Morbus Parkinson ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung, die nicht nur motorische Symptome wie Zittern, Steifigkeit und Bewegungsverlangsamung verursacht, sondern auch eine Vielzahl von nicht-motorischen Symptomen, die die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen können. Zu diesen nicht-motorischen Symptomen gehören neuropsychiatrische Störungen wie Depressionen, Angstzustände, Schlafstörungen und Impulskontrollstörungen (IKS).
Was sind Impulskontrollstörungen?
Impulskontrollstörungen sind Verhaltensauffälligkeiten, die durch eine verminderte Fähigkeit zur Kontrolle innerer Impulse gekennzeichnet sind. Betroffene haben Schwierigkeiten, dem Drang zu widerstehen, Handlungen auszuführen, die ihnen selbst oder anderen schaden können. Die Übergänge von als „normal“ bewerteten Handlungen zu suchthaften Verhaltensweisen sind fließend. Leben die Betroffenen ihr Verlangen unkontrolliert aus, kann das für sie und für ihre Angehörigen problematisch werden. Zu den häufigsten IKS bei Parkinson gehören:
- Pathologisches Spielen: Umfasst alle Arten von Spielsucht, sowohl in Spielbanken und Spielhallen als auch zunehmend bei Online-Spielen.
- Kaufsucht: Ein kaum stillbares Verlangen nach dem Kauf eines bestimmten Gegenstandes bis zu dessen Erwerb, wobei das Interesse an dem gekauften Gegenstand kurz nach dem Kauf meist erlischt.
- Esssucht: Ein neu auftretendes, oft impulsives Verlangen nach Essen oder bestimmten Speisen, wie z.B. Süßem, auch nächtliches Verlangen.
- Hypersexualität: Ein ungewöhnliches, gesteigertes Verlangen nach sexuellen Kontakten oder auch teilweise abnormen Verhaltensweisen wie Aggressivität, Exhibitionismus, exzessive Pornographie, Fetischismus oder Pädophilie.
- Punding: Eine Verhaltensstörung, bei der es zu komplexen, immer gleichartigen, sich wiederholenden Tätigkeiten kommt, die nicht zielgerichtet sind und keinen bestimmten Zweck erfüllen. Typisch sind stundenlanges Sammeln von Gegenständen, Sortieren, Ordnen, Ein- und Ausräumen von Wäsche, Auseinandernehmen und Zusammenbauen technischer Geräte oder exzessive Beschäftigung mit dem Computer.
- Dopaminerges Dysregulationssyndrom: Ein Verhaltensmuster, das zu einer stetigen Zunahme der dopaminergen Dosis führt, über das Ausmaß hinaus, das zur Kontrolle der motorischen Symptome erforderlich ist.
Ursachen von Impulskontrollstörungen bei Parkinson
Die Ursachen von IKS bei Parkinson sind komplex und multifaktoriell. Es wird angenommen, dass sowohl die Parkinson-Krankheit selbst als auch die Medikamente, die zur Behandlung der Krankheit eingesetzt werden, eine Rolle spielen.
- Medikamente: Bestimmte Parkinson-Medikamente, insbesondere Dopaminagonisten und L-Dopa, können das Belohnungssystem im Gehirn anregen und so das Risiko für IKS erhöhen. „Bestimmte Parkinson-Medikamente regen das Belohnungssystem im Gehirn an - und das Belohnungssystem entscheidet mit, dass wir eine Handlung, die uns befriedigt hat, erneut durchführen wollen“, erläutert ein Neurologe. Die therapeutischen Maßnahmen bestehen für Ärztinnen und Ärzte meist in einer Verringerung der Dosis oder gegebenenfalls auch dem Absetzen des Dopaminagonisten. Da es dadurch zu einer Verschlechterung der Beweglichkeit kommen kann, müssen im Gegenzug oft andere Medikamente in deren Dosierung erhöht werden.
- Parkinson-Krankheit: Die Parkinson-Krankheit selbst führt zu einem Ungleichgewicht der Neurotransmitter im Gehirn, insbesondere von Dopamin. Dieses Ungleichgewicht kann die Impulskontrolle beeinträchtigen.
- Psychische Belastung: Die mentale Belastung durch die unheilbare Erkrankung kann ebenfalls zu Verhaltensänderungen führen. Ähnlich wie bei anderen chronischen Erkrankungen kann es zu Belastungsreaktionen, Depressionen, Angststörungen und weiteren psychischen Beschwerden kommen.
Symptome von Impulskontrollstörungen
Die Symptome von IKS können vielfältig sein und hängen von der Art der Störung ab. Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Unkontrollierbares Verlangen nach bestimmten Verhaltensweisen
- Schwierigkeiten, dem Drang zu widerstehen, diese Verhaltensweisen auszuführen
- Wiederholtes Ausführen dieser Verhaltensweisen, trotz negativer Konsequenzen
- Gefühle von Schuld, Scham oder Reue nach dem Ausführen der Verhaltensweisen
- Verheimlichung der Verhaltensweisen vor anderen
- Vernachlässigung anderer wichtiger Lebensbereiche, wie z.B. Arbeit, Familie oder soziale Kontakte
- Die Verhinderung oder Unterdrückung dieser neu aufgetretenen Verhaltensweisen führt wiederum zu negativen Stimmungsschwankungen.
Diagnose von Impulskontrollstörungen
Die Diagnose von IKS bei Parkinson kann schwierig sein, da die Betroffenen ihre Verhaltensweisen oft verheimlichen oder nicht als problematisch erkennen. Nicht selten sind es die Angehörigen, die den behandelnden Ärztinnen und Ärzte auf diese veränderten Verhaltensweisen ansprechen, da diese von den Patientinnen und Patienten selbst als nicht störend wahrgenommen werden. Es ist daher wichtig, dass Ärzte und Angehörige aufmerksam auf mögliche Anzeichen von IKS achten.
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Behandlung von Impulskontrollstörungen
Da die Verhaltensstörungen grundsätzlich behandelbar sind, ist es wichtig, darauf zu achten und den behandelnden Neurologinnen und Neurologen anzusprechen, um negative Konsequenzen, etwa im sozialen Umfeld, frühzeitig zu vermeiden. Die Behandlung von IKS bei Parkinson ist komplex und erfordert einen multidisziplinären Ansatz. Zu den wichtigsten Behandlungsstrategien gehören:
- Anpassung der Parkinson-Therapie: In vielen Fällen kann eine Anpassung der Parkinson-Therapie, z.B. durch Reduktion der Dosis von Dopaminagonisten oder Umstellung auf andere Medikamente, die Symptome der IKS reduzieren. „Man kann zum Beispiel ein anderes Präparat der gleichen Wirkstoffklasse einsetzen.
- Psychotherapie: Eine kognitive Verhaltenstherapie kann den Betroffenen helfen, ihre Verhaltensweisen zu erkennen, zu verstehen und zu verändern. Sie ermöglicht nicht nur einen Umgang mit den Impulsstörungen, sondern ist auch zur Therapie etwaiger psychischer Grunderkrankungen geeignet, die die Kontrollstörungen begünstigen.
- Medikamentöse Therapie: In einigen Fällen können Medikamente, wie z.B. Antidepressiva oder Antipsychotika, eingesetzt werden, um die Symptome der IKS zu lindern. Im Einzelfall müssen zusätzliche Medikamente (atypische Neuroleptika, Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer) eingesetzt werden, um die Symptome zu beeinflussen.
- Tiefe Hirnstimulation (THS): In schweren Fällen von IKS, die auf andere Behandlungen nicht ansprechen, kann eine tiefe Hirnstimulation in Erwägung gezogen werden. Durch den Stimulator kann die Dosis vieler Standardtherapeutika reduziert werden. Diese Dosisreduktion ist vermutlich für die Symptombesserung verantwortlich. Die Forscher betonen jedoch, dass nach gegenwärtiger Studienlage die Implantation kein Garant für eine Besserung der Impulskontrolle ist. Bei einigen Patienten kann gerade die Implantation des Schrittmachers eine Störung der Impulskontrolle triggern.
Weitere wichtige Aspekte
- Frühzeitiges Erkennen: Es ist wichtig, IKS frühzeitig zu erkennen, bevor es zu schwerwiegenden Konsequenzen kommt.
- Offene Kommunikation: Angehörige sollten offen mit den Betroffenen über ihre Verhaltensweisen sprechen und sie ermutigen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
- Individuelle Therapie: Die Therapie von Impulskontrollstörungen sollte laut der Forscher höchst individualisiert erfolgen.
- Keine eigenmächtige Medikamentenänderung: Eine eigenmächtige Verringerung der dopaminergen Dosis durch Angehörige oder die Patientinnen und Patienten selbst kann zu unvorhergesehenen Komplikationen führen, daher muss davon deutlich abgeraten werden. Da es sich dabei oft um komplexe Vorgänge handelt, dürfen diese Veränderungen der Medikation ausschließlich von Ihren behandelnden Ärztinnen und Ärzte enger Absprache mit Ihnen durchgeführt werden.
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