Vaskuläre Demenz ist nach der Alzheimer-Krankheit die zweithäufigste Demenzerkrankung. Rund 250.000 Menschen in Deutschland leben mit dieser Form der Demenz. Sie entsteht durch Durchblutungsstörungen im Gehirn, die zu einer Schädigung der Hirnzellen führen. Doch ist vaskuläre Demenz heilbar? Dieser Artikel gibt einen umfassenden Überblick über die Ursachen, Symptome, Diagnose, Behandlung und Prävention der vaskulären Demenz.
Was ist vaskuläre Demenz?
Vaskuläre Demenz ist der medizinische Fachbegriff für Demenz-Erkrankungen, die durch Durchblutungsstörungen im Gehirn verursacht werden. Diese Störungen können verschiedene Ursachen haben, wie z.B. Schlaganfälle, Arteriosklerose oder Hirnblutungen. Durch die mangelnde Durchblutung werden die Hirnzellen nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt, was zu einer Beeinträchtigung der kognitiven Funktionen führt.
Primäre und sekundäre Demenzen
Es ist wichtig zu unterscheiden zwischen primären und sekundären Demenzen. Bei einer primären Demenz liegt die Ursache direkt im Gehirn des Betroffenen. Bekannte Erscheinungsformen sind Alzheimer-Demenz, vaskuläre Demenz, Lewy-Körperchen Demenz oder frontotemporale Demenz. Im Gegensatz dazu sind sekundäre Demenzen die Folge anderer Krankheitsbilder, Vergiftungen oder Mangelzustände. Ursachen können Depressionen, Stoffwechselerkrankungen wie Schilddrüsenerkrankungen, Herzinsuffizienz, Vitaminmangel, chronische Vergiftungszustände (z.B. Alkohol) oder Tumore sein.
Ursachen der vaskulären Demenz
Verschiedene Veränderungen der Gefäße und des Herz-Kreislauf-Systems können vaskuläre Demenz zur Folge haben. Zu den häufigsten Ursachen gehören:
- Verengung kleiner Blutgefäße (zerebrale Mikroangiopathie): Dabei werden die hirneigenen Blutgefäße durch Ablagerungen und Wandverdickungen so eng, dass die abhängigen Bereiche des Gehirns nicht mehr genügend Sauerstoff erhalten.
- Blutgerinnsel: Blutgerinnsel aus Halsarterien oder dem Herzen können hirnversorgende Gefäße verstopfen. Durch den plötzlichen Verschluss des zuführenden Gefäßes stirbt das nachgeschaltete Hirngewebe ab (Hirninfarkt). Wenn mehrere kleine Hirninfarkte an verschiedenen Orten auftreten, spricht man von einer Multiinfarkt-Demenz.
- Blutungen im Gehirn: Deutlich seltener wird vaskuläre Demenz durch Blutungen im Gehirn verursacht, in der Regel nach langjährigem Bluthochdruck.
Risikofaktoren
Ein weiterer Risikofaktor ist eine ungesunde Lebensweise. Zu den Hauptrisikofaktoren gehören neben einem höheren Lebensalter Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und Rauchen. Auch Bewegungsmangel, starkes Übergewicht (Adipositas) und bestimmte Herzkrankheiten wie Vorhofflimmern, koronare Herzkrankheit oder Herzschwäche können zur Entwicklung einer vaskulären Demenz beitragen.
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Symptome der vaskulären Demenz
Die Symptome der vaskulären Demenz können sehr unterschiedlich sein, je nachdem, welche Hirnregionen von der Durchblutungsstörung betroffen sind. Anders als bei der Alzheimer-Demenz steht die nachlassende Gedächtnisleistung weniger im Vordergrund. Zu den charakteristischen Symptomen gehören:
- Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörung
- Verlangsamung, zum Beispiel von Denkprozessen
- Vergesslichkeit
- Erschwerte Umsetzung von Alltagsaufgaben (Apraxie)
- Antriebsstörung bis hin zu Teilnahmslosigkeit (Apathie)
- Rasche geistige und körperliche Erschöpfung
- Sprachstörung
- Eingeschränkte Handlungsfähigkeit
- Veränderungen der Stimmung sowie Stimmungsschwankungen
- Wesensänderung
Häufig treten zusätzlich folgende körperliche Symptome auf:
- Gangstörungen
- Verlust der Kontrolle über die Blase, zum Beispiel verstärkter Harndrang oder Inkontinenz (Miktionsstörung)
- Probleme beim Schlucken und Sprechen (Pseudobulbärparese)
- Grundloses Lachen und Weinen
- Schwindelgefühl
- Neurologische Störungen, zum Beispiel eine Halbseitenlähmung nach Schlaganfall
Bei größeren Hirnregionen, die von einer plötzlichen Minderdurchblutung betroffen sind, kann es zu Schlaganfallsymptomen wie Lähmungen, Taubheitsgefühlen und Sehstörungen kommen.
Verlauf der vaskulären Demenz
Der Verlauf der vaskulären Demenz ist sehr unterschiedlich und hängt vom Ausmaß der Durchblutungsstörung und vom betroffenen Bereich des Gehirns ab. Liegt eine Durchblutungsstörung der kleinen Hirngefäße vor (Mikroangiopathie), nimmt die geistige Leistungsfähigkeit immer weiter ab. Wenn einzelne Hirninfarkte die vaskuläre Demenz verursachen, kann diese manchmal auf einem bestimmten Stand stehen bleiben und sich auch leicht bessern. Treten wiederholt Schlaganfälle auf, kann sich der Gesundheitszustand schrittweise verschlechtern. Aufgrund von gleichzeitig bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben Menschen mit vaskulärer Demenz oft früher als Menschen mit Alzheimer-Demenz.
Diagnose der vaskulären Demenz
Um bei einem Verdacht auf eine Demenz-Erkrankung eine möglichst genaue Diagnose zu stellen, setzen Ärztinnen und Ärzte unterschiedliche Methoden ein. Am Anfang der Diagnostik steht das ärztliche Gespräch über die persönliche Krankengeschichte. Besonders wichtig sind dabei frühere oder aktuelle Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen der Hirngefäße, Bluthochdruck und Diabetes. Die Ärztin oder der Arzt erkundigt sich nach Beschwerden und Problemen im Alltag, nach Stimmungsschwankungen sowie nach den Lebensumständen.
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Neuropsychologische Tests
Mithilfe von neuropsychologischen Tests lässt sich herausfinden, welche Gehirnleistungen betroffen sind und wie stark zum Beispiel das Gedächtnis oder das Konzentrationsvermögen beeinträchtigt sind. Die jeweilige Leistungsfähigkeit kann in Zahlenwerten gemessen werden. Die Ärztin oder der Arzt vergleicht diese dann mit Durchschnittswerten der Bevölkerung. Bei einer vaskulären Demenz ist typischerweise eine Schwäche in den Bereichen „Aufmerksamkeit“ oder „Sprache“ und weniger bei den Gedächtnisfunktionen festzustellen.
Bildgebende Verfahren
Außerdem wird das Gehirn mit bildgebenden Verfahren untersucht, um digitale Schnittbilder des Gehirns zu erstellen. Das ermöglicht, chronische Durchblutungsstörungen und frühere Hirninfarkte oder Hirnblutungen nachzuweisen. Hierfür kommen die Computertomographie (CT) und die Magnetresonanztomographie (MRT) zum Einsatz. Ultraschall-Untersuchungen der Halsgefäße und spezielle CT- und MRT-Aufnahmen der Hirnschlagadern dienen dazu, Verengungen zu erkennen, die Durchblutungsstörungen im Gehirn verursachen können.
Untersuchung der Herz-Kreislauf-Funktionen
Zusätzlich nimmt die Ärztin oder der Arzt Blut ab und misst den Blutdruck, um mögliche Risiko-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes oder erhöhte Cholesterinwerte zu erkennen. Außerdem wird ein Langzeit-Elektrokardiogramm (EKG) gemacht, um beispielsweise Vorhofflimmern zu entdecken.
Gen-Tests
Manche Gefäßerkrankungen, die eine vaskuläre Demenz begünstigen, sind erblich und können, wenn eine genetisch bedingte Erkrankung vermutet wird, über Tests nachgewiesen werden.
Behandlung der vaskulären Demenz
Die zentrale Frage ist: Ist vaskuläre Demenz heilbar? Bisher ist vaskuläre Demenz nicht heilbar, da die Schädigung des Gehirns nicht rückgängig gemacht werden kann. Ziel der Behandlung ist es, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen, die Lebensqualität zu erhalten und neue Schlaganfälle zu verhindern, die das Gehirn weiter schädigen könnten. Die Behandlung der vaskulären Demenz beruht auf zwei Säulen:
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- Behandlung der Ursache der Demenz (Durchblutungsstörungen)
- Linderung der Demenz-Beschwerden
Medikamentöse Therapie
Da Durchblutungsstörungen die Ursache der vaskulären Demenz sind, ist es besonders wichtig, bestehende Risiko-Erkrankungen zu behandeln. So kann die Gefahr verringert werden, dass noch mehr Hirngewebe abstirbt.
- Behandlung von Risiko-Erkrankungen: Bluthochdruck, Diabetes mellitus und zu hohe Cholesterinwerte lassen sich gut durch Änderungen des Lebensstils und mit Medikamenten behandeln. Bei Herzerkrankungen wie Vorhofflimmern, koronarer Herzkrankheit oder Herzschwäche wird ebenfalls gezielt therapiert.
- Gerinnungshemmende Medikamente: Wenn Blutgerinnsel im Gehirn aufgetreten sind, kommen gerinnungshemmende Medikamente zum Einsatz - ASS bei Gefäßleiden und Gerinnungshemmer bei Vorhofflimmern. So lassen sich weitere Schlaganfälle verhindern. Ist eine stark verengte Halsschlagader die Ursache, kann die Engstelle auch durch eine Operation oder einen Stent behandelt werden.
- Medikamente gegen Demenz: Für die Alzheimer-Demenz gibt es Medikamente, durch die sich die Symptome mitunter abschwächen lassen (Cholinesterasehemmer und Memantin). Diese Medikamente wirken allerdings nur vorübergehend und haben keinen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung. Bei vaskulärer Demenz sind sie unwirksam, zudem können sie Nebenwirkungen verursachen. Sie sollten daher bei einer rein gefäßbedingten Demenz eher nicht eingesetzt werden. Bei Menschen, die an einer Mischform aus vaskulärer Demenz und Alzheimer-Demenz erkrankt sind, können diese Medikamente jedoch zum Einsatz kommen. Unter bestimmten Umständen können auch Medikamente mit Ginkgo biloba verabreicht werden.
- Psychopharmaka: Bei Bedarf verschreiben Ärztinnen und Ärzte Psychopharmaka, um Symptome wie Unruhe, Angst, Reizbarkeit, aggressives Verhalten, Schlafstörungen und Depressionen zu lindern. Vorab ist es jedoch wichtig, andere Ursachen für die psychischen Symptome auszuschließen.
Nicht-medikamentöse Begleit-Therapien
Menschen mit Demenz benötigen in der Regel eine langfristige Begleitung und Behandlung. Daran sind Fachkräfte aus Medizin, Psychologie, Pflege, Ergotherapie, Physiotherapie und Sozialarbeit beteiligt. Es gibt verschiedene Ansätze, um geistige und körperliche Fähigkeiten von Betroffenen wiederherzustellen (zu rehabilitieren). Eine neurologische Rehabilitation zielt darauf ab, geistige Fähigkeiten und Aktivitäten des täglichen Lebens zu fördern. Weitere Therapiemaßnahmen, etwa im Rahmen einer Bewegungstherapie, orientieren sich an den individuellen Krankheitsanzeichen. Zum Beispiel Gehhilfen bei Gangstörungen, Toilettentraining oder eine Schlucktherapie. Auch Musiktherapie, Erinnerungsarbeit und Krankengymnastik können Betroffenen helfen.
Angehörigenbetreuung
Angehörige von Demenzkranken leiden sehr oft unter der belastenden Situation und dem herausfordernden Alltag. Angebote zum Schutz der Gesundheit der Angehörigen und zu ihrer Entlastung sind wichtig. Weniger gestresste Angehörige fördern auch das Wohlbefinden der Erkrankten. Deshalb ist die Angehörigenbetreuung ein wichtiger Aspekt bei der Therapie von Demenzerkrankungen.
Alltagstipps für Betroffene
Es gibt Alltagstipps, um mit vaskulärer Demenz besser und oft auch länger allein leben zu können:
- Benutzen Sie Erinnerungshilfen (Kalender, Notizen, Handy-Funktionen, abwischbare Tafeln usw.)
- Gestalten Sie Ihre Wohnung sicherer und demenzangepasst.
- Machen Sie ihren Haushalt übersichtlicher und legen Sie feste Plätze für bestimmte Dinge fest. Auch technische Hilfen wie eine Herdsicherung können entlasten.
- Geben Sie ihrem Alltag eine feste, wiederkehrende Struktur. Nutzen Sie hierfür und für besondere Termine einen Wochenplan.
- Betreiben Sie Hobbys und gestalten Sie Ihre Freizeit aktiv.
- Pflegen Sie Ihre körperliche Gesundheit: Bleiben Sie körperlich aktiv, ernähren Sie sich gesund und nehmen Sie ausreichend Flüssigkeit zu sich.
- Fördern Sie Ihre Gesundheit mit guter Schlafhygiene: Sorgen Sie für ausreichend Schlaf und einen geregelten Tag-Nacht-Rhythmus.
Vorbeugung der vaskulären Demenz
Um einer vaskulären Demenz vorzubeugen, ist die Behandlung der Gefäßrisikofaktoren entscheidend. Die frühzeitige Behandlung risikobehafteter Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus oder Adipositas ist ein entscheidender Beitrag zur Demenzvorsorge. Darüber hinaus ist es wichtig, mit seinem persönlichen Lebensstil zur Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems beizutragen:
- Ausgewogene Ernährung
- Körperliche Bewegung
- Nicht rauchen
- Geistig und sozial aktives Leben
Wer das Herz-Kreislauf-System schützt, senkt ganz grundsätzlich das Risiko für Schlaganfälle und eine vaskuläre Demenz. Regelmäßige Bewegung, eine ausgewogene Ernährung und der Verzicht auf das Rauchen tragen dazu bei, das Risiko weiterer Schlaganfälle zu senken.
Leben mit vaskulärer Demenz: Einblicke aus der Praxis
Kirstin Puchner, Mitglied im Netzwerk Pflege zuhause von pflege.de, pflegt ihren Ehemann, der an vaskulärer Demenz leidet. Sie betont, wie wichtig es ist, erste Anzeichen ernst zu nehmen und bei Ärzten hartnäckig zu bleiben, wenn diese die Symptome nicht ernst nehmen. Sie rät Betroffenen und Angehörigen, sich gut zu informieren und zu handeln. Kirstin und ihr Mann haben eine feste Tagesstruktur entwickelt, die ihm Sicherheit gibt. Dazu gehören regelmäßige Spaziergänge mit dem Hund, gemeinsame Mahlzeiten und die Einbindung in die Hausarbeit. Kirstin bereitet die Medikamente ihres Mannes vor und sorgt dafür, dass er sie regelmäßig einnimmt. Sie betont, wie wichtig es ist, das Vertrauensverhältnis und die Wertschätzung aufrechtzuerhalten. Trotz der Herausforderungen, die die Erkrankung mit sich bringt, haben Kirstin und ihr Mann gelernt, gut damit zu leben und ihre Ehe harmonisch zu gestalten.