Kotschmieren bei Demenz ist ein herausforderndes und belastendes Problem, sowohl für die Betroffenen als auch für ihre Angehörigen und Pflegekräfte. Es ist wichtig, die Ursachen dieses Verhaltens zu verstehen, um geeignete Behandlungs- und Betreuungsstrategien entwickeln zu können.
Was ist Kotschmieren?
Kotschmieren, auch bekannt als Koprophagie (Essen von Kot) und/oder unkontrolliertes Verschmieren von Stuhl, ist ein Verhalten, das bei Menschen mit Demenz auftreten kann. Es äußert sich durch das unkontrollierte Absetzen von Kot, oft verbunden mit dem Verschmieren des Stuhls an verschiedenen Orten, wie Händen, Kleidung, Wänden oder Möbeln.
Ursachen von Kotschmieren bei Demenz
Die Ursachen für Kotschmieren bei Demenz sind vielfältig und komplex. Es gibt sowohl neurologische als auch psychologische Faktoren, die zu diesem Verhalten beitragen können.
Neurologische Ursachen
Ein Team um Dr. Keith Josephs hat herausgefunden, dass bei Demenzpatienten mit Koprophagie in der Bildgebung eine moderate bis schwere mediale Temporallappenatrophie festgestellt wurde. Auch der Frontallappen war geschrumpft, wenngleich deutlich weniger. Die Neurologen um Josephs gehen davon aus, dass bei den Demenzpatienten infolge der medialen Temporallappenatrophie auch die Amygdala geschädigt wurde. Damit fehlt möglicherweise das Ekel- und Angstgefühl, das normalerweise eine Koprophagie verhindert. Für einen Schaden im Mandelkern spricht auch die fehlende Angst bei vielen der Patienten.
- Schädigung des Ekelgefühls: Ekel ist ein tief verwurzeltes Schutzprogramm, das uns vor Gesundheitsgefahren bewahren soll. Ist das Ekelgefühl ausgeschaltet, kann dies ein Zeichen für einen Defekt in einem essenziellen Teil des Gehirns sein. Die Amygdala, ein Teil des medialen Temporallappens, spielt eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen, einschließlich Ekel und Angst. Eine Schädigung der Amygdala kann dazu führen, dass das Ekelgefühl reduziert oder ganz ausgeschaltet ist, was die Hemmschwelle für Kotschmieren senkt.
- Beeinträchtigung der Impulskontrolle: Der Frontallappen ist für die Steuerung von Impulsen und sozial angemessenem Verhalten zuständig. Eine Schädigung des Frontallappens kann zu einer verminderten Impulskontrolle führen, was es den Betroffenen erschwert, das Kotschmieren zu unterlassen.
- Veränderte Wahrnehmung: Demenz kann die Wahrnehmung der eigenen Körperfunktionen beeinträchtigen. Betroffene spüren möglicherweise den Stuhldrang nicht oder können ihn nicht richtig interpretieren.
- Desorientierung: Menschen mit Demenz können sich in ihrer Umgebung desorientiert fühlen und nicht wissen, wo sich die Toilette befindet. Dies kann dazu führen, dass sie den Stuhlgang an ungeeigneten Orten verrichten.
Psychologische Ursachen
Neben den neurologischen Ursachen können auch psychologische Faktoren eine Rolle beim Kotschmieren spielen:
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- Unverarbeitete Traumata: In einigen Fällen kann Kotschmieren ein Ausdruck von unverarbeiteten Traumata oder emotionalem Stress sein.
- Langeweile und Isolation: Menschen mit Demenz, die sich langweilen oder isoliert fühlen, suchen möglicherweise nach Wegen, um sich zu beschäftigen oder Aufmerksamkeit zu erregen.
- Kommunikationsprobleme: Kotschmieren kann eine Form der nonverbalen Kommunikation sein, wenn Betroffene Schwierigkeiten haben, ihre Bedürfnisse oder Gefühle auszudrücken.
- Verlust der Würde: Inkontinenz und der Verlust der Kontrolle über die eigenen Körperfunktionen können für Menschen mit Demenz sehr beschämend sein. Kotschmieren kann ein Ausdruck von Hilflosigkeit und Verzweiflung sein.
Begleitende Symptome
Kotschmieren tritt häufig in Verbindung mit anderen Verhaltensauffälligkeiten bei Demenz auf:
- Aggressives Verhalten
- Sexuelle Hyperaktivität
- Das Verlangen, jegliche Art von Gegenständen zu verschlingen (Pica-Syndrom)
- Weglaufen
- Schreien und ständiges Rufen
- Verweigern von Nahrung, Medikamenten oder pflegerischen Maßnahmen
- Enthemmtes Verhalten, wie Entkleiden oder Urinieren in die Ecke
- Apathie und Teilnahmslosigkeit
Diagnose
Die Diagnose von Kotschmieren bei Demenz erfordert eine sorgfältige Anamnese und Beobachtung des Betroffenen. Es ist wichtig, die Begleitumstände des Verhaltens zu dokumentieren, um mögliche Auslöser oder Ursachen zu identifizieren.
- Neurologische Untersuchung: Eine neurologische Untersuchung kann helfen, organische Ursachen für das Kotschmieren auszuschließen oder zu identifizieren. Bildgebende Verfahren wie MRT oder CT können Veränderungen im Gehirn aufzeigen.
- Psychiatrische Untersuchung: Eine psychiatrische Untersuchung kann helfen, psychische Erkrankungen oder Traumata als Ursache für das Kotschmieren zu identifizieren.
- Beobachtung des Verhaltens: Eine genaue Beobachtung des Verhaltens des Betroffenen ist wichtig, um Muster und Auslöser zu erkennen. Fragen Sie sich: Tritt das Kotschmieren zu bestimmten Tageszeiten oder in bestimmten Situationen auf? Gibt es bestimmte Personen oder Umgebungen, die das Verhalten auslösen?
- Ausschluss anderer Ursachen: Es ist wichtig, andere mögliche Ursachen für das Kotschmieren auszuschließen, wie z.B. Infektionen, Medikamentennebenwirkungen oder Verstopfung.
Behandlung und Betreuung
Die Behandlung von Kotschmieren bei Demenz ist komplex und erfordert einen individuellen Ansatz. Es gibt keineStandardtherapie, die für alle Betroffenen gleichermaßen wirksam ist. Ziel der Behandlung ist es, die Ursachen des Verhaltens zu minimieren, die Lebensqualität des Betroffenen zu verbessern und die Belastung für die Angehörigen und Pflegekräfte zu reduzieren.
Nicht-medikamentöse Maßnahmen
Nicht-medikamentöse Maßnahmen spielen eine zentrale Rolle bei der Behandlung von Kotschmieren bei Demenz.
- Anpassung der Umgebung: Gestalten Sie die Umgebung des Betroffenen so sicher und angenehm wie möglich. Sorgen Sie für eine gute Beleuchtung, eine vertraute Umgebung und eine einfache Orientierung. Vermeiden Sie unnötige Reize und Ablenkungen.
- Regelmäßige Toilettengänge: Führen Sie regelmäßige Toilettengänge ein, um den Stuhldrang zu kontrollieren und Unfälle zu vermeiden. Achten Sie auf die individuellen Gewohnheiten des Betroffenen und bieten Sie ihm Unterstützung beim Toilettengang an.
- Hautpflege: Achten Sie auf eine sorgfältige Hautpflege im Analbereich, um Hautreizungen und Infektionen vorzubeugen. Verwenden Sie milde Reinigungsmittel undFeuchtigkeitscremes.
- Beschäftigung und Aktivierung: Bieten Sie dem Betroffenen altersgerechte und sinnvolle Beschäftigungen an, um Langeweile und Isolation zu vermeiden. Fördern Sie soziale Kontakte undInteraktionen.
- Kommunikation: Versuchen Sie, mit dem Betroffenen zu kommunizieren, auch wenn er sich nicht mehr verbal äußern kann. Verwenden Sie nonverbale Kommunikation, wie z.B. Berührungen, Blickkontakt und Mimik. Zeigen Sie Empathie und Verständnis für seine Gefühle.
- Validation: Die Validation ist ein Ansatz, der darauf abzielt, die Gefühle und Bedürfnisse des Menschen mit Demenz anzuerkennen und zu bestätigen, auch wenn sie nicht rational erscheinen. Dies kann helfen, Ängste und Frustrationen zu reduzieren und das Vertrauen zu stärken.
- Personenzentrierte Pflege: Die personenzentrierte Pflege stellt die individuellen Bedürfnisse und Wünsche des Menschen mit Demenz in den Mittelpunkt. Ziel ist es, ihm ein Gefühl von Autonomie, Würde und Selbstwert zu vermitteln.
- Schutz vor Verletzungen: Entfernen Sie Gegenstände, mit denen sich der Betroffene verletzen könnte. Verwenden Sie weiche Unterlagen und schützen Sie die Wände vor Verschmutzung. In manchen Fällen kann es notwendig sein, den Betroffenen mit spezieller Kleidung, wie z.B. einem einteiligen Anzug mit Fausthandschuhen, vor dem Kotschmieren zu schützen.
- Supervision und Unterstützung: Pflegende Angehörige und Pflegekräfte benötigenSupervision und Unterstützung, um mit derBelastung durch das Kotschmieren umgehen zu können. Sprechen Sie mit anderen Betroffenen, suchen Sie professionelle Hilfe und nehmen Sie an Schulungen und Fortbildungen teil.
Medikamentöse Behandlung
Eine medikamentöse Behandlung von Kotschmieren bei Demenz sollte nur in Ausnahmefällen und unter sorgfältiger Abwägung der Risiken und Nutzen erfolgen.
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- Neuroleptika: In einigen Fällen können Neuroleptika helfen, aggressive oder unruhige Verhaltensweisen zu reduzieren, die mit dem Kotschmieren einhergehen. Allerdings sollten Neuroleptika nur kurzfristig und in niedriger Dosierung eingesetzt werden, da sie erhebliche Nebenwirkungen haben können. Nach den bislang eher dürftigen Erkenntnissen sei noch am ehesten Haloperidol als Therapeutikum vorzuschlagen, schreiben die US-Neurologen.
- Antidepressiva: Wenn das Kotschmieren mit Depressionen oder Angstzuständen einhergeht, können Antidepressiva helfen, die Symptome zu lindern.
- Stuhlregulierende Medikamente: Bei Verstopfung können stuhlregulierende Medikamente helfen, den Stuhlgang zu erleichtern und das Kotschmieren zu reduzieren.
Weitere Maßnahmen
- Behandlung von Begleiterkrankungen: Die Behandlung von Begleiterkrankungen, wie z.B. Infektionen oder Schmerzen, kann dazu beitragen, das Kotschmieren zu reduzieren.
- Ernährungsumstellung: Eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Ballaststoffen kann helfen, die Stuhlkonsistenz zu regulieren und Verstopfung vorzubeugen.
- Physiotherapie: Eine Physiotherapie kann helfen, die Beckenbodenmuskulatur zu stärken und die Kontinenz zu verbessern.
- Operative Maßnahmen: In seltenen Fällen kann eine operative Korrektur vonSchließmuskelschäden oder einem Rektumprolaps erforderlich sein.
Umgang mit der Situation
Kotschmieren bei Demenz ist eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Es ist wichtig, sich nicht zu schämen und sich professionelle Hilfe zu suchen.
- Sprechen Sie offen über das Problem: Sprechen Sie mit Ihrem Arzt, Ihrer Familie und Ihren Freunden über das Problem. Schämen Sie sich nicht, Hilfe anzunehmen.
- Suchen Sie professionelle Beratung: Eine professionelle Beratung kann Ihnen helfen, die Ursachen des Kotschmierens zu verstehen und geeignete Behandlungsstrategien zu entwickeln.
- Nehmen Sie an Selbsthilfegruppen teil: Der Austausch mit anderen Betroffenen kann Ihnen helfen, sich nicht allein zu fühlen und von den Erfahrungen anderer zu lernen.
- Achten Sie auf sich selbst: Pflegen Sie Ihre eigenen Bedürfnisse und nehmen Sie sich Zeit fürEntspannung und Erholung. Die Pflege eines Menschen mit Demenz ist sehr anstrengend und es ist wichtig, auf die eigene Gesundheit zu achten.
Prävention
Es gibt keine spezifischen Maßnahmen, um Kotschmieren bei Demenz vorzubeugen. Allerdings können folgende Maßnahmen dazu beitragen, das Risiko zu reduzieren:
- Frühe Diagnose und Behandlung von Demenz: Eine frühe Diagnose und Behandlung von Demenz kann helfen, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen und die Symptome zu lindern.
- Förderung der körperlichen und geistigen Gesundheit: Eine gesunde Lebensweise mit ausreichend Bewegung, einer ausgewogenen Ernährung und regelmäßiger geistiger Aktivität kann dazu beitragen, die kognitiven Fähigkeiten zu erhalten und das Risiko von Demenz zu reduzieren.
- Unterstützung der sozialen Kontakte: Fördern Sie soziale Kontakte undInteraktionen, um Isolation und Einsamkeit vorzubeugen.
- Schaffung einer sicheren und angenehmen Umgebung: Gestalten Sie die Umgebung des Menschen mit Demenz so sicher und angenehm wie möglich, um Stress und Angstzustände zu reduzieren.
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