Tinnitus: Ursachen, Auswirkungen auf das Gehirn und Behandlungsansätze

Tinnitus, vom lateinischen "tinnire" (klingeln), ist ein weit verbreitetes Phänomen, bei dem Betroffene Geräusche wie Klingeln, Pfeifen, Rauschen, Summen oder Brummen wahrnehmen, ohne dass eine äußere Schallquelle vorhanden ist. Etwa jeder vierte Erwachsene in Deutschland hat bereits Erfahrungen mit Tinnitus gemacht. In den meisten Fällen verschwinden die Ohrgeräusche von selbst, doch bei manchen Menschen entwickelt sich ein chronischer Tinnitus, der die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen kann.

Arten von Tinnitus

Grundsätzlich unterscheidet man zwei Arten von Tinnitus:

  • Subjektiver Tinnitus: Nur die betroffene Person nimmt die Ohrgeräusche wahr. Dies ist die häufigste Form.
  • Objektiver Tinnitus: In seltenen Fällen kann das Geräusch auch von anderen Personen gehört oder mit medizinischen Geräten nachgewiesen werden, beispielsweise bei Gefäßproblemen. Hier lassen sich die Pulsgeräusche mit einem Stethoskop in der Halsarterie wahrnehmen.

Ursachen von Tinnitus

Ein Tinnitus ist ein Symptom und keine eigenständige Krankheit. Die Ursachen können vielfältig sein und oft lässt sich keine eindeutige Ursache feststellen. Zu den möglichen Auslösern gehören:

  • Lärmbelastung: Laute Geräusche, wie z.B. in Fabriken, auf Baustellen oder bei Konzerten, können die Haarzellen im Innenohr schädigen und zu Tinnitus führen.
  • Hörstörungen: In über 90 Prozent der Fälle tritt Tinnitus in Verbindung mit Schwerhörigkeit auf.
  • Erkrankungen des Ohres und der Hörbahn: Morbus Menière, Otosklerose, chronische Mittelohrentzündungen oder ein geplatztes Trommelfell können Tinnitus auslösen.
  • Kiefergelenksprobleme und Nackenverspannungen: Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) und Verspannungen im Nackenbereich können die Muskeln und Nerven im Kopf- und Nackenbereich beeinflussen und Tinnitus auslösen.
  • Andere Grunderkrankungen: Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen, Angststörungen oder Depressionen können mit Tinnitus verbunden sein.
  • Medikamente: Einige Medikamente, wie Chemotherapien, Antibiotika, Aspirin und bestimmte Schmerzmittel, können als Nebenwirkung Tinnitus verursachen.
  • Stress und psychische Belastungen: Stress kann die Symptome von Tinnitus verschlimmern. Psychische Belastungen beeinflussen die Art und Weise, wie das Gehirn auf Ohrgeräusche reagiert.
  • Blutdruckprobleme und Herzerkrankungen: Ein hoher Blutdruck oder Herzprobleme können Tinnitus verursachen.
  • Blockaden der Halswirbelsäule.
  • Fehlstellungen der Kiefergelenke oder der Zähne (CMD).

Wie Tinnitus das Gehirn beeinflusst

Lange Zeit vermutete man die Ursache von Tinnitus im Innenohr. Moderne bildgebende Verfahren zeigen jedoch, dass Tinnitus im Gehirn entsteht. Schädigungen des Hörorgans, etwa durch Lärm, Infektionen oder Erkrankungen, beeinträchtigen die Hörbahn. Das Gehirn versucht, den Mangel an Informationen auszugleichen, was zu einer Überaktivität von Nervenzellen in der Hörrinde führt. Diese Nervenzellen produzieren dann Geräusche oder reagieren empfindlicher auf akustische Reize, was zur Wahrnehmung von Phantomgeräuschen führt.

Die emotionale Bewertung des Ohrgeräusches spielt eine große Rolle. Tinnitus-Patienten haben infolge des Ohrgeräusches häufig in hohem Ausmaß psychische Probleme: Am häufigsten treten Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen und depressive Syndrome auf. Tinnitus-Patienten berichten häufig über eine aktuell bestehende psychische Belastungssituation (Dauerstress, Burnout) beim erstmaligen Auftreten des Tinnitus. Zudem wirkt sich Stress auch im Krankheitsverlauf verstärkend auf ihre subjektive Belastung aus. Ein bis fünf Prozent der Gesamtbevölkerung entwickeln aufgrund des Tinnitus schwerwiegende psychosoziale Schwierigkeiten während des Krankheitsverlaufs.

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Mögliche Folgen eines Tinnitus

Ein Tinnitus kann erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen haben. Mögliche Folgen sind:

  • Schlafstörungen
  • Konzentrationsschwäche
  • Gedächtnisprobleme
  • Depressionen
  • Angstzustände
  • Sozialer Rückzug: Durch das Ohrgeräusch ist es Betroffenen erschwert, sich zu entspannen, sodass sie in sozialen Situationen gereizter reagieren, ohne dies eigentlich zu wollen. Auch das Geräusch allein - ohne psychologische Folgen zu betrachten - kann auch die Kommunikation mit anderen erschweren. Durch die Ohrgeräusche oder den häufig vorliegenden Hörverlust wird es Betroffenen erschwert, an Konversationen teilzunehmen.

Diagnose von Tinnitus

Die Diagnose von Tinnitus umfasst in der Regel folgende Schritte:

  1. Anamnese: Der Arzt erfragt die genauen Beschwerden, die Art der Geräusche, deren Dauer und mögliche Auslöser.
  2. Körperliche Untersuchung: Der Arzt untersucht die Ohren, um mögliche Ursachen wie Ohrenschmalz oder Entzündungen auszuschließen.
  3. Hörtest: Ein Hörtest dient dazu, das Hörvermögen zu überprüfen und eventuelle Hörverluste festzustellen.
  4. Weitere Untersuchungen: Je nach Befund können weitere Untersuchungen wie eine Hirnstammaudiometrie (BERA), eine Gleichgewichtsprüfung, Blutuntersuchungen, eine Kernspintomografie, eine Untersuchung der Halswirbelsäule oder des Kiefergelenks und der Kaumuskeln notwendig werden.

Behandlung von Tinnitus

Die Behandlung von Tinnitus richtet sich nach der Ursache. Wenn eine Grunderkrankung vorliegt, wird diese behandelt. Bei einem akuten Tinnitus können Infusionen mit Kortison oder anderen entzündungshemmenden Medikamenten helfen.

Für chronischen Tinnitus gibt es keine Heilung, aber verschiedene Therapieansätze können helfen, die Belastung zu reduzieren und den Umgang mit dem Tinnitus zu erleichtern:

  • Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT): Diese Therapie hilft dem Gehirn, die Ohrgeräusche zu ignorieren.
  • Kognitive Verhaltenstherapie: Hier lernt der Patient, das Ohrgeräusch als weniger störend wahrzunehmen und Strategien zu entwickeln, um mit dem Tinnitus besser leben zu können.
  • Hörgeräte: Bei einer zugrundeliegenden Schwerhörigkeit können Hörgeräte helfen, die Außengeräusche wieder besser wahrzunehmen und den Tinnitus zu überdecken.
  • Entspannungstechniken: Stress kann Tinnitus verschlimmern. Entspannungstechniken wie Yoga, Meditation oder Atemübungen können helfen, Stress abzubauen und die Symptome zu lindern.
  • Physiotherapie und manuelle Therapie: Bei Tinnitus, der durch Nackenverspannungen oder CMD verursacht wird, kann Physiotherapie helfen, die Muskeln zu entspannen und die Durchblutung zu verbessern.
  • Musiktherapie: Eine spezielle Form der Musiktherapie filtert die Frequenz des Tinnitus aus der Musik heraus, um die überaktive Hirnregion zu schonen.
  • Magnetstimulation: Bei dieser nicht-invasiven Behandlungsform werden die Hirnströme mittels Magnetstimulation beeinflusst.

Was Sie selbst gegen Tinnitus tun können

Neben professionellen Behandlungen gibt es auch Maßnahmen, die Sie selbst ergreifen können, um Ihre Symptome zu lindern:

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  • Vermeiden Sie Lärm: Schützen Sie Ihre Ohren vor lauten Geräuschen, indem Sie Ohrstöpsel tragen oder laute Umgebungen meiden.
  • Reduzieren Sie Stress: Sorgen Sie für ausreichend Entspannung und Ausgleich im Alltag.
  • Achten Sie auf eine gesunde Lebensweise: Eine gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf und regelmäßige Bewegung können das allgemeine Wohlbefinden verbessern und Tinnitus reduzieren.
  • Vermeiden Sie Alkohol und Koffein: Diese Substanzen können die Durchblutung beeinträchtigen und die Entstehung von Ohrgeräuschen begünstigen.
  • Konzentrieren Sie sich nicht auf den Tinnitus: Versuchen Sie, dem Tinnitus wenig Bedeutung im eigenen Leben zu geben.
  • Suchen Sie sich Unterstützung: Der Austausch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen kann guttun.

Wann sollte man bei Ohrgeräuschen zum Arzt?

Es gibt bestimmte Anzeichen, die einen Arztbesuch erfordern:

  • Plötzliches Auftreten von Tinnitus
  • Starker Hörverlust
  • Schwindel oder Gleichgewichtsstörungen
  • Schmerzen im Ohr
  • Pulsierendes Ohrgeräusch (synchron zum Herzschlag)

Ein Hals-Nasen-Ohrenarzt (HNO-Arzt) kann die Ursache feststellen und die richtige Behandlung empfehlen. Eine frühzeitige Diagnose ist entscheidend, um ernsthafte Erkrankungen auszuschließen.

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