Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie (CIPN) kann den Alltag erheblich beeinträchtigen. Glücklicherweise gibt es eine Vielzahl von Behandlungs- und Therapieoptionen, die darauf abzielen, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Dieser Artikel beleuchtet die wichtigsten Therapieformen, einschließlich medikamentöser, physikalischer und alternativer Ansätze, und erklärt den Ablauf der Rehabilitation.
Einführung in die Polyneuropathie
Die Polyneuropathie ist eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, bei der mehrere Nerven gleichzeitig geschädigt werden. Diese Nerven verbinden das Rückenmark mit Muskeln, Haut und inneren Organen und steuern so motorische, sensible und autonome Funktionen. Die Ursachen für Polyneuropathie sind vielfältig und reichen von Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus und Alkoholmissbrauch bis hin zu Vitaminmangel, Infektionen, Vergiftungen und Medikamentennebenwirkungen, insbesondere im Rahmen von Chemotherapien. In vielen Fällen bleibt die Ursache jedoch unklar.
Die Symptome einer Polyneuropathie sind ebenso vielfältig wie ihre Ursachen und hängen davon ab, welche Nerven betroffen sind. Zu den häufigsten Beschwerden gehören:
- Taubheitsgefühl, Kribbeln oder Brennen in Händen und Füßen
- Schmerzen unterschiedlicher Art (z.B. stechend, brennend)
- Muskelschwäche oder -lähmungen
- Gleichgewichtsstörungen und Gangunsicherheit
- Funktionsstörungen der inneren Organe, wie z.B. Herzrhythmusstörungen, Verdauungsprobleme oder Blasenentleerungsstörungen
Medikamentöse Therapie
Bei der medikamentösen Behandlung der Polyneuropathie kommen verschiedene Medikamente zum Einsatz, wobei der Fokus auf der Linderung der Symptome, insbesondere der Schmerzen, liegt. Es ist wichtig zu beachten, dass keines der Medikamente die Polyneuropathie sicher heilen kann, sondern vielmehr dazu dient, die Beschwerden zu reduzieren und die Lebensqualität zu verbessern.
Antidepressiva
Eine wichtige Gruppe von Medikamenten sind Antidepressiva, insbesondere Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) wie Duloxetin. Diese Medikamente erhöhen die Konzentration der Neurotransmitter Serotonin und Noradrenalin in den Synapsen, was die Schmerzwahrnehmung beeinflussen kann.
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Antikonvulsiva
Antikonvulsiva wie Pregabalin und Gabapentin, die ursprünglich zur Behandlung von Epilepsie entwickelt wurden, haben sich ebenfalls als wirksam bei der Behandlung neuropathischer Schmerzen erwiesen. Diese Medikamente müssen in der Regel "eingeschlichen" werden, d.h. die Dosis wird langsam gesteigert, um den Körper daran zu gewöhnen und Nebenwirkungen zu minimieren.
Opioide
Opioide können bei starken Schmerzen eingesetzt werden, bergen jedoch ein hohes Suchtpotential und sollten daher nur kurzzeitig und unter strenger ärztlicher Aufsicht angewendet werden.
Es ist wichtig zu betonen, dass viele medikamentöse Ansätze zur Behandlung der Polyneuropathie keinen Nutzen gezeigt haben und stattdessen zusätzliche Nebenwirkungen verursachen können. Daher sollte der Fokus auf physikalischen Therapien und Übungsbehandlungen liegen.
Physikalische Therapie
Die physikalische Therapie spielt eine zentrale Rolle bei der Behandlung der Polyneuropathie. Sie umfasst verschiedene Maßnahmen, die darauf abzielen, die Nervenfunktion zu verbessern, die Muskulatur zu stärken, die Koordination zu schulen und die Schmerzen zu lindern.
Ergotherapie und Physiotherapie
Ergotherapie und Physiotherapie sind wichtige Bestandteile der physikalischen Therapie. Ergotherapeuten helfen Patienten dabei, funktionale Defizite im Alltag zu bewältigen, z.B. durch motorische Übungen zur Verbesserung der Gangsicherheit und Sturzprävention. Physiotherapeuten konzentrieren sich auf den Aufbau von Kraft und Ausdauer, die Verbesserung der Koordination und die Schmerzbewältigung.
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Elektrotherapie
Die Elektrotherapie umfasst verschiedene Verfahren, bei denen elektrische Ströme zur Stimulation der Nerven und Muskeln eingesetzt werden. Dazu gehören:
- Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS): Bei der TENS-Therapie werden kleine elektrische Impulse über die Haut an die Nerven gesendet, um Schmerzen zu lindern.
- Hochtontherapie: Diese Therapieform verwendet höherfrequente Ströme, um die Nerven zu stimulieren und die Durchblutung zu verbessern.
- Galvanische Bäder und Kohlensäurebäder: Diese Bäder können die Durchblutung verbessern und zur Schmerzlinderung beitragen.
- Reizstrombehandlung
Vibrationstherapie
Die Vibrationstherapie, z.B. mit dem Galileo-Gerät, kann zur Kräftigung der Muskulatur und zur Verbesserung der Koordination eingesetzt werden.
Weitere physikalische Maßnahmen
- Wärmeanwendungen: Wärmeanwendungen können die Durchblutung fördern und Muskelverspannungen lösen.
- Bäder: Verschiedene Bäder, z.B. mit Fichtennadeln oder Heublumen, können zur Entspannung und Schmerzlinderung beitragen.
- Lymphdrainage und Massagen: Diese Maßnahmen können zur Reduzierung von Schwellungen und zur Verbesserung der Durchblutung beitragen.
- Sensibilisierungstraining: Übungen wie das Tasten von Reis in einer Schale können helfen, die Sensibilität der Finger wieder zu schulen.
Rehabilitation
Die Rehabilitation spielt eine wichtige Rolle bei der Behandlung der Polyneuropathie. Sie zielt darauf ab, die Patienten in ihrem Alltag zu unterstützen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Lebensqualität trotz der Erkrankung zu verbessern.
Stationäre und ambulante Rehabilitation
Es gibt sowohl stationäre als auch ambulante Rehabilitationsmaßnahmen. Die stationäre Reha ist sinnvoll, wenn die Anfahrtswege für eine ambulante Reha zu weit sind oder wenn eine intensivere Betreuung erforderlich ist. Die ambulante Reha hat den Vorteil, dass die Patienten zu Hause leben können und von dort aus zu den Behandlungen fahren.
Inhalte der Rehabilitation
Im Rahmen der Rehabilitation erhalten die Patienten eine umfassende Betreuung, die ärztliche und pflegerische Versorgung, Einzel- und Gruppentherapien in Ergotherapie und Physiotherapie sowie Informationen zur gesunden Lebensführung umfasst. Zu den spezifischen Therapieangeboten gehören:
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- Handfunktionsgruppe: Verbesserung der Feinmotorik und Handkraft
- Gruppe für die Behandlung von Polyneuropathie der Füße: Training der Sensibilität und Koordination der Füße
- Physiotherapie-Bewegungsabläufe: Verbesserung der Beweglichkeit und Koordination
- Vibrationstherapie: Kräftigung der Muskulatur und Verbesserung der Koordination
- Verschiedene Formen der Elektrotherapie: Schmerzlinderung und Nervenstimulation
Ziele der Rehabilitation
Das Ziel der Rehabilitation ist es, die Beschwerden zu lindern, die Funktionsfähigkeit zu verbessern und die Patienten in die Lage zu versetzen, ihren Alltag selbstständig und aktiv zu gestalten.
Alternative und ergänzende Therapien
Neben den konventionellen Behandlungsmethoden gibt es auch eine Reihe von alternativen und ergänzenden Therapien, die bei der Behandlung der Polyneuropathie eingesetzt werden können. Dazu gehören:
- Akupunktur: Die Akupunktur kann zur Schmerzlinderung und zur Verbesserung der Sensibilität eingesetzt werden.
- Entspannungsverfahren: Entspannungsverfahren wie Yoga oder progressive Muskelentspannung können helfen, Stress abzubauen und die Schmerzwahrnehmung zu beeinflussen.
- Kältetherapie: Kühlgels oder kalte Umschläge können überreizte Nerven beruhigen und Schmerzen lindern.
- Naturheilkundliche Mittel: Verschiedene pflanzliche Präparate, z.B. Teufelskralle oder Johanniskrautöl, können zur Schmerzlinderung eingesetzt werden.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Wirksamkeit vieler alternativer Therapien bei Polyneuropathie nicht ausreichend belegt ist. Daher sollten diese Therapien immer in Absprache mit dem behandelnden Arzt eingesetzt werden.
Alltagstipps und Hilfsmittel
Neben den medizinischen und therapeutischen Maßnahmen gibt es eine Reihe von Alltagstipps und Hilfsmitteln, die Patienten mit Polyneuropathie dabei helfen können, ihren Alltag sicherer und komfortabler zu gestalten:
- Sturzprävention: Entfernen von Stolperfallen in der Wohnung, Anbringen von Handläufen an Treppen, Tragen von rutschfesten Schuhen
- Hilfsmittel: Verwendung von Gehhilfen, orthopädischen Schuhen oder Orthesen zur Unterstützung der Mobilität
- Achtsamkeit: Schulung der Körperwahrnehmung und aktive Achtsamkeit im Alltag
- Sicherheitsmaßnahmen: Vorsicht bei scharfen Gegenständen oder heißen Flüssigkeiten, um Verletzungen zu vermeiden
- Körperliche Aktivität: Regelmäßige Bewegung, angepasst an die individuellen Fähigkeiten, zur Stärkung der Muskulatur und Verbesserung der Koordination
- Ernährung: Ausgewogene Ernährung mit ausreichend Vitaminen und Mineralstoffen, Vermeidung von Alkohol und Nikotin
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