Encephalitozoon cuniculi (E. cuniculi) ist ein weit verbreiteter Parasit bei Hauskaninchen. Die Infektion kann asymptomatisch verlaufen oder neurologische und renale Symptome hervorrufen. Die Enzephalitozoonose, die durch diesen Parasiten verursacht wird, stellt eine der häufigsten parasitären Erkrankungen bei Hauskaninchen dar. Die hohe Morbidität und das potenzielle Zoonoserisiko haben erhebliche wirtschaftliche Folgen. Die Prävalenz von E. cuniculi in Kaninchenbeständen ist oft auf mangelhafte Haltungsbedingungen und unzureichende Prophylaxe zurückzuführen.
Was ist Enzephalitozoonose?
Enzephalitozoonose, auch Drehkrankheit oder Sternenguckerkrankheit genannt, ist eine Infektionskrankheit, die durch den sporenbildenden Einzeller Encephalitozoon cuniculi verursacht wird. Der Parasit befällt vor allem das zentrale Nervensystem, die Nieren und die Augen der Kaninchen.
Verbreitung von E. cuniculi
Schätzungsweise tragen 18 bis 40 % der gesunden Hauskaninchen in Deutschland den Erreger in sich. Diese Tiere sind latent infiziert und zeigen keine klinischen Symptome. Studien haben gezeigt, dass die Durchseuchungsrate bei gesunden Kaninchen niedriger ist als bei erkrankten Tieren. In Zuchten konnte durch gezielte Auslese eine Durchseuchungsrate von unter 10 % erreicht werden. Wildkaninchen können ebenfalls betroffen sein, wobei die Prävalenz regional variiert.
Ursachen und Auslöser
Kaninchen mit einem intakten Immunsystem können den Erreger in Schach halten und keine Symptome entwickeln. Eine Immunschwäche, ausgelöst durch Stress, andere Erkrankungen oder die Verabreichung von Kortison, kann jedoch zu einer Vermehrung des Erregers und dem Ausbruch der Krankheit führen. Auch ältere Kaninchen sind anfälliger. Stressfaktoren können Vergesellschaftungen, Verlust eines Artgenossen, Unwetter, Einzelhaltung oder schlechte Haltungsbedingungen sein. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass viele Kaninchen ähnlichen Belastungen ausgesetzt sind, ohne einen akuten Ausbruch zu erleiden.
Übertragungswege
Der Hauptübertragungsweg von E. cuniculi ist die Aufnahme von Sporen über den Urin. Infizierte Kaninchen scheiden die Sporen kontinuierlich aus, auch wenn sie klinisch gesund sind. Die Sporen können durch Fellpflege oder kontaminiertes Futter aufgenommen werden. Eine Ansteckung kann auch im Mutterleib über die Plazenta oder durch Einatmen infizierter Tröpfchen oder Staubpartikel erfolgen. Die Übertragung über Kot ist umstritten. Einmal infizierte Kaninchen tragen den Erreger lebenslang in sich.
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Ansteckungsgefahr für andere Kaninchen
Der Großteil der Kontaktkaninchen von erkrankten Tieren trägt den Erreger bereits in sich. Daher gelten ungetestete Artgenossen grundsätzlich als Träger. Eine Trennung des erkrankten Kaninchens von seinen Artgenossen ist in der Regel nicht sinnvoll, da es die sozialen Kontakte zur Genesung benötigt. Eine Ausnahme besteht, wenn das erkrankte Kaninchen gemobbt oder verletzt wird.
Symptome
E. cuniculi kann sich auf vielfältige Weise auswirken. Am häufigsten sind Symptome des zentralen Nervensystems, der Augen und der Nieren. Betroffene Kaninchen haben oft nur eines oder wenige Symptome gleichzeitig.
Neurologische Symptome
- Kopfschiefhaltung (Torticollis): Der Kopf ist zur Seite geneigt oder völlig verdreht. Die Stärke der Schiefstellung kann variieren.
- Gleichgewichtsstörungen (Ataxie): Schwierigkeiten beim Laufen, Taumeln oder Umfallen.
- Lähmungserscheinungen: Besonders häufig sind gelähmte Hinterbeine, die nachgezogen werden.
- Anfälle und Krämpfe: Phasen von Orientierungslosigkeit, unkontrollierten Bewegungen, Zuckungen oder Krämpfen.
Augensymptome
- Uveitis: Entzündung der mittleren Augenhaut, erkennbar an einem weißen Augenschleier oder rötlich-weißen Flecken im Auge.
- Katarakt: Trübung der Augenlinse.
- Glaukom: Erhöhter Augeninnendruck.
- Nystagmus: Unkontrollierte Augenzuckungen oder -bewegungen.
- Verzögerter Pupillenreflex: Die Pupille reagiert verzögert auf Lichtreize.
Nierensymptome
- Inkontinenz: Unkontrollierter Harnabsatz.
- Polyurie/Polydipsie: Erhöhte Urinmenge und vermehrter Durst.
- Niereninsuffizienz: Organschäden, die zu vermehrtem Durst, stumpfem Fell, Apathie und Nahrungsverweigerung führen können.
Weitere Symptome
- Störungen der Bewegungs- und Haltungskoordination:Tollpatschigkeit, merkwürdige Körperhaltungen oder eine hohe Körperspannung.
- Chronisch geschwächtes Immunsystem: Anfälligkeit für andere Erkrankungen.
Diagnose
Die Diagnose von E. cuniculi erfolgt durch eine Kombination aus klinischer Untersuchung, Anamnese und spezifischen Labortests.
Anamnese und klinische Untersuchung
Der Tierarzt erfragt die Haltungsbedingungen, das Verhalten und die Symptome des Kaninchens. Die klinische Untersuchung umfasst die Beurteilung des Allgemeinzustandes, die Überprüfung auf neurologische Symptome und die Untersuchung der Augen und Nierenfunktion.
Labordiagnostik
- Serologische Tests (Antikörpertests): Ein positiver Antikörpertest zeigt, dass das Kaninchen mit E. cuniculi infiziert ist, aber nicht unbedingt erkrankt ist.
- PCR-Test: Nachweis von E. cuniculi-Sporen im Urin. Ein negativer Test schließt eine Infektion jedoch nicht aus, da die Sporen nicht kontinuierlich ausgeschieden werden.
- Urinanalyse: Untersuchung des Urins auf das Vorhandensein von Sporen.
- Blutuntersuchung: Überprüfung der Nierenwerte (Kreatinin und Harnstoff) zur Feststellung einer Niereninsuffizienz.
- Bildgebende Verfahren (Röntgen, CT, MRT): Zum Ausschluss anderer Ursachen für die Symptome, z.B. Ohrenentzündungen oder Tumore.
- Biopsie und Histopathologie: In seltenen Fällen kann eine Gewebeprobe entnommen und mikroskopisch untersucht werden, um die Parasiten direkt nachzuweisen.
Differentialdiagnose
Es ist wichtig, andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen auszuschließen, wie z.B.:
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- Mittel- und Innenohrentzündung
- Hirnhautentzündung
- Vergiftungen
- Trauma
- Tumore
- Andere parasitäre Infektionen
Behandlung
Die Behandlung von E. cuniculi zielt darauf ab, die Vermehrung der Parasiten zu hemmen und die Symptome zu lindern. Eine Heilung im klassischen Sinne ist nicht möglich, aber die Lebensqualität der betroffenen Kaninchen kann verbessert werden.
Medikamentöse Therapie
- Fenbendazol (Panacur): Ein Antiparasitikum, das die Vermehrung der Parasiten hemmt. Die übliche Behandlungsdauer beträgt 28 Tage.
- Vitamin B: Zur Förderung der Regeneration geschädigter Nerven.
- Antibiotika: Zur Behandlung bakterieller Infektionen, die als Folge der Immunschwäche auftreten können.
- Infusionen: Zur Unterstützung der Nierenfunktion und zur Vorbeugung von Austrocknung.
- Cortison: In schweren Fällen zur Reduktion von Entzündungen im Gehirn. Die Anwendung sollte jedoch aufgrund der Nebenwirkungen auf das Immunsystem nur in Ausnahmefällen erfolgen.
Supportive Pflege
- Ausgewogene Ernährung: Hochwertige, nährstoffreiche Kost zur Stärkung des Immunsystems.
- Stressreduktion: Eine ruhige und stabile Umgebung, ggf. mit Gesellschaft von Artgenossen.
- Hygiene: Regelmäßiges Reinigen und Desinfizieren des Stalls und aller Utensilien.
- Unterbringung: Bei starken Koordinationsstörungen und Rotationen um die eigene Körperachse ist ein kleiner, ausgepolsterter Käfig geeignet, um Verletzungen vorzubeugen.
- Flüssigkeitsaufnahme: Ausreichende Flüssigkeitsaufnahme ist wichtig, um einer Austrocknung vorzubeugen. Das Wasser kann in einem flachen Schälchen oder per Einwegspritze angeboten werden.
- Futteraufnahme: Bei Appetitlosigkeit muss das Kaninchen zwangsernährt werden. Geeignet ist ein rohfaserreicher Futterbrei, der mit geriebenem Apfel oder Möhren- bzw. Bananenbrei angereichert werden kann.
Überwachung und Nachsorge
Regelmäßige tierärztliche Kontrollen sind wichtig, um den Behandlungserfolg zu überwachen und die Langzeitwirkung der Therapie zu beurteilen. Auch die Partnertiere sollten untersucht und gegebenenfalls mitbehandelt werden.
Prognose
Die Prognose bei E. cuniculi hängt von der Art und Schwere der Symptome sowie dem Zeitpunkt des Behandlungsbeginns ab. Je früher die Behandlung einsetzt, desto besser sind die Chancen auf eine Besserung. Zentrale Blind- und Taubheit sind in der Regel gut zu behandeln. Bei unkoordinierten Bewegungen und Kopfschiefhaltung ist der Behandlungserfolg größer, je schneller medikamentös eingegriffen wird. Gelähmte Hintergliedmaßen haben eine schlechtere Prognose, insbesondere wenn sich die Muskeln bereits zurückgebildet haben.
Auch wenn die Symptome furchtbar aussehen, sind sie in der Regel nicht schmerzhaft. Die meisten Kaninchen erholen sich nach einiger Zeit und zeigen einen deutlichen Lebenswillen. Selbst wenn eine Schiefhaltung des Kopfes bestehen bleibt, kann dies die Lebensqualität des Kaninchens kaum beeinträchtigen.
Prävention
Es gibt keine Impfung gegen E. cuniculi, aber es gibt vorbeugende Maßnahmen:
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- Gute Hygienepraktiken: Regelmäßiges Reinigen und Desinfizieren des Stalls und aller Utensilien.
- Stressreduktion: Eine artgerechte Haltung mit ausreichend Platz, Beschäftigung und Sozialkontakten.
- Stärkung des Immunsystems: Eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Bewegung und wenig Stress.
- Quarantäne: Neue Kaninchen sollten vor der Vergesellschaftung mit anderen Kaninchen getestet werden.
- Regelmäßige Entwurmung: Eine regelmäßige Entwurmung kann das Risiko eines Ausbruchs verringern.
Zoonotisches Potenzial
E. cuniculi ist eine Zoonose, d.h. der Erreger kann prinzipiell auch auf andere Haustiere und den Menschen übertragen werden. Eine Übertragung auf den Menschen ist jedoch selten und betrifft hauptsächlich Personen mit einem geschwächten Immunsystem (z.B. HIV-Patienten). Sicherheitshalber sollten auch Babys und Kleinkinder keinen Kontakt zu infizierten Tieren haben.
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