ADHS: Neurologische Ursachen und ihre Auswirkungen

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine komplexe neurologische Entwicklungsstörung, die sich durch Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität auszeichnet. Obwohl die genauen Ursachen noch nicht vollständig geklärt sind, deutet die aktuelle Forschung auf eine Kombination genetischer, neurologischer und umweltbedingter Faktoren hin. Es wird heute als gesichert angesehen, dass ADHS zu einem hohen Prozentsatz erblich ist.

Genetische Faktoren

Viele Studien weisen darauf hin, dass erbliche Faktoren eine bedeutsame Rolle für die Entwicklung von ADHS darstellen. Die Wahrscheinlichkeit für Kinder, eine ADHS zu haben, wenn ein Elternteil betroffen ist, liegt bei 20-30%. Überzeugende Belege dafür stammen aus Familien-, Zwillings- und Adoptionsstudien. Zwillingsstudien zeigen, dass gut 80% der eineiigen und knapp 30% der zweieiigen Zwillinge die gleiche Symptomatik aufweisen. Auch anhand von molekulargenetischen Studien konnten einzelne Regionen im menschlichen Erbgut identifiziert werden, die bei Menschen mit ADHS typische Veränderungen aufweisen. Vor allem bei den Erbinformationen, die für die Bildung und Übertragung des Botenstoffes Dopamin verantwortlich sind, konnten entsprechende Veränderungen festgestellt werden. Allerdings können die bislang identifizierten Veränderungen die Entwicklung einer ADHS nur zu einem sehr geringen Teil erklären. Das Zusammenspiel zwischen verschiedenen Genen und das Zusammenspiel von erblichen und Umweltfaktoren sind für die Entwicklung von ADHS vermutlich besonders wichtig und es liegen nur wenige Untersuchungsergebnisse vor. Nach gegenwärtigem Forschungsstand wird davon ausgegangen, dass viele einzelne genetische Veränderungen zusammenwirken.

Neurologische Aspekte

Sicher ist heute, dass die ADHS eine Störung bzw. Normvariante des Frontalhirns darstellt, welches für die Verhaltensregulierung, aber auch für Entscheidungen, Auswertung von Erfahrungen und für die gesamte Steuerung des Organismus zuständig ist. Das Frontalhirn steuert die Informationsverarbeitung all der Millionen Reize, die jede Sekunde auf uns einströmen. Es muss diese Reize mit Hilfe untergeordneter Hirnzentren filtern, sortieren, ablegen, löschen oder weiterleiten. Das setzt voraus, dass in unserem Gehirn eine Informationsverarbeitung und Selektion nach Prioritäten stattfindet. Medizinisch hat man durch neue PET-Untersuchungen (Positronen-Emissions-Tomographie) eindeutig nachweisen können, dass die vorderen Hirnabschnitte beim ADHS-Betroffenen weniger stark durchblutet sind. Auch konnte eine geringere Nervenaktivität in bestimmten Hirnregionen nach-gewiesen werden. Darüber hinaus werden Nebenregionen des Gehirns aktiviert, die eine genaue Zuordnung beziehungsweise Verarbeitung der eingehenden Informationen erschweren. Man fand außerdem in den vorderen Hirnabschnitten und den Hirnkernen Größen- Veränderungen.

Ergebnisse neuroanatomischer Studien sprechen dafür, dass bei ADHS Funktionsstörungen bestimmter neuronaler Regelkreise vorliegen, deren wesentliche Bestandteile das Striatum (ein Teil der Basalganglien) und das Frontalhirn sind. Aber auch im Kleinhirn und anderen Hirnarealen von Kindern mit ADHS wurden Abweichungen gefunden. Die betreffenden Regelkreise sind wesentlich daran beteiligt, das Zusammenwirken von Motivation, Emotion, Kognition und Bewegungsverhalten neuronal zu realisieren bzw. zu steuern. Dysfunktionen (Funktionsstörungen) dieser Regelkreise gehen mit einem Über- oder Unterangebot von Botenstoffen (Neurotransmittern) in bestimmten Gehirnregionen einher. Aufgrund der Stoffwechsel- und Funktionsstörungen im Gehirn sind die Betroffenen nur eingeschränkt in der Lage, ihre Aufmerksamkeit auf eine Sache zu konzentrieren, sie leiden an einer gestörten Selbstregulation.

Rolle von Neurotransmittern

Das wichtigste Hormon bei der Entstehung der ADHS ist das Dopamin. Dieser Neurotransmitter steuert die Aktivität, den Antrieb und die Motivation. Gesichert ist, dass Dopamin zu schnell im synaptischen Spalt, seinem Wirkort, abgebaut wird. Dies erklärt damit auch die therapeutische Wirkung von Methylphenidat (z.B. Ritalin), welches die Wiederaufnahme von Dopamin hemmt und so die Konzentration im synaptischen Spalt erhöht. Eine Publikation aus 2004 von den Autoren Dr. med. Hans-Günter Kugler und Dr. med. Martin Winkler befasst sich mit ADHS-Symptomen.

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Aus neurobiologischer Sicht sind Neurotransmitter-Störungen im Gehirn für das Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) verantwortlich. Die Unterfunktion in mehreren Stellen im Gehirn kommt dabei durch eine mangelhafte Zufuhr an Botenstoffen zustande. Durch den Mangel an Botenstoffen können Kinder ihre Aufmerksamkeit nicht lange aufrecht erhalten. Die Informationsverarbeitung findet in den Vorderhirnlappen statt, wo z.B.

Dopamin-Hypothese

Bei der ADHS, auch in geringerem Umfang bei der ADS, wurde durch bildgebende Verfahren eine geringere Aktivität im Striatum und auch im präfrontalem Cortex gemessen. Ursächlich dafür ist eine Erhöhung der Anzahl von Dopamin-Transporter (DAT) in diesen Strukturen. Die erhöhte Dichte an Dopamintransportern (DAT) hat nun die Folge, dass aus den synaptischen Spalt Dopamin abtransportiert wird, sodass in diesen Bereichen entsprechend weniger Signalübetragung stattfindet. Bei der Dopaminüberschusshypothese wird nun ein Schritt weiter gedacht. Hier geht man davon aus, dass ein Zuviel des Botenstoffes Dopamin zu einer Erhöhung der Dopamintransporterdichte (DAT) quasi als kompensatorische Antwort des Gehirns auf einen Dopaminüberschuss zustande kommt. Der Wirkstoff Methylphenidat entfaltet seine Wirkung in der Blockierung des Dopamintransporter-Systems (DAT). Dadurch kommt es zu einer Erhöhung der Konzentration des Botenstoffes Dopamin im synaptischen Spalt.

Weitere Botenstoffe

Neben Dopamin spielen auch andere Neurotransmitter eine Rolle. Ein zu hoher Cortisol-Wert kann auf chronischen Stress bzw. erhöhte z.B. emotionale, psychische oder physische Energieanforderung hinweisen. Die Forschung sagt allgemein, dass eine Störung des Dopamin-Noradrenalin-Systems eher zu einer Aufmerksamkeits- bzw. Hyperaktivitätsstörung führt.

Es besteht die Annahme, dass eine ungenügende Zufuhr von Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren die ADHS-Symptomatik begünstigen kann. vermehrten Entzündungen im Körper führen, was sowohl psychische Auswirkungen, als auch Auwirkungen auf Haut (z.B. Neurodermitis) und Sehkraft haben kann.* Omega-3-Fettsäuren können z.B. Verzehr von Leinöl oder Walnüssen aufgenommen werden. Auch Omega-6-Fettsäuren sind in vielen Ölen enthalten (z.B. Distelöl, Sojaöl, Olivenöl). und leichten Lerndefiziten von einer regelmäßigen Einnahme an Omega-3-Fettsäuren als Alternative bzw. Folgende Einflüsse können sich verstärkend auf AD(H)S-Verhalten auswirken.

Umweltfaktoren

Die Ursachen und Entstehungsmechanismen der ADHS sind noch nicht vollständig geklärt. Forscher gehen heute davon aus, dass eine Vielzahl einzelner genetischer Einflussfaktoren mit anderen Einflussfaktoren, z.B. mit Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen oder auch Umweltfaktoren zusammenwirken und so Entwicklungsabweichungen neuronaler Regelkreise zustande kommen, die für die Entwicklung der Symptomatik verantwortlich sind.

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Der Konsum von Nikotin, Alkohol oder andere Drogen während der Schwangerschaft sowie ein Sauerstoffmangel bei der Geburt erhöhen vermutlich das Risiko des Kindes, später an ADHS zu erkranken. Auch zentralnervöse Infektionen während der Schwangerschaft, Schädelhirntraumen oder Verletzungen sowie Komplikationen während Schwangerschaft und Geburt werden mit späteren hyperkinetischen Auffälligkeiten in Verbindung gebracht. Die Mehrzahl der Kinder und Jugendlichen mit ADHS weisen derartige Belastungen jedoch nicht auf.

Die Entwicklung und der Verlauf von ADHS kann durch familiäre und schulische Einflüsse beeinflusst werden. Familiäre Bedingungen, Bedingungen im Kindergarten und in der Schule sind zwar nicht die ausschließliche Ursache der Störung, sie können aber in einem erheblichen Maße die Stärke der Probleme und ihren weiteren Verlauf mitbestimmen. Weisen Eltern Betroffener selbst psychische Probleme auf (z.B. ADHS-Probleme) oder gibt es in der Familie viele Streitereien oder starke finanzielle Belastungen, können dadurch die ADHS-Symptome des Kindes oder Jugendlichen verstärkt werden. Zu den so genannten psychosozialen Risikofaktoren zählen z.B.: Unvollständige Familie, d.h.

Psychosoziale Risikofaktoren

Ungünstige Familienverhältnisse können die betroffenen Kinder in ihrer Persönlichkeitsentwicklung jedoch zusätzlich belasten und sich auf den Schweregrad, den Krankheitsverlauf und die Entwicklung von begleitenden Störungen (z.B. Aggressivität, Angst) negativ auswirken. Zu den so genannten psychosozialen Risikofaktoren zählen z.B.:

  • unvollständige Familie, d.h. Aufwachsen mit einem alleinerziehenden Elternteil oder ohne Eltern
  • psychische Erkrankung eines Elternteils, vor allem antisoziale Persönlichkeitsstörung des Vaters und Alkoholkonsum in der Familie
  • familiäre Instabilität, ständiger Streit zwischen den Eltern
  • niedriges Familieneinkommen, sehr beengte Wohnverhältnisse
  • Inkonsequenz in der Erziehung, fehlende Regeln
  • häufige Kritik und Bestrafungen
  • unstrukturierter Tagesablauf

ADHS im Erwachsenenalter

Erst seit einigen Jahren wird die ADHS auch als eine Erkrankung des Erwachsenenalters wahrgenommen. Man geht davon aus, dass bei ca. 60 Prozent der betroffenen Kinder die Störung mit dem 18. Lebensjahr nicht „verwachsen“ ist. Die Symptomatik im Erwachsenenalter verändert sich allerdings in ihrer Art und Ausprägung: So kann der motorische Bewegungsdrang bei Kindern einer ständig vorhandenen inneren Unruhe bei Erwachsenen weichen. Verminderte Aufmerksamkeit mit Desorganisation, „Aufschieberitis“ oder Stimmungsschwankungen hingegen können eine stärkere Relevanz bekommen. Ob eine ADHS behandelt werden muss, hängt immer vom individuellen Leidensdruck der Betroffenen ab.

Symptome im Erwachsenenalter

Menschen mit ADHS sind leicht ablenkbar, haben eine sehr interessensgeleitete Aufmerksamkeitsspanne, bringen einmal begonnene Tätigkeiten oft nicht zu Ende und sind häufig desorganisiert. Aufgaben, bei denen man sich längere Zeit konzentrieren muss, werden schlecht bewältigt, vor allem dann, wenn es uninteressant erscheint und wenig Neugierde weckt. Es kommt schnell zu Langeweile, Abbruch und Müdigkeit. Da Sinneseindrücke nicht gut gefiltert und geordnet werden können, lassen sich Betroffene schnell ablenken. Jede Einzelheit erscheint gleich wichtig, man verliert sich in Details. Generell neigen Betroffene dazu, sich zu verzetteln, Dinge aufzuschieben oder nicht zu Ende zu bringen. Sie arbeiten ineffizient und langsam. Termine und Vereinbarungen werden vergessen oder Dinge verloren bzw. verlegt. Das führt zu Frust und Ärger.

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Die Betroffenen sind unruhig, zappelig, ruhelos, innerlich angespannt und fühlen sich getrieben. Ständiges Reden, Sitzunruhe, Nesteleien fallen auf. Oft versuchen sie, ihre Hyperaktivität durch (exzessiven) Sport auszugleichen. Bei Erwachsenen ist die motorische Unruhe häufig nicht mehr so ausgeprägt wie bei Kindern, sie richtet sich dann mehr nach innen und wird als Anspannung, Getriebenheit und Gedankenrasen empfunden. Das Bedürfnis nach wechselnden Tätigkeiten mit viel Bewegungsfreiheit ist groß. Impulsive Menschen neigen zu unüberlegten Handlungen und Entscheidungen, ohne dabei an die längerfristigen Konsequenzen zu denken. Dadurch schaden sie oft sich und anderen. Sie streben nach sofortiger Belohnung bzw. Bedürfnisbefriedigung. Menschen mit einer ADHS sind in vielen Alltagssituationen ungeduldig und schnell gereizt. Sie haben oft einen ungebremsten Redefluss und unterbrechen ihr Gegenüber häufig. Plötzliche Stimmungsschwankungen mit Wutausbrüchen über Kleinigkeiten wechseln sich mit schwer nachvollziehbarer Begeisterung und Euphorie ab. Betroffene schaffen zu vielen Dingen nicht die notwendige Distanz.

Nicht alle drei ADHS-Symptome treten bei jedem Betroffenen in gleich starker Ausprägung auf. Im Verhältnis zu dem, was sie aufgrund ihres intellektuellen Leistungsvermögens umsetzen könnten, bleiben sie meist hinter ihren Möglichkeiten zurück. Auch Partnerschaften zerbrechen öfter. Es kommt zu häufigen Umzügen, bei denen alle Brücken abgebrochen werden. Missbrauch von Alkohol, Drogen oder Nikotin, Straffälligkeit oder Schulden sind ebenfalls typisch für ADHS. Grundlegende Glaubenssätze sind „Ich bin irgendwie anders als die anderen“ oder „Ich bekomme nichts hin, mein Leben ist ein Desaster“. Verbunden mit der Rat- und Hilflosigkeit sind dann oft auch schwere Selbstwertstörungen. Psychische Belastungen wie Schlafstörungen, Essstörungen, Burnout-Syndrom, Zwänge, aber auch Persönlichkeitsstörungen entwickeln sich.

Diagnose im Erwachsenenalter

Die Diagnostik der ADHS bei Erwachsenen ist recht umfangreich und zeitaufwendig. Entscheidend ist, dass die zentralen Symptome schon vor dem 12. Lebensjahr bestanden haben und Schwierigkeiten bereits in der Grundschulzeit aufgetreten sind. Nun wird geschaut, ob Ihre Symptome die Kriterien des weltweit anerkannten Klassifikationssystems ICD-10 erfüllen. Außerdem werden andere Erkrankungen festgestellt bzw. Ein ausführliches Gespräch mit Ihnen gibt dem erfahrenen Facharzt oder Psychotherapeuten dabei gute Hinweise zu Ihrer Erkrankung. Ergänzende Diagnostik mit dem ADHS-Selbstbeurteilungsbogen (ADHS-SB) hilft, die aktuelle Ausprägung sowie den Grad Ihrer Belastung durch die ADHS zu erfassen. Zu diesem Zweck kann auch das strukturierte, klinische Wender-Reimherr-Interview (WRI) verwendet werden. Hier finden sich unter anderem Fragen bezüglich Organisation, emotionaler Stabilität, Erregbarkeit und Stresstoleranz. Die Conners-Skalen für Erwachsene (CAARS) können die Beeinträchtigungen durch Ablenkbarkeit, Impulsivität und motorische Unruhe einschätzen und führen zu einem ADHS-Gesamtindex, der das Ausmaß der Symptomatik abbildet. Bei einer Diagnostik im Erwachsenenalter sollten Sie möglichst auch alte Schulzeugnisse und schriftliche Berichte von Eltern, Geschwistern oder Freunden mitbringen, die sich noch an Ihre Symptome in der Kindheit erinnern können. Fragen Sie wenn möglich z.B. befreundete Menschen oder Verwandte, ob sie bereit sind, im Rahmen der Diagnostik über Ihre Symptome zu berichten.

Diagnose und Behandlung

Eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) beginnt im Kindes- und Jugendalter und kann auch im Erwachsenenalter weiter bestehen. Hinter ADHS verbirgt sich eine der häufigsten psychischen Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen. Die einzelnen Symptome können jedoch unterschiedlich stark ausgeprägt sein und müssen nicht immer alle gleichzeitig auftreten. Der Oberbegriff ADHS umschreibt auch die Ausprägung der Erkrankung, bei der weniger hyperaktive Verhaltensweisen beobachtet werden, sondern vorrangig Aufmerksamkeitsstörungen vorliegen (ADS). Allerdings leidet nicht jedes unruhige oder unaufmerksame Kind gleich unter ADHS. Ob wirklich eine krankhafte Störung vorliegt, können nur in der Diagnostik und Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Verhaltensauffälligkeiten erfahrene Ärztinnen/Ärzte oder Psychotherapeutinnen/Psychotherapeuten nach einer differenzierten Untersuchung feststellen. Bleibt ADHS unbehandelt, kann das ernsthafte Folgen für das Kind und sein gesamtes familiäres Umfeld nach sich ziehen, z. B. Schul- und Familienprobleme oder eine erhöhte Suchtgefahr. In den meisten Fällen kann den betroffenen Kindern und Jugendlichen durch intensive Betreuung und eine gezielte Behandlung der Symptome eine weitgehend normale soziale und schulische Entwicklung ermöglicht werden.

Die Behandlung von ADHS stützt sich heute auf mehrere Säulen: Individuell kombiniert werden nach Aufklärung und Beratung aller Betroffenen eine Psychotherapie, z. B. Als Orientierungshilfe für die Behandlung betroffener Kinder, Jugendlicher und Erwachsene steht seit 2017 eine von medizinische Fachgesellschaften entwickelte Leitlinie der höchsten Entwicklungsstufe zur Verfügung, die S3-Leitlinie "ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen“.

Irrtümer und Fakten über ADHS

  1. Die Ursachen der ADHS sind nicht vollständig geklärt. Bekannt ist allerdings, dass Vererbung und Umwelteinflüsse vor, während und nach der Geburt eine wichtige Rolle spielen, welche die Entwicklung des Gehirns beeinflussen. Die Kernsymptome einer ADHS sind Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit und Impulsivität. Die Diagnose ist nicht einfach und gehört in die Hände erfahrener Fachleute. Wenn die Unaufmerksamkeit und nicht die Hyperaktivität im Vordergrund steht, sprechen viele von ADS, denn das "H" in ADHS steht für "Hyperaktivität". Bei der Diagnose werden jedoch heute andere Begriffe verwendet.
  2. Manche Menschen halten ADHS für eine reine "Modediagnose" und sehen die Verantwortlichkeit für die Probleme in der Gesellschaft. Andere wiederum denken, dass ausschließlich Kinder von ADHS betroffen sind. Aber wenn ADHS nicht diagnostiziert wird, kann das zu vielen Problemen führen. Deshalb ist es bei einem Leidensdruck in der Regel sinnvoll, einen Verdacht auf ADHS überprüfen zu lassen.
  3. ADHS ist eine der häufigsten psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen und wird bei Jungen deutlich häufiger diagnostiziert als bei Mädchen. In Deutschland sind 4,4 % der 3- bis 17-jährigen Kinder und Jugendlichen betroffen (Ergebnis der RKI-Studie KiGGS-2). Während früher angenommen wurde, dass es im Erwachsenenalter oft verschwindet, ist heute bekannt, dass es meistens auch im Erwachsenenalter bestehen bleibt und die Betroffenen nur phasenweise gut zurecht kommen.
  4. Was genau ADHS verursacht ist noch ungeklärt. Es steht aber fest, dass verschiedene Umstände zusammenkommen, die sich wechselseitig beeinflussen. Genetische Veranlagung: ADHS kommt in Familien gehäuft vor. Manche Erbanlagen (Gene) werden öfter bei Menschen mit ADHS gefunden als bei Menschen ohne ADHS. Umwelteinflüsse vor, während und kurz nach der Geburt: Einflüsse wie z.B. Rauchen, Alkoholkonsum und Drogenkonsum der Mutter, eine Frühgeburt und/oder der Kontakt mit Umweltgiften sind mögliche Ursachen. Dabei ist aber nicht ganz klar, ob das die wirklichen Auslöser sind. Beispiel: Es könnte sein, dass Kinder von Müttern, die in der Schwangerschaft geraucht haben, öfter ADHS haben, weil es Müttern mit ADHS schwerer fällt, in der Schwangerschaft nicht zu rauchen. Bei Menschen mit ADHS entwickelt sich das Gehirn durch solche Einflüsse etwas anders als bei Menschen ohne ADHS. Es ist etwas anders aufgebaut und funktioniert auch etwas anders.
  5. ADHS kann je nach Diagnosekatalog in verschiedene Formen eingeteilt werden. Verwendet werden sowohl die Kriterien der Weltgesundheitsorganisation, ICD (International Classification of Diseases), als auch die Kriterien der US-amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft, DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders). Derzeit aktuell sind die Versionen ICD-10 und DSM-5.

Klassifikationssysteme

  • Im DSM-5 heißt die Störung einheitlich "Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung“ (ADHS).
  • Folgende Bezeichnungen kommen im DSM-5 nicht mehr vor, sondern stammen noch aus der früheren Version DSM-3. Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS): Es wird heute nach dem DSM-5 als "ADHS mit vorwiegend hyperaktiv-impulsivem Erscheinungsbild" diagnostiziert.
  • Es gibt bereits eine neuere Version der ICD, die ICD-11. Die Störung heißt dort wie beim DSM-5 "Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)". Unaufmerksamkeit ist dabei, wie beim DSM-5, ein Kernsymptom der Störung, neben Hyperaktivität und Impulsivität.

Diagnosekriterien

Bei Menschen mit ADHS können die Kernsymptome unterschiedlich ausgeprägt sein. Die ICD-10 nennt die gleichen Anzeichen der Kernsymptome für eine einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung.

Entscheidend für eine ADHS-Diagnose sind insbesondere die Ausprägungen der Kernsymptome Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität (siehe oben). Die Symptome treten schon früh auf (nach dem DSM-5 vor dem 12. Geburtstag, nach der ICD-10 vor dem 6. Geburtstag) und zeigen sich mindestens in 2 Lebensbereichen. Wenn erst im Erwachsenenalter der Verdacht auf ADHS aufkommt, kann es schwierig sein, herauszufinden, ob die Symptome schon in der Kindheit bestanden haben, besonders, wenn es keine alten Schulzeugnisse mehr gibt und die Eltern sich nicht mehr gut erinnern können oder bereits verstorben sind.

Es müssen jeweils mindestens 6 Monate lang mindestens 6 Anzeichen von Unaufmerksamkeit und/oder 6 Anzeichen von Hyperaktivität/Impulsivität bestehen. Die Symptome treten nicht ausschließlich im Verlauf einer Schizophrenie oder einer anderen psychotischen Störung auf und können auch nicht durch eine andere psychische Störung besser erklärt werden (z.B. Es sind deutliche Hinweise dafür vorhanden, dass die Symptome das Funktionieren des Betroffenen im sozialen, schulischen oder beruflichen Bereich stören.

Leichtgradig: Es bestehen wenige oder keine Symptome zusätzlich zu denjenigen, die zur Diagnosestellung erforderlich sind. Die Diagnose ADHS soll nicht vor einem Alter von 3 Jahren gestellt werden. Auch im Vorschulalter sollte ADHS nur bei sehr starken Symptomen diagnostiziert werden.

Begleiterkrankungen

ADHS wird oft von anderen Störungen oder Krankheiten begleitet, z.B. Depressionen, Angsterkrankungen, Tics, Autismus oder Epilepsie, sog. Komorbiditäten. Manchmal wird ADHS wegen einer begleitenden Erkrankung nicht erkannt. Umgekehrt können die Auswirkungen anderer Störungen oder Krankheiten auch mit ADHS verwechselt werden.

Unterstützung und Information

Das "ADHS-Infoportal" bietet Eltern und Angehörigen von Kindern und Jugendlichen mit ADHS sowie betroffenen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zielgruppenspezifische, faktenbasierte Informationen rund um das Thema ADHS. Das Internetportal wurde vom „zentralen adhs-netz“ mit finanzieller Förderung des Bundesministeriums für Gesundheit entwickelt. Die dort eingestellten Informationen orientieren sich strikt an den Ergebnissen wissenschaftlicher Studien (Evidenzbasierung) und den Leitlinien der medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Informationen für Eltern, Kita-Fachkräfte sowie Lehrerinnen und Lehrer enthält die von der vom Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit (BIÖG) herausgegebene Broschüre „ADHS - Symptome, Diagnose, Behandlung“. Umfangreiche Informationen zu ADHS bei Kindern und Jugendlichen sowie auch zu ADHS bei Erwachsenen stellt auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) auf der Internetseite www.gesundheitsinformation.de bereit. Das Robert Koch-Institut (RKI) hat in Zusammenarbeit mit dem BIÖG Erkenntnisse zur psychischen Gesundheit der Bevölkerung aus dem Gesundheitsmonitoring des RKI analysiert und in dem Schwerpunktbericht zur psychischen Gesundheit im Kindes- und Jugendalter ein Kapitel zu ADHS bei Kindern und Jugendlichen veröffentlicht. Unter Konsortialführung des RKI werden im Rahmen des aus dem Innovationsfonds geförderten Projekts “INTEGRATE-ADHD“ Diagnosedaten der gesetzlichen Krankenkassen und epidemiologische Daten hinsichtlich der Häufigkeit von ADHS bei Kindern und Jugendlichen sowie deren klinische Validierung untersucht und verglichen. So soll u.a. festgestellt werden, ob ADHS bei Kindern und Jugendlichen überschätzt oder falsch eingeschätzt wird.

Anlaufstellen

ADHS Deutschland e.V.Rapsstr. Zentrales ADHS-NetzUniversitätsklinikum KölnPohligstr. Dieser Verein befasst sich nicht nur mit Teilleistungsstörungen wie z.B. JUVEMUS Vereinigung zur Förderung von Kindern und Erwachsenen mit Teilleistungsschwächen e.V. Brückenstr.

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