Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Gehirn und Geist, oder ob und wie Bewusstsein existiert, beschäftigt die Menschheit seit jeher. In der modernen Wissenschaft, insbesondere in der Postmoderne, wird das Bewusstsein primär im Gehirn verortet. Doch diese Lokalisierung wirft weitere Fragen auf: Wo genau im Gehirn ist das Bewusstsein zu finden und in welcher Form manifestiert es sich?
Neuronale Korrelate des Bewusstseins
Hirnforscher arbeiten zunehmend daran, die Bedingungen und Mechanismen des Bewusstseins zu entschlüsseln. Da Bewusstsein auf biologischer Basis stattfindet, müssen neuronale Korrelate des Bewusstseins (NCC) existieren, ähnlich wie bei Sensorik und Motorik. Dieser Begriff wurde erstmals von Francis Crick und Christof Koch formuliert.
Systemische Ansätze: Information im neuronalen Netzwerk
Gerald Edelman und Giulio Tononi verfolgen einen systemischen, theoretischen Ansatz. Sie gehen davon aus, dass Information in ganzen Neuronenverbänden zirkuliert und so im Bewusstsein gehalten wird. Stanislas Dehaene hingegen verfolgt den Gedanken eines globalen Arbeitsraumes und hat diesen unter anderem in einem Computermodell umgesetzt.
Die Komplexität der Bewusstseinsforschung
Die Erforschung des Bewusstseins auf neuronaler Ebene ist komplex. Viele grundlegende Fragen sind noch nicht geklärt. Die Reduktion des Geistigen auf das Biologische und Materielle wird von einigen Forschern kritisiert, da sie dem Menschen das Besondere nimmt. Einige Forscher halten sogar das Ich für eine Fiktion, einen Traum des Gehirns.
Die Rolle der Umwelt und sozialer Interaktion
Der Philosoph und Psychiater Thomas Fuchs argumentiert, dass das Gehirn ohne seine Beziehung zur Umwelt, insbesondere zu Mitmenschen, kein Bewusstsein bilden kann. Die reine Biologie sei unzureichend, das Soziale unersetzlich, und somit sei das Gehirn ein Beziehungsorgan. Dies unterstreicht die Bedeutung von Interaktion für die Entwicklung des Bewusstseins, wie das Beispiel von Kaspar Hauser zeigt.
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Die biologische Grundlage des Bewusstseins
Die Erregungsleitung von Nervenzellen beim erwachsenen Menschen beträgt etwa 120 Meter pro Sekunde. Obwohl dies sehr schnell ist, spielt die Entfernung dennoch eine Rolle. Da die Hand dem Gehirn näher ist als der Fuß, sollten gleichzeitige Schmerzreize eigentlich zeitversetzt wahrgenommen werden. Sie müssen das nicht im Selbstversuch untersuchen - die Pointe ist: Beide Schmerzreize kommen gleichzeitig im Bewusstsein an.
Sensorische Flexibilität und Zeitverzögerung
Der amerikanische Physiologe Benjamin Libet untersuchte diese sensorische „Flexibilität“ des Bewusstseins und stellte fest, dass das Bewusstsein für sensorische Informationen stets 0,5 Sekunden verzögert ist. Sein Zitat aus dem Buch „Mind Time“: „Wessen wir uns bewusst sind, hat schon eine halbe Sekunde vorher stattgefunden“. Im Alltag bemerken wir davon nichts, da das Gehirn diese Sinneserfahrungen zurückdatiert. Subjektiv empfinden wir also, dass wir den Reiz genau dann wahrgenommen haben, als er ausgelöst wurde.
Dualismus vs. Monismus: Historische Perspektiven
Lange Zeit gingen Denker davon aus, dass Geist und Materie zwei unterschiedliche Dinge seien. René Descartes formulierte diesen Dualismus überzeugend als Trennung von res extensa (dem Körper) und res cogitans (dem Geist). Diese Trennung ermöglichte den frühen Wissenschaftlern, ungestört von den Befindlichkeiten der Kirche, ihrer Arbeit nachzugehen.
Die vorherrschende wissenschaftliche Sichtweise
Heute gehen nur noch wenige Forscher davon aus, dass das Bewusstsein unabhängig von einer biologischen Basis existiert. Die Kausalkette ist schlüssig: Fallen bestimmte Gehirnbereiche aus, fällt der Mensch ins Koma und ist nicht mehr bewusst. Auch im Tiefschlaf, wenn weite Teile des Gehirns ihre Aktivität reduzieren, findet kein Bewusstsein statt.
Unerklärte Wunder des Gehirns
Wir wissen immer noch nicht, wie es dem Gehirn gelingt, so etwas Komplexes wie uns ins Sein zu heben. Offene Fragen und pure Faszination führen dazu, dass mancher Hirnforscher heute auf philosophischen Pfaden wandelt.
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Dualistische Positionen in der modernen Forschung
John C. Eccles, Mediziner und Philosoph, vertrat gemeinsam mit dem Philosophen Karl Popper eine dualistische Position. Sie legten in dem gemeinsamen Buch „Das Ich und sein Gehirn“ 1977 die These vor, dass es in der linken Hirnhälfte eine Region gebe, die eine Interaktion von Welt 1 (der materiellen Welt) und Welt 2 (der geistigen Welt) erlaube.
Das einfache und das schwierige Problem des Bewusstseins
Der Philosoph David Chalmers unterscheidet zwischen einem einfachen und einem schwierigen Problem des Bewusstseins. Zum einfachen Problem gehören Denken, Lernen, Erinnern, die physiologisch teilweise verstanden sind. Verstanden sind auch die Hirnprozesse, die zum Beispiel beim Wahrnehmen einer roten Rose oder bei Schmerzen auftreten. Doch was das Rot in uns subjektiv auslöst und wie es sich anfühlt, Schmerzen zu haben - das können wir bislang nicht erklären.
Das Bindungsproblem: Wie entsteht eine einheitliche Wahrnehmung?
Ein weiteres schwieriges Problem ist, wie all die einzelnen Verarbeitungsstufen im Gehirn am Ende wieder zueinanderfinden. Wie kann, was die Sensorik auseinandernimmt, die Wahrnehmung wieder zusammensetzen? Wolf Singer und seine Mitarbeiter legten 1989 Belege vor, nach denen diese Bindung unterschiedlichster Reize durch die synchrone Entladung von Nervenzellen im 40-Hertz-Bereich erfolgen kann. Form, Farbe und Duft fänden nach diesem Modell zum Begriff der Rose, wenn alle beteiligten Neurone ihr Schwingungsverhalten abgestimmt haben.
Systemische Theorien des Bewusstseins
Gerald Edelman und Giulio Tononi entwickelten eine systemische Theorie, die besagt, dass sich durch die Hinzuschaltung anderer Cluster für Farbe und Form ein integrierter Prozess entwickelt, der sich beliebig komplex nach oben, in Richtung Bewusstsein, skalieren lässt. Dort entsteht dann die Wahrnehmung einer Rose - und wird dort auch bewusst.
Darwinistische Selektion und Reentry
Wichtig sind zwei weitere Faktoren: Zum einen gibt es eine Art Darwin’sche Selektion zwischen den einzelnen Clustern. Betrachten wir nicht mehr die rote Rose, sondern die gelbe Nelke, hat das Cluster „rot“ keine Chance mehr und fällt aus der Wahrnehmung. Der zweite Faktor löst das Problem, dass Neurone auf einer schnelleren Zeitschiene ticken als unser Bewusstsein. Um aktiv zu bleiben und dauerhaft die Aktivität weit auseinanderliegender Hirnareale zu integrieren, muss die Information wieder und wieder in das System eingespeist werden - ein „Reentry“, der eine Synchronisierung neuronaler Aktivität überhaupt erst erlaubt.
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Neuronale Korrelate des Bewusstseins (NCC)
Francis Crick und Christof Koch suchten praktisch nach den neuronalen Korrelaten des Bewusstseins (NCC). Bezogen auf die Rose bedeutet das: Wenn wir sie betrachten, sind bestimmte Neurone in unserem Gehirn aktiv und ermöglichen es, dass uns die Rose bewusst werden kann. Crick vermutete als tatsächlichen Sitz des Bewusstseins das Claustrum, ein flaches Blatt von Neuronen zwischen den Basalganglien und dem Cortex.
Der globale Arbeitsraum des Bewusstseins
Bernhard Baars verfolgt die Idee eines „global workspace“, an dem zu finden ist, was im Geist aktuell aktiv ist und subjektiv erlebt wird. Zur Rose in unserer Hand finden sich dort vielleicht die Warnung vor Dornen und die Hoffnung auf eine Vase, auf jeden Fall aber das, was es so braucht, um der dazugehörigen zwischenmenschlichen Situation gerecht zu werden.
Computermodelle des globalen Arbeitsraums
Stanislas Dehaene, Jean-Pierre Changeux und Kollegen haben den global workspace im neuronalen Kontext lange Jahre untersucht und 2006 ein dreistufiges Computermodell entwickelt. Auf diese Weise versucht das Dehaene-Changeux-Modell, höhere kognitive Funktionen und eben auch das Bewusstsein zu reproduzieren.
Kritik und Ausblick
Die Bewusstseinsforschung mit neurowissenschaftlichen Methoden ist ein beliebtes Ziel für Kritik. Zu beschränkt sei die Hirnforschung bei der Suche nach dem Bewusstsein, nicht nur in ihren Methoden, sondern auch in ihren konzeptionellen Ansätzen. Bislang sind die Neurowissenschaftler auf der Suche nach dem Bewusstsein im Gehirn nicht wirklich weit gekommen.
Die Verbindung von Körper und Geist: Das Somato-Cognitive Action Network (SCAN)
Eine aktuelle Studie eines US-amerikanischen Forschungsteams liefert einen möglichen Erklärungsansatz für die Verbindung von Körper und Geist. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben ein bisher unbekanntes System in dem Bereich der Hirnrinde entdeckt, der für die Steuerung von Bewegungen zuständig ist. Dieses neu entdeckte System, das SCAN (Somato-Cognitive Action Network) genannt wird, scheint abstrakte Pläne, Gedanken und Motivation mit tatsächlichen Bewegungen und unserer Physiologie zu verbinden.
Implikationen der SCAN-Entdeckung
Die Entdeckung des SCAN könnte eine Erklärung dafür liefern, warum unser Puls steigt, wenn wir nur an eine schwierige Aufgabe denken, oder warum bestimmte Atemübungen helfen, nicht nur den Körper, sondern auch den Geist zu beruhigen.
Das Gehirn im Spiegel der Wissenschaften
Hirnforscher sehen sich von der Öffentlichkeit mit hohen Erwartungen und ebenso großen Sorgen konfrontiert. Hirnscans machen die Arbeit unseres Denkorgans sichtbar. Wir beobachten, welche Areale bei bestimmten Reizen und Emotionen aktiv sind. Doch wissen wir auch, wo das beheimatet ist, was wir "Geist" nennen? Was ist das überhaupt, dieser Geist, und finden wir ihn tatsächlich unter der Schädeldecke oder vielleicht anderswo?
Die Grenzen der Hirnforschung
Noch ist die räumliche Darstellung der Hirnscans zu grob, außerdem haben wir den "Code" der Hirnerregungen längst noch nicht geknackt. Erst allmählich eröffnen uns innovative Analysen Connectomics - genauere Einblicke in die Netzwerke des Gehirns. Außerdem sind unsere Gehirne so verschieden wie die individuellen Erfahrungen. Hinzukommt, dass Denken, Handeln und Selbsterleben nicht ausschließlich im Gehirn entstehen.
Der erweiterte Geist und die Bedeutung sozialer Interaktion
Der "Geist" hat seinen Sitz nicht an einem neuronalen Ort, sondern bildet sich dort, wo Menschen miteinander kommunizieren und handeln. Ein neuer Ansatz, die These des erweiterten Geistes (TEG) geht sogar davon aus, dass sich der Geist über die soziale Umwelt, also unsere Mitmenschen, und auf semantisch aufgeladene, erinnerungsträchtige Gegenstände erstreckt.
Körper und Geist als untrennbare Einheit
Immer mehr aktuelle Forschungen stützen die Annahme, dass eine Trennung von Leib und Seele unsinnig ist. Nachdem sich die Psychologie in den letzten Jahrzehnten vermehrt dem Thema des Emotionalen zuwandte, förderte sie vielfältige Wechselwirkungen mit Kognition und Körperbewegungen zutage.
Virtuelle Realität und verändertes Körpererleben
Virtuelle Tricks erzeugen sogar die Illusion, sich in einem fremden Körper zu befinden. Der Effekt stellt sich immer dann ein, wenn die Versuchsperson einen Körper sieht, der synchron mit dem eigenen stimuliert wird. Bekannt ist auch die Gummihand-Illusion, bei der die Probandinnen und Probanden eine Attrappe für die eigene Hand halten.
Ethische Fragen und mentale Integrität
Wenn wir eines Tages einer ausgereiften Technik gegenüberstehen, werden wir um ethische Fragen nicht herumkommen. Die mentale Integrität ist in der EU-Grundrechtecharta festgeschrieben. Kriminalität sei als soziales Konstrukt nicht im Gehirn erkennbar, ebenso wenig wie Intentionen und Motive.
Das Human Brain Project und die Suche nach dem Bewusstseinszentrum
Das Human Brain Project ist ein Forschungsprojekt der Europäischen Kommission, an dem über 80 wissenschaftliche Einrichtungen aus verschiedenen Ländern über einen Zeitraum von zehn Jahren zusammenarbeiten. Eines der Themen, zu der die Forscher neue Untersuchungsergebnisse ausgetauscht und diskutiert haben, war die Frage, welche Bereiche im Gehirn genauer identifiziert werden können, Bereiche, die wichtig sind, damit visuelles Bewusstsein entstehen kann.
Abkehr vom Konzept eines einzigen Bewusstseinszentrums
Man ist eigentlich abgerückt von der Vorstellung, dass es ein einziges Gebiet gibt, und das hat sich in dem Workshop auch sehr schön gezeigt, dass eigentlich kein neues Forschungsergebnis mehr dabei war, in dem gesagt oder propagiert worden ist, es gibt einen Bereich im Gehirn, den man als Bewusstseinszentrum etikettieren kann.
Aufmerksamkeit und Bewusstsein: Zwei unterschiedliche Leistungen
Ein anderes Thema des Workshops war der Zusammenhang von Aufmerksamkeit und Bewusstsein. Es zeigt sich hier, dass das Bewusstsein selbst nicht betroffen und deshalb von Aufmerksamkeit zu unterscheiden ist. Beeinträchtigungen wie die Aufmerksamkeitsstörung verweisen darauf, in welch grundsätzlicher Weise das Gehirn unsere Weltwahrnehmung formt, auch das, was wir ganz selbstverständlich für unser Selbst und seine körperlichen Grenzen halten.
Der Ego-Tunnel und die Konstruktion der Realität
Der Philosoph Thomas Metzinger vertritt eine neurologische Variante des philosophischen Konstruktivismus, der unserer Alltagserfahrung widerspricht. Er hat dazu in seinem Buch "Der Ego-Tunnel" das berühmte Gummihand-Experiment amerikanischer Wissenschaftler als Beweis angeführt. Metzinger beschreibt das Bewusstsein als eine Innenwelt im Gehirn, die wir jedoch nicht so erleben.
Grenzerfahrungen und die Abspaltung des Körper-Ich
Es gibt die Schilderungen von Menschen, die solche Grenzerfahrungen durchlebt haben, sie berichten, wie sie unmittelbar nach einem Unfall, bei extremen Verletzungen, oder bei schweren Misshandlungen, wie zum Beispiel einer Vergewaltigung gleichsam aus ihrem Körper heraustreten, also dieses gequälte Körper-Ich abspalten und die Szene von außen betrachten. Es handelt sich um eine Abwehrmaßnahme, ein Schutzmanöver - aber wem ist es zuzurechnen? Handelt es sich um eine Leistung der Psyche oder ist es ein neurologisches Muster, das wirksam wird?
Hirnaktivitäten und hormonelle Veränderungen
Allerdings lassen sich bestimmte Hirnaktivitäten und hormonelle Veränderungen nicht eins zu eins mit psychischen Verfassungen gleichsetzen. Selbst wenn wir dort ein klares Bild hätten, das beispielsweise dieses oder jenes Muster in der Bildgebung unmittelbar mit der Depression in Beziehung gebracht werden kann, haben wir nichts gewonnen, denn das jemand in seiner Struktur, in der Anatomie des Gehirns Spuren zeigt, wenn er an einer Depression erkrankt, das ist ja zu erwarten, - die Frage ist nur, was ist die Ursache dieser Vorgänge?
Soziale Erfahrungen und der Determinismus des Gehirns
Gerhard Roth kommt zu einer allgemeinen anthropologischen Auffassung: Hinter dem Gehirn waltet demnach ein sozialer Determinismus, der sich buchstäblich ins Gehirn, in die neuronalen Strukturen und Prozesse eingraviert hat und den Menschen weitgehend bestimmt. Deshalb hat Gerhard Roth, und viele Neurologen folgen ihm darin, gegen die philosophische Vorstellung von der Freiheit des menschlichen Willens polemisiert.
Gegenpositionen und die Rückwirkung des Geistes auf das Gehirn
Dieter Sturma bezieht eine Gegenposition, wobei er sich allerdings von der idealistischen Philosophie distanziert. In diesem Sinne ist menschlicher Geist mehr als ein neuronales Gewitter. Nachdenken und Reflexion sind mehr als bloße Reflexe, sie vermögen in Grenzen auf jene neuronalen Strukturen zurückzuwirken, die sie tragen.
Annäherung von Neurowissenschaft und Philosophie
Neurowissenschaftliche und philosophische Positionen bewegen sich aufeinander zu. Nach jahrelanger Polemik steuert man heute einen Annäherungskurs: Der Mensch ist nicht so frei, wie eine rationalistische Philosophie proklamierte, er ist aber auch keine bloße Marionette seiner neuronalen Strukturen, wie die Hirnforschung medienwirksam pointierte.
Dualismus vs. Monismus: Eine zeitgenössische Perspektive
Prof. Dr. med. Dr. phil. Henrik Walter beschreibt die Unterscheidung zwischen Gehirn und Psyche wie folgt: Das Gehirn ist ein physisches Organ und die Psyche die Summe aller bewussten und unbewussten geistigen Aktivitäten. Das Gehirn ist also ein materielles „Ding“, ein Objekt, die Psyche etwas Prozesshaftes. Beide hängen eng miteinander zusammen.
Die dualistische Sichtweise
Die erste - dualistische - Sichtweise versteht Gehirn und Geist als etwas grundlegend Verschiedenes. Das entspricht dem intuitiven Alltagsverständnis. Dem Dualismus zufolge ist sie mit dem Gehirn zwar verbunden und beeinflusst es, aber davon verschieden und kann im Prinzip vom Gehirn getrennt existieren. Dies entspricht dem traditionellen Konzept einer Seele.
Die monistische Sichtweise
Die zweite Sichtweise, die in wissenschaftlichen Kreisen vorherrscht, betrachtet Gehirn und Geist dagegen nicht als getrennt, sondern als untrennbare Einheit: Der Geist ist eine Funktion des Gehirns, so ähnlich wie Verdauung eine Funktion des Magen-Darm-Traktes ist. Das würde bedeuten, dass geistige Funktionen mit bestimmten Funktionen des Gehirns identisch sind.
Kernmerkmale des Geistigen: Bewusstsein und Intentionalität
Die interessanten Fragen in zeitgenössischen Diskussionen drehen sich jedoch um die Frage, was denn die Kernmerkmale („mark of the mental“) des Geistigen, Psychischen, Mentalen sind, die es als solches auszeichnen. Und wie diese im oder mit dem Gehirn realisiert werden können. Philosophen nennen in der Regel zwei zentrale Merkmale: Bewusstsein bzw. subjektives Erleben einerseits und Bedeutungshaftigkeit („Intentionalität“) andererseits. Mit Intentionalität ist gemeint, dass das, was wir denken, sich auf etwas bezieht.
Externalismus und die Interaktion von Gehirn, Körper und Umwelt
Bedeutung erlangen Hirn- und damit psychische Zustände nur dadurch, dass die Prozesse, durch die wir Bedeutung generieren, nur dann funktionieren, wenn das Gehirn in einem Organismus beheimatet ist. Dessen Körper also mit der Umwelt interagiert. Diese Auffassung wird Externalismus genannt. Bedeutung entsteht also nicht allein durch die feuernden Neuronen, sondern dadurch, dass diese Neuronen über den Körper in Interaktion mit der Umwelt sind.
Die Psyche als Wechselwirkung von Gehirn, Körper und Umwelt
Wenn das stimmt, dann ist ein wesentliches Merkmal des Psychischen nicht zu erklären ohne die Interaktion von verkörpertem Gehirn und Umwelt. Daraus folgt, dass ohne diese Wechselwirkung nichts von Bedeutung für die Psyche existieren kann. Deswegen kann die Psyche nicht nur das Gehirn sein, auch wenn sie ohne Gehirn nicht sein kann.
Die Grenzen der Erkenntnis: Ignoramus et ignorabimus
Die Geschichte der Hirnforschung ist reich an Metaphern, mit denen sie sich ihren Gegenstand zu erklären sucht. Der Erfinder der Elektrophysiologie Emil Du Bois-Reymond spricht in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von einem „Welträtsel“. Seine berühmten Worte lauten: "Ignoramus et ignorabimus." (Wir wissen es nicht und wir werden es nicht wissen.)
Die kulturelle Kontamination des Gehirns
Die Hirnforschung hat eine besondere Verpflichtung, besonders vorsichtig und besonders zurückhaltend zu sein. Die Frage von Geist und Gehirn ist inzwischen abgelöst worden durch die Frage: Können wir Gedanken lesen?
Bewusstsein - Selbst - Ich: Eine interdisziplinäre Perspektive
Hirnforscher, Philosophen und Psychologen diskutierten die neuesten Erkenntnisse zum Thema "Bewusstsein - Selbst - Ich". Es ging darum, wie aus der sumpfigen, grauen Materie des Gehirns eine farbige Welt des subjektiven Erlebens entstehen kann. Wie sich Körper und Geist zueinander verhalten. Es ging letztlich um das, was in der Philosophie "Seele", "Subjektivität", "Ich" oder auch "Selbst" genannt wird.
Dualismus vs. Monismus: Eine philosophische Perspektive
Die Frage, in welchem Verhältnis Körper und Geist zueinanderstehen, beschäftigt die Philosophie schon seit ihren Anfängen. Und lange war man der Meinung, dass es neben der körperlichen Welt auch eine davon getrennte Welt des Geistes geben müsse.
Die Seele im Wandel der Zeit
Die Antworten auf die Frage sind im Laufe der Geschichte der Philosophie unterschiedlich. Zunächst einmal hat die Antike vor allem gesagt, ja es gibt eine Seele, für die Antike war aber das das, was Leben gibt. Dieses Seelenverständnis hat sich in der frühen Neuzeit verändert insbesondere durch Descartes. Er hat dezidiert gesagt, dass man keine Seele annehmen muss. Und er war andererseits auch der Auffassung, dass es eine Seele gibt, aber die ist bei ihm nur noch für das Denken zuständig: Cogitatio."
Das Leib-Seele-Problem
Heute ist für die meisten Philosophen klar: Alles Bewusstsein ist an Materie gebunden. Eine Seele, die den Körper überdauert, gehört in den Bereich des Glaubens, nicht des Wissens. Und dennoch ist das zugrunde liegende Problem immer noch nicht gelöst. Denn wie kann Materie anfangen zu fühlen, zu denken, zu urteilen?
Die Unzugänglichkeit des subjektiven Erlebens
Alle Wahrnehmung, alles Denken, alles Urteilen findet seinen Ausgangspunkt im Gehirn. Aber, so eng Gehirn und Bewusstsein auch miteinander verknüpft sind, so unterschiedlich sind doch die Zugänge zu beiden. Denn während das Gehirn, jene 1,5 kg Materie bestehend aus Fett, Proteinen und Wasser mit naturwissenschaftlichen Methoden erforschbar ist, widersetzt sich das Bewusstsein gerade solcher Objektivierung. Was ich denke, wahrnehme, fühle, weiß nur ich. Empfindungen wie Glück, Schmerz, Leid, Stolz oder Kränkung sind hochsubjektive Empfindungen, von denen man nicht sagen kann, ob ein anderer sie ebenso empfindet. Ich kann nicht einmal mit Bestimmtheit sagen, ob ein anderer Mensch überhaupt Glück oder Schmerz empfindet - oder ob er vielleicht nur so tut.
Die qualitative Lücke
Es gibt eine Mehrheitsgruppe unter den Philosophen, die sagen, dass diese qualitativen Erlebnisse etwas völlig Eigenartiges sind. Also die sind ontologisch getrennt von allem, was wir in unserem Gehirn vorfinden. Wenn wir diese Auffassung haben, dann lässt sich die Lücke nicht schließen.
Neuronale Korrelate und die Komplexität des Gehirns
Jedem Bewusstseinszustand, so wiederum Christof Koch, müsse ein "neuronales Korrelat" entsprechen, dessen "Fußspuren" es zu entdecken gelte. Doch wo diese neuronalen Korrelate zu lokalisieren seien, dies sei bislang noch kaum entdeckt. Kein Wunder allerdings, denn angesichts der Komplexität des Gehirns erscheint die Suche nach einer Stecknadel im Heuhaufen geradezu als Kinderspiel.