Thrombektomie bei Schlaganfall: Informationen für Patienten und Interessierte

Der Schlaganfall stellt eine der häufigsten Ursachen für Behinderungen und Todesfälle weltweit dar. Er tritt auf, wenn die Blutversorgung des Gehirns unterbrochen wird, sei es durch ein verstopftes Blutgefäß (ischämischer Schlaganfall) oder eine Blutung im Gehirn (hämorrhagischer Schlaganfall). Eine schnelle und effektive Behandlung ist entscheidend, um das Risiko bleibender Schäden zu minimieren. Die mechanische Thrombektomie hat sich in den letzten Jahren als eine äußerst wirksame Methode zur Behandlung des ischämischen Schlaganfalls etabliert.

Was ist ein Schlaganfall?

Ein Schlaganfall, auch Hirninfarkt genannt, bezeichnet das schlagartige Auftreten neurologischer Defizite aufgrund von Durchblutungsstörungen im Gehirn. In etwa 80 Prozent der Fälle wird er durch den (teilweisen) Verschluss eines Gefäßes durch ein Blutgerinnsel (Thrombus) verursacht, was zu einer Unterversorgung des Gehirns führt (ischämischer Schlaganfall). Seltener ist eine Hirnblutung die Ursache.

In Deutschland ist der akute ischämische Schlaganfall die dritthäufigste Todesursache nach Herzinfarkt und Krebserkrankungen. Er ist die häufigste Ursache für dauerhafte körperliche Behinderungen im Erwachsenenalter und Pflegebedürftigkeit. Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen.

Ursachen und Risikofaktoren

Ein ischämischer Schlaganfall entsteht, wenn verstopfte Blutgefäße im Gehirn zu einer Mangeldurchblutung führen. Ursachen sind meist Blutgerinnsel (Thromben) oder Arteriosklerose, die zu Kalk- und Fettablagerungen an den Gefäßwänden führt. Vorhofflimmern oder Infektionen können das Risiko erhöhen.

Diagnostik bei Verdacht auf Schlaganfall

Besteht der Verdacht auf einen Schlaganfall, wird zunächst eine Computertomographie (CT) des Kopfes angefertigt. Die Bilder geben Aufschluss darüber, wo genau sich das betroffene Gefäß befindet, ob es teilweise oder vollständig verschlossen ist und wie schwer die Durchblutungsstörung ist. In ausgewählten Fällen kann ergänzend eine Kernspintomographie (MRT) erfolgen. Mittels Ultraschall werden die Gefäße des Halses und des Gehirns auf Verengungen oder Verschlüsse untersucht.

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Die Rolle der Stroke Unit

Die Versorgung des akuten Schlaganfalls ist eine zentrale Aufgabe neurologischer Kliniken und erfordert eine enge, gut koordinierte Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen, insbesondere Neurologie und Neuroradiologie, aber auch Gefäßmedizin, Kardiologie und Neurochirurgie. Die Einführung neurologischer Stroke Units im Jahr 1994 war ein wichtiger Meilenstein in der Schlaganfalltherapie. Das Konzept der Primärversorgung von Patienten auf Stroke Units hat zu einer Reduzierung bleibender Behinderungen und einer Senkung der Mortalität geführt.

Auf der Stroke Unit werden Patienten nach einem standardisierten Schema alle 6 bis 8 Stunden neurologisch untersucht. Um das unterdurchblutete Hirngewebe zu erhalten, wird in den ersten zwei bis drei Tagen auf einen ausreichend hohen Blutdruck, eine genügende Sauerstoffzufuhr, einen normalen Blutzucker und eine normale Körpertemperatur geachtet. Zudem wird auf mögliche frühe Komplikationen geachtet.

Therapeutische Maßnahmen beim ischämischen Schlaganfall

Lyse-Therapie

Die Lyse-Therapie ist eine medikamentöse Auflösung des Thrombus. Sie wird erfolgreich bei kleinen Thromben oder in schmalen Gefäßen eingesetzt. In Deutschland ist seit dem Jahr 2000 die intravenöse Thrombolyse mit rekombinantem Tissue Plasminogen Aktivator (rtPA) zur Behandlung des akuten Schlaganfalls zugelassen. Sie kann innerhalb eines Zeitfensters von 4,5 Stunden nach Symptombeginn angewendet werden, um das Blutgerinnsel aufzulösen. Vor der Behandlung muss durch eine kraniale Computertomographie (oder seltener durch eine Kernspintomographie) eine Hirnblutung ausgeschlossen werden.

Mechanische Thrombektomie

Die Thrombektomie ist ein minimal-invasives Verfahren, bei dem der Thrombus mechanisch entfernt wird. Einer niederländischen Studie zufolge ist dieses Verfahren der Lyse bei großen Hirnarterien überlegen.

Das Verfahren

Unter Röntgenkontrolle führt der Neuroradiologe einen Katheter von einem Zugang in der Leiste oder im Arm des Patienten bis zum betroffenen Gefäß im Gehirn. Ist der Katheter gut positioniert, wird ein feines Metallgeflecht (Stent-Retriever) entfaltet, in dem sich der Thrombus verfängt. Der Arzt zieht dann den Katheter samt Thrombus heraus. Das Blutgefäß des Patienten ist wieder geöffnet und das Blut kann wieder ungehindert fließen. Je nach Lage und Größe des Gerinnsels im Blutgefäß kann es auch über den Katheter abgesaugt werden.

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Wann ist eine Thrombektomie sinnvoll?

Die mechanische Thrombektomie ist besonders geeignet für Patienten mit Verschlüssen der großen, gehirnversorgenden Arterien, die durch eine medikamentöse Lyse nicht ausreichend behandelt werden können. Die wichtigsten Gründe hierfür sind, dass die Medikamente teilweise größere Blutgerinnsel nicht auflösen können oder es schlichtweg zu lange dauern würde, den Verschluss aufzulösen.

Eine mechanische Thrombektomie zur Behandlung von akuten Schlaganfallpatienten ist empfehlenswert, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

  • Ein klinisch relevantes neurologisches Defizit besteht.
  • Der Verschluss einer großen hirnversorgenden Arterie (im sogenannten vorderen Hirnkreislauf) ist in der Computertomographie (CT-Angiographie) oder MRT (MR-Angiographie) nachgewiesen.
  • Die Behandlung spätestens bis zu 6 Stunden nach Auftreten der Symptome begonnen werden kann (Zeitpunkt der Gefäßpunktion). Neuere Studien konnten zeigen, dass die mechanische Thrombektomie bei ausgewählten Schlaganfallpatienten auch später als 6 Stunden nach Symptombeginn sicher und hochwirksam ist (basierend auf erweiterter Bildgebung: CT-Perfusionsmessungen etc.).

Ablauf des Eingriffs

Die Behandlung wird von einem Narkosearzt betreut und unter Sedierung oder Narkose durchgeführt. Zuerst wird über die Leistenarterie (A. femoralis) oder Armarterie (Arteria radialis) ein langer, spezieller Katheter, die sogenannte Schleuse, über die Hauptschlagader (Aorta) in die Halsschlagader (A. carotis interna) geführt. Anschließend wird ein kleinerer Katheter mithilfe eines Mikrodrahtes an den Verschlussort platziert. Die anschließende Thrombektomie folgt zwei Grundprinzipien: Thrombusaspiration (Blutgerinnsel absaugen) und Thrombusextraktion (Blutgerinnsel herausziehen) oder einer Kombination beider Prinzipien.

Bei der Thrombusaspiration wird ein Aspirationskatheter an das Blutgerinnsel geführt. Anschließend wird eine Pumpe angeschlossen, die einen Unterdruck erzeugt. Das Blutgerinnsel wird in den Aspirationskatheter gesaugt und unter Aspiration wird der Katheter mit Blutgerinnsel entfernt.

Bei der Thrombusextraktion wird ein sogenannter Stent-Retriever (ein Stent, der zurückgeholt werden kann) zeitweise im Blutgerinnsel entfaltet. Nach kurzer Einwirkzeit wird der Stent-Retriever mit dem Blutgerinnsel unter Aspiration entfernt. Beide Techniken können mehrmals wiederholt und miteinander kombiniert werden. Ziel ist eine vollständige Wiederherstellung der Durchblutung des betroffenen Hirnareals (Reperfusion).

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Vorteile der Thrombektomie

Die schnelle Wiederherstellung des Blutflusses zum Gehirn minimiert die Schäden und erhöht die Erfolgsaussichten der Behandlung. Dies kann zu einer erheblichen Verbesserung der Lebensqualität der Patienten führen und die Notwendigkeit langfristiger Rehabilitation verringern.

Auswahl der Patienten für die Thrombektomie

Aus dem technischen Ansatz der MT ergibt sich, dass nur Patienten, bei denen größere hirnversorgende Arterien verschlossen sind, davon profitieren können. Dazu gehören die distale Arteria carotis inklusive des sogenannten Carotis-T und die proximale Arteria cerebri media (M1-Segment), die bei 4-10 % aller Schlaganfallpatienten verschlossen sind. Ist dies nachgewiesen, sollte der Betroffene in ein entsprechend qualifiziertes Zentrum mit überregionaler Stroke Unit verlegt werden. Problematisch ist die Situation, wenn eine Gefäßdiagnostik mittels computertomographischer (CT)- oder Magnetresonanz (MR)-Angiographie nicht rund um die Uhr zur Verfügung steht, was derzeit allerdings eher die Regel als die Ausnahme ist. Hohes Alter der Patienten allein ist kein Ausschlusskriterium für die MT.

Neuroradiologische Diagnostik

Wichtigster therapierelevanter Aspekt der zerebralen Bildgebung ist nach wie vor der Ausschluss einer Blutung als Ursache der Symptome. Dies kann effektiv und schnell mittels nativem CT erfolgen und ebnet unmittelbar den Weg für die Standardtherapie mit IV-tPA. Anhand des ischämischen Ödems die Ausdehnung des Ischämiekerns zu bestimmen, sollte das nächste Ziel der Bildgebung des Schlaganfalls sein. Diese erfolgt im nativen CT oder, deutlich sensitiver, mit der diffusionsgewichteten Bildgebung („diffusion weighted imaging“, DWI) in der Magnetresonanztomographie (MRT).

Konsequenzen für die bildgebende Diagnostik

Eine MT ist nur sinnvoll, wenn ein mittels Katheter erreichbares Gefäß verschlossen ist. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, bei allen neurologisch relevant betroffenen Patienten eine Gefäßdarstellung in der Akutphase durchzuführen. Nur dann kann eine sinnvolle Triage zwischen rein IV-tPA-basierter und kombinierter IV-tPA plus Thrombektomie-basierter Behandlung erfolgen.

Aktuelle Studien und Entwicklungen

Mehrere neue Untersuchungen zeigen, dass die Thrombektomie auch noch bis zu 24 Stunden nach Auftreten der ersten Symptome wirkungsvoll sein kann. Durch den größeren Zeitraum könnte eine Thrombektomie künftig für mehr Schlaganfall-Betroffene in Frage kommen. Eine Studie aus den Niederlanden zeigt zudem, dass besonders Patientinnen und Patienten, bei denen in der betroffenen Hirnregion während des Schlaganfalls noch eine Restdurchblutung vorhanden war, von einer späten Thrombektomie profitieren.

Zwei neue Studien belegen, dass auch Betroffene mit bereits ausgedehnten Gewebeschäden von dieser modernen Therapiemethode im Zeitfenster bis zu 24 Stunden nach Symptombeginn erfolgreich behandelt werden können. Aufgrund der überragenden Wirkung der Thrombektomie wurden beide Studien frühzeitig abgebrochen, was einmal mehr die starke Wirkung dieses Therapieverfahrens unterstreicht.

Herausforderungen und Zukunftsperspektiven

Obwohl die Thrombektomie eine sehr erfolgreiche Behandlungsmethode ist, gibt es noch einige Herausforderungen. Dazu gehört die Notwendigkeit einer schnellen Diagnose und die Verfügbarkeit von spezialisierten Zentren mit erfahrenen interventionellen Neuroradiologen. Gerade in ländlichen Gebieten fehlt oft das nötige Spezialwissen, was dazu führen kann, dass Patienten nicht oder mit unvertretbar langer Verzögerung behandelt werden können.

Telemedizinische Schlaganfallnetzwerke wie TEMPiS können dazu beitragen, diese Lücken zu schließen und eine schnelle Diagnostik für unterversorgte Regionen zu ermöglichen. Pilotprojekte wie das "Flying Intervention Team", bei dem ein Interventionsteam per Helikopter in kleinere Kliniken eingeflogen wird, zielen darauf ab, den Beginn der Behandlung zu beschleunigen und die zeitraubende Prozedur der Verlegung in ein Interventionszentrum zu unterbinden.

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