Die Insula, auch Inselrinde oder Insellappen genannt, ist ein faszinierender und vergleichsweise kleiner Teil des Gehirns, dessen Funktionen und Bedeutung in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der neurowissenschaftlichen Forschung gerückt sind. Trotz ihrer geringen Größe spielt die Insula eine entscheidende Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen, der Wahrnehmung von Körperzuständen und der Steuerung des Sozialverhaltens.
Anatomische Lage und Struktur der Insula
Die Insula liegt inmitten der Großhirnrinde, verborgen in der Tiefe des Sulcus lateralis (Sylvische Fissur), einer markanten Furche, die den Temporallappen von den darüber liegenden Frontal- und Parietallappen trennt. Um sie zu sehen, muss man erst einmal den Temporallappen und die Opercula - die "Deckel" des Frontal- und Parietallappens - zur Seite klappen. Diese Lage erklärt sich durch die ontogenetische Entwicklung: Während der fötalen Entwicklung wachsen die anderen Hirnlappen stärker, wodurch die Insula in ihrer Entwicklung zurückbleibt und schließlich von den anderen Strukturen überdeckt wird.
Die Insula ist sowohl phylogenetisch alt als auch ontogenetisch begründet. Sie ist ein Teil der Großhirnrinde und befindet sich in seitlicher Auslegung in den Großhirnhemisphären beider Gehirnhälften, zwischen dem vorderen motorischen Cortex und dem hinteren sensorischen Cortex. Die Insula weist die Form eines Dreiecks auf und wird nach oben hin (kranial) durch den Sulcus circularis von umliegenden Hirnstrukturen abgegrenzt. Der obere Anteil (superior) des Insellappens wird von der Großhirnrinde, sowie durch den Isocortex überlagert. Der untere Anteil (inferior) beinhaltet den Übergangsbereich zum Paläocortex und wird durch die Capsula extrema (Schicht aus weißer Substanz) abgegrenzt. Folglich kann die Inselrinde als Übergangsbereich zwischen Paläo- und Neocortex betrachtet werden.
Innerhalb der Insula wird zwischen einem granulären Areal (hinterer Bereich) und einem agranulärem Areal (vorderer Bereich) unterschieden. Ausgehend vom Lumen insulae (Innere des Insellappens) gehen fünf bis sieben Sulci (Hirnfurchen) radiär (fächerförmig) ab, die den Insellappen in fünf bis sechs verschieden lange Gyri (Verwölbungen der Großhirnrinde zwischen den Hirnfurchen) einteilen. Der Sulcus centralis insulae (Zentralfurche der Inselrinde) verläuft durch das Rindenareal, weshalb eine Aufteilung in einen größeren hinteren und einen kleineren vorderen Insel-Abschnitt erfolgt. Im hinteren Bereich des Insellappens befinden sich zwei längere Gyri (Verwölbungen der Großhirnrinde zwischen den Hirnfurchen), welche durch den Sulcus postcentralis (Furche der Großhirnrinde, die parallel zum Sulcus centralis verläuft) voneinander getrennt werden.
Funktionelle Bedeutung der Insula
Die Insula ist ein vielseitiges Areal, das an einer Vielzahl von Prozessen beteiligt ist. Sie gilt als multisensorisches Areal, wobei sie besonders wichtig bei der Verarbeitung von Geschmack ist. Hier treffen akute Sinneseindrücke, körperliche Zustände, Gefühle und Emotionen zusammen. Die Inselrinde ist wichtig für die Regulierung von Emotionen, aber auch für Fähigkeiten wie Empathie und Sozialverhalten.
Lesen Sie auch: Faszination Nesseltiere: Wie sie ohne Gehirn leben
Emotionale Verarbeitung und Körperwahrnehmung
Eine der Hauptfunktionen der Insula ist die emotionale Bewertung von Situationen, insbesondere von solchen, die mit negativen Emotionen wie Angst, Ekel, Unwohlsein oder Eifersucht verbunden sind. Alle Signale des Körpers, die die Gefühlswelt des Menschen betreffen, kommen dort an und werden verarbeitet. Der Inhalt dieser emotionalen Signale, sowohl das Innere des Körpers als auch die äußere Situation betreffend, wird dann von der Inselrinde beurteilt und anschließend gehandelt. Um auf die Signale reagieren zu können, ist jeder Nucleus, ein Geflecht aus Neuronen, die sozusagen eine „Arbeitsgruppe“ bilden, für eine andere emotionale Reaktion zuständig. Die Insula sorgt aber nicht nur für Schutz vor äußeren Faktoren, sondern auch vor uns selbst. Denn ohne sie wären wir weder in der Lage eine gefährliche Situation zu erkennen noch darauf zu reagieren und könnten uns selbst leichtfertig in lebensgefährliche Lagen begeben.
Die Inselrinde ist zudem ein wichtiges viszeromotorisches (Bewegung unwillkürlicher Muskulatur, z. B. Eingeweide) und multisensorisches (Zusammenwirken vieler Sinne) Areal, welches eine Vielzahl von Informationen aus unterschiedlichen Körperbereichen erhält. Eine getrennte Betrachtung dieser Bereiche wird oftmals als schwierig eingestuft, da es zu einer Integration von Einzelinformationen kommt. Begründet werden kann dies dadurch, dass sowohl taktile (Erzeugung von Empfindungen durch Berühren) als auch chemische Anreize (Geschmackssinn, Geruchssinn) einer emotionalen Bewertung unterzogen werden. Daraus entstehen als Folge Empfindungen wie Schmerz, Zuneigung und/oder Ekel.
Als wichtiger Projektionsort der viszerosensiblen Bahn - also den Empfindungen der inneren Organe - empfängt sie neben Hunger viele weitere Informationen, darunter solche über Atemnot, Übelkeit und Völlegefühl. Oder den Füllungszustand der Harnblase. Darüber hinaus ist die Insula reziprok mit dem Thalamus und der Amygdala verschaltet, um so direkt - und indirekt - auf die Homöostase sowie auf Emotionen und emotionale Empfindungen Einfluss zu nehmen.
Rolle bei Angststörungen und Phobien
Angst ist ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens, und normalerweise ist man in der Lage, trotz Furcht eine angstauslösende Situation zu meistern. In einigen Fällen entwickelt sich aber durch eine Überreaktion des zuständigen Bereichs, der Insula, eine Angststörung oder eine Phobie. Dabei ist es ziemlich schwierig, diese Traumata zu heilen, da der Prozess unbewusst abläuft. Da auch die Insula nicht ohne Fehler ist, kommt es allerdings oft vor, dass sie eine Situation falsch beurteilt und durch diese falsche Einordnung eine Angststörung entsteht. Eine Angstsituation, besonders aber starke Ängste oder Traumata, werden von der Inselrinde abgespeichert und du bist darauf programmiert bei derselben Situation entsprechend zu reagieren. Da diese ganzen Ängste und die Reaktionen darauf unbewusst gesammelt und ausgeführt werden, hast du wenig Einfluss darauf und kannst sie nicht steuern.
Die Insula spielt nämlich die Rolle bei Angststörungen und Phobien, die das Individuum schützen sollen, aber durch Fehler bei der Verarbeitung häufig eine unbegründete, übertriebene Reaktion hervorrufen.
Lesen Sie auch: Lesen Sie mehr über die neuesten Fortschritte in der Neurowissenschaft.
Soziale Kognition und Empathie
Zudem spielt die Inselrinde eine wichtige Rolle bei der zwischenmenschlichen Kommunikation, da sie auch für die Empfindung von Empathie verantwortlich ist und so die wichtigsten Grundlagen für unsere Kommunikation bildet. Ohne sie wären wir nicht in der Lage unsere eigenen oder fremde Emotionen wahrzunehmen. Wie die sozialen Neurowissenschaften in Studien mit bildgebenden Verfahren herausgefunden haben, zeigt sich in der vorderen Insula nicht nur bei eigenem, sondern auch bei beobachtetem Schmerz Aktivität. Neben Empathie scheint die Insula beim Gefühl von Fairness genauso beteiligt zu sein, wie an Mutterliebe, dem Orgasmus, plötzlichen Eingebungen oder der Entscheidungsfindung.
Weitere Funktionen
Die Insula ist auch an der Verarbeitung von Sprache beteiligt. Bei reinen Wortwiederholungen wird kurz nach der Wahrnehmung gesprochener Worte die Insel aktiv. Zudem konnte gezeigt werden, dass Läsionen der posterioren Insula die Sprechmotorik stören und somit zu einer Beeinträchtigung des Sprechens führen können.
Desweiteren gibt es Hinweise darauf, dass eine bilaterale Zerstörung der Insula zu einer kompletten auditorischen Agnosie führen kann.
Besonders interessant ist ihre Aktivität bei der Aufmerksamkeit - vor allem bei der für uns selbst, für unsere aktuelle Befindlichkeit.
Als primärer gustatorischer Cortex leitet die Inselrinde Informationen an sekundäre olfaktorische Rindengebiete im orbitofrontalen Cortex weiter. Womit sich zeigt, dass auch bei der Verarbeitung im Gehirn Geruch und Geschmack nahe beieinanderliegen.
Lesen Sie auch: Tinnitus und Gehirnaktivität: Ein detaillierter Einblick
Auch allein deckt die Inselrinde eine überraschende Bandbreite ab: Nicht nur wird Geschmack verarbeitet und wahrgenommen, es findet auch gleich seine Bewertung statt. Beispielsweise manifestiert sich eine massive Ablehnung als Empfindung von Ekel, und auch der wird bewusst in der Insel. Das Extrem zur Ablehnung wäre wohl die krankhafte Vorliebe und hier ist zumindest von starken Rauchern bekannt, dass ein Schlaganfall in der Inselrinde sie von ihrer Sucht befreien kann. Als Therapie allerdings ist deren Entfernung nicht zu empfehlen, denn nicht zuletzt werden hier auch die Bedürfnisse von Hunger und Durst bewusst.
Klinische Relevanz der Insula
Dem heutigen Stand der Forschung zugrundeliegend verdichten sich von vielen Seiten die Hinweise, mit welchen Erkrankungen Veränderung innerhalb der Insula einhergehen können. Hierfür kommen eine Reihe psychischer und physischer Störungen infrage (z. B. Depressionen, Autismus, Suchterkrankungen). Die Erforschung des Zusammenhanges zwischen Erkrankungen und einem veränderten Insellappen laufen auf Hochtouren.
Worin sich eine Veränderung der Insula ebenfalls äußern kann, ist eine veränderte Psyche und das Auftreten von Erkrankungen (z. B. Schizophrenie).
Auswirkungen von Läsionen der Insula
Es ist davon auszugehen, dass ein lokal beschränkter Ausfall bzw. Entfernung der Insula keine Folgeerscheinungen auslöst. Als Folge eines Insults (Schlaganfall) oder einer Infektion kann es jedoch zur Einschränkung spezifischer Funktionen vom Lappen kommen (z. B. Geschmacksverlust).
Forschungsperspektiven
Leider kann man beim derzeitigen Stand der Erkenntnisse der Neurowissenschaften noch nicht allzu viel über die Funktionsweise der Inselrinde sagen, doch es wird weiter intensiv geforscht. In den Neurowissenschaften werden die Bereiche Emotionen und Gehirn weiterhin intensiv untersucht. In Experimenten forscht man unter anderem an der Beeinflussung der Neuronen der Insula und macht weitreichende Fortschritte. Z.B. zeigt sich bei einem Versuch des Max-Planck-Instituts, dass eine Maus, bei der man die Aktivität der Insula verringerte, trotz Gefahr weiterhin essen konnte.
Wie die Inselrinde diese Informationen verarbeitet und welchen Einfluss sie auf das Verhalten hat, ist jedoch weitgehend unklar - Wissen, dass uns fehlt, um zum Beispiel die Vorgänge bei Depressionen, Angsterkrankungen und Essstörungen besser zu verstehen. „Möglicherweise lernt die Inselrinde aus vorherigen Erfahrungen, so dass die Zellen beim nächsten negativen Eindruck stärker oder schneller reagieren“, überlegt Gogolla.