Menschen mit Demenz stehen vor der Herausforderung, alltägliche Aufgaben zu bewältigen, da sie Informationen vergessen oder Handlungen nicht mehr ausführen können. Die gezielte kognitive Aktivierung spielt daher eine entscheidende Rolle in der Pflege und Betreuung, um die Lebensqualität zu verbessern und vorhandene Fähigkeiten zu erhalten. Hierbei geht es nicht darum, die Demenz „wegzutrainieren“, sondern vielmehr darum, Freude zu bereiten, Erinnerungen zu wecken und Kompetenzen zu stärken.
Bedeutung der kognitiven Aktivierung
Die kognitive Aktivierung zielt darauf ab, die geistigen Fähigkeiten von Menschen mit Demenz zu erhalten und zu verbessern. Dabei werden verschiedene Bereiche wie Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnisleistung angesprochen. Durch die Anregung der Nervenzellen im Gehirn können sich diese besser vernetzen und Verbindungen festigen. Dies trägt dazu bei, den Abbau kognitiver Leistungen hinauszuzögern und vorhandene Kompetenzen zu stärken.
Ziele der kognitiven Aktivierung
- Steigerung der Konzentrationsfähigkeit
- Verlangsamung des Gedächtnisverlusts
- Förderung von Sinneswahrnehmungen
- Aktivierung des Langzeitgedächtnisses
- Stärkung des Selbstwertgefühls
Einflussfaktoren auf den Verlauf der Alzheimer-Erkrankung
Die kognitive Reserve ist ein wichtiger Faktor, der den Verlauf einer Alzheimer-Erkrankung beeinflussen kann. Menschen, die ihr Leben lang geistig aktiv waren, zeigen typische Alzheimer-Symptome oft später. Es ist jedoch nie zu spät, um die geistigen Reserven positiv zu beeinflussen.
Strategien und Methoden der kognitiven Aktivierung
Es gibt vielfältige Strategien und Methoden, um Menschen mit Demenz kognitiv zu aktivieren. Die Auswahl der geeigneten Aktivitäten sollte sich nach dem Stadium der Demenz, den persönlichen Vorlieben und Abneigungen sowie den individuellen Fähigkeiten richten.
Gedächtnistraining
Gedächtnisübungen sind eine bewährte Methode, um die kognitive Leistung zu erhalten und das Gehirn zu aktivieren. Sie können in Form von kleinen Übungen durchgeführt werden, die die Sinne, den Geist und den Körper ansprechen. Es ist wichtig, die Schwierigkeit der Übungen an die geistigen Fähigkeiten der Person anzupassen und darauf zu achten, dass sie Spaß machen.
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Beispiele für Gedächtnisübungen
- Geräusche erkennen: Alltagsgeräusche wie das Rascheln von Laub oder das Klingen von Glas erraten.
- Gegenstände erfühlen: Tastsinn aktivieren, indem Gegenstände wie Kiefernzapfen oder Steine erfühlt und verglichen werden.
- Lieder erraten: Bekannte Lieder aus der Vergangenheit abspielen und den Interpreten oder Liedtitel erraten lassen.
- Sprichwörter ergänzen: Bekannte Sprichwörter vervollständigen.
- Wortfindung trainieren: Menschen mit Demenz sind oft auf der Suche nach bestimmten Wörtern.
Biografiearbeit
Die Biografiearbeit ist ein wichtiger Bestandteil der kognitiven Aktivierung. Sie umfasst das Wecken von Erinnerungen an Beziehungen und lebensgeschichtliche Ereignisse, um das Wohlbefinden zu steigern und die Identität zu stärken.
Methoden der Biografiearbeit
- Erinnerungsalben: Fotos und Erinnerungsstücke aus dem Leben der Person sammeln und gemeinsam durchblättern.
- Konkrete Fragen stellen: Fragen zur Kindheit, Jugend oder zu wichtigen historischen Ereignissen aus dieser Zeit stellen.
- Gesprächsrunden: Gesprächsrunden mit aktuellen und personenbezogenen Themen initiieren, um Erinnerungen auszutauschen.
Sinnesaktivierung
Die Sinnesaktivierung zielt darauf ab, die verschiedenen Sinne gezielt anzusprechen und zu stimulieren. Dies kann durch Berührungen, Düfte, Musik oder visuelle Reize erfolgen.
Beispiele für Sinnesaktivierungen
- Berührung: Menschen mit Demenz lassen sich oft leichter durch Berührung aktivieren.
- Snoezelen: Gezielte Aktivierung und Stimulation der Sinne durch unterschiedliche Materialien und Reize.
- Düfte: Wohltuende Düfte wie Seife oder Lavendel zur Entspannung und Aktivierung einsetzen.
- Farben und Muster: Aufmerksamkeit auf bestimmte Farben oder Muster lenken.
Musikalische Aktivierung
Musik ist ein ideales Medium, um Menschen mit Demenz zu aktivieren, da bekannte Schlager aus der Jugendzeit fröhliche Erinnerungen stimulieren und die Stimmung aufhellen können.
Möglichkeiten der musikalischen Aktivierung
- Musikhören: Bekannte Schlager aus der Jugendzeit hören.
- Mitsingen und Musizieren: Bekannte Lieder singen, musizieren oder den Takt schlagen.
- Tanzen: Gemeinsames Tanzen fördert das Gemeinschaftsgefühl und die Bewegung.
Kreative Tätigkeiten
Kreative Tätigkeiten sind eine aktive Betätigung und eine sinnliche Erfahrung zugleich. Der Umgang mit unterschiedlichen Materialien aus der Natur oder dem Bastelladen kann Demenzerkrankten viel Freude bereiten.
Beispiele für kreative Tätigkeiten
- Basteln mit Naturmaterialien: Tannenzapfen, Blumen oder Kastanien sammeln und daraus Dekorationen basteln.
- Malen und Zeichnen: Freies Malen oder Zeichnen mit verschiedenen Materialien.
- Kneten: Arbeiten mit Knete zur Förderung der Feinmotorik und Kreativität.
Bewegung und Sport
Bewegung regt den Kreislauf an, fördert Sinneserfahrungen und bringt Freude. Spaziergänge und Ausflüge sind daher eine sinnvolle Beschäftigung.
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Geeignete Bewegungsaktivitäten
- Spaziergänge: Gemeinsame Spaziergänge in der Natur.
- Tanzen: Sitztanz oder freies Tanzen zur Musik.
- Händegymnastik: Übungen zur Förderung der Feinmotorik und Koordination.
- Bewegungsspiele: Einfache Bewegungsspiele zur Aktivierung und Förderung der sozialen Interaktion.
Spiele
Spiele können eine unterhaltsame Möglichkeit sein, Menschen mit Demenz zu aktivieren und ihre kognitiven Fähigkeiten zu fördern. Es eignen sich vor allem Spiele, die von Kindheit an vertraut sind, wie Würfelspiele oder Mensch ärgere Dich nicht.
Geeignete Spiele
- Würfelspiele: Einfache Würfelspiele mit großen Würfeln.
- Mensch ärgere Dich nicht: Das bekannte Brettspiel mit vereinfachten Regeln.
- Memory: Memory-Spiel mit großen Karten und leicht erkennbaren Motiven.
- Puzzles: Einfache Puzzles mit großen Teilen.
- Kartenspiele: Kartenspiele mit vereinfachten Regeln und großen Karten.
Alltagsintegrierte kognitive Aktivierung
Ein wichtiger Ansatz ist die Integration kognitiver Anregungen in den Alltag. Dies bedeutet, dass Pflege- und Betreuungspersonen lernen, wie sie Menschen mit Demenz in alltäglichen Pflegesituationen wie Waschen, Anziehen oder Essen geistig aktivieren können.
CogStim24: Ein Schulungsprogramm für die Pflege
Das Schulungsprogramm „24/7 Kognitive Stimulation für Menschen mit Demenz in Pflegeheimen (CogStim24)“ wurde entwickelt, um Pflege- und Betreuungspersonen zu vermitteln, wie sie Menschen mit Demenz im Alltag geistig aktivieren können. Das Programm umfasst Methoden aus den Bereichen kognitives Training, Biografiearbeit, Sinnesaktivierung, Musik und Bewegung.
MAKS-Therapie
Die MAKS-Therapie (Multi-Aktivierungs-Therapie für Kognition und Stimmung) ist ein umfassender Therapieansatz, der darauf abzielt, den Alltag von Menschen mit Demenz in verschiedenen Modalitäten anzuregen. Ziel ist es, die kognitiven und alltagspraktischen Fähigkeiten zu stabilisieren, die Selbstständigkeit so lange wie möglich zu erhalten und die Lebensqualität zu verbessern.
Bestandteile der MAKS-Therapie
- Soziale Aktivierung: Orientierung in der Gruppe, Förderung sozialer Fähigkeiten und des Erlebens von Sinnhaftigkeit.
- Sensomotorische Aktivierung: Bewegung, Schulung der Grob- und Feinmotorik, Förderung der Beweglichkeit und Anregung sozialer Interaktionen.
- Kognitive Aktivierung: Anregung und Förderung kognitiver Prozesse wie Merken, Wiedererkennen, Assoziationen bilden und Sprachverständnis.
- Alltagspraktische Aktivierung: Förderung von Fertigkeiten und Techniken, die im Alltag nutzbar sind, sowie Grob- und Feinmotorik, Beweglichkeit und soziale Kompetenzen.
Tipps für die kognitive Aktivierung im Alltag
- Beachten Sie das Stadium der Demenz: Überforderung bewirkt negative Reaktionen.
- Gehen Sie auf persönliche Vorlieben und Abneigungen ein: Die Beschäftigung sollte Spaß machen.
- Respektieren Sie die Entscheidung des Demenzerkrankten: Lassen Sie es zu, wenn der Erkrankte nicht selbst aktiv werden möchte, sondern lieber beobachtet.
- Tolerieren Sie „Fehler“: Schimpfen Sie auf keinen Fall, wenn etwas nicht funktioniert.
- Schaffen Sie eine angenehme Umgebung: Chaotische, laute Umgebungen sind ungeeignet.
- Kommunizieren Sie klar und deutlich: Seien Sie empathisch und beobachten Sie die Reaktionen und Gefühle Ihres Gegenübers genau.
- Nutzen Sie vorhandene Ressourcen: Viele Sozialverbände und kirchliche Träger bieten regelmäßige Treffpunkte für Menschen mit Demenz.
- Lassen Sie sich inspirieren: Es gibt eine Vielzahl von Spielen und Materialien, die speziell für Demenzerkrankte geeignet sind.
- Basteln Sie selbst Spiele: Lassen Sie sich von den Vorlieben der Person inspirieren und basteln Sie einfache Puzzle oder Singbücher.
- Fördern Sie die Selbstständigkeit: Demenzerkrankte Menschen können durchaus kleine Herausforderungen bestehen.
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