Kaninchenlähmung: Ursachen, Behandlung und Management

Einführung

Die Kaninchenlähmung, oft ein Symptom der Enzephalitozoonose (E. Cuniculi), ist eine Erkrankung, die Kaninchenbesitzer beunruhigen kann. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten dieser Erkrankung, um Kaninchenhaltern ein umfassendes Verständnis zu ermöglichen.

Was ist Enzephalitozoonose?

Enzephalitozoonose ist eine Infektionskrankheit, die durch den sporenbildenden Einzeller Enzephalitozoon cuniculi verursacht wird. Diese Parasiten befallen bevorzugt das Nervensystem, die Nieren und die Augen von Kaninchen und können dort erhebliche Gesundheitsprobleme verursachen. Es handelt sich um pilzartige Einzeller, die sich innerhalb von Zellen des Tieres einnisten.

Häufigkeit der Infektion

Studien deuten darauf hin, dass ein erheblicher Teil der Hauskaninchen Träger von E. Cuniculi ist. Einige Studien legen dar, dass rund 80 % aller Hauskaninchen Träger sind. Andere Studien sprechen von etwa 41-45 % der Hauskaninchen in Deutschland, die von EC als Träger betroffen sind. Viele dieser Tiere zeigen jedoch keine Symptome, da ihr Immunsystem die Parasiten in Schach hält. Ein Ausbruch der Krankheit kann durch Stress oder andere Faktoren ausgelöst werden, die das Immunsystem schwächen.

Infektionswege

E. Cuniculi wird hauptsächlich durch direkten Kontakt mit infiziertem Urin übertragen. Die Sporen des Parasiten können im Urin infizierter Kaninchen enthalten sein und über längere Zeiträume in der Umgebung überleben. Kaninchen nehmen den Erreger oral über kontaminiertes Futter auf, da erkrankte Tiere Sporen mit dem Kot und Urin ausscheiden. Eine weitere Möglichkeit ist die Übertragung von der Mutter auf die Nachkommen bereits vor der Geburt. Auch der Kontakt mit kontaminierten Gegenständen wie Futternäpfen oder Spielzeug kann zur Ansteckung führen.

Symptome der Enzephalitozoonose

Ein EC-Schub kann sich auf ganz unterschiedliche Art und Weise äußern. Betroffene Kaninchen haben im Regelfall nur eins der folgend genannten möglichen Symptome:

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  • Neurologische Symptome:
    • Kopfschiefhaltung: Eines der bekanntesten Anzeichen ist die Neigung des Kopfes zu einer Seite. Das Kaninchen läuft dabei häufig orientierungslos im Kreis oder rollt sich auf dem Boden.
    • Gleichgewichtsstörungen: Die Tiere können Schwierigkeiten beim Laufen haben, stolpern oder im Kreis laufen.
    • Lähmungen: Am Bekanntesten ist die Lähmung der Extremitäten. Das Kaninchen verliert die Kraft in den Beinen und zieht die Hinterläufe ähnlich einer Lähmung nach. Die Tiere robben häufig nur noch mit den Vorderbeinen vorwärts. Auch einseitige Lähmungserscheinungen und Lähmungen des Kopfes oder der Vorderläufe kommen vor.
    • Zuckende Augenbewegungen: Sind weiterhin ein klassisches Indiz.
    • Krämpfe: In schweren Fällen können Krampfanfälle auftreten.
  • Augensymptome: Sichtbare Anzeichen können sich in einer Uveitis ergeben, einer Einblutung / Ablagerung an den Augen.
    • Linsentrübung: Trübungen der Augenlinse können auftreten.
    • Ungewöhnliche Augenbewegungen: Augenzittern oder Schielen sind möglich.
    • Vermehrter Tränenfluss: Eine Entzündung oder Reizung des Auges kann zu vermehrter Tränenproduktion führen.
  • Nierensymptome: Die Nieren sind häufig bei langjährigen EC-Patienten angegriffen, was sich in einem Blutbild mit schlechten Nierenwerten manifestiert.
    • Veränderte Urinbeschaffenheit: Eine Beeinträchtigung der Nierenfunktion kann sich durch vermehrten oder verminderten Urinabsatz bemerkbar machen.
    • Inkontinenz: Unkontrollierte Inkontinenz tritt gelegentlich als Krankheitsbild auf. In einigen Fällen verlieren die Kaninchen die Kontrolle über die Blasenfunktion.
  • Allgemeine Gesundheitssymptome:
    • Gewichtsverlust: Trotz normalen Fressverhaltens kann es zu einem unerklärlichen Gewichtsverlust kommen.
    • Verhaltensänderungen: Infizierte Kaninchen können weniger aktiv sein, sich zurückziehen oder ein verändertes Sozialverhalten zeigen.
    • Fressunlust: In fortgeschrittenen Stadien kann Appetitlosigkeit ein ernstes Symptom sein.
    • Auffällig häufiges Ohrenschütteln wurden als Symptom berichtet.
    • Unverhoffte und unbegründete Panikattacken können auftreten.
    • Chronische Verdauungsbeschwerden, insbesondere ständig wiederkehrende Aufgasungen, können durch E. Cuniculi bedingt sein.
    • Ebenso Herz, Verdauungsorgane, Lunge und die Leber können betroffen sein.
    • Die Kaninchen können lethargisch, unbeweglich dar sitzen und vor sich hin starren.

Diagnose

Die Diagnose der Enzephalitozoonose basiert auf einer Kombination aus klinischer Untersuchung, Anamnese und spezifischen Labortests.

  • Anamnese und klinische Untersuchung: Der Tierarzt wird Fragen zur Haltung, zum Verhalten und zu den Symptomen des Kaninchens stellen. Die klinische Untersuchung umfasst die Bewertung des Allgemeinzustandes, die Überprüfung auf neurologische Symptome und die Untersuchung der Augen und Nierenfunktion.
  • Labordiagnostik:
    • Serologische Tests: Das Blut des Kaninchens wird auf Antikörper gegen E. cuniculi getestet. Ein positiver Test weist darauf hin, dass das Tier mit dem Parasiten in Kontakt gekommen ist. Es ist jedoch zu beachten, dass auch gesunde Kaninchen Antikörper aufweisen können, ohne krank zu sein. Hat das Kaninchen vor kurzer Zeit einen sogenannten EC Schub gehabt, ist der Titer auf dem Befund deutlich gegenüber dem Basiswert erhöht. Nun, ein positives Testergebnis weist jedoch nicht zwangsläufig auf eine akute Erkrankung hin. Man muss wissen, rund 50 % aller Kaninchen werden aufgrund von Antikörpern positiv getestet. Andersherum weisen Kaninchen, die sich im Mutterleib angesteckt haben, keine Antikörper auf, da die Parasiten als nicht „fremd“ erkannt werden.
    • Urinanalyse: Da infizierte Kaninchen die Sporen von E. cuniculi mit dem Urin ausscheiden, kann eine Urinanalyse auf das Vorhandensein dieser Sporen hinweisen.
    • PCR-Test: Der PCR-Test weist E. cuniculi-DNA im Urin, Liquor (Nervenwasser) oder Gewebe nach. Ein positiver PCR-Test im Urin weist auf eine aktive Ausscheidung und damit auf eine aktuelle Infektion hin. Der Test ist hilfreich bei neurologischen Symptomen in Kombination mit Liquor-Analyse.
    • Magnetresonanztomographie (MRT): In speziellen Fällen kann eine MRT des Gehirns und Rückenmarks erforderlich sein, um die Diagnose zu bestätigen, besonders wenn neurologische Symptome vorliegen.
    • Biopsie und Histopathologie: In seltenen Fällen kann eine Gewebeprobe genommen und mikroskopisch untersucht werden, um die Parasiten direkt nachzuweisen.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Testergebnisse sorgfältig interpretiert werden müssen. Nicht jedes seropositive Kaninchen ist klinisch erkrankt. Der Tierarzt wird die Ergebnisse im Zusammenhang mit den klinischen Symptomen und der Krankheitsgeschichte des Tieres bewerten.

Differentialdiagnose

Bei Verdacht auf Enzephalitozoonose müssen andere mögliche Ursachen für die Symptome ausgeschlossen werden. Dazu gehören:

  • Otitis media/interna (Mittel-/Innenohrentzündung): Diese kann ähnliche Symptome wie Schiefhals verursachen.
  • Zentralnervöse Infektionen: Andere Erreger, wie Bakterien oder Viren, können ebenfalls neurologische Symptome hervorrufen.
  • Trauma: Ein Unfall oder Sturz kann zu einer Kopfschiefhaltung führen, insbesondere wenn das Zentralnervensystem betroffen ist.
  • Vergiftungen: Toxische Substanzen, die neurologische Ausfallerscheinungen hervorrufen, müssen ebenfalls in Betracht gezogen werden.
  • Stoffwechselstörungen: E. cuniculi kann Nierenschäden verursachen, ähnlich wie andere Erkrankungen des Stoffwechsels (z.B. Niereninsuffizienz).
  • Augenerkrankungen: Linsentrübung und Uveitis können auch durch andere Augenerkrankungen bedingt sein.
  • Krebserkrankungen: Tumoren im Bereich des Zentralnervensystems können ebenfalls neurologische Symptome hervorrufen.
  • Parasitäre Erkrankungen: Kaninchen können auch von anderen Parasiten befallen werden, die ähnliche Symptome hervorrufen können.

Behandlung

Die Behandlung der Enzephalitozoonose zielt darauf ab, die Vermehrung der Parasiten zu hemmen und die Symptome zu lindern.

  • Medikamentöse Therapie:
    • Fenbendazol: Der Wirkstoff Fenbendazol, bekannt unter dem Handelsnamen Panacur, ist ein Breitspektrum-Antiparasitikum und wird häufig zur Behandlung von Enzephalitozoonose eingesetzt. Die übliche Behandlungsdauer beträgt etwa 28 Tage, kann aber je nach Schweregrad der Erkrankung variieren.
    • Antibiotika: Um Sekundärinfektionen zu behandeln oder zu verhindern, können Antibiotika eingesetzt werden.
    • Vitamin B-Komplex: Vitamin B wird verabreicht, um den Wiederaufbau der durch E.c. geschädigten Nerven zu fördern.
    • Kortikosteroide: In Extremfällen muss der Tierarzt dem Kaninchen Cortison spritzen. Dies wird nur bei extrem schweren Symptomen, sozusagen als letzter Ausweg, getan, da Kaninchen Cortison schlecht vertragen.
  • Supportive Pflege:
    • Ausgewogene Ernährung: Eine hochwertige, nährstoffreiche Kost ist für das geschwächte Immunsystem von großer Bedeutung. Bieten Sie weiterhin eine gesunde und artgerechte Ernährung mit Wiese, frischen Kräutern, Gemüse und Obst. Positiv aufgenommen werden Brennnessel (auch als Tee) und Spitzwegerich. Schafgarbe und Breitwegerich können ebenfalls, möglichst frisch, geboten werden.
    • Stressreduktion: Da Stress ein auslösender Faktor für die Vermehrung der Parasiten sein kann, ist es wichtig, für eine ruhige und stabile Umgebung zu sorgen. Unmittelbar nach einer Vergesellschaftung treten EC-Schübe signifikant häufiger auf. Der Verlust des Partnertieres, Umzug des Geheges oder schlechte Haltungsbedingungen (Unsauberkeit im Gehege, geringes Platzangebot, schlechte Ernährung…) fördern die Wahrscheinlichkeit, einen EC Schub zu bekommen. Separieren Sie das erkrankte Tier nicht! Das erkrankte Tier benötigt nun die Liebe, Pflege und Zuneigung der Artgenossen. Sollten die Artgenossen das erkrankte Tier dagegen attackieren, ist eine Trennung zu erwägen. Damit ist jedoch in den wenigsten Fällen zu rechnen.
    • Hygiene: Während der Behandlungszeit sind erhöhte Hygienemaßnahmen zu ergreifen. Wechseln Sie täglich die Handtücher & Decken und kochen Sie diese in der Waschmaschine aus. Alternativ kann Wäschedesinferktionsmittel zur Wäsche gegeben werden. Um eine weitere Verbreitung der Sporen zu verhindern, ist eine strikte Hygiene im Stall und bei allen Utensilien geboten. Regelmäßiges Reinigen und Desinfizieren sind essentiell.
    • Angepasste Umgebung: Richten Sie dem Kaninchen ein sicheres und seniorengerechtes Gehege ein, welches gut gepolstert ist. Verteilen Sie die das Futter im Gehege derart, dass das Kaninchen die Nahrung ohne Anstrengungen aufnehmen kann. Bei starken motorischen Störungen empfehlen sich niedrige Näpfe und Schalen. Sollte das Wasser nicht von alleine aufgenommen werden können, hilft die Zugabe mit einer Päppelspritze. Bieten Sie frischen Tee oder stark verdünnten zuckerfreien Saft an, damit die Tiere wählen können. Die Päppelspritze mit Herbicare oder Critial Care kommt auch zum Einsatz, wenn die Nahrungsaufnahme in den ersten Tagen nicht alleine möglich ist. Ergänzend können nach Absprache mit dem Tierarzt, Infusionen unter die Haut gegeben werden, um ein Austrocknen zu verhindern und die Nierenfunktion zu unterstützen. Der Energiebedarf des an EC erkrankten Tieres ist erhöht - Sie dürfen Leckerli geben!
    • Pflege bei Lähmungen: Bei einer Nachhand-Lähmung erhält das Kaninchen unabhängig von der Ursache meist B-Vitamine, Antibiotika und Kortikosteroide (wie Kortison). Es ist wichtig, gelähmte Beine immer wieder zu bewegen, wenn das Tier dazu selber nicht in der Lage ist.
    • Augenpflege: Mit einem verdrehten Kopf scheuert im schlimmsten Fall ein Auge über den Boden. Denken Sie daran, das Auge gut zu pflegen. Bei Hornhautverletzungen wird der Tierarzt eine entsprechende Salbe verschreiben. Halten Sie das Auge ansonsten sauber und entfernen Sie Fremdkörper rechtzeitig.

Prävention

Obwohl es keine Impfung gegen die Enzephalitozoonose gibt, können Kaninchenhalter mehrere vorbeugende Maßnahmen ergreifen, um das Risiko einer Infektion zu minimieren:

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  • Gute Hygienepraktiken: Regelmäßiges Reinigen und Desinfizieren des Geheges, der Futternäpfe und anderer Gegenstände.
  • Stressminimierung: Stressfaktoren reduzieren, wie z.B. Vermeidung von Überbelegung, Bereitstellung von ausreichend Platz und Versteckmöglichkeiten.
  • Stärkung des Immunsystems: Eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Bewegung und eine artgerechte Haltung tragen zur Stärkung des Immunsystems bei.
  • Quarantäne: Neue Kaninchen sollten vor der Vergesellschaftung mit anderen Tieren in Quarantäne gehalten werden, um das Risiko der Einschleppung von Krankheiten zu minimieren.

Prognose

Die Prognose bei Enzephalitozoonose hängt von der Schwere der Erkrankung und dem Zeitpunkt des Behandlungsbeginns ab. Frühzeitig erkannt und behandelt, können sich die Symptome deutlich bessern. In einigen Fällen bleiben jedoch Folgeschäden zurück, wie z.B. eine dauerhafte Kopfschiefhaltung. Wichtig zu Wissen ist, dass jederzeit mit einem Rückfall zu rechnen ist. Halten Sie daher stets Panacur und das Vitaminkomplex im Haus vorrätig. Auch wenn die Behandlung sich einige Wochen hinzieht, können Sie von einer deutlichen Verbesserung der Situation ausgehen. Sollte die EC Erkrankung nicht sofort erkannt werden und der Kopf schief bleiben, bedenken Sie immer, dass das Kaninchen noch viel Lebensfreue verspürt. Versuchen Sie nicht das Köpfchen gerade zu drehen. Die Nervenstrukturen sind und bleiben zerstört.

Zusätzliche Informationen

  • E. Cuniculi und Partnertiere: Behandeln Sie alle Mitbewohner präventiv, denn Sie können davon ausgehen, dass alle Kontakttiere auch EC-Träger sind.
  • EC-Tests zur Partnerwahl: Die Aussagekraft von EC-Tests zur Partner-Neuwahl ist beschränkt und gibt im Hinblick auf die Frage, ob das Tier wegen einer EC-Infektion in Frage kommt oder nicht, keinen eindeutigen Hinweis.
  • Was tun bei Verdacht auf E.C.? Gehen Sie umgehend zu einem kaninchenerfahrenen Tierarzt. Bei einem EC Schub ist es wichtig, dass innerhalb von Stunden die genannten Medikamente verabreicht werden. Warten Sie keine Minute länger! Jede Zeiteinheit die ungenutzt verstreicht, verzögert den Heilungsprozess signifikant. Sollte der Tierarzt in seiner Diagnose nicht sicher sein und das Tier umgehend einschläfern wollen - verlassen Sie mit dem Kaninchen die Praxis und holen Sie sich von einem auf Kaninchen spezialisierten Tierarzt eine Zweitmeinung ein.

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