Juvenile Myoklonische Epilepsie: Medikamente, Behandlung und Management

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte, unprovozierte Anfälle gekennzeichnet ist, die auf plötzliche, abnormale elektrische Aktivität im Gehirn zurückzuführen sind. Die Internationale Liga gegen Epilepsie (ILAE) hat eine dreistufige Grundstruktur zur Klassifikation von Epilepsie entwickelt, beginnend mit der Bestimmung des Anfallstyps (generalisiert, fokal oder unklar).

Epilepsie: Ein Überblick

Epilepsie (ICD-10 G40) ist ein Oberbegriff für zerebrale Funktionsstörungen, die auf einer neuronalen Netzwerkstörung beruhen. Das Leitsymptom sind wiederholte Anfälle, die als vorübergehendes Auftreten subjektiver Zeichen und/oder objektivierbarer Symptome aufgrund einer pathologisch exzessiven und/oder synchronisierten neuronalen Aktivität im Gehirn definiert sind. Die Phänomenologie variiert je nach Ort und Ausprägung der Anfälle erheblich. Es gibt nur wenige Sekunden dauernde motorische und sensible Episoden, Absencen, Abläufe mit Zuckungen einer Extremität, komplexe Bewegungs- und Bewusstseinsphänomene sowie die klassischen tonisch-klonischen Anfälle. Daneben existieren die sogenannten Epilepsie-Syndrome, zum Beispiel das Lennox-Gastaut- und Dravet-Syndrom.

Die Diagnose wird nach den Vorgaben der International League Against Epilepsy (ILAE) anhand des Anfallgeschehens und durch Zusatzbefunde erhoben, die auf eine Prädisposition für weitere epileptische Anfälle hindeuten - zum Beispiel epilepsietypische Potenziale im Elektroenzephalogramm (EEG) und/oder zum Anfallsereignis passende strukturelle Läsionen in der Bildgebung. Die Behandlung basiert nahezu immer auf einer medikamentösen Therapie, ggf. begleitet von nicht pharmakologischen Maßnahmen wie ketogener Diät und Psychotherapie.

Epilepsien gehören zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Die Prävalenz in Industrieländern wird mit 0,5-0,9 Prozent angegeben. Die Neuerkrankungsrate liegt bei 40-70/100.000 Einwohnern pro Jahr. Die jährliche kumulative Inzidenz aller Epilepsien beträgt über alle Altersgruppen hinweg 67,77/100.000 Personen. Hier sind jedoch zwei Spitzen zu verzeichnen: eine in den ersten fünf Lebensjahren (Early-onset-Epilepsie) und eine weitere jenseits des 50. Lebensjahrs (Late-onset-Epilepsie). Im Alter wird die höchste altersadjustierte Inzidenz von Epilepsien gemessen. Bei den über 65-Jährigen liegt die Inzidenz bei 90-150/100.000 Personen. Ebenso nimmt die Prävalenz mit dem Alter zu und steigt auf 1-2 Prozent bei den über 85-Jährigen. Der Häufigkeitsgipfel in der letzten Lebensdekade ist insbesondere mit dem Auftreten von Epilepsien nach Schlaganfällen und Hirntumoren sowie bei Demenzerkrankungen assoziiert. Bei den Demenzen haben Formen wie die Early-onset-Alzheimer-Erkrankung und die vaskuläre Demenz das größte Risiko, eine Epilepsie zu entwickeln.

Schätzungsweise erleiden circa 5 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal im Leben einen Krampfanfall, ohne dass sich daraus eine aktive Epilepsie entwickelt. Bei Kindern und Jugendlichen kann ein solcher Anfall bei etwa 4-10 Prozent beobachtet werden. Dazu gehören Fieberkrämpfe, akut symptomatische Anfälle oder unprovozierte epileptische Anfälle. Mit 20 Jahren wird aber nur bei 1 Prozent die Erkrankung Epilepsie, das heißt sich wiederholende epileptische Anfälle, diagnostiziert. Die Hälfte der Epilepsie-Erkrankungen beginnt vor dem 10. Lebensjahr, 2/3 vor dem 20. Lebensjahr.

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Klassifikation der Epilepsie

Aus pragmatischen Gründen teilte man Epilepsien lange Zeit in symptomatische, idiopathische und kryptogene Formen ein. Im Jahr 2017 überarbeitete die internationale Liga gegen Epilepsie ihre Klassifikation und Terminologie. Die aktualisierte ILAE- Klassifikation besitzt nunmehr eine dreistufige Grundstruktur. Zunächst soll der Anfallstyp bzw. die Anfallsform bestimmt werden. Hier unterscheidet man zwischen generalisiertem, fokalem und unklarem Beginn. Innerhalb der generalisierten Epilepsien wurde die Untergruppe der idiopathisch generalisierten Epilepsien wieder eingeführt. Dazu zählen Absence-Epilepsien des Kindes- und Jugendalters, juvenile myoklonische Epilepsien und Epilepsieformen mit ausschließlich generalisierten tonisch-klonischen Anfällen. Die nächste Stufe betrifft die Art der Epilepsie. Epilepsien und die damit verbundenen Anfälle sind auf eine Vielzahl von Ursachen zurückzuführen. Aktuell werden folgende Ätiologien unterschieden:

Strukturelle Ursachen

Eine strukturelle Epilepsie ist mit umschriebenen pathologischen Hirnveränderungen assoziiert. Diese können erworben oder genetisch bedingt sein. Epileptogene Läsionen sind beispielsweise Hirntumore und Hirninfarkte, Kontusionsdefekte, vaskuläre Malformationen, Enzephalozelen, fokale kortikale Dysplasien, Polymikrogyrie der kortikalen Neurone, hypothalamische Hamartome oder eine Hippocampussklerose. Ebenso kann eine perinatale Hirnschädigung, oft infolge von Sauerstoffmangel während des Geburtsvorgangs, eine Epilepsie verursachen.

Genetische Ursachen

In den letzten Jahren wurden mehrere Hundert Gene und Gen-Veränderungen identifiziert, die vermutlich oder sicher eine Epilepsie (mit)verursachen. Die Mehrzahl der Fälle der idiopathischen generalisierten Epilepsien (IGE) sind polygenetische Erkrankungen. Das Erkrankungsrisiko hängt von verschiedenen genetischen Suszeptibilitätsfaktoren und Umwelteinflüssen ab. Zu den IGE gehören die kindliche und die juvenile Absence-Epilepsie (CAE und JAE), die juvenile myoklonische Epilepsie und die Epilepsieformen mit ausschließlich generalisierten tonisch-klonischen Anfällen. Sehr viel seltener ist nur ein Gen betroffen (zum Beispiel Ionenkanal-Gene oder Neurotransmitter assoziierte Gene). Die Mutation kann vererbt werden oder de novo auftreten. Monogenetische Epilepsien weisen eine beachtliche phänotypische und genotypische Heterogenität auf. Beispielhaft sind das im ersten Lebensjahr beginnende Dravet-Syndrom, bei dem mehr als 80 Prozent der Patienten Mutationen im SCN1A-Gen aufweisen, und das sich in den ersten Lebenstagen manifestierende Ohtahara-Syndrom mit möglichen Mutationen im Gen STXBP1, seltener auch ARX. Ferner können nicht läsionelle fokale Epilepsien (non-acquired focal epilepsy, NAFE) in Teilen genetisch determiniert sein (speziell DEPDC5-Mutationen). So gibt es eine Reihe familiärer fokaler Epilepsiesyndrome, die klassischen Mendel’schen Erbgängen folgen - etwa die autosomal-dominante nächtliche Frontallappenepilepsie (ADNFLE) oder die autosomal-dominante laterale Temporallappenepilepsie (ADLTE).

Infektiöse Ursachen

Infektionen sind die weltweit häufigste Ursache von Epilepsie. Eine infektiöse Ätiologie bezieht sich auf Patienten mit Epilepsie und nicht auf Patienten, die Anfälle im Verlauf einer akuten Infektion erleiden. Infektiöse Ursachen können regional variieren; typische Beispiele sind Neurozystizerkose, Tuberkulose, HIV, zerebrale Malaria, subakute sklerosierende Panenzephalitis, zerebrale Toxoplasmose und kongenitale Infektionen - etwa durch das Zika- oder Zytomegalie-Virus. Zudem sind post-infektiöse Entwicklungen einer Epilepsie möglich, beispielsweise nach einer viralen Enzephalitis.

Metabolische Ursachen

Eine metabolisch verursachte Epilepsie ist direkte Folge einer Stoffwechselstörung, die epileptische Anfälle als Kernsymptomatik aufweist. Es wird angenommen, dass die meisten metabolisch bedingten Epilepsien einen genetischen Hintergrund haben und nur selten erworben sind.

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Mit einer Epilepsie assoziierte Erkrankungen/Situationen sind u.a.:

  • Hypoparathyreoidismus
  • Hämochromatose
  • Porphyrie
  • Störungen des Aminosäurestoffwechsels
  • Pyridoxin-abhängige Epilepsie (PDE)
  • Hyponatriämie beim Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH)
  • Urämie
  • Hyper-/Hypoglykämie
  • Zerebraler Folsäuremangel

Immunologische Ursachen

Eine immunologische Epilepsie ist auf eine autoimmun vermittelte Entzündung des ZNS zurückzuführen. Hierzu gehören vor allem die Kalium-Kanal-Antikörper (LGI1)-bedingte limbische Enzephalitis und die NMDA-Rezeptor-Antikörper assoziierte Enzephalitis (NMDA = N-Methyl-D-Aspartat).

Unbekannte Ursachen

Neben den zuverlässig differenzierbaren Epilepsien gibt es Formen, deren Ursache (noch) nicht bekannt ist. Eine spezifischere Diagnose als die elektro-klinische Einordnung, etwa als Frontallappenepilepsie, ist bei diesen Patienten nicht möglich. Bislang sind die neurobiologischen Zusammenhänge der Epileptogenese nicht bis ins letzte Detail verstanden. Man weiß allerdings, dass eine neuronale intra- und transzelluläre Übererregung (Hyperexzitabilität) einzelner Nervenzellen, Fehlkoordinationen von Erregung und Hemmung neuronaler Zellverbände, veränderte Zellmembraneigenschaften und eine fehlerhafte Erregungsübertragung synaptischer Netzwerke zu einer abnormen exzessiven neuronalen Entladung führen.

Die dem epileptischen Anfall zugrunde liegenden paroxysmalen Depolarisationsstörungen sind meist auf ein Ungleichgewicht bzw. einer fehlerhaften Verteilung von exzitatorischen und inhibitorischen Neurotransmitterwirkungen zurückzuführen. Dabei spielen die Aminosäuren Glutamat und Aspartat als erregende Neurotransmitter sowie Gamma-Aminobuttersäure (GABA) als hemmende Signalsubstanz eine entscheidende Rolle. Zudem können Neurotransmitter-Synthesestörungen und ein gesteigerter Abbau oder eine Rezeptor-Blockade von GABA-Rezeptoren anfallsauslösend wirken. Pathologische Veränderungen an spannungsabhängigen Ionenkanälen (Kalium, Natrium, Calcium) beeinflussen ebenfalls die neuronale Erregbarkeit. Für einige dieser Mechanismen wurden inzwischen genetische Ursachen nachgewiesen, zum Beispiel der Defekt am SCN1A-Gen beim Dravet-Syndrom (kodiert für die α-Untereinheit des Natriumkanals) oder ein Gendefekt auf Chromosom 5 bei der juvenilen myoklonischen Epilepsie, der eine Störung am GABA(a)-Rezeptor initiiert.

Nach international gängiger Lehrmeinung ist der sogenannte paroxysmale Depolarisationsshift (PDS) als gemeinsamer Nenner der fokalen Epileptogenese anzusehen. Elektrophysiologisch handelt es sich um eine Serie hochfrequenter Aktionspotenziale, die durch eine sich anschließende Hyperpolarisation beendet wird. Auf zellulärer Ebene korreliert der PDS mit interiktalen eleptiformen Signalen (sogenannte Spikes) im EEG. Während eines epileptischen Anfalls wird der PDS in eine anhaltende Depolarisation der Zellen überführt.

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Die Symptome der unterschiedlichen Epilepsieformen variieren stark. Das klinische Bild richtet sich nach der Lokalisation und dem Ausmaß der neuronalen Fehlerregung sowie nach der Art des Anfallgeschehens. Möglich sind Parästhesien auf der Haut (Parietallappenanfälle), orale Automatismen wie Schmatzen und Kauen (Temporallappenanfälle), visuelle Halluzinationen (Okzipitallappenanfälle) oder komplexe Anfallsbewegungen (frontale Anfälle) und Mischbilder. Die ILAE unterscheidet grundsätzlich zwischen Anfällen mit fokaler, generalisierter oder unbekannter Ausbreitung. Darüber hinaus werden diese in Formen mit motorischen und nicht-motorischen Bewegungsstörungen eingeteilt. Bei fokal beginnenden Anfällen wird zusätzlich unterschieden, ob der Patient bei Bewusstsein ist oder nicht. Fokale und generalisierte Anfälle können einzeln (inklusive mehrerer fokaler oder generalisierter Ereignisse) oder zusammen auftreten.

Anfälle mit fokalem Beginn

Epileptische Anfälle mit fokalem Beginn haben ihren Ursprung in einem begrenzten Neuronensystem innerhalb einer Hemisphäre. Sie werden entsprechend der motorischen Initialsymptomatik klassifiziert und in Anfälle mit und ohne Bewusstseinsstörung eingeordnet.

Fokal beginnende Anfälle mit motorischer Initialsymptomatik

Ein Beginn mit motorischen Störungen kann gekennzeichnet sein durch:

  • Automatismen (zum Beispiel unwillkürliches Lecken der Lippen, Schmatzen, Gestikulieren und Wortwiederholungen)
  • Atonische Anfälle (Reduktion oder Verlust des Muskeltonus)
  • Klonische Anfälle (unwillkürliche rhythmische Muskelzuckungen)
  • Epileptische Spasmen (rasche blitzartige Muskelanspannungen)
  • Hyperkinetische Anfälle (agitierte Motorik)
  • Myoklonische Anfälle (unwillkürliche kurze, nicht-rhythmische Muskelzuckungen)
  • Tonische Anfälle (Muskelanspannung bzw. Versteifung einzelner Muskelgruppen)

Wie jeder epileptische Anfall kann auch ein fokal beginnender Anfall mit motorischen Symptomen in einen Status epilepticus (SE) übergehen und stunden- oder sogar tage- bis wochenlang andauern (Epilepsia partialis continua, Koževnikov-Status).

Fokal beginnende Anfälle ohne motorische Initialsymptomatik

Fokale Anfälle ohne initial-motorische Störungen können folgenden Charakter haben:

  • Autonom (zum Beispiel epigastrales Wärmegefühl, Schwitzen, Hautblässe, Inkontinenz oder Piloerektion)
  • Mit Arrest-Symptomatik (Innehalten mit völligem Bewegungsverlust)
  • Kognitiv (zum Beispiel Träumen oder verzerrte Zeitwahrnehmung)
  • Emotional (zum Beispiel Wut-, Angst- oder Glücksgefühle)
  • Sensorisch (vor allem visuelle, auditive, gustatorische, olfaktorische, vertiginöse und sensible Veränderungen)

Daneben gibt es fokal beginnende und zu bilateral tonisch-klonischen Anfällen übergehende Ereignisse.

Fokal beginnende Anfälle ohne Bewusstseinseinschränkung

Fokal beginnende Anfälle ohne Bewusstseinseinschränkung entsprechen den bisher als „einfach-fokal“ bezeichneten Anfällen. Die Anfälle weisen häufig auf eine intrazerebrale Läsion hin. Sie können im Verlauf zu einer Bewusstseinsstörung führen oder in generalisierte Anfälle übergehen. Bisher hat man fokal beginnende Anfälle ohne Bewusstseinseinschränkung, die mehr oder weniger regelhaft in generalisierte Anfälle übergehen, als Auren bezeichnet. Da eine Aura definitionsgemäß aber selbst ein epileptisches Ereignis darstellt, verwendet die neue Klassifikation diesen Begriff nicht mehr.

Wesentliche Formen im klinischen Alltag sind:

  • Fokal beginnende Anfälle mit motorischen Symptomen und Ausbreitungstendenz (Jackson-Anfälle) beginnen mit rhythmischen klonischen Muskelkontraktionen in einem Körperabschnitt (am häufigsten in Hand und Fingern, seltener in Gesicht, Bein und Rumpf). Bei Beteiligung des Mundwinkels Speichelfluss und Sprechstörungen als Begleitsymptomatik. Selten initial tonische Komponenten. Muskelzuckungen breiten sich von distal nach proximal fortschreitend aus (march) und bleiben auf eine Körperhälfte begrenzt. In etwa 60 Prozent der Fälle handelt es sich um rein motorische Anfälle, die restlichen gehen mit sensiblen Symptomen einher, die vor oder während der Kloni auftreten können. Die Dauer beträgt meist einige Sekunden bis Minuten. Im Intervall ist ein normaler klinisch-neurologischer Befund festzustellen. Im EEG sind oft Herdbefunde in der kontralateralen Präzentralregion zu finden. Häufige Ursachen sind lokalisierte Hirnschädigungen, im Erwachsenenalter vor allem Tumore. Es sind keine bestimmten Altersgruppen bevorzugt. Auf fokale motorische Anfälle folgt oft eine vorübergehende schlaffe Parese oder Plegie der vom Anfall betroffenen Körperpartie (Todd-Lähmung).
  • Fokal beginnende Anfälle mit motorischen Symptomen ohne Ausbreitungstendenz sind lokalisierte motorische Anfälle, die sich klonisch äußern. Häufig mit tonischer Komponente zu Beginn des Anfalls ohne Ausbreitung der klinischen Symptome. Meist von kurzer Dauer (Sekunden bis wenige Minuten). Eine Bewusstseinsstörung im Verlauf ist möglich, ebenso der Übergang in einen bilateralen tonisch-klonischen Anfall.

Juvenile Myoklonische Epilepsie (JME)

Die juvenile myoklonische Epilepsie (JME) ist ein idiopathisches generalisiertes Epilepsiesyndrom, das typischerweise zwischen dem 10. und 18. Lebensjahr auftritt. Es ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

  • Myoklonische Zuckungen (symmetrisch/asymmetrisch)
  • Arrhythmische Zuckungen
  • Lokalisation in Schultern/Armen, selten Beine (dann auch Stürze)
  • Ausfahrende Bewegungen, bei denen Gegenstände wie Zahnbürste/Becher weggeschleudert werden
  • Dauer von wenigen Sekunden
  • Keine Bewusstseinsstörung
  • Auftreten meist morgens nach dem Erwachen

Medikamentöse Therapie der JME

Die medikamentöse Therapie ist die Hauptsäule der Behandlung von Epilepsie. Ziel ist es, Anfallsfreiheit mit möglichst wenigen Nebenwirkungen zu erreichen. Die Auswahl des geeigneten Medikaments hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Art der Anfälle, das Alter des Patienten, Begleiterkrankungen und mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten.

Medikamente der ersten Wahl

  • Valproat: Gilt oft als Mittel der ersten Wahl bei JME aufgrund seines breiten Wirkspektrums. Es ist jedoch wichtig, die potenziellen teratogenen Wirkungen bei Frauen im gebärfähigen Alter zu berücksichtigen.
  • Lamotrigin: Eine gute Alternative zu Valproat, insbesondere bei Frauen im gebärfähigen Alter.
  • Levetiracetam: Ein weiteres häufig verwendetes Medikament mit einem günstigen Nebenwirkungsprofil.
  • Topiramat: Kann ebenfalls wirksam sein, ist aber aufgrund möglicher kognitiver Nebenwirkungen nicht immer die erste Wahl.

Weitere Medikamente

  • Ethosuximid: Hauptsächlich bei Absencen wirksam, kann aber in Kombination mit anderen Medikamenten bei JME eingesetzt werden.
  • Primidon: Ein älteres Medikament, das bei einigen Patienten wirksam sein kann.
  • Clonazepam: Ein Benzodiazepin, das zur Anfallsunterbrechung oder als Zusatzmedikation eingesetzt werden kann.
  • Acetazolamid: Kann in bestimmten Fällen hilfreich sein, insbesondere bei menstruell-gebundener Epilepsie.

Allgemeine Therapieempfehlungen

  • Die Medikation sollte immer individuell gewählt werden (Geschlecht, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen).
  • Die Dosierung orientiert sich am Medikamentenspiegel, Verträglichkeit sowie den allgemeinen Empfehlungen zur Dosierung der jeweiligen Medikation. Nicht bei jedem Präparat sind Spiegelbestimmungen sinnvoll!
  • Einige Antikonvulsiva können die Anfallshäufigkeit verschlechtern.

Spezielle Überlegungen bei Jugendlichen

  • Jugendliche mit Epilepsie haben oft Angst vor einem Anfall.
  • Manche kindlichen Epilepsieformen verschwinden in der Pubertät, während sich andere in dieser Lebensphase verschlechtern.
  • Die Therapiewahl ist enorm wichtig, und die Verträglichkeit der Medikamente sollte vermehrt berücksichtigt werden.
  • Auf Nebenwirkungen sollte besonders geachtet werden, da diese sich auf die schulischen Leistungen auswirken können. Verschlechtern sich die Leistungen, können dies Alarmzeichen sein.

Verhütung und Schwangerschaft

  • Jugendliche Mädchen sollten über die Bedeutung der Verhütung und die Wechselwirkungen zwischen Antiepileptika und hormonellen Verhütungsmitteln aufgeklärt werden.
  • Einige Antiepileptika können die Wirkung von hormonellen Kontrazeptiva beeinträchtigen. In solchen Fällen sollte auf höher dosierte Kontrazeptiva oder andere Verhütungsmethoden umgestiegen werden.
  • Alle Antiepileptika wirken potenziell teratogen.
  • Bei Frauen mit Epilepsie, die schwanger werden möchten, sollte die Medikation rechtzeitig angepasst werden, um das Fehlbildungsrisiko für das Kind zu minimieren.
  • Die Einnahme von Folsäure (4 bis 5 mg täglich) wird empfohlen, um das Fehlbildungsrisiko zu reduzieren.

Medikamentöse Behandlung im Kindes- und Jugendalter

Die medikamentöse Behandlung von Epilepsie bei Kindern und Jugendlichen erfordert eine sorgfältige Abwägung der potenziellen Vorteile und Risiken. Viele Epilepsiemedikamente für Erwachsene werden auch bei Kindern eingesetzt, einige davon sind für Kinder zugelassen, andere nicht. Wird auf letztere zurückgegriffen, können sie nur im Rahmen eines Off-Label-Use verschrieben werden - das heißt, außerhalb der eigentlichen Zulassung.

Off-Label-Use von Anfallssuppressiva

Der Off-label-Use bezeichnet die Anwendung eines Arzneimittels außerhalb seiner zugelassenen Indikation, Dosierung oder für eine andere Altersgruppe. Ein Off-Label-Use ist jedoch nur in Ausnahmefällen eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Für den Off-label-Use von Anfallssuppressiva ergeben sich verschiedene Gründe wie v. a. der Einsatz bei Kindern unterhalb eines Zulassungsalters sowie auch bei Erwachsenen, wenn eine explizite Zulassung für Kinder und Jugendliche erfolgte. Die Pharmakoresistenz der Patienten sowie Unverträglichkeit zugelassener Arzneimittel können den Einsatz weiterer ASM notwendig machen. Zudem gibt es seltene Epilepsiesyndrome mit nur einer begrenzten Anzahl zugelassener Medikamente wie das Dravet-Syndrom (DS) oder das Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS).

Der Off-label-Use von ASM bietet zweifellos zusätzliche Behandlungsoptionen, kann jedoch auch erhebliche Herausforderungen und Risiken im klinischen Alltag nach sich ziehen. Durch den Mangel an Evidenz fehlen häufig klinische Daten, um die Sicherheit und Wirksamkeit zu bestätigen. Es kann Unsicherheit bezüglich Dosierungen bestehen, da offizielle Empfehlungen fehlen. Dies kann - bei Kindern insbesondere bei einem frühen Einsatz neuer Medikamente - zu Unterdosierung und ineffektiver Behandlung oder Überdosierung mit einem erhöhten Risiko für Nebenwirkungen führen. Die Behandler müssen sicherstellen, dass sie Patienten oder ihre Sorgeberechtigten umfassend über die potenziellen Risiken informieren und eine informierte Zustimmung einholen. Off-label-Use kann das Risiko unerwarteter Nebenwirkungen erhöhen, da die Medikamente möglicherweise nicht umfassend auf die spezifische Patientengruppe oder Form der Epilepsie hin getestet wurden. Die Kostenübernahme sollte - insbesondere bei kostenintensiven neueren Substanzen unter Patentschutz - durch die gesetzliche und private Krankenversicherung sichergestellt sein, um möglichen finanziellen Risiken für den Versicherten (gilt für die PKV) oder Behandler zu begegnen.

Monotherapie vs. Kombinationstherapie

In der Regel wird mit einer Monotherapie begonnen. Wenn diese nicht erfolgreich ist, kann eine zweite Monotherapie oder auch bereits eine Kombinationstherapie in Erwägung gezogen werden. Die Monotherapie, bei der nur ein Antikonvulsivum eingesetzt wird, ist in der Regel der erste Schritt in der Behandlung von Epilepsie. Der Vorteil dieser Methode liegt in ihrer Einfachheit: Es gibt eine klare Übersicht über Wirksamkeit und Nebenwirkungen, und die Medikamenten-Compliance der Patientinnen und Patienten ist am höchsten. Die Kombinationstherapie kommt ins Spiel, wenn die Monotherapie nicht den gewünschten Erfolg bringt. Hier werden zwei oder mehr Antikonvulsiva kombiniert, um verschiedene, sich ergänzende Wirkmechanismen zu nutzen. Dies kann die Wirksamkeit der Behandlung erhöhen. Die Entscheidung zwischen Mono- und Kombinationstherapie sollte immer individuell getroffen werden, basierend auf dem klinischen Bild der Patientinnen und Patienten, den bisherigen Therapieerfahrungen und den potenziellen Nebenwirkungen der Medikamente.

Ketogene Diät

Bei schwer behandelbaren Epilepsien empfehlen Ärztinnen und Ärzte manchmal eine bestimmte Ernährungsform - die ketogene Diät. Dabei werden nur wenig Kohlenhydrate und stattdessen vor allem Fette aufgenommen. Diese Diät hat zur Folge, dass sich der Stoffwechsel umstellt: Um Energie zu gewinnen, wird Fett statt Zucker abgebaut. Der erhöhte Gehalt an Fettsäuren im Blut soll wiederum die Signalübertragung der Nervenzellen im Gehirn beeinflussen und zu weniger Anfällen führen.

Weitere Therapieoptionen

Wenn die medikamentöse Therapie nicht ausreichend wirksam ist, können weitere Behandlungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden:

  • Epilepsiechirurgie: Eine Operation kommt infrage, wenn sich eine belastende Epilepsie nicht gut mit Medikamenten behandeln lässt. Sie ist nur möglich, wenn die Anfälle von einer ganz bestimmten Stelle im Gehirn ausgehen (fokale Epilepsie). Anfälle, die das gesamte Gehirn erfassen (generalisierte Epilepsie), können nicht operativ behandelt werden.
  • Vagusnerv-Stimulation: Dabei wird eine Elektrode links am Hals eingepflanzt und mit einem kleinen Gerät verbunden, das im Brustbereich unter der Haut eingesetzt wird. Das Gerät sendet über die Elektrode elektrische Impulse an den Vagusnerv und weiter ans Gehirn. Diese Impulse sollen bestimmte Gehirnaktivitäten hemmen und dadurch Anfällen vorbeugen.

Leben mit Epilepsie

Eine Epilepsie kann das Leben von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien stark beeinflussen. Neben der medizinischen Behandlung ist auch eine umfassende Unterstützung im Alltag wichtig. Dazu gehören:

  • Information und Aufklärung: Umfassende Informationen über die Erkrankung, die Behandlungsmöglichkeiten und den Umgang mit Anfällen.
  • Psychologische Unterstützung: Hilfe bei der Bewältigung von Ängsten, Unsicherheiten und sozialen Schwierigkeiten.
  • Soziale Unterstützung: Unterstützung durch Familie, Freunde, Selbsthilfegruppen und andere Betroffene.
  • Anpassung des Lebensstils: Vermeidung von Auslösern, regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus und gesunde Ernährung.

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