Körperlicher Verfall nach Schlaganfall: Therapie, Ursachen und Bewältigung

Ein Schlaganfall ist ein einschneidendes Ereignis, das das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen stark beeinflussen kann. Die teils schweren neurologischen Ausfälle, die direkt nach dem Schlaganfall auftreten, bessern sich zwar in den meisten Fällen innerhalb weniger Monate. Das Ausmaß der Verbesserung und ob alle funktionellen Beeinträchtigungen verschwinden, ist jedoch individuell sehr unterschiedlich. Viele Betroffene erleiden einen körperlichen Verfall nach einem ischämischen Schlaganfall. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Therapiemöglichkeiten und Bewältigungsstrategien, um die Lebensqualität nach einem Schlaganfall zu verbessern.

Was ist ein Schlaganfall?

Ein Schlaganfall, auch Apoplex genannt, ist ein medizinischer Notfall, der eine schnelle Behandlung erfordert. Er entsteht durch eine plötzliche Durchblutungsstörung im Gehirn, die zu einem Mangel an Sauerstoff und Nährstoffen führt. In der Folge sterben Nervenzellen ab, was zu Ausfallerscheinungen führt. Es werden zwei Hauptarten von Schlaganfällen unterschieden:

  • Ischämischer Schlaganfall (Hirninfarkt): Ein Blutgefäß wird durch ein Blutgerinnsel verstopft.
  • Hämorrhagischer Schlaganfall (Hirnblutung): Ein Blutgefäß im Gehirn reißt.

Ursachen für körperlichen Verfall nach Schlaganfall

Die Ursachen für den körperlichen Verfall nach einem Schlaganfall sind vielfältig. Sie reichen von direkten Folgen des Schlaganfalls bis hin zu zusätzlichen neurologischen oder internistischen Erkrankungen.

Zu wenig Therapie

Eine der häufigsten Ursachen für den körperlichen Verfall nach einem Schlaganfall ist zu wenig Therapie. Der Körper verliert Fähigkeiten und baut Muskulatur ab, wenn er nicht mehr benutzt wird. Es gilt, diesen Teufelskreislauf zu durchbrechen.

Neurologische Ursachen

  • Halbseitenlähmung (Hemiparese/Hemiplegie): Schlaganfall-Betroffene können oft unmittelbar nach dem Ereignis eine Körperhälfte nicht mehr richtig spüren und/oder kontrollieren. Die Lähmungserscheinungen können unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Durch intensive Physio- und Ergotherapie kann das Gehirn wieder neu lernen, die Gliedmaßen zu kontrollieren.
  • Stumme Schlaganfälle: Auch Schlaganfälle ohne sofortige Symptome können Ursache für den körperlichen Zerfall sein, da die gesamte Hirnleistung abnimmt.
  • Hydrozephalus: Eine typische Langzeitfolge nach Hirnblutungen mit Ventrikeleinbruch oder subarachnoidalen Blutungen (SAB) ist ein Hydrozephalus. Dieser führt zu langsamerem Denken und Bewegen, was die Aktivitäten des täglichen Lebens deutlich einschränkt.
  • Normaldruckhydrozephalus: Das Hirnnervenwasser staut sich langsam über die Zeit chronisch auf, ohne den Druck zu erhöhen, macht aber dennoch ein erweitertes Ventrikelsystem. Die Symptome werden als Hakim Trias definiert und sind Gedächtnisstörung, Gangstörung und Inkontinenz.
  • Morbus Parkinson: Diese neurodegenerative Erkrankung kann zusätzlich eine Demenz auslösen, beeinträchtigt aber hauptsächlich die Bewegungen des Körpers.
  • Demenz: Auch Demenz Erkrankungen können zusätzlich zu einem Schlaganfall auftreten. Alzheimer, Lewy Body und frontotemporale Demenzen sind klassische neurodegenerative Erkrankungen.
  • Cerebrale Amyloidangiopathie: Eine häufige Hirnblutungsursache bei über 70-jährigen Patienten, die zusätzlich durch „Mini Hirninfarkte“ zu einer vaskulären Demenz führen kann.
  • Epileptische Anfälle: Je nach betroffener Hirnregion entstehen verschiedene Symptome, oft bestehen nur Gedächtnisstörungen und eine allgemeine Verwirrtheit, aber auch kurze Sprachstörungen (Status aphaticus) sind möglich.

Internistische Ursachen

Viele Erkrankungen, die unsere innere Organe betreffen (internistische Erkrankungen), können unabhängig von einem Schlaganfall auftreten und den körperlichen Verfall erklären.

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ErkrankungSymptome
Anämie (z. B. Eisenmangel, renal)Müdigkeit, Schwäche, Belastungsdyspnoe, Muskelschwäche
Vitamin-B12-Mangel / FolsäuremangelGangunsicherheit, Polyneuropathie, kognitive Verschlechterung
Diabetes mellitus (neu oder entgleist)Müdigkeit, Muskelschwäche, Infektanfälligkeit, Neuropathie
Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)Antriebslosigkeit, Muskelschwäche, Kälteempfindlichkeit, depressive Verstimmung
Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose)Gewichtsverlust, Muskelschwäche, Unruhe, Herzrhythmusstörungen
neue oder dekompensierte HerzinsuffizienzBelastungsdyspnoe, Ödeme, Leistungsknick, rasche Erschöpfung
Vorhofflimmern (neu aufgetreten)Müdigkeit, Schwindel, reduzierte Belastbarkeit, Risiko für erneuten Schlaganfall
rheumatische Erkrankungen (z. B.

Weitere Ursachen

  • Post-Schlaganfall-Depression: Ein Drittel aller Schlaganfall-Patienten leiden an einer Depression, die den körperlichen Verfall vortäuschen kann.
  • Tumorerkrankungen: Diese können ebenfalls Symptome verursachen, die den körperlichen Verfall nach Schlaganfall imitieren.
  • Arteriosklerose: Die Verkalkung der Gefäße kann Herzinfarkte, Hirninfarkte, Hirnblutungen und periphere arterielle Verschlusskrankheiten (pAVK) verursachen.

Therapie und Rehabilitation

Die Rehabilitation nach einem Schlaganfall ist ein wichtiger Prozess, um verlorene Fähigkeiten wiederzuerlangen und den körperlichen Verfall aufzuhalten. Sie sollte so früh wie möglich beginnen und individuell auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt sein.

Therapeutische Ansätze in der Armrehabilitation

Armlähmungen gehören zu den häufigsten Folgen einer Hirnschädigung, wie z. B. nach einem Schlaganfall. Die Therapie hängt von der Ausprägung der Lähmung ab. Es gibt verschiedene therapeutische Ansätze:

  • Klassische Therapieformen: Ergo- und Physiotherapie ohne technische Geräte, um den betroffenen Arm aktiv zu trainieren. Die verschiedenen klassischen Physiotherapie­schulen (z. B. Bobath oder PNF) werden nicht ausdrücklich empfohlen.
  • Zirkeltraining: Insbesondere bei leichten bis mittelschweren Lähmungen denkbar. Dabei können auch passive mechanische Trainingsgeräte und virtuelle Realitäts-Anwendungen zum Einsatz kommen.
  • Kombination aus Eigentraining und Training mit Therapeuten: Tägliches Eigentraining mit regelmäßiger therapeutischer Begleitung (90 Minuten pro Woche) zur Verbesserung der Arm-Handaktivitäten.
  • Geräteunterstützte Therapien: Neuromuskuläre Elektrostimulation, Robot-Therapie, Therapie mit virtueller Realität, sensible Stimulation und Akupunktur.
  • Arm-Basis-Training: Tägliches, wiederholtes Üben der Bewegungsfähigkeit in den verschiedenen Abschnitten von Arm, Hand und Fingern. Sollte früh nach dem Schlaganfall durchgeführt werden.
  • Arm-Fähigkeits-Training: Tägliches Trainieren von Präzision und Geschwindigkeit bei verschiedenen Armfunktions-Anforderungen an der individuellen Leistungsgrenze.
  • Bewegungsinduktionstherapie (CIMT): Spezielle Therapie für Schlaganfall-Betroffene mit einem „erlernten Nicht-Gebrauch“. Umfasst üblicherweise sechs Stunden Therapie pro Tag. Ergänzend wird über zwei Wochen die weniger betroffene Hand für die größte Zeit des Tages ruhiggestellt (90 Prozent der Wachstunden).
  • Spiegeltherapie: Der Patient betrachtet im Spiegel die Bewegung seiner nicht gelähmten Hand. Durch den Blick in den Spiegel sieht diese Bewegung so aus, als würde sich seine gelähmte Hand ganz normal bewegen.
  • Mentales Training: Verbesserung der Armfunktion durch mentales Training.

Weitere wichtige Aspekte der Rehabilitation

  • Frühzeitiger Beginn: Die Rehabilitation der Armmotorik sollte früh nach einem Schlaganfall beginnen. Insbesondere in der frühen Phase wird eine zusätzliche spezifische Armrehabilitation für mindestens 30 Minuten jeden Werktag empfohlen.
  • Intensität: In der späten Krankheitsphase (z. B. ein Jahr und später nach einem Schlaganfall) können spezifische Maßnahmen der Armrehabilitation empfehlenswert sein, wie z. B. 90-270 Minuten pro Woche ein strukturiertes, sich wiederholendes Training.
  • Multiprofessionelles Team: Neurologen, Krankenschwestern, Pfleger, Krankengymnasten, Sprachtherapeuten und Ergotherapeuten arbeiten Hand in Hand, um die Patienten optimal zu betreuen.
  • Schlaganfall-Lotsen: Sie unterstützen die Patienten, in die gewohnte Lebensumgebung zurückzukehren.
  • Einbeziehung der Angehörigen: Die Angehörigen spielen eine wichtige Rolle im Rehabilitationsprozess. Sie sollten auf ihr eigenes Wohl achten und Unterstützung annehmen, wann immer es geht.

Standardisierte klinische Beurteilungsmethoden

Um die Therapieziele festzulegen und die Therapieerfolge festzuhalten, können standardisierte klinische Beurteilungsmethoden (Beurteilungsskalen, Assessment-Verfahren) nützlich sein.

Bewältigungsstrategien für den Alltag

Neben der Therapie ist es wichtig, dass Betroffene und Angehörige Strategien entwickeln, um den Alltag bestmöglich zu bewältigen.

  • Nicht aufgeben: Auch in der häuslichen Umgebung das Training aus der Rehabilitation fortführen.
  • Bewegung: Regelmäßige Bewegung kann Druckgeschwüre, Gelenkversteifungen und Beinvenenthrombosen verhindern.
  • Selbsthilfegruppen: Die Zusammenkunft mit Menschen, die mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben, hilft bei der seelischen Auseinandersetzung mit der eigenen Erkrankung.
  • Gesunder Lebensstil: Achten Sie auf einen gesunden Lebensstil mit ausgewogener Ernährung und ausreichend Bewegung.
  • Risikofaktoren minimieren: Achten Sie darauf, dass Ihr Blutdruck nicht zu hoch ist, vermindern Sie Übergewicht, rauchen Sie nicht und trinken Sie Alkohol nur in Maßen.

Lebenserwartung nach einem Schlaganfall

Obwohl ein Schlaganfall noch immer eine recht häufige Todesursache ist, überleben ihn die meisten Menschen bei rechtzeitiger Behandlung. Der entstandene Schaden am Gehirn kann die Lebenserwartung allerdings in den darauffolgenden Monaten und Jahren erheblich beeinflussen. Das liegt zum einen daran, dass die zugrunde liegenden Erkrankungen, etwa Arteriosklerose oder Diabetes mellitus, auf vielfältige Art und Weise zu Komplikationen führen und die Lebenserwartung verkürzen können. Außerdem ist das Risiko für weitere Ereignisse stark erhöht: Etwa eine von zehn betroffenen Personen erleidet innerhalb eines Jahres erneut einen Schlaganfall.

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Mehr als 80 Prozent der Betroffenen überleben das erste Jahr nach dem Schlaganfall, mehr als die Hälfte der Betroffenen unter 50 Jahren auch die nächsten fünf. Das Alter ist ein entscheidender Faktor: Zum einen sinkt mit zunehmendem Alter die verbleibende Lebenserwartung nach einem Schlaganfall. Zum anderen ist die Erkrankung bei jüngeren Personen seltener unmittelbar lebensbedrohlich: Lediglich eine von 100 Personen unter 44 Jahren stirbt innerhalb der ersten Tage nach einem Hirnschlag im Krankenhaus, bei den über 90-Jährigen sind es 19 Prozent. Daneben spielt die Ursache für den Schlaganfall eine Rolle: An Hirnblutungen versterben kurz- und mittelfristig mehr Menschen als an einem ischämischen Infarkt.

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