Cannabis wird in der Parkinson-Behandlung zunehmend diskutiert. Dieser Artikel beleuchtet die aktuelle Studienlage, um Vor- und Nachteile der Therapieoption zu bewerten.
Einleitung
Die Parkinson-Krankheit ist eine neurodegenerative Erkrankung, die durch den Verlust von Dopamin-produzierenden Nervenzellen gekennzeichnet ist. Dies führt zu motorischen Symptomen wie Bewegungshemmung (Bradykinesie), Muskelsteifheit (Rigor) und Zittern (Tremor). Zusätzlich treten nicht-motorische Symptome wie Schlafstörungen, Angstzustände und kognitive Beeinträchtigungen auf. Obwohl Levodopa als Goldstandard in der Behandlung gilt, suchen viele Patienten nach alternativen Therapieansätzen, darunter die Verwendung von Cannabis.
Was ist Morbus Parkinson?
Morbus Parkinson ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung, bei der Dopamin-produzierende Nervenzellen im Gehirn absterben. Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff, der für die Steuerung von Bewegungen zuständig ist. Der Mangel an Dopamin führt zu den typischen motorischen Symptomen der Krankheit.
Symptome von Morbus Parkinson
- Motorische Symptome:
- Tremor (Zittern), meist in Ruhe
- Bradykinesie (Verlangsamung der Bewegungen)
- Rigor (Muskelsteifheit)
- Posturale Instabilität (Gleichgewichtsstörungen)
- Nicht-motorische Symptome:
- Schlafstörungen
- Depressionen und Angstzustände
- Kognitive Beeinträchtigungen
- Verdauungsprobleme
- Geruchsstörungen
Klassische Behandlungsmethoden
Die klassische Behandlung von Morbus Parkinson zielt darauf ab, den Dopaminmangel im Gehirn auszugleichen. Levodopa, eine Vorstufe von Dopamin, ist das am häufigsten verwendete Medikament. Weitere Medikamente umfassen Dopaminagonisten, MAO-B-Hemmer und COMT-Hemmer. Diese Medikamente können die Symptome lindern, aber die Krankheit nicht heilen.
Cannabinoide und das Endocannabinoid-System
Cannabinoide sind chemische Verbindungen, die in der Cannabispflanze vorkommen. Die bekanntesten sind Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Der Körper produziert auch selbst Cannabinoide, sogenannte Endocannabinoide. Das Endocannabinoid-System spielt eine Rolle bei der Regulierung verschiedener Körperfunktionen, darunter Schmerz, Stimmung, Schlaf und Bewegung. Im Gehirn sind zwei Cannabinoidrezeptoren bekannt: CB1 und CB2.
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Cannabinoidrezeptoren im Gehirn
Das Gehirn weist eine große Anzahl von Cannabinoidrezeptoren an verschiedenen Stellen auf, wie z. B. den G-Protein-gekoppelten Rezeptor GPR6 in den Basalganglien, einem wichtigen Teil des Gehirns, der von Parkinson betroffen ist.
THC und CBD: Unterschiede in der Wirkung
THC ist der psychoaktive Bestandteil von Cannabis und kann Halluzinationen verursachen. CBD hingegen wirkt nicht halluzinogen und wird oft als Nahrungsergänzungsmittel verwendet.
Cannabis in der Parkinson-Behandlung: Hoffnung und Skepsis
Cannabis wird von einigen Parkinson-Patienten zur Linderung ihrer Symptome eingesetzt. Viele Betroffene versprechen sich von der Behandlung mit medizinischem Cannabis eine Verbesserung ihrer Lebensqualität.
Positive Berichte von Patienten
Eine Beobachtungsstudie berichtete über eine rasche Linderung der Parkinson-Symptome (einschließlich Bradykinesie und Tremor) nach Inhalation von Cannabisrauch (CBD + THC) bei etwa 79 % der Patienten (von 28). In einer größeren Studie mit 339 tschechischen Parkinson-Patienten, die routinemäßig Cannabisblätter oral einnahmen (CBD + THC), kam es zu einer signifikanten Verbesserung des Ruhetremors, der Bradykinesie und der Steifigkeit bei insgesamt geringen oder keinen Nebenwirkungen.
Differenzierte Betrachtung der Studienlage
Trotz positiver Erfahrungsberichte ist die wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit von Cannabis bei Parkinson begrenzt. Viele Studien sind klein und unkontrolliert, was die Aussagekraft der Ergebnisse einschränkt. Die Wirkung von Cannabis konnte etwa wissenschaftlich noch nicht eindeutig nachgewiesen werden.
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Kontrollierte Studien zu Cannabinoiden bei Parkinson
Es existieren drei höherwertige, Placebo-kontrollierte Studien, in denen die Wirkung von Cannabinoiden auf motorische und nichtmotorische Symptome untersucht wird. Sieradzan und Kollegen setzten Nabilon ein, um dessen Effekt auf Levodopa-induzierte Dyskinesien (LID) bei einem Levodopa-Test bei sieben Patienten zu untersuchen. Zwar fand sich eine signifikante Reduktion der Schwere, nicht jedoch der Dauer der LID. Caroll und Kollegen untersuchten den Effekt einer THC/CBD-(2 : 1)-Mischung auf LID bei 17 Patienten über vier Wochen. Weder konnte eine Verbesserung von LID noch von sekundären Outcome-Kriterien wie dem motorischen Teil der MDS-UPDRS, der Lebensqualität, Schmerzen oder Schlafqualität nachgewiesen werden. Chagas und Kollegen untersuchten den motorischen Teil der MDS-UPDRS und die Lebensqualität sechs Wochen nach Behandlung mit 75 oder 300 mg CBD (oder Placebo) bei sieben Patienten pro Behandlungsarm. Zwar konnte eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität in der 300-mg-CBD-Gruppe gefunden werden, der MDS-UPDRS-Score unterschied sich jedoch nicht zwischen den Gruppen.
Aktuelle Studie zu CBD/THC-Kombination
Eine aktuelle Studie untersuchte die Auswirkungen einer CBD/THC-Kombination auf Parkinson-Patienten. Die Behandlung erfolgte randomisiert mit einer Mischung mit relativ hochdosiertem CBD und niedrigem Anteil THC oder einem Placebo, um vorläufige Ergebnisse für eine längere Studie zu gewinnen. Parkinson-Patienten (≥ 20 MDS-UPDRS, motor Movement Disorder Society Unified Parkinson’s Disease Rating Scale) nahmen über 2 Wochen an der Studie teil. Die Behandlung wurde schrittweise gesteigert bis zu einer abschließenden Dosierung von 2,5 mg/kg/Tag. Insgesamt 61 Teilnehmer wurden zufällig der täglichen Behandlung mit CBD/THC (n = 31) oder Placebo (n = 30) zugewiesen. Im Durchschnitt erhielten die Teilnehmer der CBD/THC-Gruppe eine letzte Dosis mit 191,8 mg CBD (± 48,9 mg) und 6,4 mg THC (± 1.6 mg). In verschiedenen Tests zeigte sich ein starker Placeboeffekt. Darüber hinaus fanden sich jedoch Behandlungseffekte bei Schlaf, Denkleistung und Alltagsaktivität, mit besseren Ergebnissen in der Placebogruppe. Die Autoren fassen zusammen, dass die kurze Studiendauer und der starke Placeboeffekt manche Interpretation der Ergebnisse einschränken.
Einsatz von Nabilon bei nicht-motorischen Symptomen
Eine Studie an der Innsbrucker Universitätsklinik für Neurologie untersuchte die Auswirkungen von Nabilon, einem synthetischen Analogon von THC, auf nicht-motorische Symptome bei Parkinsonpatienten. Die Ergebnisse zeigen eine Verbesserung der gesamten NMS-Belastung mit Nabilon, was sich insbesondere in einer Verminderung der Angstzustände und Schlafstörungen widerspiegelt. Die Behandlung wurde gut vertragen.
Mögliche Vorteile von Cannabis bei Parkinson
- Linderung von nicht-motorischen Symptomen: Studien deuten darauf hin, dass Cannabis bei Schlafstörungen und Angstzuständen helfen kann.
- Reduktion von Levodopa-induzierten Dyskinesien: Einige Studien zeigen eine mögliche Reduktion der Schwere von Dyskinesien.
- Verbesserung der Lebensqualität: Einige Patienten berichten von einer verbesserten Lebensqualität durch die Einnahme von Cannabis.
Risiken und Nebenwirkungen
- Psychoaktive Effekte: THC kann Halluzinationen und Verwirrung verursachen, insbesondere bei älteren Patienten.
- Kreislaufprobleme: Cannabis kann den Blutdruck senken und zu Kreislaufschwäche führen.
- Herzinfarktrisiko: Es gibt Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte bei Cannabiskonsum.
- Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten: Cannabis kann die Wirkung anderer Medikamente beeinflussen.
Für wen ist Cannabis ungeeignet?
Für eine Behandlung ungeeignete Patient*innen sind jene, die Herzrhythmusstörungen oder orthostatische Hypotonie, vorbestehende ausgeprägte kognitive Einschränkungen bzw. psychische Erkrankungen haben.
Rechtliche Situation in Deutschland
In Deutschland können schwerkranken Patienten, unabhängig von der Grunderkrankung, Cannabisblüten und -extrakte bzw. synthetische Cannabinoide zulasten der Krankenkassen verordnet werden, sofern keine geeigneten Therapien zur Verfügung stehen oder diese aufgrund von Kontraindikationen oder schweren Nebenwirkungen nicht zur Anwendung kommen können. Laut Gesetzgeber ist eine Verordnung bereits dann gestattet, wenn „eine nicht ganz entfernte Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf schwerwiegende Symptome“ besteht.
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Wer kann Cannabis verschreiben?
Sämtliche Allgemeinmedizinerinnen, Privatärztinnen oder Fachärztinnen können Cannabis auf einem "weißen" ärztlichen Rezept verschreiben, da für Parkinsonpatientinnen eine Therapie mit medizinischem Cannabis gemäß Gesetz 94/98 angebracht ist.