Diabetes mellitus ist eine weit verbreitete Krankheit mit erheblichen Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit in Deutschland und weltweit. Schätzungsweise 9,2 % der Erwachsenen im Alter von 18 bis 79 Jahren haben einen diagnostizierten oder unerkannten Diabetes. Jährlich gibt es etwa 500.000 Neuerkrankungen. Hochrechnungen deuten darauf hin, dass die Zahl der Diabetiker in Deutschland aufgrund des demografischen Wandels weiter steigen wird, was die individuelle und gesellschaftliche Krankheitslast erhöht. Begleit- und Folgeerkrankungen des Diabetes tragen erheblich zu dieser Belastung bei. Erwachsene mit Diabetes haben ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Langfristig erhöhte Blutzuckerspiegel können zu diabetesbedingten Komplikationen führen, da kleine Blutgefäße und das Nervensystem geschädigt werden. Zu diesen mikrovaskulären Komplikationen gehören die diabetische Nierenerkrankung (Nephropathie) mit einem erhöhten Risiko für Nierenversagen und Dialysepflicht, die diabetische Retinopathie mit Sehverschlechterung bis hin zur Erblindung sowie die diabetische Polyneuropathie und das diabetische Fußsyndrom (DFS) mit einem erhöhten Risiko für Amputationen. Das Vorhandensein von Komplikationen, insbesondere einer diabetischen Nierenerkrankung, ist mit einer erhöhten Mortalität verbunden. Ziel der Diabetestherapie ist es, Komplikationen zu vermeiden und das Sterberisiko zu senken. Schätzungen zur Häufigkeit von diabetesbedingten Folgeerkrankungen sind daher wichtige Kennzahlen zur Beurteilung der Versorgungsqualität von Menschen mit Diabetes.
Grundlagen des Diabetischen Fußsyndroms (DFS)
Das Diabetische Fußsyndrom (DFS) ist eine schwerwiegende Komplikation des Diabetes mellitus. Es ist gekennzeichnet durch Ulzerationen (Geschwürbildung), schlecht heilende Wunden und eine Kombination aus Neuropathie (Nervenschädigung), Ischämie (Durchblutungsstörung) und Infektionen. Da das DFS eine Folge von Nervenschädigungen (Neuropathie) und Durchblutungsstörungen (Ischämie) ist, sind die Funktionen der Nerven und Blutgefäße entscheidend.
Neuropathie und ihre Auswirkungen
Bei Neuropathie sind die sensorischen, motorischen und autonomen Nerven betroffen. Dies führt zu einem Verlust des Schmerzempfindens, Muskelschwäche und Hautveränderungen.
Ischämie und periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)
Jeder zweite Patient mit einem diabetischen Fußsyndrom (DFS) leidet an einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK). Diese ist eine fortschreitende Verengung bzw. ein Verschluss der Arterien, die die Beine und Füße versorgen.
Risikofaktoren und unbemerkte Entwicklung
Häufig bleibt die Entwicklung des diabetischen Fußsyndroms unbemerkt, bis Ulzerationen auftreten. Die Prognose ist stark abhängig von der Früherkennung und einer aggressiven Behandlung. Diabetische Fußulzera neigen zu rezidivierendem (wiederkehrendem) Verlauf. Es wird geschätzt, dass etwa 70 % aller Amputationen der unteren Extremitäten auf Diabetespatienten entfallen.
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Ursachen und Entstehung des DFS
Die Zucker-Krankheit, auch Diabetes mellitus genannt, führt zu einem erhöhten Zuckergehalt im Blut. Normalerweise nimmt der Körper Zucker aus der Nahrung oder aus süßen Getränken über den Darm auf, wodurch der Zuckergehalt im Blut ansteigt. Die Bauchspeicheldrüse produziert Insulin, einen Botenstoff, der dafür sorgt, dass der Zucker aus dem Blut in die Zellen aufgenommen wird. Bei Diabetes mellitus Typ 2 wirkt Insulin nicht mehr richtig, was verschiedene Ursachen haben kann, wie z.B. zu wenig Bewegung, Übergewicht sowie eine fett- und zuckerreiche Ernährung. Auch erbliche Faktoren spielen eine Rolle.
Wenn Insulin nicht richtig wirkt, kann der Zuckergehalt im Blut zu hoch sein. Die Bauchspeicheldrüse produziert dann immer mehr Insulin, was sie überlastet. Nach vielen Jahren kann die Bauchspeicheldrüse möglicherweise nicht mehr ausreichend Insulin bilden. Wenn man zu wenig Insulin im Blut hat, kann der Zuckergehalt im Blut dauerhaft zu hoch sein.
Schädigung von Blutgefäßen und Nerven
Wenn die Zucker-Krankheit über längere Zeit besteht, kann das die Blutgefäße und Nerven an verschiedenen Stellen im Körper schädigen. Geschädigte Blutgefäße können zu Durchblutungsstörungen führen. Ein hoher Zuckergehalt im Blut kann außerdem die Nieren und die Augen schädigen. Geschädigte Nerven können Gefühlsstörungen oder Schmerzen verursachen. Es kann auch sein, dass man in bestimmten Bereichen des Körpers weniger Kraft hat.
Auswirkungen auf die Füße
Die Zucker-Krankheit kann Beschwerden an den Füßen verursachen. Durch den hohen Zuckergehalt können Blutgefäße im Fuß geschädigt werden. Dadurch werden womöglich zunächst oberflächliche Bereiche am Fuß nicht mehr richtig durchblutet und es bilden sich Wunden. Zudem werden die kleinen Nerven im Fuß bei der Zucker-Krankheit geschädigt. Dadurch spürt man kleinere Wunden oder Druckstellen am Fuß nicht mehr richtig. Durch die Zucker-Krankheit heilen Wunden außerdem schlechter ab als gewöhnlich. Die Wunden können dann tiefer werden und auch Muskeln, Knochen oder Gelenke betreffen.
ICD-10-Codes und Diagnosegruppen
Die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) wird zur Klassifizierung und Kodierung von Diagnosen verwendet. Im Zusammenhang mit dem diabetischen Fußsyndrom und der diabetischen Polyneuropathie sind folgende ICD-10-Codes relevant:
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Diabetisches Fußsyndrom
- E10.74 + E10.75: Diabetes mellitus Typ 1 mit diabetischem Fußsyndrom
- E11.74 + E11.75: Diabetes mellitus Typ 2 mit diabetischem Fußsyndrom
- E12.74 + E12.75: Diabetes mellitus in Verbindung mit Fehl- oder Mangelernährung mit diabetischem Fußsyndrom
- E13.74 + E13.75: Sonstiger näher bezeichneter Diabetes mellitus mit diabetischem Fußsyndrom
- E14.74 + E14.75: Nicht näher bezeichneter Diabetes mellitus mit diabetischem Fußsyndrom
Diabetische Polyneuropathie
- G63.2: Diabetische Polyneuropathie
Weitere relevante ICD-10-Codes
- G60.0 - G60.3: Hereditäre und idiopathische Neuropathie
- G60.8 + G60.9: Sonstige hereditäre und idiopathische Neuropathie
- G61.0 + G61.1: Entzündliche Polyneuropathie
- G61.8 + G61.9: Sonstige entzündliche Polyneuropathie
- G62.0 - G62.2: Polyneuropathie durch toxische Substanzen
- G62.8 + G62.88 + G62.9: Sonstige näher bezeichnete Polyneuropathie
- G63.0 - G63.6 (ohne G63.2), G63.8: Polyneuropathie bei endokrinen und Stoffwechselkrankheiten
Fußsyndrom bei Querschnittsyndrom
- G82.00 - G82.03 + G82.09: Tetraplegie
- G82.10 - G82.13 + G83.19: Paraplegie
- G82.20 - G82.23 + G83.29: Sonstige inkomplette Tetraplegie
- G82.30 - G82.33 + G83.39: Sonstige inkomplette Paraplegie
- G82.40 - G82.43 + G83.49: Schlaffe Tetraplegie
- G82.50 - G82.53 + G83.59: Schlaffe Paraplegie
- G82.60 - G82.67 + G83.69: Sonstige Tetraplegie und Paraplegie
Podologische Behandlung
Um als Podologin therapeutisch tätig zu werden, bedarf es einer Anweisung durch eine Ärztin. Verordnungsfähig bei gesetzlich Versicherten ist die podologische Therapie aufgrund eines eingewachsenen Nagels im Stadium 1-3 sowie die podologische Behandlung bei dem Diabetischen Fußsyndroms oder Krankheiten mit Folgen ähnlich des Diabetischen Fußsyndroms. Dies muss aus dem ICD-10-Code der behandlungsrelevanten Diagnosen oder dem Freitext hervorgehen und zur Diagnosegruppe passen.
Eine podologische Behandlung kommt dann in Betracht, wenn ohne diese Behandlung unumkehrbare Folgeschädigungen der Füße zu erwarten sind, wie sie durch Entzündungen und Wundheilungsstörungen entstehen können.
Nagelspangenbehandlung
Die Nagelspangenbehandlung ist seit 2022 eine Kassenleistung. Sie darf bei eingewachsenen Nägeln im Stadium 1-3 angewendet werden. Die Diagnosegruppen sind UI 1 oder UI 2.
- UI 1: Der Nagel beginnt seitlich in das Gewebe einzudringen und erste Entzündungszeichen treten auf (Schmerzen, leichte Schwellung, Rötung).
- UI 2: Es bildet sich Granulationsgewebe am Rand des eingewachsenen Nagels, welches sich entzündet, nässt und/ oder eitert.
Der ICD-10-Code ist L60.0. Es können je Stadium UI 1 - 8 Behandlungseinheiten und UI 2 - 4 Behandlungseinheiten verschrieben werden. Jeder Ersttermin für die Behandlung von eingewachsenen Nägeln umfasst zwei Behandlungseinheiten (Erstbefundung und die Korrektur des Nagels mit Anpassung einer Nagelspange).
Prävalenz mikrovaskulärer Komplikationen bei Diabetes
Eine Analyse von Daten von 65 Millionen GKV-Versicherten in Deutschland aus den Jahren 2012 und 2013 ergab folgende Prävalenzen mikrovaskulärer Komplikationen bei Personen mit dokumentiertem Diabetes:
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- Die chronische Niereninsuffizienz stellt die am häufigsten dokumentierte Komplikation dar, gefolgt von diabetischer Polyneuropathie, diabetischer Nephropathie, diabetischer Retinopathie, DFS und Dialysebehandlung.
- Für alle Komplikationen zeigt sich bei Männern eine höhere Prävalenz als bei Frauen.
- Mit Ausnahme der Dialysebehandlung zeigen sich für alle Komplikationen im Berichtsjahr 2013 leicht höhere Prävalenzschätzungen als im Berichtsjahr 2012.
Altersabhängigkeit der Prävalenz
- Die diabetische Retinopathie und diabetische Nephropathie zeigen jeweils einen zweigipfligen Verlauf mit einem Maximum in den Altersgruppen 30-34 Jahre und 75-79 bzw. 80-84 Jahre.
- Bei der diabetischen Retinopathie sinkt die geschätzte Prävalenz jenseits des 80. Lebensjahres stark ab. Ein Absinken der Prävalenz der diabetischen Nephropathie ist ab einem Alter von 85 Jahren zu beobachten.
- Für die chronische Niereninsuffizienz bei Personen mit Diabetes ergibt sich für die Altersgruppen unter 50 Jahren ein zur Nephropathie vergleichbares Bild. Jenseits des 50. Lebensjahres steigen Prävalenzschätzungen der Niereninsuffizienz mit zunehmendem Alter deutlich steiler an als bei der diabetischen Nephropathie.
- Die Dialysebehandlung zeigt bis zum 60. Lebensjahr eine relativ konstante Prävalenz und steigt anschließend bis zur Altersgruppe 80-84 Jahre an.
- Die geschätzte Prävalenz von Polyneuropathie und DFS steigt annähernd linear mit zunehmendem Lebensalter an. Jenseits des 80. Lebensjahres ist für die Polyneuropathie ein Rückgang der geschätzten Prävalenz zu beobachten.
- Unter Personen mit dokumentiertem Diabetes sind Männer in allen Altersgruppen deutlich häufiger von Komplikationen betroffen als Frauen.
Vergleich mit anderen Studien
Die Prävalenz der diabetischen Retinopathie ist in der vorliegenden Analyse niedriger als in anderen Studien. Die Prävalenz der diabetischen Nephropathie und der Niereninsuffizienz ist in den Altersgruppen unter 50 Jahren beinahe deckungsgleich. Darüber steigt die Prävalenz der Niereninsuffizienz deutlich stärker an. Die Prävalenzschätzungen für Polyneuropathie und DFS variieren zwischen 14-28 % bzw. 3-11 %.
Bedeutung der Früherkennung und Behandlung
Die Früherkennung und konsequente Behandlung des diabetischen Fußsyndroms sind entscheidend, um schwerwiegende Folgen wie Amputationen zu vermeiden. Eine gute Blutzuckereinstellung, regelmäßige Fußpflege und die rechtzeitige Behandlung von Wunden sind wichtige Maßnahmen. Die podologische Therapie spielt eine wichtige Rolle bei der Prävention und Behandlung des DFS.
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