Einführung
Zerebrale Kavernome, auch bekannt als kavernöse Angiome, sind gutartige Gefäßfehlbildungen, die im Gehirn oder Rückenmark auftreten können. Dank der Fortschritte in der bildgebenden Diagnostik, insbesondere der Magnetresonanztomographie (MRT), werden sie immer häufiger diagnostiziert. Die Prävalenz in der Gesamtbevölkerung wird auf 0,4 bis 0,5 Prozent geschätzt. Diese Läsionen können solitär oder multipel im gesamten zentralen Nervensystem (ZNS) auftreten.
Was ist ein Kavernom?
Ein Kavernom ist eine Gefäßmissbildung, die aus einer Ansammlung von erweiterten, kapillarähnlichen Gefäßen (Kavernen) besteht, die abgegrenzt im Hirngewebe liegen. Diese Kavernen haben dünne Wände ohne Muskulatur, was sie anfällig für Blutungen macht. Kavernome können angeboren sein oder im Laufe des Lebens neu entstehen.
Ursachen und Genetik
Die genaue Ursache für die Entstehung von zerebralen Kavernomen ist unbekannt. Sie können sowohl sporadisch als auch familiär gehäuft vorkommen. Bei der familiären Form, die in 25 bis 54 Prozent der Fälle beobachtet wird, liegt ein autosomal-dominanter Vererbungsmodus mit unvollständiger Penetranz vor. Bisher wurden drei Genorte (CCM1, CCM2 und CCM3) auf den chromosomalen Abschnitten 7q21-22, 7p15-13 und 3q25.2-27 identifiziert. Neueste Studien haben das CCM1-Genprodukt als KRIT1 identifiziert, ein Protein, das mit RAP1A interagiert. Mutationen in diesen Genen können zur Entstehung von Kavernomen führen.
Pathologie und Anatomie
Kavernome sind durch unregelmäßig geformte, sinusoidal erweiterte, venöse Gefäßräume charakterisiert, die direkt oder getrennt durch Bindegewebe aneinandergrenzen. Im Gegensatz zu arteriovenösen Malformationen oder Aneurysmen, bei denen ein schneller Blutfluss herrscht (high flow), ist der Blutfluss in Kavernomen langsam bis stagnierend. Dies führt häufig zu intraluminalen Thrombosen, Hyalinisierung und Verkalkung der Gefäßwände sowie Blutungen unterschiedlichen Alters. Makroskopisch imponieren Kavernome durch ihr maulbeerartiges Erscheinungsbild.
Klinisches Bild und Symptome
Das klinische Bild von Kavernomen ist vielfältig und reicht von asymptomatischen Verläufen bis hin zu schweren neurologischen Ausfallserscheinungen. Viele Kavernome werden initial durch Krampfanfälle symptomatisch. Abhängig von der Lokalisation können auch neurologische Defizite wie Lähmungen, Sensibilitäts-, Sprach-, Gleichgewichts- oder Sehstörungen auftreten. Akute Blutungen können zudem Kopfschmerzen verursachen. Speziell Hirnstammkavernome werden durch progressive neurologische Defizite, bedingt durch Masseneffekte auf Hirnstammkerne und -bahnen symptomatisch.
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Diagnostik
Die Magnetresonanztomographie (MRT) mit Kontrastmittelgabe ist die Untersuchung der Wahl zur Diagnose von Kavernomen. Sie ermöglicht präzise Aussagen über Morphologie, Lokalisation, Ausdehnung und raumfordernde Wirkung der Kavernome. Auf T2-gewichteten Aufnahmen erscheinen die Läsionen als ein zentrales Gebiet mit gemischter Signalintensität, umgeben von einem Ring herabgesetzter Signalintensität (Hämosiderin-Speichern). Die Computertomographie (CT) wird vorwiegend zur primären Abklärung einer akuten neurologischen Symptomatik eingesetzt, ihre Sensitivität ist jedoch geringer als die der MRT.
Natürlicher Verlauf und Blutungsrisiko
Der natürliche Verlauf von Kavernomen ist variabel. Die Läsionen können sich aggressiv mit repetitiven Blutungen und Verstärkung der neurologischen Defizite verhalten, aber auch über viele Jahre klinisch ruhig bleiben. Das jährliche Blutungsrisiko wird in der Literatur mit 0,25 bis 6 Prozent angegeben. Nach einer bereits stattgehabten Blutung ist das Risiko für eine Rezidivblutung deutlich erhöht.
Behandlung von Hirnstammkavernomen
Die Behandlung von Kavernomen hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Lokalisation, Größe und Symptomatik der Läsion.
Konservative Therapie
Asymptomatische Kavernome werden in der Regel beobachtet und regelmäßig mittels MRT kontrolliert. Eine konservative Therapie mit Medikamenten kann zur Behandlung von epileptischen Anfällen oder Schmerzen eingesetzt werden.
Operative Entfernung
Die komplette Kavernomentfernung ist die Therapie der Wahl, wenn ein Kavernom symptomatisch ist oder war. Die Entscheidung für oder gegen eine Operation wird immer unter Rücksprache mit den Betroffenen getroffen, wobei die Risiken einer mikrochirurgischen Entfernung abgewogen werden. Insbesondere bei Hirnstammkavernomen, die nicht bis an die Oberfläche reichen und keine oder nur sehr geringe neurologische Störungen verursachen, ist es häufig besser abzuwarten, da allein durch den Zugangsweg zum Kavernom deutliche neurologische Störungen entstehen können. Bei progredienten neurologischen Störungen ist eine Operation jedoch in jedem Fall indiziert.
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Die operative Behandlung von Kavernomen im Hirnstamm erfordert eine große Expertise und spezielle Techniken wie die neuronavigationsgestützte OP-Planung, funktionelle Navigation, mikroskopische Operation und intraoperatives Monitoring, um das Risiko neurologischer Defizite zu minimieren. Ziel der Operation ist die vollständige Entfernung des Kavernoms, um eine Heilung zu ermöglichen und das Risiko erneuter Blutungen zu reduzieren.
Strahlentherapie
Bei Kavernomen in inoperabler Lokalisation besteht die Möglichkeit einer Bestrahlung. Für die Radiochirurgie sind bisher keine eindeutigen Indikationen und keine notwendige Dosis festgelegt worden.
Nachsorge und Rehabilitation
Je nach Wahl der Therapie sind im Rahmen der Nachsorge verschiedene Kontrolluntersuchungen notwendig. Operativ entfernte Kavernome müssen in der Regel nicht längerfristig kontrolliert werden, da ein Rezidiv sehr unwahrscheinlich ist. Bestehen durch Kavernome oder die chirurgische Entfernung neurologische Symptome, sollten diese je nach Ausmaß durch regelmäßige krankengymnastische, ergotherapeutische oder logopädische Behandlungen therapiert werden.
Spezialisten und Zentren
Die enge Zusammenarbeit von Neurochirurgen, Neuroradiologen, Neurologen und Strahlentherapeuten ist für die optimale Behandlung von Kavernom-Patienten wichtig. Am UK Essen besteht beispielsweise das Zentrum für Familiäre Cerebrale Cavernöse Malformationen (FCCM), das eine interdisziplinäre Anlaufstelle für Patienten mit der seltenen familiären Form der Erkrankung bietet.
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