Morbus Parkinson ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung, die durch eine Vielzahl von motorischen und nicht-motorischen Symptomen gekennzeichnet ist. Zu den motorischen Hauptsymptomen zählen Hypokinese (Bewegungsverlangsamung), Rigor (Muskelsteifheit), Tremor (Zittern) und posturale Instabilität (Gleichgewichtsstörungen). Im Laufe der Erkrankung können weitere Symptome hinzukommen, darunter auch Haltungsstörungen wie die Kamptokormie.
Was ist Kamptokormie?
Kamptokormie bezeichnet eine abnorme, vornübergebeugte Körperhaltung, bei der der Oberkörper um 45 Grad oder mehr nach vorne geneigt ist. Diese Haltungsstörung tritt vor allem beim Stehen und Gehen auf und kann sich im Liegen vollständig oder teilweise zurückbilden. Die Kamptokormie ist nicht nur ein kosmetisches Problem, sondern kann auch zu erheblichen funktionellen Einschränkungen, Schmerzen und einer verminderten Lebensqualität führen.
Ursachen der Kamptokormie bei Morbus Parkinson
Die Ursachen der Kamptokormie bei Morbus Parkinson sind vielfältig und noch nicht vollständig geklärt. Es werden verschiedene Faktoren diskutiert, die zur Entstehung dieser Haltungsstörung beitragen können:
- Myopathie der Rückenmuskulatur: Untersuchungen haben gezeigt, dass bei einigen Parkinson-Patienten mit Kamptokormie Veränderungen in der Rückenmuskulatur vorliegen, die einer Myopathie (Muskelerkrankung) ähneln. Diese Veränderungen können zu einer Schwäche der Rückenmuskulatur und einer verminderten Fähigkeit führen, den Oberkörper aufzurichten.
- Dystonie der Rumpfmuskulatur: Eine Dystonie ist eine Bewegungsstörung, die durch unwillkürliche Muskelkontraktionen gekennzeichnet ist. Bei der Kamptokormie kann eine Dystonie der Rumpfbeugemuskulatur zu einer übermäßigen Anspannung dieser Muskeln und einer Beugung des Oberkörpers nach vorne führen.
- Störung der posturalen Reflexe: Morbus Parkinson beeinträchtigt die neuronalen Mechanismen, die für die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts und der Körperhaltung verantwortlich sind. Eine Störung dieser posturalen Reflexe kann dazu führen, dass der Körper nicht mehr in der Lage ist, die vornübergebeugte Haltung zu korrigieren.
- Medikamenteneinnahme: In einigen Fällen wurde ein Zusammenhang zwischen der Einnahme bestimmter Medikamente, insbesondere Dopaminagonisten, und der Entstehung einer Kamptokormie beobachtet. Es wird vermutet, dass diese Medikamente das Gleichgewicht zwischen verschiedenen Neurotransmittersystemen im Gehirn stören und so die Entstehung einer Dystonie begünstigen können.
- Erkrankungen oder Verletzungen der Wirbelsäule: Bei einigen Patienten mit Kamptokormie finden sich in der Vorgeschichte Erkrankungen oder Verletzungen der Wirbelsäule, die möglicherweise zur Entstehung der Haltungsstörung beigetragen haben.
- Imbalance zwischen dopaminergem und cholinergem System: Es wird diskutiert, dass eine Imbalance zwischen dem dopaminergem und cholinergem System eine Rolle bei der Modulation des Muskeltonus spielt und somit die Entwicklung der Kamptokormie beeinflussen kann.
Diagnose der Kamptokormie
Die Diagnose der Kamptokormie basiert in erster Linie auf der klinischen Untersuchung. Der Arzt achtet dabei auf die typische vornübergebeugte Körperhaltung und untersucht, ob sich diese im Liegen zurückbildet. Um andere Ursachen für die Haltungsstörung auszuschließen, können weitere Untersuchungen erforderlich sein, wie z. B.:
- Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule: Zum Ausschluss von strukturellen Veränderungen der Wirbelsäule, wie z. B. Wirbelbrüchen oder Arthrose.
- Magnetresonanztomographie (MRT) der Wirbelsäule: Zur Beurteilung der Rückenmuskulatur und zum Ausschluss von anderen neurologischen Erkrankungen.
- Elektromyographie (EMG): Zur Untersuchung der Muskelaktivität und zum Nachweis von Dystonien.
- Muskelbiopsie: In einigen Fällen kann eine Muskelbiopsie erforderlich sein, um Veränderungen in der Rückenmuskulatur nachzuweisen.
Behandlung der Kamptokormie bei Morbus Parkinson
Die Behandlung der Kamptokormie bei Morbus Parkinson ist oft schwierig und erfordert einen multidisziplinären Ansatz. Ziel der Behandlung ist es, die Haltung zu verbessern, Schmerzen zu lindern und die funktionellen Einschränkungen zu reduzieren. Folgende Therapieansätze können zum Einsatz kommen:
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Medikamentöse Therapie
- Anpassung der Parkinson-Medikation: Eine Optimierung der Parkinson-Medikation kann in einigen Fällen zu einer Verbesserung der Haltung führen. Insbesondere sollte geprüft werden, ob die Einnahme von Dopaminagonisten zur Entstehung der Kamptokormie beigetragen hat.
- Botulinumtoxin-Injektionen: Botulinumtoxin kann in die Rumpfbeugemuskulatur injiziert werden, um die Muskelspannung zu reduzieren und die Haltung zu verbessern. Die Wirkung der Botulinumtoxin-Injektionen ist jedoch oft begrenzt und nicht bei allen Patienten erfolgreich.
- Andere Medikamente: In einigen Fällen können auch andere Medikamente, wie z. B. Muskelrelaxantien oder Anticholinergika, zur Linderung der Symptome eingesetzt werden.
Physiotherapie
Die Physiotherapie spielt eine wichtige Rolle bei der Behandlung der Kamptokormie. Ziel der Physiotherapie ist es, die Rumpfmuskulatur zu stärken, die Beweglichkeit der Wirbelsäule zu verbessern und die Körperhaltung zu schulen. Folgende Übungen können in der Physiotherapie eingesetzt werden:
- Kräftigungsübungen für die Rückenmuskulatur: Diese Übungen helfen, die Rückenmuskulatur zu stärken und den Oberkörper aufzurichten.
- Dehnübungen für die Rumpfbeugemuskulatur: Diese Übungen helfen, die Spannung in der Rumpfbeugemuskulatur zu reduzieren und die Beweglichkeit der Wirbelsäule zu verbessern.
- Haltungsschulung: Der Patient lernt, eine aufrechte Körperhaltung einzunehmen und im Alltag beizubehalten.
- Gleichgewichtstraining: Dieses Training hilft, das Gleichgewicht zu verbessern und Stürzen vorzubeugen.
Ergotherapie
Die Ergotherapie kann helfen, den Alltag trotz der Kamptokormie besser zu bewältigen. Der Ergotherapeut berät den Patienten hinsichtlich geeigneter Hilfsmittel, wie z. B.:
- Rückenstützen: Diese können helfen, den Oberkörper aufzurichten und die Rückenmuskulatur zu entlasten.
- Gehhilfen: Diese können die Stabilität verbessern und Stürzen vorbeugen.
- Anpassung des Wohnraums: Der Ergotherapeut kann den Patienten beraten, wie der Wohnraum so gestaltet werden kann, dass er den Bedürfnissen des Patienten entspricht.
Tiefe Hirnstimulation (THS)
Die tiefe Hirnstimulation ist ein neurochirurgisches Verfahren, bei dem Elektroden in bestimmte Hirnregionen implantiert werden. Durch die Stimulation dieser Hirnregionen können die Symptome von Morbus Parkinson, einschließlich der Kamptokormie, gelindert werden. Die THS ist jedoch nicht für alle Patienten geeignet und sollte nur in Erwägung gezogen werden, wenn andere Behandlungsoptionen nicht erfolgreich waren.
Operative Behandlung
In seltenen Fällen kann eine operative Behandlung der Kamptokormie in Erwägung gezogen werden. Ziel der Operation ist es, die Wirbelsäule zu stabilisieren und die Haltung zu korrigieren. Die operative Behandlung ist jedoch ein risikoreicher Eingriff und sollte nur in ausgewählten Fällen durchgeführt werden.
Kamptokormie-Rucksack
Um Kamptokormie bei Parkinson entgegenzuwirken, kann ein spezieller Rucksack eingesetzt werden. Dieser Rucksack hat gebogene Schultergurte und kann mit Gewichtsplatten in der Rückentasche angepasst werden, um die Vorwärtsneigung auszugleichen. Ein Gurt an der Vorderseite hilft dabei, die Träger an den richtigen Stellen am Brustmuskel einzustellen. Man kann den Kamptokormie-Rucksack in einem Sanitätshaus ausprobieren und kaufen.
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