Ist Epilepsie bei Kindern heilbar? Ein umfassender Überblick

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte epileptische Anfälle gekennzeichnet ist. Sie tritt bei etwa 1 von 200 Kindern in Deutschland auf und kann für Eltern zunächst ein Schock sein. Doch viele Epilepsieformen sind gut behandelbar und verschwinden manchmal sogar vollständig. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über Epilepsie bei Kindern, von den verschiedenen Formen und Ursachen bis hin zu Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten.

Was ist Epilepsie?

Epilepsie ist ein Sammelbegriff für verschiedene Funktionsstörungen im Gehirn, die sich durch epileptische Anfälle äußern. Diese Anfälle entstehen durch plötzliche, synchrone Entladungen von Nervenzellen im Gehirn, was zu vorübergehenden Störungen der Hirnfunktion führt. Die Anfälle können sich sehr unterschiedlich äußern, von kurzen Zuckungen einzelner Muskeln bis hin zuGeneralisierten Anfällen mit Bewusstlosigkeit und Krämpfen des ganzen Körpers.

Formen der Epilepsie im Kindesalter

Viele Epilepsieformen treten bereits in der Kindheit auf. Einige halten bis ins Erwachsenenalter an, während andere wieder verschwinden. Es gibt auch spezielle Epilepsiearten, die ausschließlich im Kindes- und Jugendalter auftreten. Zu den häufigsten Epilepsieformen im Kindesalter gehören:

  • Rolando-Epilepsie: Dies ist eine häufige Form der Epilepsie bei Kindern, die meist zwischen dem fünften und achten Lebensjahr auftritt und um den Beginn der Pubertät wieder verschwindet. Die Anfälle treten vor allem im Schlaf auf und äußern sich durch Zuckungen im Gesicht, Sprechstörungen und Schluckbeschwerden. Oft ist keine Behandlung notwendig, da die Anfälle meist mild verlaufen.
  • Absence-Epilepsie: Diese Form der Epilepsie äußert sich durch kurze Bewusstseinsstörungen (Absencen), bei denen das Kind für wenige Sekunden abwesend ist, einen starren Blick hat und nicht auf Ansprache reagiert. Zusätzlich kann es mit den Lidern zucken, die Augen verdrehen oder den Kopf nach hinten legen. Solche Absencen können bis zu hundert Mal am Tag auftreten.
  • Juvenile myoklonische Epilepsie: Diese Form der Epilepsie beginnt in der Pubertät und äußert sich durch Muskelzuckungen (Myoklonien), die vor allem morgens nach dem Aufwachen auftreten. Manchmal knicken auch die Beine ein.
  • West-Syndrom: Dies ist eine schwere Epilepsieform, die fast immer im Säuglingsalter beginnt. Während eines Anfalls beugt und streckt sich der ganze Körper des Kindes, die Nacken-, Hals- und Rumpfmuskulatur verkrampft ruckartig. Die Anfälle treten ebenfalls meist kurz nach dem Aufwachen oder beim Einschlafen auf.
  • Fieberkrämpfe: Fieberkrämpfe treten bei Kindern im Alter zwischen 6 Monaten und 5 Jahren im Rahmen eines fieberhaften Infektes auf. Sie sind in den meisten Fällen harmlos und bedeuten nicht, dass das Kind eine Epilepsie hat.

Ursachen von Epilepsie bei Kindern

Die Ursachen für Epilepsie bei Kindern sind vielfältig. In vielen Fällen kann die Ursache jedoch nicht eindeutig geklärt werden. Mögliche Ursachen sind:

  • Angeborene Hirnschäden oder Stoffwechselstörungen: Diese sind häufig die Ursache für epileptische Anfälle bei Kindern in den ersten Lebensjahren.
  • Infektionen und Erkrankungen des Nervensystems: Meningitis oder Enzephalitis können im späteren Kindesalter zu Epilepsie führen.
  • Kopfverletzungen: Ein Schädel-Hirn-Trauma kann ebenfalls eine Epilepsie auslösen.
  • Hirntumore: In seltenen Fällen ist ein Hirntumor die Ursache für epileptische Anfälle.
  • Erbliche Faktoren: Die Neigung zu epileptischen Anfällen kann vererbt werden. Es gibt auch genetische Erkrankungen, die mit Epilepsie einhergehen, wie z.B. das Landau-Kleffner-Syndrom oder die Trisomie 21.

Diagnose von Epilepsie bei Kindern

Die Diagnose von Epilepsie basiert auf derAnamnese, der Beschreibung der Anfälle durch die Eltern oder andere Beobachter und den Ergebnissen verschiedener Untersuchungen. Zu den wichtigsten diagnostischen Maßnahmen gehören:

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  • Anamnese: Der Arzt wird детально nach der Art der Anfälle, dem Alter des Kindes beim ersten Anfall, Vorerkrankungen und möglichen Auslösern fragen. Auch Informationen über epileptische Erkrankungen in der Familie sind wichtig.
  • Neurologische Untersuchung: Bei der neurologischen Untersuchung werden die Reflexe, die Muskelkraft und die Koordination des Kindes überprüft.
  • Elektroenzephalografie (EEG): Das EEG ist die wichtigste Untersuchung zur Diagnose von Epilepsie. Dabei werden Elektroden auf der Kopfhaut befestigt, um die elektrische Aktivität des Gehirns zu messen. Bei vielen Kindern mit Epilepsie zeigen sich im EEG epilepsietypische Muster. Die Aussagekraft des EEGs kann durch Schlafentzug oder Provokationsmethoden wie Flackerlicht erhöht werden.
  • Magnetresonanztomografie (MRT): Eine MRT des Gehirns wird durchgeführt, um strukturelle Veränderungen oder Verletzungen des Gehirns auszuschließen, die die Ursache für die Anfälle sein könnten.
  • Blutuntersuchung: Eine Blutuntersuchung kann Hinweise auf Stoffwechselstörungen oder andere Erkrankungen liefern, die mit Epilepsie einhergehen können.

Behandlung von Epilepsie bei Kindern

Ziel der Behandlung von Epilepsie ist es, Anfallsfreiheit zu erreichen und dem Kind ein normales Leben zu ermöglichen. Die Behandlungsmöglichkeiten umfassen:

  • Medikamente (Antiepileptika): Die medikamentöse Therapie ist die häufigste Behandlungsmethode bei Epilepsie. Es gibt verschiedene Antiepileptika, die individuell auf die Art der Epilepsie und die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt werden. Viele Kinder können durch die Einnahme von Antiepileptika anfallsfrei werden. Einige Antiepileptika können Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Schwindel, Konzentrationsschwäche und Lernschwierigkeiten haben.
  • Ketogene Diät: Bei bestimmten Epilepsieformen, insbesondere bei solchen, die schwer auf Medikamente ansprechen, kann eine ketogene Diät hilfreich sein. Diese Diät ist sehr fettreich und kohlenhydratarm, wodurch der Stoffwechsel des Körpers auf Fettverbrennung umgestellt wird. Dies kann die Anfallshäufigkeit reduzieren. Die ketogene Diät ist jedoch anspruchsvoll und erfordert eine sorgfältige Planung und Überwachung durch einen Arzt und einen Ernährungsberater.
  • Epilepsiechirurgie: Wenn die Anfälle trotz medikamentöser Behandlung nicht kontrolliert werden können und von einem bestimmten Bereich des Gehirns ausgehen (fokale Epilepsie), kann eine Operation in Erwägung gezogen werden. Dabei wird der Bereich des Gehirns, der die Anfälle auslöst, entfernt oder stillgelegt. Die Epilepsiechirurgie ist ein komplexer Eingriff, der sorgfältig geplant und von einem erfahrenen Team durchgeführt werden muss.
  • Vagusnervstimulation (VNS): Bei der Vagusnervstimulation wird ein kleines Gerät unter die Haut im Brustbereich implantiert, das elektrische Impulse an den Vagusnerv im Hals sendet. Diese Impulse können die Anfallshäufigkeit reduzieren. Die VNS ist eine alternative Behandlungsmethode für Kinder, bei denen Medikamente nicht ausreichend wirken oder eine Operation nicht möglich ist.
  • Verhaltensmaßnahmen: Ein geregelter Lebensrhythmus mit ausreichend Schlaf, der Verzicht auf Alkohol und die Vermeidung von bekannten Auslösern wie Flackerlicht können helfen, Anfälle zu vermeiden.

Neue Erkenntnisse: Auditive Stimulation im Schlaf

Ein Forschungsteam der Universität und des Universitätsklinikums Tübingen hat eine interessante Entdeckung im Bereich der Rolando-Epilepsie gemacht. Sie fanden heraus, dass durch im Schlaf vorgespielte kurze Laute die für die Epilepsie charakteristischen Ausschläge in der Hirnaktivität teilweise unterdrückt werden können. Diese Erkenntnisse könnten die Grundlage für zukünftige Forschungen an Therapien für diese Epilepsieform bilden, um Auffälligkeiten in der kognitiven Entwicklung zu beeinflussen. Die Forscher vermuten, dass die leise abgespielten Laute bei den an Rolando-Epilepsie erkrankten Kindern sowohl die Spikefrequenz verminderten als auch die Intensität der darauffolgenden Spikes. In Folge der Laute traten die gewünschten Schlafspindeln im EEG auf, ein Indikator dafür, dass plastische Prozesse im Gehirn ablaufen, die zur Festigung von Gedächtnis-inhalten führen.

Kann Epilepsie bei Kindern geheilt werden?

Ob Epilepsie bei Kindern heilbar ist, hängt von der Form der Epilepsie und der Wirksamkeit der Behandlung ab. Einige Epilepsieformen, wie die Rolando-Epilepsie, verschwinden oft von selbst im Laufe der Zeit. Auch die Absence-Epilepsie kann sich im Erwachsenenalter auswachsen. Bei anderen Epilepsieformen ist eine Heilung nicht möglich, aber die Anfälle können durch Medikamente oder andere Therapien gut kontrolliert werden. In manchen Fällen kann eine Operation die Anfälle vollständig beseitigen.

Leben mit Epilepsie

Epilepsie kann das Leben von Kindern und ihren Familien stark beeinträchtigen. Häufige Anfälle können die körperliche und geistige Entwicklung beeinträchtigen, zu Konzentrationsstörungen, Lernschwierigkeiten und Verhaltensproblemen führen. Viele Kinder schämen sich wegen ihrer Anfälle und haben Angst vor dem nächsten Anfall. Es ist wichtig, dass Kinder mit Epilepsie und ihre Familien eine umfassende Unterstützung erhalten. Dazu gehören:

  • Medizinische Betreuung: Eine regelmäßige Betreuung durch einen erfahrenen Arzt ist wichtig, um die Behandlung anzupassen und Komplikationen zu vermeiden.
  • Psychologische Unterstützung: Eine psychologische Beratung kann Kindern und ihren Familien helfen, mit den Ängsten und Herausforderungen im Zusammenhang mit der Epilepsie umzugehen.
  • Pädagogische Unterstützung: Kinder mit Epilepsie benötigen möglicherweise zusätzliche Unterstützung in der Schule, um ihre Lernschwierigkeiten zu überwinden.
  • Soziale Unterstützung: Der Austausch mit anderen betroffenen Familien in Selbsthilfegruppen kann sehr hilfreich sein.

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