Kiffen gegen Epilepsie: Studienlage und therapeutisches Potenzial

Epilepsie ist eine komplexe neurologische Erkrankung, die durch wiederkehrende Krampfanfälle gekennzeichnet ist und das Leben der Betroffenen erheblich beeinträchtigen kann. Die Ursachen sind vielfältig und reichen von genetischen Defekten über Hirnschäden bis hin zu Stoffwechselstörungen. Obwohl es eine Reihe von Antiepileptika gibt, sprechen etwa ein Drittel der Betroffenen nicht ausreichend auf diese herkömmlichen Therapien an. Dies führt zu einem wachsenden Interesse an alternativen Behandlungsansätzen, insbesondere an der Cannabis-Therapie.

Epilepsie: Eine vielschichtige Erkrankung

Epilepsie manifestiert sich durch unprovozierte Anfälle, die durch plötzliche, unkontrollierte elektrische Entladungen im Gehirn entstehen. Diese Anfälle können unterschiedliche Formen annehmen, von kurzzeitigen Bewusstseinsstörungen bis hin zu tonisch-klonischen Anfällen mit Bewusstseinsverlust. Die Diagnose basiert auf einer sorgfältigen Anamnese, Berichten von Angehörigen und neurologischen Tests wie EEG und MRT.

Die Ursachen für Epilepsie sind vielfältig:

  • Genetische Veränderungen: Einige Epilepsieformen sind erblich bedingt.
  • Strukturelle Veränderungen des Gehirns: Hirnschäden durch Schlaganfall, Tumore oder Verletzungen können Anfälle auslösen.
  • Stoffwechselstörungen: Stoffwechselerkrankungen können die Funktion der Nervenzellen beeinträchtigen und so Anfälle begünstigen.

Neben diesen organischen Ursachen gibt es auch eine Reihe von Faktoren, die Anfälle auslösen oder begünstigen können:

  • Schlafmangel: Unzureichender Schlaf kann die Anfallsbereitschaft erhöhen.
  • Stress: Akuter Stress kann Anfälle auslösen.
  • Alkohol: Übermäßiger Alkoholkonsum kann Anfälle provozieren.
  • Fieberhafte Infekte: Infektionen mit Fieber können die Anfallsbereitschaft erhöhen.
  • Hormonelle Schwankungen: Bei Frauen können hormonelle Veränderungen während des Menstruationszyklus Anfälle beeinflussen.
  • Flackerndes Licht: Bei Fotosensibilität kann flackerndes Licht Anfälle auslösen.
  • Unregelmäßige Medikamenteneinnahme: Eine unregelmäßige Einnahme von Antiepileptika kann das Anfallsrisiko erhöhen.

Cannabis in der Epilepsiebehandlung: CBD im Fokus

Die Cannabispflanze enthält über 400 verschiedene Bestandteile, sogenannte Cannabinoide, von denen einige medizinisch genutzt werden. In der Epilepsiebehandlung stehen vor allem zwei Cannabinoide im Fokus:

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  • Tetrahydrocannabinol (THC): THC ist der psychoaktive Bestandteil von Cannabis und für die berauschende Wirkung verantwortlich. Während einige Studien THC eine krampflösende Wirkung zuschreiben, konnten andere Studien diese Wirkung nicht bestätigen oder kamen sogar zu dem Schluss, dass THC Krampfanfälle begünstigen könnte.
  • Cannabidiol (CBD): CBD ist ein nicht-psychoaktives Cannabinoid, dem eine krampflösende Wirkung nachgesagt wird. Im Gegensatz zu THC löst CBD kein „High“-Gefühl aus und interagiert nicht direkt mit dem CB1-Rezeptor. In Tiermodellen konnte ein gewisser antikonvulsiver Effekt nachgewiesen werden.

CBD: Potenzial bei bestimmten Epilepsieformen im Kindesalter

Die aktuelle Studienlage deutet darauf hin, dass CBD insbesondere bei bestimmten schweren Epilepsieformen im Kindesalter eine vielversprechende Option sein kann. Studien haben gezeigt, dass CBD die Häufigkeit und Schwere von Anfällen reduzieren kann, insbesondere bei Kindern mit dem Dravet-Syndrom oder dem Lennox-Gastaut-Syndrom.

In diesen Studien wurde CBD in der Regel zusätzlich zu den herkömmlichen Antiepileptika eingesetzt. Die Ergebnisse zeigten, dass sich der Gesamtzustand der Patienten in der CBD-Gruppe signifikant verbesserte. Allerdings traten auch Nebenwirkungen auf, wie z.B. Schläfrigkeit, Appetitverlust und Durchfall.

Ein zugelassenes CBD-Öl zur Behandlung von Epilepsie ist Epidyolex, das als orale Lösung verabreicht wird. Die Dosierung wird individuell angepasst, basierend auf dem Gewicht und der Verträglichkeit des Patienten.

THC: Umstrittene Wirkung bei Epilepsie

Im Gegensatz zu CBD ist die Wirkung von THC bei Epilepsie umstritten. Einige Studien deuten darauf hin, dass THC in seltenen Fällen Anfälle auslösen oder bestehende Epilepsien verstärken kann. Aus diesem Grund spielt THC in der Epilepsie-Therapie kaum eine Rolle.

CBD: Wirkmechanismus und Wechselwirkungen

CBD interagiert mit dem Endocannabinoid-System, einem komplexen Netzwerk von Rezeptoren und Botenstoffen, das die neuronale Aktivität reguliert. Durch diese Interaktion kann CBD Epilepsie-Anfälle dämpfen und die Anfallshäufigkeit reduzieren.

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Es gibt jedoch auch Hinweise auf mögliche Wechselwirkungen zwischen CBD und herkömmlichen Antiepileptika. CBD kann die Blutspiegel von Medikamenten wie Clobazam oder Valproat erhöhen, was zu verstärkten Nebenwirkungen führen kann. Daher ist eine enge ärztliche Überwachung und regelmäßige Blutkontrollen unerlässlich.

Studienlage bei Erwachsenen

Während die Studienlage bei Kindern mit bestimmten Epilepsieformen vielversprechend ist, ist die Evidenz für die Wirksamkeit von CBD bei erwachsenen Epilepsie-Patienten schwächer. Es gibt zwar positive Einzelfälle, aber es fehlen groß angelegte Studien, die eine breite Bestätigung liefern.

Rechtliche und finanzielle Aspekte

Medizinisches Cannabis unterliegt in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und wurde durch das Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG) ersetzt. Seit April 2024 kann es auf ein einfaches Rezept von qualifizierten Ärzten, meist Neurologen, verschrieben werden, ohne die bisher erforderliche Betäubungsmittelrezeptierung. Die Cannabis Verschreibung bei Epilepsie setzt eine genaue medizinische Indikation voraus, etwa für zugelassene Präparate wie Epidyolex bei seltenen Epilepsieformen. Das Cannabisgesetz (CanG) und das Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG) von 2024 haben den Zugang zu medizinischem Cannabis erleichtert. Cannabis auf Rezept ist nun schneller verfügbar, da Ärzte es auf ein einfaches Rezept verschreiben können und Telemedizin für Beratungen anerkannt ist. Dennoch bleibt eine ärztliche Diagnose entscheidend, um die richtige Cannabis-Therapie bei Epilepsie sicherzustellen.

Die Kosten für Epidyolex oder andere Cannabis-Medikamente können 2000-3000 Euro monatlich betragen. In Deutschland ist eine Cannabis Kostenübernahme durch Krankenkassen möglich, erfordert aber einen Antrag mit ärztlicher Begründung.

Risiken der Selbstmedikation

Selbstmedikation mit frei verkäuflichem CBD-Öl oder Hanföl bei Epilepsie ist gefährlich. Diese Produkte sind nicht standardisiert, nicht medizinisch geprüft und können unwirksam oder schädlich sein. Ungeprüfte Produkte können Verunreinigungen wie Pestizide oder Schwermetalle enthalten und unklare Wirkstoffgehalte aufweisen, was die Anfallskontrolle gefährden kann.

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Expertenmeinungen und Empfehlungen

Experten betonen, dass Cannabis kein Wundermittel gegen Epilepsie ist und dass die Therapie immer unter ärztlicher Aufsicht erfolgen sollte. Die Deutsche Epilepsievereinigung und Kliniken wie die Uniklinik Freiburg bieten Beratung zu diesem Thema an.

Prof. Dr. Christian E. Elger weist darauf hin, dass Epilepsie keine einheitliche Erkrankung ist, sondern eine Mischung vielfältigster Störungen der Funktion des Gehirns unterschiedlichster Ursache. Die medikamentöse Epilepsietherapie ist sehr erfolgreich, aber bei etwa 30 Prozent der Patienten ist die Wirksamkeit der Medikamente nicht ausreichend, um eine stabile Anfallsfreiheit zu gewährleisten. Diese Patienten bilden die Zielgruppe für neue Medikamente wie CBD.

Er betont jedoch, dass eine Euphorie nicht gerechtfertigt ist und dass CBD eine Ergänzung der bisherigen Medikamente darstellt. Die Wirksamkeit von CBD ist für bestimmte Epilepsieformen als hochwertig nachgewiesen.

Cannabis in der Neurologie: Weitere Anwendungsgebiete

Cannabis wird nicht nur in der Epilepsiebehandlung eingesetzt, sondern auch in anderen Bereichen der Neurologie. Studien deuten darauf hin, dass Cannabis bei der Behandlung von Bewegungsstörungen wie Parkinson, Multipler Sklerose und Tourette-Syndrom hilfreich sein kann. Allerdings ist die Datenlage hier noch dünner als bei Epilepsie, und weitere Forschung ist erforderlich.

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