In der neurologischen Praxis werden neben den von den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) übernommenen Standardleistungen auch individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) angeboten. Diese Leistungen sind oft präventiver, diagnostischer oder ästhetischer Natur und dienen der Optimierung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Patienten. Da die GKV die Kosten für IGeL in der Regel nicht übernimmt, müssen Patienten diese selbst tragen. Im Folgenden werden verschiedene IGeL-Leistungen im Bereich der Neurologie detailliert beschrieben.
Diagnostische Verfahren
Elektrophysiologie
Die Elektrophysiologie spielt eine zentrale Rolle bei der Diagnostik von Nervenschäden, epileptischen Anfällen und Gehirnerkrankungen. Sie umfasst verschiedene Messmethoden, die die elektrische Aktivität des Nervensystems erfassen.
Elektroenzephalografie (EEG)
Das EEG misst die elektrische Aktivität des Gehirns. Elektroden werden auf der Kopfhaut angebracht, um die hirneigene elektrische Aktivität aufzunehmen. Das EEG hilft festzustellen, ob die Aktivität normal oder verlangsamt ist und ob regionale Störungen oder epilepsietypische Potentiale vorliegen.
Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG)
Die NLG misst, wie schnell Nervenimpulse weitergeleitet werden. Dies ist besonders wichtig bei der Diagnose von peripheren Neuropathien und anderen Nervenerkrankungen.
Evozierte Potentiale
Evozierte Potentiale messen die Funktion bestimmter Nervenleitungsbahnen. Es gibt verschiedene Arten von evozierten Potentialen:
Lesen Sie auch: Hinterbeinlähmung bei Igeln – Ursachenforschung
- Visuell Evozierte Potentiale (VEP): Hierbei werden optische Reize (z.B. wechselndes Schachbrettmuster oder Lichtblitze) präsentiert, und die Zeitdauer bis zur entsprechenden Hirnstromaktivität gemessen. VEPs werden zur Diagnose von Sehnervenerkrankungen eingesetzt.
- Akustisch Evozierte Potentiale (AEP): AEPs untersuchen die Reaktion des Nervensystems auf akustische Reize (z.B. Töne oder Klickgeräusche).
- Sensibel Evozierte Potentiale (SEP): SEPs messen die Leitfähigkeit der Gefühlsbahn, also der Nerven, die für Berührungs- und Druckempfinden zuständig sind.
Tremoranalyse
Die Tremoranalyse ist ein wichtiger Bestandteil der Diagnose und Behandlung von Patienten mit Morbus Parkinson. Der Tremor, ein charakteristisches Symptom dieser Erkrankung, wird analysiert, um die Behandlung besser zu steuern und den Verlauf der Krankheit zu kontrollieren.
Elektromyografie (EMG)
Die Elektromyografie (EMG) misst die elektrische Aktivität der Muskeln. Sie wird eingesetzt, um Muskel- und Nervenerkrankungen wie periphere Neuropathien, Muskeldystrophien und Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) zu identifizieren.
Dopplersonographie und Duplexsonographie
Die Dopplersonographie misst den Blutfluss in den Gefäßen. Durch die Analyse der Geschwindigkeit und Richtung des Blutflusses können Verengungen (Stenosen) oder Verschlüsse erkannt werden. Die Duplexsonographie kombiniert die Doppler-Sonographie mit der Darstellung der Gefäßstrukturen, um Veränderungen wie Plaques oder Aneurysmen zu erkennen. Dies ist besonders wichtig bei der Schlaganfall-Vorsorge.
Schlafapnoe-Diagnostik (Polygraphie)
Bei Verdacht auf Schlafapnoe, einer schlafbezogenen Atmungsstörung, wird eine Polygraphie durchgeführt. Dabei werden während des Schlafs verschiedene Parameter wie Atemfrequenz, Sauerstoffgehalt im Blut, Atembewegungen und Herzfrequenz gemessen. Die Untersuchung erfolgt in der Regel zu Hause mit einem tragbaren Gerät.
Liquorpunktion (Lumbalpunktion)
Bei der Liquorpunktion wird eine kleine Menge der Liquorflüssigkeit, die Gehirn und Rückenmark umgibt, entnommen. Dies dient dazu, Infektionen oder andere neurologische Krankheitsbilder auszuschließen. Obwohl es sich um eine invasive Untersuchung handelt, ist sie in der Regel gut verträglich und mit geringen Risiken verbunden.
Lesen Sie auch: So steigern Sie Ihre Gehirnleistung
Ultraschalluntersuchung von Nerven
Die Ultraschalluntersuchung von Nerven ermöglicht eine genauere Bestimmung von Schädigungsorten bei Nervenschädigungen, z.B. bei Plexusläsionen oder Kompressionssyndromen wie dem Karpaltunnelsyndrom.
Hirnleistungsdiagnostik
Zur Abgrenzung von normaler Altersvergesslichkeit von dementiellen Erkrankungen wird die Hirnleistungsdiagnostik eingesetzt. Ein Beispiel hierfür ist der "Cerad plus" Test, der von einer Psychologin durchgeführt wird.
Schlaganfall-Risiko-Profil („Stroke-Check“)
Ein Schlaganfall-Risiko-Profil umfasst verschiedene Untersuchungen zur Abschätzung des individuellen Schlaganfallrisikos. Dazu gehören Ultraschalluntersuchungen der hirnversorgenden Gefäße und die Beratung zur Risikominimierung.
Langzeit-EKG
Das Langzeit-EKG erfasst Herzrhythmusstörungen über einen längeren Zeitraum (24-72 Stunden) und ist besonders nützlich bei unregelmäßigen Symptomen wie Herzrasen oder Schwindel.
Nervensonographie
Die Nervensonographie ist eine hochauflösende Ultraschalluntersuchung zur Beurteilung von peripheren Nerven. Sie ermöglicht die Diagnose von Nervenengpasssyndromen und Nervenverletzungen.
Lesen Sie auch: Demenz Leistungen der AOK: Überblick
Therapeutische Verfahren
Botulinumtoxin-Therapie
Die Botulinumtoxin-Therapie wird für verschiedene neurologische Indikationen eingesetzt. Botulinumtoxin ist ein natürlich vorkommendes Bakterieneiweiß, das in geringen Dosen gezielt in die Muskulatur oder Haut gespritzt wird, um Nervenimpulse zu blockieren.
Anwendungsbereiche:
- Dystonie und Spastik: Botulinumtoxin wird zur Behandlung von Muskelverkrampfungen bei Dystonie und Spastik eingesetzt.
- Chronische Migräne: Bei chronischer Migräne kann Botulinumtoxin helfen, die Häufigkeit und Intensität der Kopfschmerzen zu reduzieren.
- Sialorrhoe (übermäßiger Speichelfluss): Botulinumtoxin kann in die Speicheldrüsen injiziert werden, um die Speichelproduktion zu reduzieren.
- Hyperhidrose (übermäßiges Schwitzen): Botulinumtoxin wird in die Haut gespritzt, um die Schweißdrüsen zu blockieren.
- Faltenbehandlung: Botulinumtoxin wird zur Glättung von Mimikfalten im Gesicht eingesetzt, insbesondere bei Stirnfalten, Zornesfalten und Krähenfüßen.
- Spannungskopfschmerzen: Auch zur Behandlung von Spannungskopfschmerzen kann Botulinum-Toxin verwendet werden.
Akupunktur
Akupunktur ist eine regulatives Heilverfahren aus der traditionellen chinesischen Medizin. Durch Nadelstiche an bestimmten Punkten der Körperoberfläche werden Nervenendigungen angeregt, die Signale ans Zentralnervensystem senden und dort für vegetativen und emotionalen Ausgleich sorgen oder Schmerzen lindern. Akupunktur kann bei Schlafstörungen, Stress-Syndromen, internistischen, orthopädischen oder neurologischen Erkrankungen eingesetzt werden. Auch in der Raucherentwöhnung ist Akupunktur etabliert.
Neurofeedback
Neurofeedback ist eine EEG-gestützte Lernmethode, bei der bestimmte EEG-Frequenzen verstärkt werden, um Verhaltensmuster positiv zu verändern. Es wird vorrangig bei TIC- und ADHS-Störungen eingesetzt, aber auch bei Migräne, Depression, Angststörungen und Autismus.
Hochtontherapie
Die Hochtontherapie nach Dr. H.O.T. ist eine weitere Selbstzahler-Leistung, deren wissenschaftlich gesicherter Effekt gegeben sein soll.
Aufbaukuren und Injektionstherapien
Aufbaukuren und Injektionstherapien mit Vitaminen können zur Stärkung des Immunsystems und zur Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens eingesetzt werden.
Hirnschrittmachertherapie
Die Hirnschrittmachertherapie wird aktuell bei Krankheiten wie Depression, Alkoholabhängigkeit und Zwangserkrankungen überprüft.
Nachsorge und Prävention
Nachsorge nach neurologischen Erkrankungen
Die Nachsorge ist ein entscheidender Teil der Behandlung von neurologischen Erkrankungen wie Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma, Multiple Sklerose (MS) und Morbus Parkinson. Sie dient der Wiederherstellung der Gesundheit und der Verbesserung der Lebensqualität der Patienten.
- Schlaganfall: Nach einem Schlaganfall ist eine umfassende Nachsorge unerlässlich, um Komplikationen zu vermeiden und die Rehabilitation zu unterstützen. Dies beinhaltet regelmäßige Arztbesuche und die Sekundärprophylaxe, um einen weiteren Schlaganfall zu verhindern.
- Schädel-Hirn-Trauma (SHT): Nach einem SHT können verschiedene Symptome auftreten, von Kopfschmerzen und Schwindel bis hin zu Sprachstörungen und Lähmungen. Die Nachsorge umfasst die Behandlung dieser Symptome und die Unterstützung bei der Rehabilitation.
- Multiple Sklerose (MS): MS ist eine chronische Erkrankung des Zentralnervensystems, die zu bleibenden Behinderungen führen kann. Die Nachsorge umfasst die Behandlung von Schüben, die Verlangsamung des Krankheitsverlaufs und die Linderung der Symptome.
- Morbus Parkinson: Bei Parkinson kommt es zu Störungen des Bewegungsablaufes. Die Behandlung erfolgt vor allem durch Medikamente, die den Dopaminmangel im Gehirn ausgleichen. Die Nachsorge umfasst die Anpassung der Medikamente und die Unterstützung bei der Bewältigung der Symptome.
Schlaganfall-Vorsorge
Die Prävention von Krankheiten, insbesondere des Schlaganfalls, ist ein wichtiges Anliegen. Zur individuellen Risikoabschätzung eines Schlaganfalls ist eine Ultraschalluntersuchung der hirnversorgenden Gefäße sinnvoll.
Schwangerschaftsberatung bei neurologischen Risiken
Das Wissen um neurologische Risiken bei Schwangerschaft bzgl. Medikamente und Erkrankungen ist gering. Daher ist eine individuelle Beratung wichtig.
Bürokratische Leistungen
Atteste, Zusatzbefunde und Kopien
Für die Erstellung von zusätzlichen Bescheinigungen bzw. Befunden wird in der Regel eine Aufwandsentschädigung berechnet.
Kosten und Erstattung
Die Kosten für IGeL-Leistungen werden von den gesetzlichen Krankenkassen in der Regel nicht übernommen. Patienten erhalten eine Rechnung, in der sämtliche Kosten ausgewiesen sind und können das Honorar bar in der Praxis bezahlen oder überweisen. Die Erstattungsmöglichkeiten für privat Krankenversicherte (PKV) müssen über die jeweiligen PKVs ermittelt werden.
tags: #igel #leistungen #neurologie