Amyloidangiopathie.
Sekundäre Ursachen
Zahlreiche Erkrankungen können zu kognitiven Störungen und demenzieller Symptomatik führen, wie z.B.:
- Endokrinopathien: Hypothyreose, Hyperthyreose, Hypoparathyreoidismus, Hyperparathyreoidismus.
- Vitaminmangelkrankheiten: Vitamin-B12-Mangel, Folsäuremangel, Vitamin-B1-Mangel, Vitamin-B6-Mangel.
- Metabolische Enzephalopathien: Chronische Leber- und Nierenerkrankungen.
- Intoxikationen: Industriegifte, Medikamente, Alkoholabhängigkeit.
- Elektrolytstörungen: Hyponatriämie, Hypernatriämie.
- Hämatologisch bedingte Störungen: Polyzythämie, Hyperlipidämie, multiples Myelom, Anämie.
- Chronische Infektionskrankheiten: Bakterielle und virale Infektionen.
- Weitere Ursachen: Raumfordernde Prozesse wie Tumore, Hämatome oder Hydrozephalus.
Risikofaktoren
Der wichtigste Risikofaktor für Demenz ist ein hohes Lebensalter. Frauen sind aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung häufiger betroffen. Alle Demenzformen gehen mit einem Verlust bzw. Abbau von Nervenzellen und neuronalen Verbindungen einher und sind mit einem Untergang von Hirngewebe assoziiert.
Pathogenese der Alzheimer-Demenz
Bei der Alzheimer-Krankheit blockieren Beta-Amyloid- und Tauproteine den neuronalen Informationsaustausch und führen zum Absterben der Nervenzellen. Beta-Amyloid-Proteine sammeln sich als Plaques zwischen den Nervenzellen an, während Tau-Proteine sich in Form von neurofibrillären Tangles innerhalb der Nervenfasern anlagern. Diese Prozesse stören die neuronale Kommunikation und führen zu einem Verlust der Nervenzellen und einer Abnahme der Hirnsubstanz.
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Pathogenese der Lewy-Körper-Demenz
Bei der Lewy-Körper-Demenz bilden sich Lewy-Körperchen, die hauptsächlich aus dem Eiweiß alpha-Synuclein bestehen. Diese lagern sich im neuronalen Zytoplasma an, stören die interneuronale Signalweitergabe und führen zu zerebralen Ausfallerscheinungen.
Pathogenese der Frontotemporalen Demenz
Bei der Frontotemporalen Demenz kommt es zu einer neuronalen Dysfunktion und dem Verlust von neuronalen Verbindungen im Frontal- und Temporalbereich. Der Gewebsuntergang geht auf eine intrazytoplasmatische Protein-Akkumulation in Neuronen und Gliazellen zurück.
Diagnostik gemäß ICD-10
Die Diagnose von Demenz gemäß ICD-10 umfasst verschiedene Kriterien und Klassifikationen. Ein vom National Institute on Aging (NIA) und der Alzheimer's Association (AA) zusammengestelltes Komitee will zukünftig Biomarker für die Diagnose der Alzheimer-Krankheit als entscheidende Kriterien verwenden.
ICD-10-GM Codes für Demenz bei Alzheimer-Krankheit:
- F00.0: Demenz bei Alzheimer-Krankheit, mit frühem Beginn (Typ 2)
- F00.1: Demenz bei Alzheimer-Krankheit, mit spätem Beginn (Typ 1)
- F00.2: Demenz bei Alzheimer-Krankheit, atypische oder gemischte Form
- F00.9: Demenz bei Alzheimer-Krankheit, nicht näher bezeichnet
ICD-10-GM Codes für Vaskuläre Demenz:
- F01.0: Vaskuläre Demenz mit akutem Beginn
- F01.1: Multiinfarkt-Demenz
- F01.2: Subkortikale vaskuläre Demenz
- F01.3: Gemischte kortikale und subkortikale vaskuläre Demenz
- F01.8: Sonstige vaskuläre Demenz
- F01.9: Vaskuläre Demenz, nicht näher bezeichnet
Allgemeine Kriterien gemäß ICD-10 (F00-F03):
- Störung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen.
- Das Bewusstsein ist nicht getrübt.
- Die kognitiven Beeinträchtigungen werden gewöhnlich von Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation begleitet.
Differenzialdiagnostik
Es ist wichtig, Demenz von anderen Zuständen mit ähnlichen Symptomen zu unterscheiden, wie z.B.:
- Amnestisches Syndrom (F04): Deutliche Beeinträchtigungen des Kurz- und Langzeitgedächtnisses bei erhaltenem Immediatgedächtnis.
- Delir (F05.-): Ätiologisch unspezifisches hirnorganisches Syndrom mit Störungen des Bewusstseins und mindestens zwei weiteren Störungen (Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Denken, Gedächtnis, Psychomotorik, Emotionalität, Schlaf-Wach-Rhythmus).
- Organische Halluzinose (F06.0): Ständige oder immer wieder auftretende Halluzinationen bei klarer Bewusstseinslage.
- Katatone Störung (F06.1): Verminderte oder gesteigerte psychomotorische Aktivität in Verbindung mit katatonen Symptomen.
- Organische Wahnhafte (Schizophrenieähnliche) Störung (F06.2): Anhaltende oder immer wieder auftretende Wahnideen.
- Organische Affektive Störung (F06.3): Veränderungen der Stimmung oder des Affektes.
- Organische Persönlichkeits- und Verhaltensstörung (F07.-): Auffällige Veränderung des gewohnten prämorbiden Verhaltensmusters.
Diagnosesicherheit
In der ambulanten Versorgung wird der ICD-Code auf medizinischen Dokumenten immer durch die Zusatzkennzeichen für die Diagnosesicherheit ergänzt:
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- A (Ausgeschlossene Diagnose)
- G (Gesicherte Diagnose)
- V (Verdachtsdiagnose)
- Z (Zustand nach der betreffenden Diagnose)
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