Jutta Lampe: Eine Ikone des deutschen Theaters und die Tragödie der Demenz

Jutta Lampe, eine der herausragenden Gestalten des deutschen Theaters, ist im Alter von 82 Jahren in Berlin verstorben. Ihr Tod markiert das Ende einer Ära, in der sie als Hauptakteurin der legendären Schaubühne Peter Steins das Theater maßgeblich prägte. In ihren letzten Jahren litt Jutta Lampe an Demenz, eine Krankheit, die ihr Leben und schließlich auch ihr künstlerisches Schaffen überschattete.

Eine unvergleichliche Bühnenpräsenz

Jutta Lampe war eine Schauspielerin von außergewöhnlicher Klasse. Ihre Bühnenpräsenz war geprägt von einer unvergleichlichen Mischung aus Ausdrucksstärke und Subtilität. Ihr Gesicht, mit den hohen Wangen, dem leicht schmollenden Mund und dem tagträumerischen Blick, wirkte wie eine Leinwand, auf der sich ein ganzes Spektrum an Gefühlsregungen abspielte. Dabei schien sie diese Gefühle oft eher zu verbergen oder nur anzudeuten, was ihre Darstellung umso faszinierender machte.

Ihre Stimme, klar, melodisch, markant und unverwechselbar, trug maßgeblich zu ihrer Bühnenpräsenz bei. Sie verstand es, selbst komplizierteste Bühnentexte mit einer Klarheit und Leichtigkeit zu sprechen, als seien sie ihr eben erst in den Sinn gekommen.

Das letzte Wort: Ein Hauch von Kunst

Ein besonders eindrückliches Beispiel ihrer Kunst war ihr letztes Wort in Kleists „Amphitryon“ in Klaus-Michael Grübers Inszenierung von 1991. Es war kein gesprochenes Wort, sondern nur ein gehauchter Laut - „Ach“ - der die ganze Größe ihrer Schauspielkunst offenbarte.

Die Anfänge und der "Bremer Stil"

Jutta Lampe wurde 1937 in Flensburg geboren. Ihre Schauspielausbildung absolvierte sie bei Eduard Marks in Hamburg. Nach ersten Engagements in Wiesbaden und Mannheim kam sie ans Theater der Freien Hansestadt Bremen. Dort feierte sie ihre ersten großen Erfolge und kam unter der Intendanz von Kurt Hübner mit den Regisseuren Peter Zadek und Peter Stein zusammen. Gemeinsam entwickelten sie den sogenannten "Bremer Stil", der die Theatergeschichte der kommenden Jahrzehnte entscheidend beeinflussen sollte.

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Die Schaubühne Berlin: Eine prägende Ära

Als Peter Stein nach Berlin zog und am Halleschen Ufer die Schaubühne gründete, war Jutta Lampe eine der ersten Schauspielerinnen in dem kollektivartigen Ensemble. Ihre wichtigsten Regisseure waren Peter Stein, mit dem sie zeitweise auch liiert war, Klaus Michael Grüber, Luc Bondy und Robert Wilson.

Unvergessen sind ihre Rollen als Prinzessin Nathalie neben Bruno Ganz in Kleists „Prinz von Homburg“ sowie ihre Darstellung in Steins Tschechow-Inszenierung „Drei Schwestern“ zusammen mit Corinna Kirchhoff und Edith Clever.

Filmische Ausflüge und Ehrungen

Obwohl Jutta Lampe ihre Kunst hauptsächlich der Bühne widmete, war sie auch in einigen Filmen zu sehen. Besonders hervorzuheben sind ihre Arbeiten mit Margarethe von Trotta in „Schwestern oder Die Balance des Glücks“ und „Die bleierne Zeit“, wo sie den großen Ruhepol in dem Unruhe-Drama bildete.

Im Laufe ihrer Karriere wurde Jutta Lampe mehrfach ausgezeichnet, unter anderem als "Schauspielerin des Jahres" in den Jahren 1970 und 1980. Sie erhielt 1989 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und 1981 den Goldenen Phönix bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes. 1992 ehrte Berlin sie mit dem Theaterpreis Berlin.

Die Tragödie der Demenz

In ihren letzten Jahren litt Jutta Lampe an Demenz. Diese Krankheit, die mit dem Verlust des Gedächtnisses und der kognitiven Fähigkeiten einhergeht, überschattete ihr Leben und ihre künstlerische Tätigkeit. Tragischerweise verlor die große Mimin, die selbst komplizierteste Bühnentexte mit Klarheit und Leichtigkeit sprach, am Ende ihr Gedächtnis.

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Ulrich Eckhardt, der frühere Intendant der Berliner Festspiele, erinnerte sich an eine Lesung mit Jutta Lampe im April 2011 in der Jesus-Christus-Kirche zu Berlin-Dahlem. Damals rezitierte sie, bereits an der Schwelle ihrer Demenz-Erkrankung, Gedichte von Michelangelo. Eckhardt entschloss sich erst nach ihrem Tod zur Veröffentlichung dieser Aufnahme, da Jutta Lampe damals "wohl nicht mehr ganz wusste, was sie da eigentlich las".

Theater in der Pflege von Menschen mit Demenz

Die Demenz-Erkrankung von Jutta Lampe rückt auch die Bedeutung der Forschung und der Entwicklung von Therapieansätzen für Menschen mit Demenz in den Fokus. Ein Beispiel hierfür ist das Projekt "TiP.De" an der Hochschule Osnabrück, das theaterpädagogische Elemente in die Pflege von Menschen mit Demenz integriert. Ziel ist es, die Teilnehmer nicht nur kognitiv, sondern auch physisch zu aktivieren und den Lebensalltag der Menschen mit Demenz in stationären Langzeiteinrichtungen durch Erleben zu individualisieren.

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