Die Frage, ob Cannabis bei Demenz helfen kann, ist komplex und Gegenstand aktueller Forschung. Einerseits gibt es Hinweise darauf, dass bestimmte Inhaltsstoffe von Cannabis, insbesondere THC und CBD, potenziell positive Effekte auf Demenz-Symptome haben könnten. Andererseits warnen Studien vor möglichen Risiken, insbesondere bei intensivem Konsum.
Demenz und Alzheimer: Ein Überblick
Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form von Demenz. Charakteristisch für Alzheimer sind Eiweißablagerungen (Amyloid-Plaques) zwischen den Nervenzellen und Bündelungen von Tau-Proteinen im Zellinneren, was zum Absterben von Nervenzellen und Übertragungsstellen im Gehirn führt. Dies führt zu Gedächtnislücken, Verlust kognitiver Fähigkeiten und Veränderungen der Persönlichkeit. Aktuell gibt es keine Behandlung, die Demenz heilen oder stoppen kann. Die klassische medikamentöse Therapie setzt vor allem auf Antidementiva, die den Abbau von Botenstoffen im Gehirn verlangsamen und somit die Gedächtnisleistung besonders im frühen und mittleren Stadium erhalten und Begleiterscheinungen mildern können.
Cannabis als Therapieoption bei Demenz?
Potenzielle Vorteile
Einige Studien deuten darauf hin, dass Cannabis die Lebensqualität von Menschen mit Demenz verbessern und die Arbeit von Pflegekräften erleichtern könnte. Viele Demenzkranke leiden unter neuropsychiatrischen Störungen wie Unruhe, Angstzuständen, Reizbarkeit, Aggressionen und Schlafstörungen. Herkömmliche Medikamente sind oft mit starken Nebenwirkungen verbunden. Hier könnte Cannabis eine Alternative bieten.
- Stimmungsaufhellung und Linderung psychischer Probleme: Cannabis hat die Fähigkeit, sich positiv auf den Haushalt der Botenstoffe im Endocannabinoidsystem von Alzheimer-Patienten auszuwirken. Zusätzlich lassen sich mit Cannabis Stimmungsschwankungen abfedern und psychische Probleme lindern, was in der Pflege von Alzheimer-Patienten eine deutliche Erleichterung bedeutet.
- Verbesserung neuropsychiatrischer Symptome: Eine israelische, placebokontrollierte Doppelblindstudie zeigte, dass medizinisches Cannabis Agitiertheit, Aggressionen und Schlafstörungen reduzieren kann. Allerdings setzte die positive Wirkung erst nach etwa 14 Wochen ein, was Geduld erfordert. Die Wirksamkeit scheint zudem von der Dosis abhängig zu sein.
- Appetit- und Schlaflosigkeit: Cannabis könnte auch gegen Appetit- und Schlaflosigkeit helfen und Patienten davon abhalten, von zu Hause wegzulaufen.
- Erfahrungen von Patienten und Angehörigen: Einige Patienten und Angehörige berichten von positiven Effekten von Cannabis auf Unruhe, Angstzustände und Schlafstörungen. Es soll die Pflege erleichtern, ohne die Patienten völlig zu benebeln.
Wirkungsweise von THC und CBD
Die am besten erforschten Inhaltsstoffe von Cannabis sind Δ-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). THC ahmt die Wirkung von körpereigenen Cannabinoiden nach, die wichtige Funktionen im Gehirn erfüllen. Mit steigendem Alter verringert sich die Menge der im Gehirn natürlich gebildeten Cannabinoide. THC-haltige Arzneimittel sind mutmaßlich geeignet zur symptomatischen Behandlung von Demenzerkrankten. CBD-Öl kann neuropsychiatrische Symptome wie Halluzinationen, Angst, Unruhe, Apathie und Reizbarkeit lindern.
Tierstudien
Eine Studie der Universität Bonn und der Hebrew Universität Jerusalem (Israel) an Mäusen zeigte, dass eine geringe Dosis THC die kognitiven Funktionen alter Mäuse wiederherstellen konnte. Die molekulare Signatur des Gehirns entsprach nach der Behandlung eher der von jungen Tieren. Die Zahl der Verknüpfungen der Nervenzellen im Gehirn nahm wieder zu.
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Klinische Studien am Menschen
Die Forscher wollen im nächsten Schritt in einer klinischen Studie untersuchen, ob THC auch beim Menschen Alterungsprozesse des Gehirns umkehren und die kognitive Leistungsfähigkeit wieder steigern kann.
Risiken und Einschränkungen
Trotz der potenziellen Vorteile gibt es auch Risiken und Einschränkungen bei der Anwendung von Cannabis bei Demenz:
- Erhöhtes Demenzrisiko bei intensivem Konsum: Eine Studie aus Kanada deutet darauf hin, dass ältere Erwachsene, die wegen der Folgen ihres Cannabiskonsums im Krankenhaus behandelt werden mussten, in den folgenden Jahren häufiger an Demenz erkrankten. Das Risiko war im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung um 72 Prozent erhöht. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass in der Studie nur ein schwerwiegender Cannabis-Konsum untersucht wurde und keine Kausalität festgestellt werden konnte.
- Möglicher Einfluss auf die kognitive Entwicklung bei Jugendlichen: Eine Studie aus Neuseeland zeigte, dass jahrelanger Cannabiskonsum bei Jugendlichen mit einem Rückgang der kognitiven Leistung und des Intelligenzquotienten (IQ) verbunden war.
- Nebenwirkungen: Marihuana kann das Gleichgewichtsgefühl beeinträchtigen und dadurch vor allem das Sturzrisiko unter älteren Demenzkranken erhöhen. Schwindelgefühle könnten die kognitiven Funktionen von Alzheimer-Patienten noch weiter schwächen.
- Nicht für alle Patienten geeignet: Für eine Behandlung ungeeignete Patienten sind jene, die an einer Herzrhythmusstörungen oder orthostatische Hypotonie leiden.
- Interaktion mit anderen Medikamenten: Es ist wichtig, mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu berücksichtigen.
Rechtliche Situation in Deutschland
Auch in Deutschland können Ärzte und Ärztinnen medizinisches Marihuana bei Demenz verschreiben. Auf Cannabis-Arzneimittel hoffen viele Patienten.
Fazit
Die Studienlage zur Anwendung von Cannabis bei Demenz ist noch nicht eindeutig. Es gibt Hinweise auf potenzielle Vorteile, insbesondere bei der Linderung neuropsychiatrischer Symptome. Allerdings gibt es auch Risiken, insbesondere bei intensivem Konsum. Weitere Forschung ist notwendig, um die Wirksamkeit und Sicherheit von Cannabis bei Demenz besser zu verstehen.
Wichtiger Hinweis: Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich dem Zweck eines vollständigeren Allgemeinwissens und sind nicht als Alternative oder Ersatz für die Anweisungen oder Hinweise von Ärzten oder anderen Fachleuten aus dem medizinischen und pharmazeutischen Bereich gedacht. Dieses Dokument soll in keiner Weise zu verbotenem Verhalten ermutigen.
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