Der Unterschied zwischen Geist, Gehirn und Maschine

Das Verhältnis zwischen Geist, Gehirn und Maschine ist ein komplexes und viel diskutiertes Thema, das Wissenschaftler und Philosophen seit Jahrhunderten beschäftigt. Die Frage, was den Menschen von Maschinen unterscheidet und wie Bewusstsein entsteht, steht dabei im Mittelpunkt. Die Forschungsmagazin „Ruperto Carola“ widmete seine Ausgabe Nr. 60/2020 diesem Thema.

Geist und Gehirn: Ein philosophisches Spannungsfeld

Die Frage, was der „Geist“ mit dem Körper zu tun hat und wie das Bewusstsein in unserem Körper arbeitet, beschäftigt Philosophen schon lange. René Descartes (1596-1650) vermutete den Sitz von „Lebensgeistern“ in der Zirbeldrüse, die als Mittler zwischen Körperlichem und Geistigem fungieren sollten. Diesem Dualismus, der Mentales und Physisches als grundsätzlich verschieden ansieht, steht der Materialismus entgegen, der im Geist kein „inneres Licht“ sieht, sondern menschliches Verhalten auf neurokybernetisch-physikalische Erklärungsschemata zurückführen will.

Beide Positionen haben ihre Probleme: Der Dualismus muss mystische Wechselwirkungen zwischen physikalischer und geistiger Welt postulieren, während der Materialismus kaum erklären kann, warum wir als physikalisch funktionierende Maschinen überhaupt den Eindruck haben, etwas bewusst zu erleben.

Der Philosoph Holm Tetens plädiert für einen pragmatischen Ansatz. Er argumentiert, dass alltagspsychologische Beschreibungen und neurokybernetische Modellierungen in ihren Erklärungsgrenzen weitestgehend übereinstimmen, wobei letztere ohne die These bewussten Erlebens auskommen. Damit wird die externe Zuschreibung von Bewusstsein - sei es zu anderen Menschen, Tieren oder Maschinen - beliebig.

Die Maschine: Mehr als nur Software

Die Analogie zwischen dem Geist und der Software eines Computers ist weit verbreitet, aber irreführend. Software spezifiziert eine Methode für die Durchführung von Berechnungen, während der Geist nicht nur in der Lage ist, etwas zu tun, sondern auch zu sein. Er ist eine Maschine des Handelns und Seins, des Denkens und Fühlens.

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Software lässt sich von einem Computer auf einen anderen übertragen, ein Geist kann nur in einem Gehirn funktionieren. Software ist die präzise Spezifikation von Algorithmen, der Geist lässt sich nicht spezifizieren oder beschreiben. Ein Computer kann viele unterschiedliche Anwendungen ausführen, ein Gehirn ist nur mit einem Geist verbunden.

Der Geist ist durch Denken und Fühlen definiert, die in beträchtlicher Weise voneinander unabhängig sind. Denken ist immer „absichtlich“, bezieht sich also auf etwas, während Gefühl immer auf dem Körper basiert. Wir können das gesamte Universum der mentalen Zustände abbilden, indem wir uns ein Denken-Fühlen-Koordinatensystem vorstellen.

Bewusstsein: Der entscheidende Unterschied

Der Unterschied zwischen Mensch und Maschine liegt im Bewusstsein - der Fähigkeit, sich selbst wahrzunehmen, emotional auf Reize der Umgebung zu reagieren, Sprache zu verarbeiten und sich an die Vergangenheit zu erinnern.

Markus Gabriel, ein Philosoph, argumentiert, dass man das Gehirn nicht nachbauen und Computern kein Bewusstsein verschaffen kann. Jean Searle veranschaulichte diese Überzeugung mit dem Gedankenexperiment des »chinesischen Zimmers«, das die Schwierigkeiten bei der Erforschung des menschlichen Geistes offenlegt: dessen subjektiver Charakter.

Hirnforschung: Metaphern und neue Erkenntnisse

Die Hirnforschung hat durch die Errungenschaften der Regeltheorie (Kybernetik), der Informationstheorie und der Computertechnologie eine neue Perspektive gewonnen. Die Analogie von Computer und Gehirn wurde durch die detaillierte Erforschung der Hirnstruktur und die Erkenntnis ermöglicht, dass das Nervensystem aus prinzipiell gleichartigen Grundelementen aufgebaut ist, den Neuronen.

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Die Geschichte der Hirnforschung ist reich an Metaphern, mit denen sie sich ihren Gegenstand zu erklären sucht. Im 19. Jahrhundert sprach Emil Du Bois-Reymond von einem „Einstein des Gehirns“. Die Hirnforschung kann viel leisten, wenn das Gehirn nicht als Sonderorgan behandelt wird, aber sie stößt an ihre Grenzen, wenn es um die inneren Prozesse geht, wie Gefühle entstehen.

Lokalisationstheorie und ihre Schattenseiten

Die Lokalisationstheorie, die besagt, dass bestimmte Hirnareale für spezifische Funktionen zuständig sind, hat die Hirnforschung maßgeblich beeinflusst. Paul Broca entdeckte beispielsweise das Sprachzentrum im Gehirn. Allerdings wurde diese Theorie auch für ideologische Zwecke missbraucht, um Hierarchien zwischen Menschen zu rechtfertigen.

Neue Metaphern: Telegraf und Computer

Im 19. Jahrhundert wurde das Hirn mit einer Telegrafenstation verglichen, wobei die Nerven als elektrische Bahnen fungierten. Im 20. Jahrhundert löste der Computer den Telegrafen als Leit-Technologie ab.

Die Möglichkeiten der Gehirnstimulation

Die moderne Gehirnforschung hat neue Möglichkeiten der Gehirnstimulation entdeckt. Externe Reize können das Gehirn beeinflussen und verändern. Michael Hutchinson beschreibt in seinem Buch „Megabrain“ eine Vielzahl von Techniken und Geräten, mit denen das Gehirn stimuliert werden kann.

Biofeedback und Geistesmaschinen

Mit Biofeedback-Apparaten ist es möglich, geistige Zustände zu beobachten, sie sich bewusst zu machen und zu lernen, sie zu verändern. „Geistesmaschinen“ stimulieren die Gehirnwellen mit feinelektrischen, akustischen und optischen Reizen und ermöglichen es, Dominanzen einer gewünschten Hirn-Frequenz zu erzeugen.

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Endorphine und Intelligenz

Die Stimulation durch Geistesmaschinen regt die Produktion von Endorphinen an, die einen Verstärkungseffekt für die Lern- und Gedächtnisfunktion haben. Endorphine belohnen Verhalten, das zum Überleben der Gattung beiträgt, und da Überleben heute zunehmende Intelligenz erfordert, werden Lernen und Intelligenzwachstum belohnt.

Vorsicht ist geboten

Wie bei jeder neuen Technologie ist auch bei der Gehirnstimulation Vorsicht geboten. Die Manipulation des Gehirns muss bewusst und gerichtet erfolgen, um eine Bewusstseinsbeeinflussung im Orwellschen Sinne zu vermeiden.

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