Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederkehrende Krampfanfälle gekennzeichnet ist und das Leben der Betroffenen tiefgreifend beeinflusst. Da herkömmliche Therapien nicht immer die gewünschte Linderung bringen, wächst das Interesse an alternativen Ansätzen, insbesondere an der Cannabis-Therapie. In Fachkreisen wird intensiv diskutiert, ob medizinisches Cannabis zur Behandlung von Epilepsie geeignet ist. Dieser Artikel beleuchtet die aktuelle Studienlage, die Rolle von CBD und THC sowie rechtliche und praktische Aspekte der Anwendung von Cannabis bei Epilepsie.
Epilepsie: Eine weit verbreitete neurologische Erkrankung
Laut der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie leiden zwischen 0,5 und 1 % der Bevölkerung an Epilepsie. Dies entspricht in Deutschland etwa 400.000 bis 800.000 Menschen. Etwa ein Drittel dieser Betroffenen sprechen nicht oder nicht in der gewünschten Weise auf herkömmliche Antiepileptika an. Epilepsie kann angeboren sein oder auf strukturelle bzw. stoffwechselbedingte Veränderungen zurückzuführen sein, wie z. B. Gehirntumore, Schädel-Hirn-Traumata oder Verletzungen des Gehirngewebes.
Cannabidiol (CBD) in der Epilepsiebehandlung
Cannabidiol, kurz CBD, ist einer der bekanntesten Inhaltsstoffe der Hanfpflanze und wird in der Medizin bereits bei bestimmten Formen der Epilepsie eingesetzt. CBD ist ein nicht-psychoaktives Cannabinoid, dem eine krampflösende Wirkung zugeschrieben wird. Im Gegensatz zu THC verursacht CBD kein Rauschgefühl und wirkt nicht nur über den CB1-Rezeptor.
Studien zur Wirksamkeit von CBD bei Epilepsie
Einige Wissenschaftler:innen haben bereits untersucht, ob Cannabis bei Epilepsie grundsätzlich helfen kann. In den betrachteten Untersuchungen wurde CBD ergänzend zu herkömmlichen Antiepileptika angewendet. Die Versuchsgruppen bestanden vorwiegend aus Kindern und Jugendlichen mit dem Lennox-Gastaut-Syndrom und dem Dravet-Syndrom.
Nach Auswertung der Studien kamen die Forschenden zu dem Schluss, dass es hinreichende Belege für eine potenzielle Wirksamkeit von CBD bei der Behandlung von Epilepsie im Kindesalter gibt. In der Cannabidiol-Gruppe verbesserte sich der Gesamtzustand bei 62 % der Patient:innen, während es in der Placebo-Gruppe 34 % waren.
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Eine CBD-Epilepsie-Studie aus dem Jahr 2015 untersuchte beispielsweise, ob die Einnahme von CBD zusätzlich zu einer bestehenden Antiepileptika-Therapie bei behandlungsresistenter Epilepsie sicher, verträglich und wirksam ist. Die Wissenschaftler:innen kamen zu dem Schluss, dass Cannabidiol gut verträglich sei. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählten Durchfall und Sedierung.
Nebenwirkungen und Wechselwirkungen von CBD
Neben den positiven Effekten wurden allerdings auch einige Nebenwirkungen festgestellt. Im Vergleich zur Kontrollgruppe, die kein Cannabidiol zu sich nahm, berichteten die Proband:innen, die frei verkäufliches CBD einnahmen, von einer signifikant besseren Verträglichkeit ihrer herkömmlichen Epilepsiemedikamente.
Bei der Einnahme von CBD traten vermehrt Erhöhungen der Aspartat-Aminotransferase und der Alanin-Aminotransferase auf, was auf eine Schädigung der Leberzellen hindeuten kann. Darüber hinaus weisen Daten darauf hin, dass es Wechselwirkungen zwischen CBD und den Medikamenten Rufinamid, Zonisamid, Topiramat und Eslicarbazepin gibt. Regelmäßige Kontrollen von Leberwerten und Medikamentenspiegeln sind daher unerlässlich.
Epidiolex: Ein zugelassenes CBD-Medikament
Die amerikanische Zulassungsbehörde (Food and Drug Administration (FDA)) hat im Juni 2018 einem Medikament der Firma GW (Epidiolex) eine Zulassung für bestimmte Epilepsieformen erteilt. Epidiolex ist ein hochreines CBD-Öl, das in Form einer oralen Lösung verabreicht wird. Es ist für die Behandlung des Dravet-Syndroms, des Lennox-Gastaut-Syndroms und für strukturelle Epilepsien bei Tuberöser Sklerose zugelassen.
Die Dosierung beginnt niedrig und wird individuell angepasst, abhängig von Gewicht und Verträglichkeit. Die Dosis sollte bei mindestens 10mg/kg Körpergewicht liegen. Im Prinzip kann auch durch einen Apotheker in Deutschland eine entsprechende Cannabidiollösung mit hohem Reinheitsgrad hergestellt werden. Die rechtlichen Hindernisse - denn Cannabisderivate unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz - hat der Gesetzgeben für den medizinischen Gebrauch bereits 2017 beseitigt.
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Kostenübernahme von CBD-Medikamenten
Die Kosten für Epidiolex oder andere Cannabis-Medikamente können 2000-3000 Euro monatlich betragen. In Deutschland ist eine Cannabis Kostenübernahme durch Krankenkassen möglich, erfordert aber einen Antrag mit ärztlicher Begründung. GW Pharmaceutical, der Hersteller der Lösung Epidiolex, bietet ihr Präparat in einem „compassionate use“ Programm an. Stimmt die Zulassungsbehörde zu, kann durch Ärzte unter bestimmten Bedingungen das Produkt kostenlos bezogen werden.
Tetrahydrocannabinol (THC) und Epilepsie
THC oder auch Tetrahydrocannabinol ist das wohl bekannteste Cannabinoid der Hanfpflanze und zugleich für deren psychoaktive Wirkung verantwortlich. Während es Untersuchungen gibt, die THC einen krampflösenden Effekt zuschreiben, konnten andere Studien diese Wirkung nicht beobachten - oder kamen gar zu dem Schluss, dass THC Krampfanfälle begünstigen könnte.
Es klingt paradox: Eine Substanz, die Krämpfe lindern soll, kann sie unter Umständen selbst begünstigen. Tatsächlich zeigen einzelne Studien, dass der psychoaktive Cannabis-Wirkstoff THC in seltenen Fällen Anfälle auslösen kann - oder bestehende Epilepsien verstärkt. Während dem nicht berauschenden Cannabidiol (CBD) eine krampflösende Wirkung zugeschrieben wird, ist die Datenlage bei THC widersprüchlich. Aus diesem Grund spielt THC in der Epilepsie-Therapie kaum eine Rolle.
Cannabis und Alkoholkonsum bei Epilepsie
Ein riskantes Trinkverhalten kann das Risiko für Anfälle im Zusammenhang mit Alkohol erhöhen. Daher ist es besonders wichtig, den Einfluss des Alkoholkonsums auf das tatsächliche Konsumverhalten der Patienten zu kennen. Ein übermäßiger Alkoholkonsum sollte von Epilepsiepatienten vermieden werden.
Rechtliche Aspekte und Änderungen 2024
Medizinisches Cannabis unterlag in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und wurde durch das Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG) ersetzt. Seit April 2024 kann es auf ein einfaches Rezept von qualifizierten Ärzten, meist Neurologen, verschrieben werden, ohne die bisher erforderliche Betäubungsmittelrezeptierung. Die Cannabis Verschreibung bei Epilepsie setzt eine genaue medizinische Indikation voraus, etwa für zugelassene Präparate wie Epidiolex bei seltenen Epilepsieformen.
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Das Cannabisgesetz (CanG) und das Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG) von 2024 haben den Zugang zu medizinischem Cannabis erleichtert. Cannabis auf Rezept ist nun schneller verfügbar, da Ärzte es auf ein einfaches Rezept verschreiben können und Telemedizin für Beratungen anerkannt ist. Dennoch bleibt eine ärztliche Diagnose entscheidend, um die richtige Cannabis-Therapie bei Epilepsie sicherzustellen.
Selbstmedikation: Ein Risiko bei Epilepsie
Epilepsie und Selbstmedikation mit frei verkäuflichem CBD-Öl oder Hanföl bei Epilepsie ist gefährlich. Diese Produkte sind nicht standardisiert, nicht medizinisch geprüft und können unwirksam oder schädlich sein. Vertrauen Sie auf Cannabis auf Rezept und lassen Sie sich ärztlich beraten.
Mythen über Cannabis und Epilepsie
Ein häufiger Mythos ist, dass Cannabis jede Epilepsie heilt oder THC genauso wirksam wie CBD ist. Tatsächlich ist CBD bei Epilepsie nur für bestimmte Formen zugelassen, und THC zeigt keine Vorteile. Eine individuelle Therapieplanung durch einen Arzt ist entscheidend.
Was ist Epilepsie? Ursachen, Symptome und Diagnose
Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung mit unprovozierten Anfällen durch elektrische Entladungen im Gehirn. In Deutschland betrifft sie etwa 1 von 100 Menschen.
Epilepsie Ursachen
Die Ursachen einer Epilepsie sind vielfältig: Genetische Veränderungen, Hirnschäden durch Schlaganfall oder Tumore können Anfälle auslösen. Bei etwa 50 % der Betroffenen bleibt die Ursache unklar.
Epilepsie Symptome
Epilepsie Symptome variieren je nach Anfallstyp:
- Fokal: Wahrnehmungsveränderungen, Schwindel, Halluzinationen
- Generalisiert:
- Tonisch: Verkrampfung
- Klonisch: Zuckungen
- Tonisch-klonisch: Verkrampfung und Zuckungen
- Atonisch: Muskeltonusverlust
- Myoklonisch: Schnelle Zuckungen
- Absencen: Bewusstseinspausen
Ein Status epilepticus (>5 Minuten) ist ein Notfall.
Epilepsie Diagnose
Die Epilepsie Diagnose basiert auf Anamnese, Berichten von Angehörigen und Tests wie EEG, CT/MRT oder Lumbalpunktion.
Unterstützung finden
Die Deutsche Epilepsievereinigung oder Kliniken wie die Uniklinik Freiburg bieten Beratung. Vereinbaren Sie ein Arztgespräch, um Ihre Epilepsie-Therapie zu optimieren.
Fazit
Medizinisches Cannabis eröffnet neue Perspektiven für Epilepsie-Patienten. Gerade CBD hat großes Potenzial, Anfälle zu reduzieren. Die Studienlage bei erwachsenen Epilepsie-Patient:innen ist jedoch dürftig und daher aktuell nicht repräsentativ. Es gibt Hinweise auf mögliche Wechselwirkungen zwischen CBD und herkömmlichen Antiepileptika. Es ist daher entscheidend, eine individuelle Therapieplanung durch einen Arzt zu erstellen und die Behandlung engmaschig zu überwachen.