Konstantin Wecker, Demenz und die Kraft der Musik: Einblick in ein wichtiges Thema

Die Auseinandersetzung mit Demenz ist oft von Schock und Veränderung geprägt, sowohl für Betroffene als auch für ihr Umfeld. Sarah Straub erfuhr dies am eigenen Leib, als ihre Großmutter an Demenz erkrankte. Diese persönliche Erfahrung motivierte sie, sich intensiv mit der Krankheit auseinanderzusetzen. Neben ihrer Musikkarriere begann sie ein Psychologiestudium, promovierte über Demenzerkrankungen und engagiert sich heute als Aufklärerin. Angesichts der steigenden Zahl von Demenzerkrankungen - allein in Deutschland sind es etwa 1,6 Millionen Betroffene, mit täglich rund 900 Neuerkrankungen- ist Aufklärung von entscheidender Bedeutung.

Sarah Straub: Eine Stimme für Menschen mit Demenz

Sarah Straub, geboren 1986, ist nicht nur promovierte Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Universitätsklinikum Ulm, sondern auch Dozentin für frontotemporale Demenz. Ihre Leidenschaft gilt jedoch auch der Musik. Als Liedermacherin hat sie bereits vier Alben veröffentlicht, darunter „Alles das und mehr“ und „Tacheles“ in Zusammenarbeit mit Konstantin Wecker.

In ihrem Buch „Wie meine Großmutter ihr Ich verlor“ schildert Straub anhand vieler Beispiele, was es bedeutet, wenn Vergesslichkeit in Demenz übergeht und welche Aufgaben und Hilfestellungen mit dieser Diagnose verbunden sind. Sie berät als Psychologin Betroffene und Angehörige in der Demenzsprechstunde und setzt sich für mehr Lebensqualität der Betroffenen ein.

Die Herausforderung Demenz in unserer Gesellschaft

Offiziell leben in Deutschland über 1,8 Millionen Menschen mit Demenz, Tendenz steigend. Die Dunkelziffer dürfte jedoch noch höher liegen. Laut Dr. Sarah Straub ist das Wissen über die Krankheit erstaunlich gering, was auf Angst und Scham zurückzuführen ist. Sie betont die Notwendigkeit der Aufklärung und die Bedeutung von Teilhabe für Menschen mit Demenz. Diese Menschen haben ein Recht auf ein gutes Leben trotz ihrer Erkrankung und sollten weiterhin Teil unserer Lebenswelt sein.

Ein großes Problem in der Begleitung von Menschen mit Demenz war lange Zeit die Verwahrung in Pflegeheimen, ohne auf ihre individuellen Bedürfnisse einzugehen. Straub ist davon überzeugt, dass ein Mensch mit Demenz ein Recht auf ein gutes Leben hat, trotz seiner Erkrankung. Dies bedeutet Teilhabe und die Möglichkeit, Teil unserer Lebenswelt zu bleiben. Angehörige können dies jedoch nur gewährleisten, wenn sie gut informiert sind und Überforderung vermeiden.

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Die Babyboomer-Generation, die nun ins höhere Alter kommt, stellt eine zusätzliche Herausforderung dar. Es stellt sich die Frage, wer sich um die wachsende Zahl alter und kranker Menschen kümmern wird. Schon jetzt fehlen Hunderttausende Pflegekräfte, was eine gesamtgesellschaftliche und politische Herausforderung darstellt. Straub plädiert dafür, dass jeder Einzelne zum Demenzexperten wird, um im Bedarfsfall handlungsfähig zu bleiben und die Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten.

Die Magie der Musik in der Demenztherapie

Musik spielt eine zentrale Rolle in Sarah Straubs Ansatz. Sie erklärt, dass Musik im Gehirn auf komplexe Weise abgespeichert wird und dabei auch tiefliegende Hirnregionen anspricht, die von Alzheimer-Demenz oft nicht betroffen sind. Selbst bei massiven Hirnschädigungen können Erinnerungen und Gedächtnisinhalte durch Musik reaktiviert werden.

Straub berichtet von einem Patienten, der nicht mehr sprechen kann und sich nicht an die Anzahl seiner Kinder erinnert, aber dennoch wunderschön Geige spielt. Obwohl er weder den Namen des Instruments noch die Noten kennt, verändert sich seine Körperhaltung und Mimik, sobald er spielt. Plötzlich ist er wieder der Mann, der er früher war. Diese „Magie der Musik“ ist wissenschaftlich nachweisbar.

Gemeinsam mit dem Münchner Liedermacher Roland Hefter hat Sarah Straub den Demenzsong „Deine G´schichten“ geschrieben, der die Erkrankung in die Mitte der Gesellschaft rückt und die Schwerfälligkeit nimmt. Das Lied, das zeitgleich mit Straubs Buch „Lebensmut trotz(t) Demenz“ erschien, erzählt von dem, was bleibt, und vom Wunder des Augenblicks.

Lebensmut trotz Demenz: Inspiration und Ermutigung

In ihrem Buch „Lebensmut trotz(t) Demenz“ erzählt Sarah Straub inspirierende Lebensgeschichten von Menschen mit Demenz und möchte andere Menschen ermutigen, gestärkt und lebensbejahend mit dem Thema umzugehen. Sie glaubt an ein gutes Leben mit Demenz, das durch Solidarität, Zusammenhalt und Nächstenliebe getragen wird.

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Straub betont, dass das Lächeln eines Menschen mit Demenz pures, unverfälschtes Leben ist. Sie engagiert sich auch als Botschafterin für die Bundesinitiative Musik & Demenz. Antje Valentin, Generalsekretärin des Deutschen Musikrats, freut sich über diese Unterstützung: „Wir freuen uns sehr, mit Dr. Sarah Straub eine engagierte und leidenschaftliche Fürsprecherin für das Potenzial von Musik bei Demenz-Erkrankungen an unserer Seite zu wissen. Uns eint die Überzeugung, dass aktives Musizieren und musikalisches Erleben zu einem menschenwürdigen Altern und einer höheren Lebensqualität von Menschen mit Demenz beitragen.“

Der 11. Kongress der Deutschen Alzheimer Gesellschaft

Der 11. Kongress der Deutschen Alzheimer Gesellschaft (DAlzG) fand vom 29. September bis 1. Oktober 2022 in Mülheim an der Ruhr unter dem Motto „Demenz: Neue Wege wagen?!“ statt. Dieser Kongress ist ein wichtiger Treffpunkt für Menschen mit Demenz, Angehörige sowie haupt- und ehrenamtlich Engagierte aus Pflege, Betreuung und Therapie.

Die an Lewy-Body-Demenz erkrankte Lilo Klotz eröffnete den Kongress mit einem Statement und sprach anschließend mit anderen Betroffenen über ihr Leben mit der Erkrankung. Weitere Redner waren Prof. Dr. Alexander Kurz (München) zum Thema „Risikominderung: Wissen, Hoffen, Handeln!“ und Swen Staack (Norderstedt) über seine persönlichen Erfahrungen als pflegender Angehöriger.

Der dreitägige Kongress umfasste 24 Symposien, die ein breites Themenspektrum behandelten, darunter Unterstützung und Vernetzung im ländlichen Raum, Partizipationsmöglichkeiten an Forschungsvorhaben, demenzsensible Religionsgemeinden, Trauma und Selbsterhaltung sowie die Begleitung im Akutkrankenhaus. Auch seltene Demenzerkrankungen und Strategien in Bund und Ländern wurden diskutiert.

Am dritten Kongresstag wurde erstmals ein Engagierten-Preis verliehen, und die DAlzG vergab ihre mit 400.000 Euro dotierte Forschungsförderung sowie weitere 350.000 Euro für die Grundlagenforschung. Musikalisch umrahmt wurde das Abschlussprogramm von Sarah Straub und Konstantin Wecker.

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Monika Kaus, 1. Vorsitzende der DAlzG, betonte, dass der Kongress zahlreiche Ideen und Ansätze bereithielt, um Altbewährtes neu zu denken und innovative Wege hin zu einer demenzfreundlichen Gesellschaft zu wagen.

Hintergrundinformationen zur Demenz

In Deutschland leben heute etwa 1,6 Millionen Menschen mit Demenzerkrankungen. Etwa zwei Drittel davon werden in der häuslichen Umgebung von Angehörigen betreut und gepflegt. Jährlich erkranken rund 300.000 Menschen neu, wobei etwa 60 Prozent eine Demenz vom Typ Alzheimer haben. Ohne Durchbruch in Prävention und Therapie wird die Zahl der Demenzerkrankten bis 2050 auf 2,4 bis 2,8 Millionen steigen.

Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz engagiert sich für ein besseres Leben mit Demenz. Sie unterstützt und berät Menschen mit Demenz und ihre Familien, informiert die Öffentlichkeit über die Erkrankung und ist ein unabhängiger Ansprechpartner für Medien, Fachverbände und Forschung. Die DAlzG bündelt das Erfahrungswissen der Angehörigen und das Expertenwissen aus Forschung und Praxis und unterstützt die Selbsthilfe vor Ort. Gegenüber der Politik vertritt sie die Interessen der Betroffenen und ihrer Angehörigen.

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