Es gibt kaum etwas Schlimmeres für Frauen, als wenn ihr Mann ständig von ihnen genervt ist. Wenn der Partner nur noch genervt reagiert oder die kalte Schulter zeigt, kann dies die Beziehung bedrohen und tiefgreifende Ängste auslösen. Doch was kann man tun, wenn man das Gefühl hat, den Partner nur noch zu nerven? Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen für dieses Problem und bietet praktische Lösungsansätze, um die Beziehung wieder in ein harmonischeres Gleichgewicht zu bringen.
Die Ursachenforschung: Warum ist er genervt?
Es ist wichtig zu verstehen, dass das genervte Verhalten des Partners verschiedene Ursachen haben kann. Oftmals hat es gar nichts mit einem selbst zu tun. Möglicherweise ist er unzufrieden mit seiner Gesamtsituation und projiziert seine negativen Emotionen auf den Partner. Oder er fühlt sich in der Beziehung sicher und lädt deshalb seine negativen Emotionen dort ab. Manchmal ist es aber auch das eigene Verhalten, das schleichend zu einer negativen Dynamik geführt hat.
Flooding: Wenn Stress die Kommunikation blockiert
Ein wichtiger Aspekt, der oft eine Rolle spielt, ist das sogenannte „Flooding“. Der Psychologe John Gottman hat herausgefunden, dass es bei Beziehungsproblemen oft zu diesem Phänomen kommt. Flooding ist eine Stressreaktion, bei der der Puls in die Höhe schießt, Blut in die Muskulatur gepumpt wird und man angespannt ist. In diesem Zustand ist es schwierig, klar zu denken und zu kommunizieren. Männer sind anfälliger für Flooding als Frauen und brauchen länger, um sich davon zu erholen. Bei Frauen wird Flooding besonders durch Geringschätzung ausgelöst. Wenn der Mann also genervt ist und dies durch Geringschätzung zeigt, löst das bei der Frau Stress aus und erschwert die Kommunikation zusätzlich.
Die rosarote Brille ist abgefallen
Am Anfang einer Beziehung sehen wir über viele Schwächen des Partners hinweg. Doch wenn die rosarote Brille abfällt und der Alltag einkehrt, können uns Dinge, die uns früher nicht gestört haben, plötzlich wahnsinnig machen. Schlampige Angewohnheiten, merkwürdige Ansichten oder nervige Kommunikationsmuster werden immer schwerer zu ertragen. Diese Entwicklung ist normal, kann aber zu einem Teufelskreis führen, wenn man nicht gegensteuert.
Eigene Ansprüche und Erwartungen
Hinter dem Gefühl, vom Partner genervt zu sein, können auch eigene Ansprüche und Erwartungen an eine feste Beziehung stecken. Diese stammen oft aus der eigenen Biografie und können mit der Angst vor Ablehnung einhergehen. Es ist wichtig, sich dieser inneren Konflikte bewusst zu werden und sie zu hinterfragen.
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Destruktive Kommunikationsmuster
Oftmals schleichen sich in Beziehungen destruktive Kommunikationsmuster ein. Die Partnerin nörgelt am Partner, weil er sich am Wochenende in Fußballsendungen vergräbt und wenig Zeit für sie hat. Der Partner zieht sich zurück, weil er sich ständig kritisiert fühlt. Solche Teufelskreise können dazu führen, dass beide Partner sich gegenseitig nur noch nerven.
Veränderungen im Leben
Das Nerven kann auch zu einem bestimmten Zeitpunkt losgehen, der mit einem Wechsel an anderer Stelle zusammenfällt. Da wurde überlegt, aus der Wohnung in ein Haus zu ziehen, da wurde der Beruf gewechselt, die Familienplanung stand an oder das Kind war aus dem Haus. Es gibt in jeder Beziehung die guten und die schlechten Tage. Manchmal hat man die rosarote Brille auf. Manchmal ist sie aber einfach nicht rosa genug.
Vernachlässigung der Partnerschaft
Im stressigen Alltag kann es passieren, dass die Partnerschaft zu kurz kommt. Traditionelle Rollenmuster sind dabei sich aufzulösen, sowohl Frauen als auch Männer sollen eine Vielzahl von Aufgaben und Ansprüchen erfüllen. Für den Partner ist am Ende des Tages kaum noch Energie da. Vielleicht nervt er sogar.
Biologische Ursachen
Auch biologische Ursachen können eine Rolle spielen. Ähnlich wie in der Pubertät sind Frauen auch während und nach einer Schwangerschaft sowie in den Wechseljahren hormonellen Veränderungen ausgesetzt, die sich auf Stimmungen und Vorlieben auswirken können. Auch der Geruch spielt eine wichtige Rolle bei der Partnerwahl und kann sich im Laufe des Lebens verändern.
Persönliche Veränderungen
Die Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens sammeln, wirken sich auch auf die Entwicklung unseres Charakters aus. Wenn wir im privaten oder beruflichen Umfeld scheitern, kann das zu Verbitterung und Rückzug führen. Ähnlich ist es aber auch mit jemandem, dem Erfolg und möglicherweise auch Macht zu Kopfe steigen. Es ist schon aus Selbstschutz verständlich, dass Sie hier mit Abneigung reagieren. Typischerweise tritt die Midlife Crisis im Alter zwischen 40 und 60 auf.
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Was tun, wenn der Mann nur noch genervt ist? Praktische Lösungsansätze
Wenn der Mann nur noch genervt ist, ist es wichtig, aktiv zu werden und die Situation nicht einfach hinzunehmen. Hier sind einige praktische Lösungsansätze, die helfen können, die Beziehung wieder zu verbessern:
Umgang mit Flooding: Wenn der Mann geringschätzend behandelt, löst das Flooding aus. In diesem Fall sollte man auf Abstand gehen, um sich zu beruhigen und die Situation nicht weiter zu eskalieren. Man kann ihm in zwei Sätzen sagen, wie er sich verhält und warum man das nicht okay findet, und dann gehen. So kommuniziert man ihm, dass er eine Grenze überschritten hat. Meckern hilft nicht.
Eigene Ängste in Schach halten: Wenn der Mann nur noch genervt ist, weckt das Ängste. Man sollte solchen Gedanken so wenig Raum wie möglich einräumen. Sie verstärken die Angst und damit auch weiteres Flooding. Man sollte sich auf beruhigende Gedanken konzentrieren.
Paartherapie in Betracht ziehen: Wenn man sich in einer Streitspirale befindet, sollte man eine Paartherapie in Betracht ziehen. Man sollte nicht warten, bis es zu spät ist.
Die Perspektive des Partners einnehmen: Es ist sehr gut möglich, dass der Mann selbst noch gar nicht weiß, warum er ständig genervt ist. Es ist sogar gut möglich, dass seine Laune tatsächlich gar nichts mit einem selbst zu tun hat. Man sollte sich fragen, ob es im Leben des Mannes gerade irgendeine Krise gibt.
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Das eigene Verhalten reflektieren: Man sollte sich fragen, wie viel Spaß es macht, mit einem zusammenzuleben. Wie oft lacht man mit dem Partner? Wie oft beschwert man sich oder nörgelt? Sind es im Verhältnis deutlich mehr negative Interaktionen als positive? Manchmal merken wir gar nicht, wie sich unser eigenes Verhalten schleichend verändert.
Verantwortung übernehmen: Man sollte sich klarmachen, dass es in jeder Situation zwei Perspektiven gibt. Wenn wir nur unsere eigene Seite sehen und nicht wirklich versuchen, den anderen zu verstehen, fühlt er sich auch unverstanden und mit der Zeit immer weniger geliebt. Und das sorgt dafür, dass er sich einem gegenüber anders verhält.
Sich selbst verbessern: Anstatt zu versuchen, den Partner zu verbessern, sollte man sich darauf konzentrieren, sich selbst zu verbessern. Auf die Dinge, die man tut. Darauf, wie man auf das reagiert, was einen so nervt, was einen “antriggert”. Darauf, wie man mit dem Partner umgeht.
Kommunikation verbessern: In der Kommunikation gibt es einen sehr großen Unterschied zwischen einer Beschwerde und Kritik. Bei einer Beschwerde redet man über einen konkreten Anlass. Bei der Kritik greift man gleichzeitig den Charakter des Partners an.
Gemeinsam als Team agieren: Eine Beziehung funktioniert nur gemeinsam. Man kann in einer Beziehung nicht gewinnen, wenn der Partner verliert. Egal, ob es ein Streit ist oder man anderweitig seine Meinung durchsetzt. Wenn einer von euch verliert, verliert ihr beide…weil eure Beziehung verliert.
Positive Rituale schaffen: Man kann die nervigen Rituale mit positiven Ritualen abwägen und somit zu neutralisieren. Denn wenn beide Partner an der Beziehung festhalten wollen, setzen sich immer die positiven durch.
Offene Kommunikation: Regelmäßig zahlt sich in solchen Fällen eine METAKOMMUNIKATION zwischen den beiden Lebenspartnern aus. METAKOMMUNIKATION heißt im Klartext: KOMMUNIKATION über (gestörte) Abläufe des Miteinanders. Beide Liebespartner reden - auf Augenhöhe - offen über BEWEGGRÜNDE ihres Verhaltens, welche diesen Teufelskreis stabil aufrechterhalten.
Auszeit nehmen: Darüber hinaus ist die Gestaltung einer gemeinsamen Urlaubs- oder Wochenend-AUSZEIT hilfreich. Auf diese Weise können beide Partner aus den alten „toxischen“ GEWOHNHEITEN ausbrechen und sich EMOTIONAL näherkommen.
Sich selbst stabilisieren: Was könnte helfen, Sie zu stabilisieren? Ist es eine Trennung? Ähnlich wie in der Pubertät sind Frauen auch während und nach einer Schwangerschaft sowie in den Wechseljahren hormonellen Veränderungen ausgesetzt, die sich auf Stimmungen und Vorlieben auswirken können.
Gesunde Gewohnheiten pflegen: Sprechen Sie miteinander. Vielleicht finden Sie sogar eine sportliche Aktivität, die Ihnen gemeinsam Spaß macht und Ihrer Beziehung eine neue Richtung gibt.
Professionelle Hilfe suchen: Bei den psychologischen Faktoren bieten sich eine Paartherapie, Paarberatung oder Einzelberatung an.
Was tun, wenn nichts mehr hilft?
Manchmal ist es trotz aller Bemühungen nicht möglich, die Beziehung zu retten. Wenn die Abneigung zu groß geworden ist, die Kommunikation nicht mehr funktioniert und keine Bereitschaft zur Veränderung besteht, kann eine Trennung die beste Lösung sein. Es ist wichtig, sich selbst treu zu bleiben und nicht in einer unglücklichen Beziehung zu verharren.
Fallbeispiel: Miriam und ihr gestresster Mann
Miriam lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in einer liebevollen Familie. Doch im Alltag ist ihr Mann extrem schnell gestresst und fängt viel Streit an. Er stammt aus einer Familie mit bereits älteren, sehr ängstlichen Eltern, die ihn sehr verwöhnt haben. Das große Problem in ihrer Familie ist leider, dass mein Mann aus meiner Sicht in vielen Bereichen sehr unentspannt, genervt und schnell gestresst ist. Der Haushalt und die Care-Arbeit bleiben zu mindestens 80 Prozent an ihr hängen. In seiner Freizeit unternimmt er sehr viel alleine und zieht sich auch am Wochenende häufig zurück. Diese Freiheiten gewährt sie ihm, weil sie weiß, dass er ein Mensch ist, der viel Zeit und Ausgleich für sich braucht. In der Regel wird sie dann ohne wissentliches Zutun zur Zielscheibe seines Ärgers, weil sie versucht, ihn zu beruhigen oder eine Lösung zu finden, bisweilen auch genervt oder angespannt reagiert oder er verschwindet grollend in ein anderes Zimmer. Besonders Familienfeste und ähnliches sind mit ihm immer wieder ein Stressfaktor, denn es gab in den letzten Jahren kaum einmal eine Feierlichkeit, in der er nicht unangenehm aufgefallen ist bzw. in unserer eigenen kleinen Familie Streit angefangen hat oder ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr mitgefeiert hat. Möchte sie mit ihm über die Ereignisse sprechen, zieht er die Situation entweder (wenn ihm seine Überreaktion bewusst ist) etwas ins Lächerliche, oder sagt, wir würden eben einfach nicht zusammen passen bzw. ich hätte mich sehr verändert und eine Trennung wäre die beste Lösung. Schnell endet die Situation dann in gegenseitigen Vorwürfen. Da er für eine Familienberatung aber bisher nicht zu gewinnen war, weiß sie im Moment auch keine befriedigende Lösung.
Lösungsansätze für Miriam
Dr. Julia Peirano rät Miriam, sich zunächst auf die geringe Stresstoleranz ihres Mannes zu konzentrieren. Mittlerweile gibt viele psychotherapeutische Werkzeuge, die Menschen mit Neurotizismus und niedriger Stresstoleranz helfen können, gelassenerer zu sein. Dazu gehören: Prioritäten setzen und lernen, unwichtige Dinge auszublenden, Förderung von Konzentration (so dass man z.B. ganz präsent ist, wenn man zwei Kinder betreut und sich ganz auf die Situation einstellt. Das reduziert den Stress enorm). Man kann Achtsamkeit trainieren. Sehr wirkungsvoll sind MBSR- (Mindfulness Based Stress Reduction) Kurse, über die ich an dieser Stelle schon häufiger geschrieben habe und die erwiesenermaßen helfen, gelassener zu werden. Aber auch das bewusste Abschalten und Auftanken durch positive Aktivitäten (z.B. Malen, ein Instrument spielen, spazieren gehen) oder das Abreagieren von Aggressionen durch Sport (z.B. Radfahren, Schwimmen, Tennis) sowie das Umdeuten von Situationen (man nennt das in der Verhaltenstherapie kognitive Therapie) gehören dazu und sind sehr wirkungsvoll. Es ist ein großes Problem, dass Ihr Mann all diese wirkungsvollen Werkzeuge nicht lernen möchte und sich auch nicht darum bemüht, für Sie und die Kinder belastbarer zu werden. Ich vermute, dass es auch damit zu tun hat, dass er durch seinen Neurotizismus viele Vorteile hat (man nennt das Krankheitsgewinn). Wenn Sie 80 Prozent des Haushalts übernehmen und er dafür das Wochenende alleine ohne Kindergeschrei verbringen kann, ist das ein deutlicher Vorteil für ihn. Und dadurch hat er weniger Interesse, etwas an seinem Problem zu verändern. Ihrem Mann fehlt anscheinend der gesunde Blick von außen. Was würden eine emotional intelligente Frau und ein emotional intelligenter Mann, die sich von außen meine Situation anschauen, darüber sagen? Ihr Partner ist nicht bereit, das zu sehen und Ihnen entgegen zu kommen. Statt dessen entwertet er Ihre Gefühle, indem er die Situation ins Lächerliche zieht, und er droht mit Trennung. Sie beißen bei ihm auf Granit, und er macht sie mit seinem Mauern, Verleugnen und Drohen hilflos und ohnmächtig. Wie wäre es, wenn Sie selbst sich therapeutische Unterstützung holen und klären, ob Sie diese Beziehung weiterführen möchten? Sie schreiben, dass er liebevoll und wunderbar ist. Aus Ihren Schilderungen ist das nicht zu erkennen, aber es wäre bestimmt hilfreich, die positiven Seiten gegen die negativen Seiten abzuwägen.