Hereditäre Neuropathie Typ 2: Ursachen, Symptome und Therapie

Die hereditäre Neuropathie Typ 2, auch bekannt als Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung (CMT2), ist eine seltene, genetisch bedingte Erkrankung des peripheren Nervensystems. Sie gehört zu den häufigsten erblichen neurologischen Erkrankungen. Die Krankheit führt dazu, dass Nervenimpulse aus dem Gehirn nicht mehr richtig bei den Muskeln ankommen, was zu Muskelschwund (Muskelatrophie) und verschiedenen neurologischen Symptomen führt.

Ursachen der Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung Typ 2

Die Ursache der CMT2 ist eine genetische Mutation, die die Funktion der peripheren Nerven beeinträchtigt. Diese Nerven sind für die Übertragung von Signalen zwischen dem Gehirn und dem Rückenmark und dem Rest des Körpers verantwortlich. Bei CMT2 sind vor allem die Axone, die impulsübertragenden Teile der Nervenzellen, betroffen. Die Erkrankung wird meist autosomal-dominant vererbt, was bedeutet, dass bereits eine Kopie des mutierten Gens ausreicht, um die Krankheit auszulösen. Es gibt aber auch autosomal-rezessive Formen.

Die molekulargenetische Forschung hat in den letzten Jahren zahlreiche Gendefekte identifiziert, die mit CMT2 in Verbindung stehen. Mutationen des Mitofusin 2-Gens (MFN2) auf Chromosom 1 sind eine häufige Ursache. Es sind Mutationen in über 80 Genen bekannt, die in heterozygoter Form bereits krankheitskausal sind oder bei autosomal rezessiver bzw. x-gebundener Vererbung zur CMT-Erkrankung führen.

Es ist auch möglich, dass es zu einer spontanen Mutation des Chromosoms kommt, die dann die Krankheit auslöst. Eltern, die Träger des Krankheitsmerkmals sind, müssen nicht zwingend selbst erkrankt sein, sondern können das Merkmal an ihre Kinder weitergeben.

Symptome der Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung Typ 2

Erste Symptome können bereits im Kindesalter auftreten, oft zeigen sich die Auswirkungen jedoch erst später. Die Muskelschwäche beginnt typischerweise in den Händen und Füßen und breitet sich dann zum Körper hin aus. Dies führt zu Gangstörungen und dem Abbau der Unterschenkelmuskulatur, was als "Storchenbeine" bezeichnet wird, da die knienahen Muskeln normal ausgeprägt sind.

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Weitere häufige Symptome sind:

  • Fußfehlstellungen wie Hohlfuß (Pes excavatus)
  • Zehenfehlstellungen wie Krallenzehen
  • Sensibilitätsstörungen, wie Taubheitsgefühle, Kribbeln oder brennende Schmerzen
  • Schmerzen und Muskelkrämpfe
  • Unsicherheit im Stand und vermehrtes Umknicken des Fußes aufgrund einer Fehlstellung der Ferse (Varusstellung)
  • Eingeschränkte Bewegungsfähigkeit
  • Reduzierte oder fehlende Muskeleigenreflexe

Die Symptome und ihr Verlauf können individuell sehr verschieden sein und hängen stark vom jeweiligen Befallsmuster ab. Bei manchen Patienten sind die motorischen Nerven stärker betroffen, was zu ausgeprägter Muskelschwäche führt, während bei anderen die sensorischen Nerven im Vordergrund stehen, was sich in Sensibilitätsstörungen äußert. Auch die vegetativen Nervenanteile können gestört sein, was zu Einschränkungen der Nerven, ebenso wie der Talgdrüsen der Haut versorgenden Nervenanteile führen kann.

Fußfehlstellungen bei CMT2

Eine häufig auftretende Fußfehlstellung bei Patienten mit Charcot-Marie-Tooth ist der Hohlfuß. Der Hohlfuß ist an einer zu starken Wölbung des Fußlängsgewölbes erkennbar. Dabei berühren nur die Ferse und der Fußballen den Boden, die Fußsohle dazwischen liegt nicht auf. Im Gegensatz zum Senkfuß oder Plattfuß gleicht der Hohlfuß in der Seitenansicht einem Bogen.

Im Rahmen der CMT-Erkrankung kann es auch zu einer Fehlstellung der Ferse (Varusstellung) kommen. Diese Verkippung führt vermehrt zum Umknicken des Fußes.

Storchenbeine

Klinisch zeigen die Unterschenkelmuskeln typische Veränderungen. Die Beine werden dünner. Es entsteht das typische Bild der sogenannten Storchenbeine, da die knienahen Muskeln normal ausgeprägt sind.

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Diagnose der Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung Typ 2

Die Diagnose der CMT2 basiert auf einer Kombination aus:

  • Krankengeschichte (Anamnese): Erhebung der typischen Symptome und des familiären Vorkommens der Erkrankung.
  • Körperliche Untersuchung: Beurteilung der neurologischen Funktionen wie Muskelkraft, Reflexe, Sensibilität und Koordination.
  • Elektrophysiologische Untersuchungen:
    • Elektroneurographie (ENG): Messung der Nervenleitgeschwindigkeit, um die Art und das Ausmaß der Nervenschädigung zu bestimmen. Bei CMT2 zeigt sich typischerweise eine normale oder nur gering verlangsamte Nervenleitgeschwindigkeit, da hauptsächlich die Axone betroffen sind.
    • Elektromyographie (EMG): Untersuchung der Muskelaktivität, um den Grad des Muskelschwunds festzustellen.
  • Genetische Untersuchung: Identifizierung der spezifischen genetischen Mutation, die die Erkrankung verursacht. Dies ist wichtig, um die Diagnose zu bestätigen, den Erbgang zu bestimmen und eine genetische Beratung anzubieten.
  • Bildgebende Verfahren: Röntgenaufnahmen des Fußes können helfen, das Ausmaß von Fußfehlstellungen zu beurteilen.
  • Fußdruckmessung (Pedobarometrie): Diese kann Veränderungen der Muskelaktivität und Druckverteilung beim Gehen aufzeigen.
  • Nervenbiopsie: In seltenen Fällen kann eine Nervenbiopsie erforderlich sein, um andere Ursachen für die Neuropathie auszuschließen.

Therapie der Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung Typ 2

Die Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung ist nicht heilbar. Die Therapie zielt darauf ab, die Symptome zu lindern, die Lebensqualität zu verbessern und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.

Die Behandlung umfasst in der Regel:

  • Physiotherapie: Kräftigungsübungen, Dehnübungen und Gangschulung, um die Muskelkraft und Koordination zu verbessern und Kontrakturen vorzubeugen. Neurophysiologische Therapiekonzepte werden eingesetzt, um Potenziale von Muskeln zu wecken und Bewegungen anzubahnen. Übungen sollen die ausgleichende Muskulatur sowie Rumpf und rumpfnahe Muskeln trainieren.
  • Ergotherapie: Anpassung von Hilfsmitteln und Techniken, um die Aktivitäten des täglichen Lebens zu erleichtern.
  • Orthopädische Hilfsmittel: Orthesen, Schienen und orthopädische Schuhe, um Fußfehlstellungen zu korrigieren, die Stabilität zu verbessern und Schmerzen zu reduzieren.
  • Schmerzbehandlung: Medikamente zur Linderung von neuropathischen Schmerzen und Muskelkrämpfen. Antidepressiva und Antiepileptika können hierbei eingesetzt werden.
  • Chirurgische Eingriffe: In einigen Fällen können Operationen erforderlich sein, um Fußfehlstellungen zu korrigieren oder Gelenke zu stabilisieren. Fuß- und Zehenfehlstellungen können operativ durch Osteotomien behandelt werden. Bei Hallux valgus richtet der Orthopäde die schief gestellte Großzehe wieder gerade aus und normalisiert den Zug der Sehnen und Muskeln.
  • Regelmäßige Kontrollen: Um den Verlauf der Erkrankung zu überwachen und die Therapie anzupassen.
  • Balancetraining: Dies ist zur Verbesserung der Standicherheit wichtig.
  • Sturzprophylaxe: Maßnahmen, um Stürze zu vermeiden und die Sicherheit im Alltag zu erhöhen.
  • Sehnentransfers: In bestimmten Fällen können Sehnentransfers durchgeführt werden, um die Funktion geschwächter Muskeln zu verbessern.
  • Psychologische Unterstützung: Um den Umgang mit der chronischen Erkrankung zu erleichtern.

Operative Maßnahmen bei Fußfehlstellungen

Eine häufige operative Maßnahme bei Hohlfuß ist die Entfernung eines Fußkeiles am höchsten Punkt des Hohlfußes. Je nach Ort der Fehlstellung kann die Position der Keilentnahme auch am 1. Mittelfußknochen im Rahmen einer sogenannten Osteotomie sinnvoll sein. Auch eine Korrektur der Fehlstellung von oben kann in verschieden Arten erfolgen:

  1. Additive, also einfügende Operation durch Einpassen eines Knochenspanes in die Osteotomie (Knochendurchtrennung).
  2. Subtraktive, also entfernende Umstellung durch Entnahme eines Knochenkeiles.

Teilweise werden die Methoden auch kombiniert, sodass man den auf der Außenseite entnommenen Span auf der Innenseite einsetzt.

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Bei weitreichenden Schädigungen des Sprunggelenkes können weitere Operationen sinnvoll sein. Im Vordergrund steht bei diesen Methoden immer die Schmerzreduktion.

Sehnentransfer

Das Prinzip eines Sehnentransfers besteht darin, die Zugrichtung der Sehne zu verändern. Die Sehnentransfers werden nach ihrem verwendeten Muskel und der zu verstärkenden Muskulatur bezeichnet. So kann z. B. der Sehnentransfer des M. tibialis posterior innen auf den geschwächten kurzen Wadenbeinmuskel nach außen erfolgen.

Physiotherapie bei CMT2

Physiotherapie ist eine der wichtigsten symptomatischen Behandlungen der Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung. Es kommen neurophysiologische Therapiekonzepte zum Einsatz, um Potenziale von Muskeln zu wecken und Bewegungen anzubahnen. Übungen sollen die ausgleichende Muskulatur sowie Rumpf und rumpfnahe Muskeln trainieren. Sturzprophylaxe helfen den Betroffenen, ihren Alltag leichter und sicherer zu bewältigen.

Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen sind in der Regel weniger körperlich aktiv. Dieser krankheitsbedingten Inaktivität lässt sich durch aerobes Ausdauertraining (z. B. Walken und Fahrradfahren) und moderates Krafttraining begegnen. Belastungen, die über die Maximalkraft des Muskels hinausgehen, sollten Patienten mit CMT vermeiden.

Verlauf und Prognose

Der Verlauf der CMT2 ist sehr variabel. Bei manchen Patienten schreitet die Erkrankung langsam fort, während sie bei anderen schneller voranschreitet. Die meisten Betroffenen sind jedoch gehfähig und können ein weitgehend normales Leben führen. In einigen Fällen kann die Erkrankung jedoch zu erheblichen Einschränkungen der Mobilität und Lebensqualität führen.

Es ist wichtig zu beachten, dass die CMT2 nicht die Lebenserwartung verkürzt, es sei denn, es treten Komplikationen auf, wie z. B. Atemprobleme bei bestimmten genetischen Untertypen.

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