Schlaganfall durch Kiffen: Studienlage und Risiken

Die Legalisierung von Cannabis in Deutschland im April 2024 hat eine breite öffentliche Diskussion über die gesundheitlichen Auswirkungen des Konsums ausgelöst. Neben den bekannten psychischen Effekten rücken zunehmend auch die potenziellen Risiken für das Herz-Kreislauf-System in den Fokus. Studien deuten auf einen Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle, Herzinfarkte und andere kardiovaskuläre Ereignisse hin, insbesondere bei jüngeren Menschen.

Studienlage zum Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und Schlaganfällen

Der Konsum von Cannabis wird in der Literatur mit dem Auftreten von Schlaganfällen, besonders im jüngeren Alter, in Verbindung gebracht. Eine Meta-Analyse von Studien zwischen 2016 und 2023 ergab, dass das Risiko für einen Schlaganfall bei Cannabiskonsumenten um 20 Prozent höher war als in der Vergleichsgruppe ohne Konsum. Eine aktuelle Studie der University of California in San Francisco (UCSF) weist auf erhebliche Herz-Kreislauf-Risiken durch regelmäßigen Cannabis-Konsum hin - unabhängig davon, ob das THC geraucht oder in Form von Edibles (beispielsweise Kekse) konsumiert wird.

Einschränkungen und Einflussfaktoren

Es ist wichtig zu beachten, dass viele Studien zum Thema Cannabiskonsum und Schlaganfallrisiko Einschränkungen aufweisen. Ein großes Problem besteht darin, dass sich der Konsum nicht isoliert betrachten lässt. Viele Cannabiskonsumenten rauchen auch Tabak, was die Interpretation der Ergebnisse erschwert. Ob also Cannabis kausal das Schlaganfallrisiko erhöht oder ob der damit einhergehende Tabakkonsum der entscheidende Risikofaktor ist, ist unklar.

Eine schwedische Studie versuchte, den Zusammenhang von Cannabis-Konsum und dem Schlaganfallrisiko isoliert vom Tabakrauchen zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigten, dass bei Männern, die im jungen Alter häufig Cannabis konsumierten (> 50 Mal), zwar ein erhöhtes Risiko für einen ischämischen Schlaganfall vor dem 45. Lebensjahr bestand. Nach Adjustierung auf Tabakkonsum und Alkohol schwand der Zusammenhang jedoch vollständig. Tabakrauchen (> 20 Zigaretten pro Tag) hingegen erhöhte das Schlaganfallrisiko um das Fünffache. Die Autoren der Studie schlussfolgerten, dass es keine eindeutige Assoziation zwischen Cannabis-Konsum im frühen Erwachsenenalter und dem Auftreten eines Schlaganfalls in jüngerem Alter gibt.

Des Weiteren fehlen in vielen Untersuchungen Informationen darüber, wie sich der Konsum im weiteren Leben entwickelt hat. Ebenso gibt es keine Verlaufsdaten bezüglich des BMI, Blutdrucks usw. Auch ist fraglich, ob Teilnehmer einer Musterung ihren Drogenkonsum immer wahrheitsgetreu angeben.

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Retrospektive Kohortenstudie aus den USA

Eine amerikanische Forschergruppe führte eine retrospektive Analyse durch, für die Daten von mehr als 4,6 Millionen Menschen unter 50 Jahren herangezogen wurden. Diese Daten wurden über das TriNetX-Netzwerk bezogen, eine globale Plattform, die medizinische Real-World-Daten sammelt und diese Forschern als Datenpools für Studien zur Verfügung stellt. Von den 4,6 Millionen Teilnehmern konsumierten 2,01 % Cannabis.

Das Schlaganfallrisiko lag bei den Cannabiskonsumenten bei 0,405 % und bei den Nichtkonsumenten bei 0,094 %. Das Risiko, eine Herzinsuffizienz zu erleiden, war bei den Teilnehmern mit Cannabiskonsum ungefähr doppelt so hoch wie bei den Nichtkonsumenten. Cannabiskonsum kann also das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen auch bei Patienten erhöhen, die ansonsten gesund und jung sind und eigentlich nicht zu dieser Art von Erkrankungen neigen.

Bei der Interpretation der Daten sind jedoch die Schwächen der Studie zu berücksichtigen: Da die Daten der Cannabiskonsumenten nach Diagnosen gemäß der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme 10 (englisch: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems Version 10 [ICD-10]) ausgewählt wurden, können keine genauen Aussagen darüber getroffen werden, wie sich individuelle Faktoren wie Konsumhäufigkeit, Dosierung und Konsumart auf die kardiovaskulären Risiken auswirken. Weitere Studien sind erforderlich, um das Dosis-Wirkungs-Verhältnis genau zu bestimmen.

Myokardinfarkt und kardiovaskuläre Risiken

Eine retrospektive Kohortenstudie wertete über das TriNetX-Netzwerk Daten von 53 US-amerikanischen Gesundheitseinrichtungen aus. Die Ergebnisse zeigten eine deutliche Risikozunahme in allen Endpunkten. So war beispielsweise das Risiko für einen Myokardinfarkt bei Cannabis-Konsumierenden über 6-mal höher als bei Nicht-Konsumierenden (RR: 6,19; 95%KI[4,89;7,82]). Insbesondere in der ersten Stunde nach dem Konsum kann das Infarktrisiko auf das fast 5-fache ansteigen.

Eine relevante Limitation der Studie besteht darin, dass ICD-Diagnosen zur Selektion der Cannabis-Konsumenten genutzt wurden. Die Angabe der Einnahme von Cannabis als Diagnose stellt höchstwahrscheinlich bereits eine Vorauswahl von Patienten dar, die weitere Risikofaktoren für kardiovaskuläre Ereignisse mit sich bringen, auch wenn diese im bestehenden Studiendesign nicht weiter messbar sind.

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Auswirkungen von THC und Konsumform

Eine aktuelle Studie der University of California in San Francisco (UCSF) weist auf erhebliche Herz-Kreislauf-Risiken durch regelmäßigen Cannabis-Konsum hin - unabhängig davon, ob das THC geraucht oder in Form von Edibles (beispielsweise Kekse) konsumiert wird.

  • Reduzierte Gefäßfunktion: Bei Cannabisrauchern wurde eine um 42 % verringerte Gefäßfunktion festgestellt, bei Edible-Konsumenten sogar um 56 % im Vergleich zu Nichtkonsumenten.
  • Endotheliale Dysfunktion: Beide Konsumformen führten zu einer Beeinträchtigung der Endothelfunktion - ein Frühindikator für Arteriosklerose und Herzinfarkt.
  • Zusätzliche Risiken beim Rauchen: Nur bei Rauchern wurden schädliche Veränderungen im Blutserum festgestellt, die die Gefäßzellen zusätzlich belasten.
  • Dosisabhängiger Effekt: Je höher die THC-Menge pro Woche, desto stärker die gemessenen Gefäßschäden.

Die Studie legt nahe, dass THC selbst - unabhängig von der Konsumform - die Gefäßgesundheit beeinträchtigen kann. Rauchen verstärkt die negativen Effekte zusätzlich.

Weitere Risikofaktoren und Begleiterkrankungen

Cannabiskonsumenten weisen häufiger weitere Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf. In der bereits erwähnten amerikanischen Studie hatten Cannabiskonsumenten einen höheren Body-Mass-Index (BMI) und eine höhere Prävalenz von Depressionen als Nichtcannabiskonsumenten. Es ist wichtig, diese Faktoren bei der Bewertung des individuellen Risikos zu berücksichtigen.

Warnungen und Empfehlungen von Kardiologen

Dr. Axel Harnath, Chefkardiologe im Sana-Herzzentrum Cottbus, warnt vor ernsthaften Auswirkungen des Cannabiskonsums auf das Herz-Kreislauf-System. Er erklärt, dass es im menschlichen Organismus spezielle Rezeptoren für Cannabis gibt, an denen der Wirkstoff andocken kann. Dies kann zu Arteriitis, krampfartigen Verengungen von Blutgefäßen und Verklumpungen von Blutplättchen führen. Diese Reaktionen können lebensgefährliche Auswirkungen haben, wie z.B. ein erhöhtes Risiko für ischämische Schlaganfälle, intrazerebrale Blutungen und Herzrhythmusstörungen.

Experten fordern daher weitere Forschung und eine differenzierte Aufklärung über Risiken und Nutzen von Cannabis. Cannabis-Konsum sollte grundsätzlich als Herzkreislauf-Risiko bewertet und in die Vorsorge einbezogen werden.

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