Parkinson als Autoimmunerkrankung: Ein komplexes Zusammenspiel von Genen, Immunsystem und Umwelt

Die Parkinson-Krankheit, früher auch als Schüttellähmung bezeichnet, ist eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen des Nervensystems. Weltweit sind etwa 4,1 Millionen Menschen betroffen, in Deutschland leben mehr als 300.000 Menschen mit Parkinson. Typische Symptome sind verlangsamte Bewegungen (Bradykinese), Muskelsteifigkeit (Rigor), Zittern (Tremor) und eine zunehmend gebeugte Körperhaltung. Die Ursachen für den Verlust von Dopamin-produzierenden Nervenzellen im Gehirn sind komplex und noch nicht vollständig verstanden.

Die Rolle des Immunsystems bei Parkinson

In den letzten Jahren hat sich das Verständnis der Rolle des Immunsystems bei der Pathogenese von Parkinson erweitert. Traditionell wurde Parkinson als eine primär neurologische Erkrankung betrachtet, doch zunehmende Forschungsergebnisse deuten auf eine Beteiligung des Immunsystems hin.

Immunreaktionen im Gehirn von Parkinson-Patienten

Eine verblüffende Beobachtung von Medizinern der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) war, dass im Mittelhirn von Parkinson-Patienten ungewöhnlich viele T-Zellen gefunden wurden. T-Zellen sind Immunzellen, die normalerweise im Gehirn bei Erkrankungen vorkommen, bei denen das Immunsystem das Gehirn angreift. Diese Entdeckung deutete darauf hin, dass das Immunsystem eine aktivere Rolle bei der Parkinson-Krankheit spielen könnte, als bisher angenommen.

Th17-Zellen und neuronale Schädigung

Weitere Untersuchungen der FAU-Forscher in Zusammenarbeit mit der Bewegungsambulanz am Universitätsklinikum Erlangen führten zur Entwicklung einer ungewöhnlichen Zellkultur aus menschlichen Zellen. Hautproben von Parkinson-Patienten und gesunden Testpersonen wurden entnommen und in Stammzellen umgewandelt, die sich zu patienteneigenen Mittelhirnnervenzellen entwickeln konnten. Als diese Zellen mit frischen T-Zellen desselben Patienten in Kontakt gebracht wurden, töteten die Abwehrzellen von Parkinson-Patienten eine große Anzahl ihrer Nervenzellen, während dies bei den gesunden Testpersonen nicht der Fall war.

Insbesondere ein bestimmter Typ von Immunzellen, sogenannte T-Helfer 17 (Th17) Zellen, zeigten eine Reaktion auf Dopamin-produzierende Zellen von Parkinson-Patienten. Eine Immunantwort gegen Zellen gesunder Spender fand hingegen nicht statt. Th17-Zellen sind auch in höheren Mengen bei Menschen mit rheumatoider Arthritis und anderen Autoimmunerkrankungen zu finden. Diese Ergebnisse legen nahe, dass Th17-Zellen eine Rolle bei der Schädigung von Dopamin-produzierenden Neuronen bei Parkinson spielen könnten.

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MHC-1-Moleküle und Antigenpräsentation

Forscher der Columbia University haben gezeigt, dass dopaminerge Neuronen von der Regel abweichen, dass gesunde Neuronen kaum oder gar keine MHC-1-Moleküle exprimieren. MHC-1-Moleküle identifizieren Zellen als körpereigen, präsentieren Antigene und schützen vor immunologischen Angriffen. Die Wissenschaftler stellten fest, dass zwei Gene, PINK1 und Parkin, bei der Antigenpräsentation eine wichtige Rolle spielten. Diese Gene sind in ihrer mutierten Form für erbliche Varianten der Parkinsonkrankheit verantwortlich und erhalten die Funktion von Mitochondrien. Als die Forscher die beiden Gene im Tiermodell ausschalteten, präsentierten MHC-1-Moleküle mitochondriale Antigene auf der Zelloberfläche. Wenn die Zellen zusätzlich inflammatorische Signale erhielten, kam es zu einer Reaktion von T-Killerzellen gegen die dopaminergen Neuronen. Diese Ergebnisse legen nahe, dass die Antigenpräsentation den Untergang der Neurone verstärkt.

Genetische Faktoren und Autoimmunität

Rund 15 Prozent der Parkinson-Fälle sind auf einen genetischen Hintergrund zurückzuführen, wobei am häufigsten Mutationen in den Parkin- und PINK1-Genen auftreten. Die Aufdeckung zellulärer Mechanismen, die durch diese Mutationen verändert werden, ist entscheidend für die Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze.

Ein Mangel an Parkin- oder PINK1-Proteinen, der durch eine Mutation des entsprechenden Gens verursacht wird, führt zu einer Beeinträchtigung der Mitophagie. Diese Dysfunktion auf Mitochondrienebene bewirkt die Freisetzung von mitochondrialer DNA, wodurch Entzündungsreaktionen und ein Anstieg des Interleukin 6-Spiegels im Blut ausgelöst werden. Interessanterweise zeigten heterozygote Mutationen im Vergleich zu gesunden Kontrollen immer noch einen signifikanten Anstieg des Interleukin 6-Spiegels, was darauf hindeutet, dass auch heterozygote Mutationen einen starken Risikofaktor für den Ausbruch der Parkinson-Krankheit darstellen.

Umweltfaktoren und die Darm-Hirn-Achse

Umweltgifte wie Pestizide, genetische Auslöser und sogar das Mikrobiom des Darms scheinen eine Rolle bei der Pathogenese von Parkinson zu spielen. Bei Betroffenen finden sich in der Darmflora vermehrt Bakterien, die Entzündungen verursachen. Zudem haben sie oft eine durchlässigere Darmschleimhaut, was zusätzlich das Risiko für eine Darmentzündung erhöht. Auch das bereits bekannte Alpha-Synuclein, das eine Schlüsselrolle bei der Krankheitsentstehung einnimmt, wurde im Darm und im Nervus vagus (Verbindung zwischen Gehirn und Darm) nachgewiesen. Möglicherweise wird das Protein im Darm durch Toxine und Bakterien gestört. So wird auch verständlich, warum Parkinson-Patientinnen und Patienten häufig unter Verstopfungen leiden.

Die Aszensionshypothese besagt, dass Parkinson zumindest teilweise im Verdauungstrakt beginnt und sich über Nervenbahnen ins Gehirn ausbreitet. Diese Hypothese wurde von schwedischen Forschern bestätigt, die den Zusammenhang zwischen Darm und Gehirn bei Parkinson erforschten. Eine Vagotomie, bei der der Vagusnerv ganz oder teilweise getrennt wird, kann das Parkinson-Risiko senken.

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Medikamente und Parkinson-Syndrome

Es ist wichtig zu beachten, dass Parkinson-Symptome auch durch bestimmte Medikamente oder andere Erkrankungen, wie z. B. Durchblutungsstörungen oder Verletzungen des Gehirns, ausgelöst werden können. Insbesondere Dopamin-Blocker wie Antipsychotika, Mittel gegen Übelkeit (z.B. Metoclopramid) und bestimmte Antihypertensiva können ein Parkinson-Syndrom verursachen. In diesen Fällen klingen die Symptome in der Regel nach dem Absetzen der Medikamente wieder ab.

Therapieansätze und Prävention

Die aktuellen Medikamente lindern nur die Symptome der Parkinson-Krankheit. Es besteht ein dringender Bedarf an neuen Konzepten.

Entzündungshemmende Therapien

Die Erkenntnisse über die Rolle von Entzündungsreaktionen bei Parkinson legen nahe, dass entzündungshemmende Arzneimittel das Potenzial haben, den Verlauf der Krankheit zu lindern, zumindest bei Patienten mit Mutationen im Parkin- oder PINK1-Gen.

Modulation der Darmflora

Da eine gestörte Darmflora eine weitere Ursache der Parkinson-Erkrankung sein könnte, könnten Ansätze zur Modulation der Darmflora, wie z. B. die Einnahme von Probiotika oder eine Ernährungsumstellung, eine präventive oder therapeutische Rolle spielen.

Schutz der Mitochondrien

Da Mitochondrien eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Parkinson spielen, könnten Strategien zum Schutz und zur Stärkung der Mitochondrien, z. B. durch die Förderung der Mitophagie, vielversprechend sein.

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Immuntherapien

Die Erkenntnisse über die Beteiligung des Immunsystems an der Pathogenese von Parkinson eröffnen die Möglichkeit, Immuntherapien zu entwickeln, die gezielt auf die fehlgeleiteten Immunreaktionen abzielen.

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