Kartierung des Gehirns: Methoden und Fortschritte

Obwohl die Hirnforschung seit Jahrhunderten betrieben wird und moderne Methoden tiefe Einblicke in das menschliche Gehirn ermöglichen, ist das Verständnis dieses komplexen Organs noch lange nicht vollständig. Neurologische Erkrankungen wie Demenz, Parkinson und Alzheimer können von Ärzten bisher nur symptomatisch behandelt, aber nicht geheilt werden. Das komplexe Netzwerk aus Millionen von Neuronen und hundert Billionen Synapsen, das die Nervenzellen verbindet, ist noch immer nicht vollständig entschlüsselt.

Die Notwendigkeit einer detaillierten Hirnkarte

Sven Dorkenwald vergleicht die Erforschung des Gehirns ohne eine detaillierte Karte mit einer Reise an einen unbekannten Ort ohne Google Maps. Er betont, dass ein umfassender Atlas des Gehirns unerlässlich ist, um seine Funktionen und Abläufe zu verstehen.

Konnektom-Forschung: Ein Riesenschritt vorwärts

Wissenschaftler aus aller Welt haben sich unter dem Namen "FlyWire" zusammengeschlossen, um einen Schritt in Richtung eines besseren Verständnisses des Gehirns zu machen. Obwohl das Gehirn der Fruchtfliege mit "nur" 140.000 Neuronen und etwa 50 Millionen Synapsen weniger komplex ist als das des Menschen, stellt das sogenannte Konnektom einen bedeutenden Fortschritt dar. Mala Murthy vom Institut für Neurowissenschaften in Princeton betont: "Dies ist ein großer Erfolg. Es gibt kein anderes vollständiges Gehirnkonnektom für ein erwachsenes Tier dieser Komplexität." Da 60 Prozent des Erbguts der Fliege mit dem des Menschen übereinstimmen und die Fliege zu höheren kognitiven Leistungen fähig ist, ist diese Forschung von großer Bedeutung.

Sven Dorkenwald, Hauptautor des Leitartikels in der Fachzeitschrift Nature, erklärt, dass die von 287 Forschern aus 76 Laboren weltweit erstellte Gehirnkarte es ermöglicht, zu erkennen, welche Neuronen mit welchem Verhalten in Verbindung stehen. Dieses Wissen über die Abläufe in einem gesunden Gehirn wird in Zukunft helfen zu verstehen, was bei Krankheiten fehlerhaft funktioniert.

Künstliche Intelligenz als Schlüsseltechnologie

Die Kartierung des gesamten Gehirns wurde erst durch Fortschritte in der künstlichen Intelligenz möglich. Millionen von Bildern eines weiblichen Fruchtfliegengehirns wurden von den Wissenschaftlern mithilfe von KI ausgewertet. Sebastian Seung, ein Neuro- und Computerwissenschaftler, betont, dass die manuelle Rekonstruktion des gesamten Schaltplans unmöglich gewesen wäre.

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Funktionelle Bildgebungsverfahren: Ein Überblick

Die wichtigsten funktionellen Bildgebungsverfahren lassen sich in zwei Hauptkategorien einteilen:

  • Elektrophysiologische Verfahren: Diese messen relativ direkt die Aktivität von Nervenzellen, wobei Aktionspotentiale als physiologisches Korrelat neuronaler Aktivität dienen.
  • Hämodynamische Verfahren: Diese nutzen einen sekundären Effekt neuronaler Aktivität, nämlich den erhöhten Stoffwechselumsatz aktiver Nervenzellen.

Elektro­physiologische vs. hämodynamische Verfahren

Generell gilt, dass elektrophysiologische Verfahren eine sehr gute zeitliche, aber eine schlechte räumliche Auflösung aufweisen, während hämodynamische Verfahren eine sehr gute räumliche, aber eine schlechte zeitliche Auflösung haben. Durch technische Entwicklungen werden die jeweiligen Nachteile jedoch immer kleiner. So kann beispielsweise bei Magnetoenzephalographie (MEG) der räumliche Ursprung des Signals schon recht genau berechnet werden, während die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) andererseits stetig in der zeitlichen Auflösung aufholt.

Anwendungsbereiche der verschiedenen Verfahren

Wenn die funktionelle Lokalisation im Vordergrund steht, eignen sich Positronenemissionstomographie (PET) und fMRT besser als Elektroenzephalographie (EEG) und MEG. Geht es dagegen um die Untersuchung der Dynamik der Hirnaktivität, sind EEG und MEG die besseren Verfahren. Vielversprechend, aber aufgrund der aufwändigen Technik noch relativ selten, sind kombinierte Verfahren.

Im Rahmen der Erforschung der menschlichen Sprachfähigkeit spielen elektrophysiologische Methoden vor allem bei der Untersuchung psycholinguistischer Fragestellungen eine wichtige Rolle. Die Methoden sind sehr gut geeignet, um beispielsweise Sprachverarbeitungsmodelle zu evaluieren, die Aktivierungsreihenfolge verschiedener Verarbeitungsmodule zu bestimmen (insbesondere bei der Sprachwahrnehmung, weniger gut bei der Sprachproduktion) oder inkrementelle vs. parallele Verarbeitungsstrategien zu differenzieren.

Die größten Fortschritte hinsichtlich der Lokalisation kognitiver Funktionen wie der Sprachfähigkeit verdanken wir PET- und fMRT-Studien. Die fMRT steht seit Anfang der 1990er Jahre zur Verfügung, PET ist etwas älter. PET ist ein anerkanntes klinisch-diagnostisches Verfahren. PET eignet sich auch sehr gut für neurophysiologische und neurochemische Untersuchungen. Sowohl PET als auch fMRT können für Studien eingesetzt werden, bei denen der Ansatz der funktionellen Intergation im Mittelpunkt steht.

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Funktionelle Kartierung vs. funktionelle Integration

Während die funktionelle Kartierung die Grundannahme des Läsion-Defizit-Ansatzes teilt, dass spezifische, klar abgegrenzte Hirnregionen für spezifische kognitive Funktionen spezialisiert sind (funktionelle Segregation), steht bei der funktionellen Integration die Konnektivität zwischen verschiedenen Hirnarealen im Zentrum des Interesses. Hinter diesem Ansatz steht die Annahme, dass kognitive Funktionen nicht ausschließlich in einzelnen Hirnregionen lokalisiert sind, sondern vielmehr durch das Zusammenspiel verschiedener Hirnareale entstehen.

PET und fMRT: Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Bevor wir zu den unterschiedlichen Messprinzipien der beiden Verfahren kommen, soll zunächst noch einmal auf eine grundlegende Gemeinsamkeit von PET und fMRT hingewiesen werden. Wie bereits erwähnt wird bei beiden Verfahren neuronale Aktivität über den Umweg eines sekundären physiologischen Phänomens detektiert, welches jedoch in einem eindeutigen ursächlichen Zusammenhang mit Zellaktivität steht.

Zur Aufrechterhaltung eines Aktionspotentials benötigen Nervenzellen mehr Nährstoffe als im Ruhezustand, d.h. im Bereich aktiver Neuronen kommt es zu einer Steigerung des Stoffwechselumsatzes (metabolism rate). Um diesen erhöhten Nährstoffbedarf zu gewährleisten, reagiert der Organismus, indem er den Blutfluss in dieser Region erhöht und damit mehr sauerstoffangereichertes Blut (Oxyhämoglobin) anliefert.

Positronenemissionstomographie (PET)

Bei einer PET-Untersuchung wird die Verteilung einer zuvor verabreichten, radioaktiv markierten Substanz (Tracer) im Organismus dargestellt. Es kommen verschiedene dieser Substanzen zum Einsatz, bei der funktionellen Untersuchung des Gehirns handelt es sich meist um Sauerstoff-Isotope. Der markierte Sauerstoff kann vom Organismus nicht von gewöhnlichem Sauerstoff unterschieden werden und geht somit in den normalen Stoffwechsel ein, d.h. in Regionen mit erhöhtem Stoffwechselumsatz und infolge dessen erhöhtem regionalen zerebralen Blutfluss (rCBF) reichert sich mehr radioaktiver Sauerstoff an als anderswo. Beim Zerfall der Sauerstoff-Isotope entstehen Positronen, die nach der Reaktion mit einem Elektron eine Gammastrahlung verursachen. Diese Gammastrahlung wird vom PET-Scanner detektiert und ihr Ausgangspunkt kann aufgrund nuklearphysikalischer Prinzipien lokalisiert werden.

Funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT)

Die Erkennung von rCBF-Veränderungen basiert bei der Kernspintomographie nicht auf radioaktiver Strahlung sondern auf einem Magnetresonanzeffekt (daher auch die Bezeichnung Magnetresonanztomographie), der als unbedenklich für den menschlichen Organismus gilt.

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Um das Messprinzip der fMRT besser verstehen zu können, müssen zunächst die physiologischen Vorgänge im Zusammenhang mit der rCBF-Zunahme etwas detaillierter erläutert werden. Wie oben beschrieben, reagiert der Organismus auf die Steigerung des Stoffwechselumsatzes im Bereich aktiver Neuronen mit einer rCBF-Zunahme, um mehr Oxyhämoglobin anzuliefern. Das Verhalten des Organismus gleicht dabei jedoch einer Überreaktion, d.h. es wird mehr Oxyhämoglobin angeliefert, als die aktiven Nervenzellen tatsächlich verbrauchen. Dies hat zur Folge, dass es im venösen Bereich des Kapillarbettes, in dem normalerweise 'verbrauchtes Blut', also Deoxyhämoglobin überwiegt, im Umfeld von aktiven Nervenzellen kurzzeitig zu einer Anreicherung mit Oxyhämoglobin kommt.

Da Oxyhämoglobin (diamagnetisch) und Deoxyhämoglobin (paramagnetisch) unterschiedliche magnetische Eigenschaften aufweisen, hat die Veränderung des Anteils von Oxyhämoglobin im venösen Blut eine Veränderung der lokalen magnetischen Feldinhomogenität zur Folge, welche wiederum durch den fMRT-Scanner detektiert werden kann. Die Veränderung des fMRT-Signals hängt also vom Grad der Sauerstoffanreicherung im Blut ab, daher wird der der fMRT-Messung zugrundeliegende Effekt als Blood Oxygenation Level Dependent (BOLD) bezeichnet.

Das Prinzip der Magnetresonanztomographie im Detail

Atomkerne mit einer ungeraden Anzahl an Protonen verfügen über einen sogenannten Kernspin, d.h. sie drehen sich um ihre eigene Achse. Der im menschlichen Organismus häufigste und zugleich einfachste Atomkern mit einer ungeraden Anzahl an Protonen - nämlich genau einem Proton - ist der Wasserstoffkern (H+). Durch die Drehung des positiv geladenen Wasserstoffkerns wird ein (sehr schwaches!) Magnetfeld erzeugt; man spricht in diesem Fall von einem Dipol. Die Ausrichtung der Drehachsen der Wasserstoffkerne ist normalerweise zufällig verteilt, so dass sich in der Summe die Magnetfelder (genauer: die magnetischen Momente) gegenseitig aufheben.

Setzt man die Wasserstoffkerne jedoch einem starken statischen Magnetfeld aus, wie es z.B. in einem MR-Scanner der Fall ist, so kommt es zu zwei Effekten:

  1. Ein gewisser Prozentsatz der im Körper befindlichen Wasserstoffkerne richtet sich parallel zum Magnetfeld des Scanners aus, d.h. die Drehachsen der ausgerichteten Kerne weisen alle in eine Richtung. In diesem Zustand ist die sogenannte Längs- oder Longitudinalmagnetisierung der ausgerichteten Kerne relativ zum statischen Magnetfeld des Scanners maximal. Wie hoch der Prozentsatz der ausgerichteten Wasserstoffkerne ist, hängt von der Stärke des statischen Magnetfeldes ab. Am weitesten verbreitet (Stand 2007) sind Geräte mit einer Feldstärke von 1,5 Tesla (T), neuere Scanner verfügen über 3 T und mehr (1,5 T entsprechen etwa der 15.000-fachen Stärke des Erdmagnetfeldes). Je mehr Wasserstoffkerne ausgerichtet sind, desto besser ist das Verhältnis zwischen Nutzsignal und Grundrauschen (Signal-to-Noise Ratio), d.h. mit der Feldstärke des Scanners steigt die Messqualität.
  2. Es wird eine zusätzliche Bewegungskomponente induziert, die sogenannte Präzession. Während der Kernspin eine Eigendrehung des Atomkerns beschreibt, handelt es sich bei der Präzession um eine Rotation der gedachten Drehachse des Atomkerns (eine Art 'Torkeln'). Die Geschwindigkeit der Rotation - die Präzessionsfrequenz - hängt ebenfalls von der Stärke des statischen Magnetfeldes ab; bei 1,5 T beträgt die Präzessionsfrequenz etwa 64 Mhz. Die Wasserstoffkerne präzedieren asynchron.

Der Ausgangszustand im Scanner kann also wie folgt zusammengefasst werden: Einige Wasserstoffkerne im Organismus des Probanden sind parallel zum Magnetfeld des Scanners ausgerichtet, gleichzeitig präzedieren diese Kerne, und zwar asynchron.

Für die MR-Messung (sowohl strukturell als auch funktionell) wird nun dieser Ausgangszustand verändert, indem ein hochfrequenter elektromagnetischer Impuls (radio-frequency- oder rf-pulse) eingestrahlt wird. Entspricht die Impulsfrequenz der Resonanzfrequenz der präzedierenden Wasserstoffkerne, so führt dies erstens dazu, dass die Kerne in Phase, d.h. synchron präzedieren, und zweitens, dass die Ausrichtung einiger Drehachsen in eine relativ zum statischen Magnetfeld antiparallele Lage 'geflipt' wird. Abhängig von der Dauer und der Amplitude des rf-Impulses werden unterschiedlich viele Kerne geflipt; sind genau die Hälfte der ausgerichteten Kerne betroffen (bei einem sogenannten 90°-Impuls), so heben sich die längsmagnetischen Momente gegenseitig auf und die Longitudinalmagnetisierung reduziert sich auf Null. Aufgrund der synchronen Präzession entsteht zugleich ein quermagnetisches Moment.

Nach Abklingen des rf-Impulses fällt das System in den Ausgangszustand zurück; dies wird als Relaxation bezeichnet. Entsprechend den oben beschriebenen Effekten lassen sich zwei Arten der Relaxation unterscheiden: Die geflipten Kerne schwingen aus der antiparallelen in die parallele Lage zurück (Longitudinalrelaxation) und die synchronisierte Präzession zerfällt, d.h. die Kerne präzedieren wieder asynchron (Transversalrelaxation). Während dieser Relaxationen wird elektromagnetische Energie frei, die vom MR-Scanner detektiert und lokalisiert werden kann.

Die Geschwindigkeit der Longitudinalrelaxation eines Wasserstoffkerns ist im Wesentlichen abhängig vom Gewebetyp in dem sich der Kern befindet. So schwingen beispielsweise Wasserstoffkerne in der Umgebung von Fettgewebe relativ schnell zurück in die parallele Lage, während Wasserstoffkerne im Liquor relativ langsam zurückschwingen. Der Zeitpunkt, zu dem das Gesamtsystem 63% seiner ursprünglichen Längsmagnetisierung wieder erreicht hat, heißt T1; daher auch die Bezeichnung T1-Relaxation. Wird nun die Messsequenz des Scanners so gewählt, dass vor allem elektromagnetische Strahlung detektiert wird, die im Zusammenhang mit der T1-Relaxation abstrahlt, so erhält man eine strukturelle (T1-gewichtete) Aufnahme: Der Bildkontrast, also die Hell-Dunkel-Abstufung, ist abhängig vom Gewebetyp. Gewebe mit schneller T1-Zeit, wie z.B. Fett, wird heller dargestellt, da die ursprüngliche Längsmagnetisierung fast wiederhergestellt ist. Gewebe mit langsamer T1-Zeit, wie z.B. Liquor, wird dunkler dargestellt.

Je nach gewählter Messsequenz können T2- oder T2-gewichtete Aufnahmen angefertigt werden. Graustufenkodierung: Fettgewebe stellt sich nun dunkel dar, Liquor hell. Die funktionelle MRT setzt dagegen auf T2-gewichtete Aufnahmen. Wie oben beschreiben, führt der Überschuss an Oxyhämoglobin im venösen Bereich des Kapillarbettes im Umfeld aktiver Neuronen zu einer Steigerung der lokalen Magnetfeldinhomogenität im Vergleich zum Ruhezustand mit einem höheren Anteil an Deoxyhämoglobin (s. BOLD-Effekt). Da nun die Geschwindigkeit der T2-Relaxation genau von solchen lokalen Magnetfeldinhomogenitäten abhängt, können mit einer entsprechend gewichteten Messung Aufnahmen erstellt werden, die diesen Kontrast darstellen. Die T2-Konstante bezeichnet die Zeit, nach der das Gesamtsystem 67% seiner Quermagnetisierung wieder verloren hat. Der Zerfall der synchronen Präzession verläuft jedoch unterschiedlich schnell, abhängig davon, ob sich ein Wasserstoffkern in einem mehr oder weniger homogenen lokalen Magnetfeld befindet. In der Abbildung ist die Dephasierung in einem Bereich mit höherer Inhomogenität am weitesten fortgeschritten, das magnetische Moment und damit die elektromagnetische Abstrahlung aus diesem Bereich ist gering. Diese Unterschiede sind zwar messbar, aber sehr klein, so dass sie bei einer einzelnen Aufnahme vom Grundrauschen des Systems überdeckt würden. Verbessern lässt sich dieses schlechte Signal-Rausch-Verhältnis insbesondere dadurch, dass mehr Wasserstoffkerne angeregt werden und in die Messung eingehen. Voraussetzung dafür ist ein höherer Prozentsatz alinierter Kerne durch eine Anhebung der magnetischen Feldstärke des Scanners.

Sprachforschung und Hirnaktivität

Auch beim sogenannten inneren Sprechen (covert speech, d.h. die Versuchspersonen stellen sich nur vor zu sprechen, ohne es tatsächlich zu tun) sind typische sprechmotorische Areale aktiv: Supplementär-motorisches Areal (SMA), Motorkortex und Zerebellum. Im Gegensatz zum tatsächlichen Sprechen (overt speech) zeigen sich jedoch nur unilaterale Aktivierungen.

Sprechgeschwindigkeit und Hirnaktivierung

Die Aktivierung in verschiedenen Hirnregionen unterscheidet sich je nach Sprechgeschwindigkeit. Ähnliche Muster zeigen sich im Zerebellum und in der SMA: geringe Aktivierung bei langsamer Sprechgeschwindigkeit, gleich starke Aktivierung bei normaler und schneller Sprechgeschwindigkeit. Im linken Putamen nimmt dagegen die Aktivierung mit zunehmender Sprechgeschwindigkeit ab.

Reorganisation der Sprachproduktion nach Insult

Nach einem Insult in der linken Capsula interna und anfangs schwerer Dysarthrie hat sich bei einem Patienten die sprechmotorische Kontrolle nach wenigen Tagen in die rechte Hemisphäre verlagert. Die Dysarthrie hat sich daraufhin komplett zurück gebildet. Eine Aufnahme 4 Tage nach dem Ereignis zeigt eine links-dominante Aktivierung im Motorkortex und eine (gekreuzte) rechts-dominante Aktivierung im Kleinhirn.

Der Thalamus: Eine Kommunikationszentrale wird kartiert

Der Thalamus fungiert als Kommunikationszentrale des Gehirns: Er leitet Informationen von den Sinnesorganen und anderen Teilen des Gehirns weiter an ihren Bestimmungsort. Trotz seiner wichtigen Rolle ist er noch längst nicht vollständig verstanden. Forscher des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik in Tübingen haben nun Beziehungen des Thalamus zu anderen Gehirnarealen untersucht. Ihre statistischen Analysen erlauben ihnen, den verschiedenen Teilen des Thalamus ihre jeweiligen Aufgaben zuzuordnen. Die Ergebnisse könnten zur Entwicklung gezielterer Therapien für Krankheitsbilder wie Parkinson oder Epilepsie beitragen.

Der Thalamus empfängt und verteilt Signale von den Sinnesorganen und von überall im Gehirn. Alle visuellen Eindrücke beispielsweise kommen zuerst im Thalamus an, von wo aus sie anschließend an die Gehirnareale geschickt werden, die sie weiterverarbeiten. Allerdings ist unsere Kenntnis darüber, welche Teile des Thalamus bei welchen Gehirnfunktionen eine Rolle spielen, bislang noch sehr lückenhaft.

Ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik hat nun begonnen, diese Lücken zu füllen und den Thalamus zu kartieren. Dabei stellte sich heraus, dass viele der Untereinheiten des Thalamus sich ihre Aufgaben untereinander teilen. „Wir nennen dieses Phänomen funktionale Multiplizität“, erläutert Vinod Kumar, Hauptautor der Studie. Die Flexibilität des Thalamus reicht noch weiter: Er ist auch in höhere Gehirnfunktionen involviert. Die Bandbreite dieser höheren Hirnleistungen ist groß: Vom Arbeitsgedächtnis über Entscheidungsfindung bis hin zu Impulskontrolle spielt der Thalamus eine Rolle.

Forschungsmethoden und Ergebnisse

Die Wissenschaftler erzielten ihre Ergebnisse durch statistische Analysen von 3,5 Millionen Hirnscans von 730 Versuchspersonen aus der Forschungsdatenbank Human Connectome Project. Die Bilder waren mithilfe von funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) generiert worden. Die Forscher ergänzten ihre Analysen durch Daten von 14 371 fMRT-Studien, bei denen die Probandinnen und Probanden während des Scans Aufgaben ausführen sollten. Ein entscheidender Faktor für den Erfolg war, dass die Fragestellung des Teams - welche Teile des Thalamus stehen mit welchen Aufgaben in Verbindung? - für die Hirnrinde bereits detailliert beantwortet ist. Daher ließen die in den fMRI-Scans erkennbaren Verbindungen zwischen den verschiedenen Regionen des Thalamus und der Hirnrinde Rückschlüsse zu auf die Aufgaben der Thalamus-Regionen. So lassen etwa ausgeprägte Verbindungen von einer bestimmten Thalamus-Region zu einem Schmerzverarbeitungsnetzwerk in der Hirnrinde erkennen, dass diese Thalamus-Region in Zusammenhang mit Schmerz steht.

Klinische Relevanz der Thalamus-Forschung

Die neuen Erkenntnisse über die Funktionsweise des Thalamus könnten in der Zukunft relevant für viele klinische Anwendungen werden. Verletzungen des Thalamus können zu einer Vielzahl von Erkrankungen führen, darunter Sinnesstörungen, Gedächtnisprobleme, Parkinson, Epilepsie und Handtremor. Bereits jetzt behandeln Neurochirurgen solche Krankheiten durch sogenannte Tiefe Hirnstimulation. Dabei werden bestimmte Gehirnareale des Thalamus elektrisch stimuliert, um beispielsweise die Symptome von Parkinson oder medikationsresistenter Epilepsie zu lindern. Andere mögliche klinische Anwendungen sind transkranielle Gleichstromstimulation und transkranielle Magnetstimulation, beides nichtinvasive Verfahren zur Behandlung einer Vielzahl neurologischer und psychischer Erkrankungen.

„Dank unseres neuen Verständnisses der funktionalen Multiplizität in den Thalamus-Nuklei können wir klinische Störungen interpretieren“, sagt Kumar. „Wir könnten zum Beispiel besser verstehen, warum ein Parkinsonpatient unter Behandlung mit Tiefer Hirnstimulation im Thalamus unter bestimmten Nebenwirkungen leidet.“ Er hofft, dass dieses Wissen dabei hilft, derartige Interventionen gezielter so zu gestalten, dass ihre Wirkungen maximiert und ihre Nebenwirkungen reduziert werden.

fMRT in der Operationsplanung: Herausforderungen und Perspektiven

Die aufgabenbasierte fMRT (tb-fMRT) ermöglicht es, die individuelle Lokalisation von eloquenten Hirnarealen, wie beispielsweise Sprach-, Hand- oder Beinregionen, zu bewerten. Allerdings berichten weltweite Forschungsdaten von einem großen Prozentsatz an Diskrepanzen zwischen fMRT und intraoperativem Brain Cortex Stimulation Mapping (CSM).

Ein Nachteil der tb-fMRT ist, dass die Ergebnisse direkt von der Fähigkeit des Patienten abhängen, die Anforderungen zu erfüllen. Er sollte keine Beruhigungsmittel einnehmen und dennoch ruhig liegen, um mehr Scanzeit zur Bestimmung mehrerer funktionell eloquenter Bereiche zu ermöglichen.

Brodmann-Areale: Ein historischer Überblick

Der deutsche Neuroanatom und Psychiater Korbinian Brodmann (1868-1918) kartografierte als Erster das menschliche Gehirn. Anfang des 20. Jahrhunderts studierte er akribisch die hauchdünnen Schnitte, die er zuvor von den Gehirnen menschlicher Leichen angefertigt hatte. Sein Ziel war es, das Nervenzellgewebe nach dessen Struktur und Zusammensetzung in abgegrenzte Bereiche zu gliedern. 1909 stellte er schließlich eine Karte des Großhirns mit 52 Arealen vor, denen er teilweise auch schon unterschiedliche Funktionen zugewiesen hatte.

Noch heute nutzen Forscher und Ärzte Brodmanns Aufzeichnungen, um beispielsweise gemessene neuronale Aktivität einer bestimmten Hirnregion zuzuordnen. Ein Grund dafür könnte ihre Übersichtlichkeit sein. Doch die Einfachheit ist trügerisch, gilt die Einteilung mittlerweile als viel zu ungenau und für zahlreiche Fragestellungen der Hirnforschung ungeeignet.

Neue Methoden zur präzisen Kartierung einzelner Nervenzellen

In der menschlichen Großhirnrinde gibt es schätzungsweise 16 Milliarden und im Gehirn einer Maus etwa 70 Millionen Nervenzellen. Einzelne Nervenzellen übernehmen dabei die Aufgabe, Informationen von einem Neuron zum nächsten weiterzuleiten, Signale zu verstärken oder zu dämpfen oder verschiedene Netzwerke zu verknüpfen. Die Neuronen haben verästelte Dendriten, die die Signale von anderen Zellen empfangen und verrechnen, und ein langes Axon, das die Erregung zu den nachgeschalteten Nervenzellen weiterleitet.

Ein Forschungsteam hat eine neue, präzise Methode entwickelt, um einzelne funktionell aktive Nervenzellen im Gehirn zu identifizieren. Die gerade aktiven Neuronen wurden durch gezielte Plasmid-Einschleusung mit einem grün leuchtenden Protein markiert. Mit der 2-SPARSE-genannten Methode ist eine präzise Eins-zu-eins-Kartierung der neuronalen Projektionsmuster und physiologischen Funktionsmerkmale möglich.

Arterial Spin Labeling (ASL) und BOLD-Kontrast

Neue MRT Methoden, wie Arterial Spin Labeling (ASL), ermöglichen die Detektion von Veränderungen des Blutflusses im Gehirn, welche durch Hirnaktivität oder Atmung hervorgerufen werden. Eine weit verbreitete Methode, der sogenannte BOLD-Kontrast (blood oxygenation level dependency - Abhängigkeit der Sauerstoffanreicherung im Blut), hat dagegen ihren Nutzen für die funktionelle MR-Bildgebung bereits unter Beweis gestellt. Sehr hohe Magnetfeldstärken führen bei der BOLD-Bildgebung zusätzlich zu einem verstärkten Kontrast, einer genaueren Lokalisation der Gehirnaktivierung und erlauben eine hohe räumliche Auflösung. Eine Kombination beider Techniken (ASL und BOLD) ermöglicht die Erstellung von Karten, welche den Sauerstoffkonsum im Gehirn darstellen und damit eine direkte Quantifizierung der Hirnaktivität. Allerdings ist nur bei sehr hohen Feldstärken diese Technik empfindlich genug, um für die Kognitionswissenschaften sinnvolle Ergebnisse zu erzielen.

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