Der Zusammenhang zwischen Faszien und dem Nervensystem

Gesundheit und Wohlbefinden hängen von einer Vielzahl von Faktoren ab, von denen viele auf den ersten Blick nicht miteinander verbunden erscheinen. Nehmen wir zum Beispiel das Bindegewebe und das Gehirn: Was hat unser körperliches Bindegewebe mit der Funktion unseres Gehirns zu tun? Überraschenderweise mehr, als man vielleicht denkt.

Einführung in Faszien und Nervensystem

Faszien sind Bindegewebsstrukturen, die praktisch jeden Teil unseres Körpers durchziehen. Sie umhüllen Muskeln, Knochen, Organe und Nerven. Diese Strukturen sind enorm wichtig für unsere Bewegungsfähigkeit, Haltung und allgemeines Wohlbefinden. Unser Gehirn ist für sämtliche kognitiven Funktionen verantwortlich. Es steuert nicht nur unser Denken, sondern auch unsere Emotionen, Bewegungen und die Verarbeitung von Informationen.

Die enge Verbindung zwischen Faszien und Nervensystem

Faszien sind eng mit unserem Nervensystem verbunden. Das bedeutet, dass Spannungen oder Probleme im Fasziennetzwerk Auswirkungen auf die Signalübertragung im Nervensystem haben können. Ein gesundes Fasziennetzwerk kann die Übertragung von Nervensignalen verbessern und somit die kognitive Funktion und das allgemeine Wohlbefinden steigern.

Faszien als Sinnesorgan

Entgegen der gängigen Lehrmeinung, dass periphere Nerven Einrichtungen zur Steuerung sind, bildet sich immer mehr das Bild eines Wahrnehmungsorgans. Selbst Stimmungslagen, Befindlichkeiten und Emotionen entstehen auf Grundlage von Wahrnehmung - aus der Summe aller Afferenzen. Faszien gelten als großes Sinnesorgan und sind eng mit dem vegetativen Nervensystem verbunden. Dadurch senden sie ununterbrochen Signale an unser Gehirn. So sind es unter anderen auch die Faszien, die dafür sorgen, dass wir unseren Körper wahrnehmen und Bewegungen koordinieren können, ohne dass wir uns darauf extra konzentrieren müssten. Laut einigen Fachleuten sind die Faszien ein Organ, das Informationen aus dem Körperinneren an das zentrale Nervensystem übermittelt.

Neurodynamik und Faszien

Im Ultraschall können wir sehen, wie Nerven rotieren, sich drehen und zwischen Muskeln und Sehnen gleiten. Manchmal entsteht der Eindruck, dass sich Nerven zwischen die Sehnen hineinschmiegen, während sie bei manchen Bewegungen zu „tanzen“ beginnen. Diese Erkenntnisse haben auch eine wichtige Bedeutung für die Neurodynamik der Nerven. Neurodynamische Tests zeigen immer die Verbindung des Bewegungsapparates in den neurogenen Raum.

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Faszien und Immunabwehr

Nerven stellen interstitielle Wege der körpereigenen Immunabwehr dar: Immunzellen wandern in den interfaszialen Räumen der Nerven entlang der peripheren Nervenverläufe. Dies hat eine besonders relevante Bedeutung: neue Studien zeigen, dass möglicherweise auch Krebszellen die gleichen Wege für ihre Wanderung verwenden.

Der Einfluss von Faszien auf das autonome Nervensystem (ANS)

Das autonome Nervensystem (ANS) spielt eine zentrale Rolle bei der Regulierung vieler unwillkürlicher Körperfunktionen, wie Herzschlag, Atmung, Verdauung und Stressreaktionen. Eine wachsende Zahl von Forschungen zeigt, dass Spannungen oder Verklebungen in den Faszien einen direkten Einfluss auf das autonome Nervensystem haben können.

Sympathisches und parasympathisches Nervensystem

Das autonome Nervensystem besteht aus zwei Hauptkomponenten: dem sympathischen und dem parasympathischen Nervensystem. Das sympathische Nervensystem ist für die „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion verantwortlich und wird in stressigen Situationen aktiviert. Das parasympathische Nervensystem ist für „Ruhe und Verdauung“ zuständig.

Auswirkungen von Faszienverhärtungen auf das ANS

Wenn Faszien verhärten oder verkleben, kann dies zu erhöhtem Druck und Spannungen im Körper führen. Diese physischen Spannungen können das sympathische Nervensystem aktivieren, was zu einem erhöhten Stresspegel, einer erhöhten Muskelspannung und anderen körperlichen Reaktionen führen kann. Faszien enthalten zahlreiche Nervenendigungen, und wenn sie sich verhärten oder verkleben, können sie Schmerzen verursachen. Diese Schmerzen können das autonome Nervensystem weiter stressen und zu einer verstärkten Aktivierung des sympathischen Systems führen. Spannungen in den Faszien können die Beweglichkeit einschränken, was zu einer eingeschränkten Bewegungsfreiheit führt.

Faszien und ihre Rolle bei Schmerzen

Die Relevanz und das Ausmaß dieser Eigenaktivität der Faszien ist umstritten. In ihnen stecken Schmerzrezeptoren und Bewegungssensoren. Inzwischen wird die sogenannte myofasziale Dysfunktion - also eine Funktionsstörung von Muskeln und Faszien - häufig als spezifische Ursache für Kreuzschmerzen beschrieben. Demnach ist die gestörte Faszienfunktion dadurch gekennzeichnet, dass Spannungsveränderungen in den Faszien zu einer Einschränkung ihrer Verschiebbarkeit führen. Einfach gesagt: Faszien, die ständig unter Spannung stehen, werden starr. Das schränkt die Beweglichkeit ein und steigert die Schmerzempfindlichkeit.

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Die Lendenfaszie und Kreuzschmerzen

Eine Erklärung ist, dass die elastischen Faszien durch Bewegungsmangel verdicken, verkleben und verfilzen. Bei solchen Veränderungen werden unspezifische Entzündungsstoffe ausgeschüttet. Das kann besonders bei der Lendenfaszie, unserer größten Faszie, zu Kreuzschmerzen führen. Die Lendenfaszie befindet sich oberhalb des Beckens, sie verbindet unsere Rückenmuskeln mit den Oberschenkel- und Gesäßmuskeln. Eine Folge von verhärteten Faszien ist neben Schmerzen auch Unbeweglichkeit. In diesem Fall werden verklebte Faszien gelöst, um den Schmerz wieder loszuwerden. Das könnte mit einem speziellen Faszientraining gelingen.

Die thorakolumbale Faszie (TLF) und ihre Verbindung zu Stress

Die Gleitfähigkeit und Verformbarkeit der thorakolumbalen Faszie (TLF) sind unter pathologischen Umständen erheblich reduziert, was in dem reichlich innervierten Gewebe zur Reizung freier nozizeptiver Nervenenden führt. Etwa 40 % der gesamten TLF-Innervation besteht aus postganglionären sympathischen Fasern, die vasokonstriktorisch wirken und unter negativen emotionalen Einflüssen die biomechanischen Eigenschaften verändern könnten. So zeigten sich bei Menschen mit Major Depression eine reduzierte Elastizität und höhere Steifigkeit des myofaszialen Gewebes.

Die Auswirkungen von Stress auf die TLF

Während eines Mesozyklus eines Sportkletterers, der im Rahmen einer integrativen Einzelfallstudie untersucht wurde, konnte zum Teil eine dramatische Reduktion der TLFD von 19 mm von einem auf den anderen Tag beo­bachtet werden, die mit einer dreifach erhöhten sympathischen Aktivität einherging. Es ist bekannt, dass eine sympathikotone Verschiebung im ANS die vaskuläre Permeabilität innerhalb des subkutanen Fettgewebes verändert, was mit hoher Wahrscheinlichkeit die Gleiteigenschaften der TLF gegenüber ihrer umliegenden Gewebe beeinträchtigt.

Die Rolle des parasympathischen Nervensystems bei der TLF

Überraschend kam es fünf Tage nach der ersten Gewebereaktion auf eine sympathische Aktivierung zu einer Zunahme der TLFD, was so, nach Wissen der Autoren, bisher noch in keiner Studie zu beobachten war. Dieser Effekt wurde vor allem durch die parasym­pathische Koaktivierung bedingt. Die Mediationsanalyse zeigte, dass die vorgenannten ANS-Reaktionen durch erhebliche Stressoren ausgelöst wurden. Der darauffolgende massive Verlust der Fähigkeit der Faszien zu deformieren und gegenüber ihren umliegenden Geweben frei zu gleiten, wurde dabei zu 98 % von der emotionalen Belastung bedingt. Dieser Mechanismus war jedoch begleitet von einer Koaktivierung des parasympathischen Nervensystems, welche zu 90 % eine Verbesserung der biomechanischen Gleiteigenschaften der Gewebe sieben Tage nach dem Stressereignis mediierte.

Faszientherapie und ihre Auswirkungen auf das Nervensystem

Faszientherapie hat ein großes Potential, um unsere kognitive Funktion und unser allgemeines Wohlbefinden zu steigern.

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Verbesserung der Durchblutung

Eine der Hauptfunktionen der Faszien ist es, den Fluss von Blut und Nährstoffen durch den Körper zu unterstützen.

Stressabbau

Verspannte oder verklebte Faszien können zu chronischem Stress und Verspannungen führen.

Praktische Übungen für den Alltag

Schon einfache Übungen können große Auswirkungen haben. Es ist wichtig, auf den eigenen Körper zu hören, da jeder Körper einzigartig ist. Was bei einer Person funktioniert, muss nicht zwangsläufig auch bei dir funktionieren.

Die Roll-Übung

Mit einer Faszienrolle kannst du die Spannungen in deinem Rücken, deinen Beinen oder Armen lösen.

Die Dehnübung

Stelle dich hüftbreit hin, atme tief ein und strecke beim Ausatmen die Arme hoch über den Kopf.

Die Entspannungsübung

Lege dich auf den Rücken und atme tief und gleichmäßig.

Verschiedene Arten von Faszien und ihre Aufgaben

Im Körper gibt es verschiedene Arten von Faszien, die jeweils unterschiedliche Funktionen erfüllen. Man kann sie sich in Schichten angeordnet vorstellen - auch wenn sich diese nicht genau voneinander abtrennen lassen - die sich gegeneinander verschieben lassen. So erhöht sich die Beweglichkeit.

Die oberflächliche Faszie

Sie befindet sich unter der Haut und besteht aus lose angeordnetem Bindegewebe und Fett. Im Vergleich zu den anderen Faszien enthält sie weniger Kollagenfasern, da die oberflächliche Faszie sehr beweglich sein muss. Sie umgibt den ganzen Rumpf sowie die Extremitäten.

Die tiefe Faszie

Auch Rumpffaszie genannt, umgibt die tiefe Faszie die Muskulatur, die Sehnenstrukturen und Bänder im Körper. Sie ist sehr stramm und enthält viele parallel angeordnete Kollagenfasern. Das verleiht ihr eine gute Stabilität. Bei Muskelbewegung wird die ausgeübte Kraft mithilfe des Fasziennetzwerks in alle Bereiche des Körpers übertragen.

Die meningeale Faszie

Sie umhüllt Nervenfasern und Nervenbündel und ist für deren Schutz zuständig.

Die viszerale Faszie

In dieser Faszienschicht verlaufen Gefäße und Nerven. Sie umgibt alle Körperhöhlen wie den Herzbeutel, den Bauchraum, den Brustkorb und das Becken. Durch diese Faszie wird die Versorgung der inneren Organe sichergestellt. Obwohl jede Faszienschicht eine Spezialaufgabe hat, arbeiten sie zusammen: Sie sorgen dafür, dass wir jederzeit ein Gefühl dafür haben, wo sich unser Körper im Raum befindet und wie er sich bewegt. Das nennen Fachleute Propriozeption.

Faszientraining

Faszientraining kann im Rahmen einer Physiotherapie als auch individuell stattfinden. Eines der häufigsten Hilfsmittel beim eigenständigen Training sind Faszienrollen, Schaumstoffrollen oder Kugelmassagegeräte verschiedener Härtegrade, mit denen die Faszien bearbeitet werden.

Ist Faszientraining schädlich?

Es empfiehlt sich, verschiedene Übungen genau zu erlernen. Wenn Sie rheumatisch oder andersartig am Bindegewebe vorerkrankt sind, sollten sie das Faszientraining nur nach Rücksprache mit Ihrem behandelnden Arzt oder Ihrer Ärztin durchführen. So können Sie sicher sein, dass die individuellen körperlichen Gegebenheiten entsprechend berücksichtigt werden.

Die Bedeutung der Rabine-Methode

Wir arbeiten in der Rabine-Methode sehr viel und konsequent mit dem Sensomotorischen Lernen. Und schon allein das Wort Sensomotorik verbindet die beiden Bereiche Faszien und Nervensystem miteinander. Denn es bedeutet, dass wir über unsere Sinne (senses), die Teil des Nervensystems sind in die Motorik kommen. Und von da aus kann Lernen stattfinden.

Weitere Aspekte der Faszien

Faszien und Lymphsystem

Abflussstörungen der Lymphe entstehen häufig aufgrund von Faszienverklebungen. Wird das Wasser im Intra- und Extrazellulärraum des gesamten Körpers in Bewegung gebracht, werden die Faszien „gelockert“, die Zellver- und -entsorgung verbessert, das Lymphsystem unterstützt und die Entgiftung gefördert.

Faszien und Emotionen

Neuere Forschung zeigt auf, dass ebensolche fasziale Strukturen unter negativen emotionalen Einflüssen versteifen.

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