Stammbaum Chorea Huntington Informationen

Chorea Huntington, auch bekannt als Huntington-Krankheit oder Morbus Huntington, ist eine erbliche Erkrankung des Gehirns. Sie ist nach dem US-amerikanischen Arzt George Huntington benannt, der die Krankheit 1872 erstmals wissenschaftlich beschrieb.

Was ist Chorea Huntington?

Chorea Huntington ist eine seltene neurodegenerative Erkrankung, bei der Nervenzellen im Gehirn ihre Funktionsfähigkeit verlieren. In Deutschland sind derzeit etwa 10.000 Menschen symptomatisch betroffen, Frauen wie Männer gleichermaßen. Pro Jahr treten einige hundert neue Fälle auf. Schätzungen zufolge könnten etwa 30.000 Menschen in Deutschland das Huntington-Gen in sich tragen.

Symptome

Die ersten Symptome zeigen sich meist im Alter von 35 bis 50 Jahren, seltener auch schon vor dem 20. (juvenile Form) oder nach dem 60. Lebensjahr. Chorea Huntington beginnt oft mit eher unspezifischen Symptomen, dazu zählen Auffälligkeit des Verhaltens und der Psyche. Viele Patienten werden zunehmend reizbar, aggressiv, depressiv oder enthemmt, andere werden ängstlich. Typisch ist, dass Betroffene zu Wutausbrüchen neigen oder andere ohne ersichtlichen Grund verletzen. Außerdem kann es zu massivem Misstrauen und Kontrollzwang kommen.

Die Bewegungsstörungen bei Chorea Huntington machen sich meist durch unwillkürliche Bewegungen, etwa von Kopf, Händen, Armen, Beinen, Rumpf, auch durch Tic-artige Muskelzuckungen wie Augenzwinkern oder ein Verzerren des Mundes bemerkbar. Charakteristisch ist der tänzelnde Gang. Mit fortschreitendem Krankheitsverlauf wird es für die Betroffenen immer schwerer, Bewegungsabläufe des Alltags zu koordinieren und zu bewältigen. Bei einem kleinen Teil der Patienten kommt es statt der chaotischen Bewegungen zu Muskelsteifheit und Bewegungshemmung.

Typisch für die Erkrankung ist außerdem das hastige Essen. Betroffene schlingen Speisen hinunter, sobald sie vor ihnen stehen, und kauen dabei oft kaum oder gar nicht. Im weiteren Verlauf geht die Kontrolle über die Zungen- und Schlundmuskulatur verloren, so dass Schluckbeschwerden die Nahrungsaufnahme erschweren. Außerdem treten Sprachstörungen auf.

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Mit fortschreitendem Verlust von Nervenzellen im Gehirn gehen auch geistige Fähigkeiten verloren, wobei sich dies individuell verschieden äußern kann, etwa durch Interessensverlust, Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit. Die Urteilsfähigkeit schwindet, das Lernen und Planen fällt zunehmend schwer.

Ursachen

Ursache der Erkrankung ist ein Gendefekt. Die Huntington Krankheit ist genetisch bedingt und wird autosomal dominant vererbt. Das heißt: Gibt ein betroffenes Elternteil das veränderte Gen an seine Kinder weiter, erkranken diese zwangsläufig ebenfalls. Betroffen ist eine Region auf Chromosom Nummer vier. Hier gibt es einen Bereich, in dem sich die DNA-Bausteine CAG (Cytosin, Adenin und Guanin) mehrfach wiederholen - bei den meisten Menschen zwischen 10 und 30 Mal. Allerdings kann die Kopier-Maschinerie des Erbguts ins „Stottern geraten“ - dann vermehren sich die Wiederholungen. Ab zirka 36 Wiederholungen bricht die Krankheit aus. Die Zahl der Wiederholungen nimmt von einer Generation zur nächsten häufig zu. Die Faustregel: Je mehr CAGs, umso früher bricht die Krankheit aus und umso rascher schreitet sie voran. Bei etwa einem bis drei Prozent aller Betroffenen sind keine Fälle von Chorea Huntington in der Familie bekannt. Dann kann es sich um eine neu aufgetretene Veränderung im Erbgut handeln.

Der verlängerte DNA-Abschnitt führt dazu, dass ein Eiweißstoff namens Huntingtin nicht korrekt hergestellt wird. In der gesunden Form ist Huntingtin für den Körper lebensnotwendig. Die veränderte Form ist jedoch giftig und führt dazu, dass Nervenzellen absterben. Forschende des DZNE haben vor einigen Jahren gemeinsam mit internationalen Kolleginnen und Kollegen herausgefunden: Die fehlerhafte Form des Eiweißmoleküls entsteht, nachdem das Huntingtin-Gen mit verlängertem CAG-Abschnitt in Boten-RNA (mRNA) übersetzt wurde. Dann heftet sich ein bestimmter Eiweiß-Komplex an den verlängerten Bereich.

Diagnose

Die Diagnosestellung erfolgt über einen Gentest. Dieser Test kann mit 100%iger Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, ob man Träger des mutierten Gens ist. Dieser Test ist bereits pränatal, d.h. bevor das Kind geboren wird, möglich.

Therapie

Bislang ist Chorea Huntington noch nicht heilbar. Die Betroffenen werden lediglich symptomatisch behandelt, sodass ihre Lebensqualität möglichst lange erhalten bleiben kann. DZNE-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beschäftigen sich intensiv damit, die Mechanismen zu verstehen, die dazu führen, dass eine verlängerte CAG-Region zu fehlerhaftem Huntingtin führen. Es gibt jedoch Nahrungszusätze und Medikamente, die den Fortschritt der Krankheit verlangsamen.

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George Huntington

George Huntington (1850-1916) war gerade einmal acht Jahre alt, als er erstmals zwei Frauen begegnete, die an einer Krankheit litten, die später nach ihm benannt werden sollte. Huntington hatte seinen Vater begleitet, der als Allgemeinarzt auf Long Island im Bundesstaat New York tätig war. Die beiden Patientinnen - Mutter und Tochter - waren nur noch Haut und Knochen. Sie bewegten sich in gebeugter Haltung und sich windend fort, schnitten Grimassen.

Nach Abschluss seines Medizinstudiums stürzte sich der junge Huntington auf die Patientenakten seines Vaters und seines Großvaters, studierte deren Aufzeichnungen über die Krankheit und erkannte unter anderem als erster das Vererbungsmuster. Er selbst glaubte zu dieser Zeit noch, es handle sich um eine lokale beschränkte Rarität - auf Long Island oftmals verschämt als „jene Störung“ bezeichnet.

Die Leistung des Arztes bestand insbesondere darin, dass er Chorea Huntington als eigenständige, erblich bedingte Erkrankung erkannte und von anderen Chorea-Formen, die beispielsweise nach einer Infektion auftreten können, abgrenzte. Huntington entschied sich für eine Laufbahn als traditioneller Hausarzt. Seine Untersuchungen zu der nach ihm benannten Krankheit vertiefte er später nicht weiter.

Vererbung von Chorea Huntington

Chorea Huntington wird autosomal-dominant vererbt. Das bedeutet, dass ein Kind, dessen Elternteil das Huntington-Gen trägt, eine Vererbungswahrscheinlichkeit von 50 : 50 hat, das Gen ebenfalls in sich zu tragen. Chorea Huntington kann durch die Mutter und/oder den Vater vererbt werden. Da die Vererbung dominant geschieht, wird ein Kind, das das mutierte Gen geerbt hat, die Krankheit irgendwann im Erwachsenenalter entwickeln. Die Huntington-Krankheit überspringt im Stammbaum keine Generationen. Das bedeutet, ein Kind, das das Gen nicht geerbt hat, wird es weder weitergeben noch selbst daran erkranken.

Stammbaumanalyse

Die Stammbaumanalyse eignet sich zur Diagnostik und Risikoabwägung bei der Vererbung von Erbkrankheiten. Es wird zwischen dominanten und rezessiven Erbgängen, sowie autosomalen und gonosomalen Erbgängen unterschieden. Insgesamt gibt es mit autosomal-dominant, autosomal-rezessiv, gonosomal-dominant, gonosomal-rezessiv und y-chromosomal fünf verschiedene Erbgänge, von denen letzterer nicht als Bewiesen gilt.

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Was deutet auf einen autosomal-dominanten Erbgang hin?

  • Die Krankheit tritt in jeder Generation auf.
  • Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.
  • Ein betroffenes Elternteil hat eine 50%ige Wahrscheinlichkeit, die Krankheit an seine Kinder weiterzugeben.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder eines heterozygot von Chorea Huntington Betroffenen erkranken werden?

Gehe davon aus, dass der zweite Elter homozygot gesund ist. Die Wahrscheinlichkeit beträgt 50%.

Wie können Kinder von Chorea Huntington Betroffenen bei der Familienplanung klären, ob ihre Kinder selbst Träger der Krankheit werden oder nicht?

Durch einen Gentest kann festgestellt werden, ob man selbst Träger der Krankheit ist oder nicht. Auch kann man testen, ob ein Kind krank sein wird oder nicht.

Aufgaben zur Stammbaumanalyse

Um das Auftreten von Merkmalen über Generationen hinweg zu untersuchen, wendet man bei Menschen eine Stammbaumanalyse an. Auch in Prüfungen begegnen dir häufig Aufgaben zur Stammbaumanalyse. Das Ziel deiner Untersuchung ist es, aus einem „unbekannten“ Stammbaum die Art der Vererbung - autosomal oder gonosomal und dominant oder rezessiv - und die dazugehörigen Genotypen zu ermitteln. Tritt die Erbkrankheit in jeder Generation auf oder nicht? Sind beide Geschlechter gleichermaßen von der Erbkrankheit betroffen oder ein Geschlecht besonders?

Symptome im Detail

Wesensveränderung als Anfangssymptome

Das erste Symptom von Chorea Huntington ist in aller Regel eine Wesensveränderung. Noch ehe es zu den typischen Bewegungsstörungen kommt, sind die Betroffenen reizbarer als sonst und reagieren schneller aggressiv. Rund zwei Drittel der Erkrankten leiden unter Depression oder haben Ängste. Oft meiden die Betroffenen plötzlich ihre sozialen Kontakte, fühlen sich vielen alltäglichen Aufgaben nicht mehr gewachsen und vernachlässigen ihr Äußeres. Auch zwanghaftes Verhalten kann auftreten, ist aber seltener. Bis zu 10 % der Erkrankten haben zudem eine Psychose. Betroffene haben ein erhöhtes Risiko, einen Selbstmord zu begehen.

Erste Bewegungsstörungen

Charakteristisch für die Huntington-Krankheit ist die „Chorea“. Das Wort kommt aus dem griechischen und bedeutet „Tanz“, die Huntington-Krankheit wurde früher auch als Veitstanz bezeichnet. Gemeint sind damit die typischen ruckartigen, kurzen Bewegungen von Gesicht, Rumpf und Gliedmaßen. Anfangs sind die Bewegungen oft so gering ausgeprägt, dass Betroffene lediglich unruhig wirken. Mit der Zeit werden die Bewegungen und das Grimassieren immer stärker. Viele Patienten nehmen die Bewegungen zunächst selbst gar nicht wahr, obwohl sie für Außenstehende deutlich sichtbar sind.

Verschlimmerung der Bewegungsstörungen

Mit Fortschreiten der Krankheit werden die Bewegungsstörungen immer stärker. Erkrankte nehmen bizarre Fehlhaltungen ein, die Körperteile verdrehen sich krampfartig. Durch Verziehen des Mundes entstehen Grimassen, das Zwinkern wird häufiger. Die Hände vollführen oft klavierspielartige Bewegungen, die Zunge schnellt nach dem Strecken wie bei einem Chamäleon schnell wieder zurück. Es wird zunehmend schwieriger, Gegenstände zu greifen, weil die Feinabstimmung der Bewegungen nicht mehr gelingt. Bei der jugendlichen Form der Chorea Huntington sind die Symptome etwas anders, hier erstarren die Patienten eher.

Gangbild

Mit dem Fortschreiten der Erkrankung wird das Gehen immer schwieriger. Das Gangbild wirkt oft tänzelnd - das liegt daran, dass es immer wieder zu kurzen, abrupten, nicht kontrollierbaren Bewegungen der Gliedmaßen kommt. Später leidet auch die Balance, die Erkrankten haben dann einen schwankenden Gang. Weil es zunehmend schwieriger wird, die Beine richtig anzuheben, steigt die Stolpergefahr.

Symptome im Endstadium

Weil bei der Chorea Huntington immer mehr Nervenzellen absterben, verschlimmern sich die Symptome mit dem zunehmenden Alter. Irgendwann verliert der Erkrankte auch die Kontrolle über die Zungen- und Schlundmuskeln. Das Sprechen wird schwierig, der Erkrankte stößt unkontrollierte, abgehackte Laute aus. Weil das Schlucken nicht mehr gut funktioniert, ist das Essen schwierig. Betroffene nehmen oft massiv ab. Auch das Atmen wird schwieriger und die Kontrolle über Urin- und Stuhlabgang geht verloren. Zu den Persönlichkeitsveränderungen kommen noch die Symptome einer Demenz. Obwohl die Symptome drastisch sind, versterben die Erkrankten in der Regel nicht an der Chorea Huntington selbst, sondern an sich daraus entstehenden Komplikationen - zum Beispiel Lungenentzündungen auf Grund der Schluckstörungen oder einem Infekt wegen der allgemeinen Schwäche.

Die Rolle des Huntingtin-Proteins

Die Ursache für Chorea Huntington findet man auf dem vierten Chromosom. Auf diesem liegt das Gen, das für das Protein Huntingtin codiert. In der Sequenz dieses Gens wiederholt sich das Basentriplett CAG deutlich häufiger (36- bis 250-mal) als bei gesunden Individuen (16- bis 35-mal).

Ein Gentest liefert allerdings keine eindeutige Vorhersage, ob Chorea Huntington auch ausbricht, da es im Bereich von 36 bis 39 Wiederholungen des Tripletts CAG nicht immer zu einer Erkrankung kommt. Je mehr Wiederholungen vorliegen, desto früher bricht die Krankheit wiederum aus.

Bei Betroffenen wird das Protein Huntingtin fehlgebildet: Da das Basentriplett CAG für die Aminosäure Glutamin (Q) codiert, ist diese deutlich häufiger im Protein enthalten als eigentlich vorgesehen. Man spricht auch von einer polyQ-Kette. Einerseits führt diese Fehlbildung des Proteins zu einem gestörten Stoffwechsel in betroffenen Zellen, andererseits zu intrazellulären Ablagerungen, da nicht alle fehlgebildeten Huntingtin-Proteine abgebaut werden können. Betroffen sind dabei insbesondere Nervenzellen des Großhirns.

Zunächst führt die Erkrankung zur Überaktivierung der Zellen, da diese ähnlich wie bei einer Infektion gegen die untypischen Proteinablagerungen ankämpfen. Dieser zeitliche Verlauf zeigt sich auch in den Symptomen von Chorea Huntington: Sowohl die fehlgebildeten Nervenzellen als auch die Überaktivierung der Zellen führen im frühen Stadium der Krankheit zu unwillkürlichen Bewegungen. So kommt es zu Schleuderbewegungen von Armen und Beinen, aber auch zu Zuckungen im Gesicht, Kopf- und Rumpfbereich. Durch diese tanzähnlichen Bewegungen kam es zum Namen der Krankheit - damals wurde sie sogar als Veitstanz bezeichnet. Im späteren Verlauf der Krankheit kommt es durch den fortschreitenden Abbau (Degenerierung) von Nervenzellen zu fehlenden Nervenverbindungen und damit zur völligen Bewegungsarmut.

Ethische Aspekte

Expertinnen und Experten streiten darüber, ob genetische Tests auf Chorea Huntington bereits bei Kindern angeboten werden sollten. Einige argumentieren, dass frühe Tests Betroffenen helfen könnten, sich besser auf die Krankheit vorzubereiten.

Selbsthilfe und Unterstützung

Seit 1970 helfen wir als Selbsthilfeorganisation den Menschen mit der Huntington-Krankheit. Die Deutsche Huntington-Hilfe bietet ein umfangreiches Beratungsangebot zu diagnosespezifischen und sozialen Themen, Hilfsmitteln und vielem mehr. In regionalen Landesverbänden und Selbsthilfegruppen sowie bei Treffen für spezifische Zielgruppen können Sie sich mit anderen Betroffenen austauschen. Zu den wichtigen Zielen der Deutschen Huntington-Hilfe gehört u.a. die Aufklärung über und Unterstützung der Forschung. Ob als Mitglied, durch ehrenamtliches Engagement, als Förderer oder durch eine Spende - jede Unterstützung zählt.

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